Wolfgang Vogelsang, LL.M (London)
wissenschaftlicher Assistent Lehrstuhl Prof. Dr. Stephan Lorenz Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht IV ZPO-Erkenntnisverfahren 4. Arbeitsgemeinschaft Zulässigkeit der Klage III
Fall 6: "Don't play it again, Sam!" (vgl. BGHZ 52, 150) B verkauft an M ein Grundstück und bewilligt eine Auflassungsvormerkung. M verkauft anschließend das Grundstück an K und tritt ihm den Auflassungsanspruch ab. Da B den Vertrag mit M für unwirksam hält, verklagt er nach der Abtretung M auf Einwilligung zur Löschung der Vormerkung. Die Klage wird rechtskräftig abgewiesen. Nunmehr klagt K gegen B auf Auflassung. Muß das Gericht die Wirksamkeit des Kaufvertrags
zwischen A und B erneut prüfen?
Lösung:
Zwar hat M. an den Kläger unter anderem seinen angeblichen Anspruch auf Auflassung des Grundstücks abgetreten; es bestehen auch keine Bedenken gegen die Zulässigkeit solcher Abtretungen (RGZ 53,268,270; III, 298,300 f). Für eine Anwendung des § 325 Abs. 1 ZPO fehlt es aber [...] an dem weiteren [52,152] Tatbestandsmerkmal, daß die Abtretung n a c h Eintritt der Rechtshängigkeit stattgefunden haben muß. Der notarielle Kaufvertrag zwischen M. und dem Kläger, in dessen Rahmen der Auflassungsanspruch abgetreten wurde, datiert bereits vom 19. April 1960, während der Rechtsstreit zwischen dem jetzigen Beklagten und M. erst mit der Klagezustellung am 24. Juni 1960 seinen Anfang nahm (§ 253 Abs. 1, § 263 Abs. 1 ZPO). Die Abtretung, mit der die Rechtsnachfolge bewirkt wurde, lag also zeitlich v o r der Rechtshängigkeit des Vorprozesses. Das bedeutet, daß dieser Prozeß von dem Rechtsvorgänger des jetzigen Klägers, soweit es sich um den Auflassungsanspruch handelt, als von einer zur Sache nicht (mehr) legitimierten Partei geführt wurde. In einem solchen Fall beeinflußt die Prozeßführung den verfahrensrechtlichen Stand des wahren Rechtsinhabers weder im günstigen noch im nachteiligen Sinne (Stein/Jonas/Schönke, ZPO 18. Aufl. § 325 Anm. II 3).
Der Umstand, daß der jetzige Beklagte im Vorprozeß die Rolle der Klagepartei innehatte, würde einer Anwendung des § 407 Abs. 2 BGB auf den hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht entgegenstehen (BGHZ 35,165,170; BGB-RGRK 11. Aufl. § 407 Anm. 5 Abs. 2; Stein/Jonas/Schönke aaO § 325 Anm. II 3). Seine Anwendbarkeit entfällt jedoch aus einem anderen Grunde. § 407 Abs. 2 BGB führt nämlich als eine dem Schuldnerschutz dienende Vorschrift - anders als § 325 ZPO - zu einer Rechtskrafterstreckung nur gegen [52,153 21] den Zessionar und nicht auch zu seinen Gunsten (RG Gruchot 55,383,386; RGRK aaO § 407 Anm. 5; Enneccerus/Lehmann, Lehrbuch des Schuldrechts 15. Bearb. § 80 I 2; Erman/Westermann, BGB 4. Aufl. § 407 Anm. 4; Stein/Jonas/Schönke aaO § 325 Anm. II 3; Baumbach/Lauterbach, ZPO 29. Aufl. § 325 Anm. 2 A b am Ende; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts 9. Aufl. § 151 II 2; - anderer Meinung Oertmann, BGB 5. Aufl. § 407 Anm. 2 d; Hellwig, Wesen und subjektive Begrenzung der Rechtskraft § 57 II 2, S. 404; Wieczorek, ZPO § 325 Anm. C III a 1; - offen gelassen bei Planck/Siber, BGB 4. Aufl. § 407 Anm. 2). Der Kläger als Zessionar kann sich daher nicht auf die genannte Vorschrift berufen. a) Dies ergibt sich einmal aus dem klaren Gesetzeswortlaut ("so muß der neue Gläubiger das Urteil gegen sich gelten lassen ..."). Es handelt sich also um eine dem Schuldner nachgelassene Einwendung (RG SeuffArch 75,166 f). Die Auslegung, daß auch er das Urteil gegen sich gelten lassen müsse, steht im Widerspruch zum Gesetz. Gegen eine ausdehnende analoge Anwendung des § 407 Abs. 2 BGB spricht der Ausnahmecharakter der Bestimmung. b) Eine Erstreckung der Rechtskraft
zugunsten
des Zessionars verstieße gegen den Zweck der Vorschrift. § 407
BGB enthält das Kernstück der dem Schutz des gutgläubigen
Schuldners dienenden Vorschriften der §§ 407 ff BGB (Staudinger/Werner,
BGB 9. Aufl. § 407 Vorbem. vor Anm. I; BGHZ 11,298,301). Dieser Schutz
wird gewährt, weil sich der Gläubigerwechsel nach § 398
Satz 2 BGB ohne das Erfordernis einer Anzeige an den Schuldner vollzieht.
|