Wolfgang Vogelsang, LL.M (London)
wissenschaftlicher Assistent
Lehrstuhl Prof. Dr. Stephan Lorenz
Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht
IV
ZPO-Erkenntnisverfahren
4. Arbeitsgemeinschaft
Zulässigkeit der Klage
III
Fall 9:
"Steht auf, wenn ihr Bayern seid!" Examen IV
Löwe, der an der Uni Augsburg
Jura studiert, wettet mit Roth, dem Hausmeister seines in Haunstetten liegenden
Wohnheims, um DM 500, daß der FC Bayern in der Saison 1999/2000 nicht
deutscher Fußballmeister werde. Während des Semesters weilt
Löwe von Dienstag bis Freitag im Wohnheim, ansonsten wohnt noch bei
seinen Eltern in Ulm.
Nachdem die Bayern am letzten Spieltag
wieder einmal die Gnade der späten Meisterschaft erleben dürfen,
weigert sich Löwe zu zahlen, da er das Geld zur Frustbewältigung
benötigt habe. Daraufhin erhebt Roth vor dem AG Augsburg Klage. In
der mündlichen Verhandlung am 13.6.2000 rügt Löwe die Zuständigkeit
des AG und beantragt, die Klage als unzulässig abzuweisen.
Wie wird das AG entscheiden?
Lösung:
Das AG wird der Klage stattgeben, wenn sie zulässig
und begründet ist.
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Zulässigkeit der Klage
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Die Klage könnte wegen örtlicher Unzuständigkeit
des AG Augsburg unzulässig sein.
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Der allgemeine Gerichtsstand der §§ 12,
13 ZPO scheidet aus, da B in Augsburg keinen Wohnsitz hat. Der Begriff
des Wohnsitzes wird in der ZPO selbst nicht definiert. Es muß daher
auf die §§ 7 ff. BGB zurückgegriffen werden. Gem. §
7 Abs. 1 BGB wird ein selbständiger Wohnsitz dadurch begründet,
daß sich jemand an einem Ort ständig niederläßt,
in der Absicht, ihn zum räumlichen Mittelpunkt seiner gesamten Lebensverhältnisse
- dem räumlichen Schwerpunkt seines Lebens - zu machen. Folglich hat
L seinen Wohnsitz in Ulm.
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Zu prüfen ist daher, ob in Augsburg ein besonderer
Gerichtsstand gegeben ist.
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In Betracht kommen könnte der besondere Gerichtsstand
des Aufenthaltsort gem.§ 20 ZPO. Die Anwendung des § 20 ZPO setzt
zunächst voraus, daß der Beklagte einen anderweitigen Wohnsitz
hat. Das ist der Fall.
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Des weiteren müssen die Verhältnisse des
Aufenthalts ihrer Natur nach auf längere Dauer hinweisen. Ist dies
der Fall, so ist die sich daran anschließende Verweildauer unerheblich.
B hat in Augsburg einen länger dauernden Aufenthalt zu Erreichung
eines bestimmten Zwecks (Studium). Als eine in einem Ausbildungsverhältnis
stehende Person hält er sich nicht lediglich vorübergehend in
der Stadt auf. Zudem gehört er als Student zu den von § 20 ZPO
exemplarisch aufgeführten Personenkreisen.
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Schließlich greift § 20 ZPO nur bei vermögensrechtlichen
Ansprüchen ein. Da R auf Schadensersatz in Geld klagt, liegt eine
vermögensrechtliche Streitigkeit vor. Der Entstehungsgrund dieser
Ansprüche ist gleichgültig, ein Zusammenhang mit dem Aufenthalt
nicht erforderlich
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L hat daher gem. § 20 ZPO einen besonderen Gerichtsstand
in Augsburg, so daß das AG Augsburg ist für die Klage örtlich
zuständig ist.
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Die Klage könnte jedoch mangels Klagbarkeit des
von R geltend gemachten Anspruchs unzulässig sein. Die Klagbarkeit
eines Anspruchs kann durch Gesetz (ausdrücklich oder stillschweigend)
oder durch Parteivereinbarung ausgeschlossen sein. Fehlt sie, ist die Klage
unzulässig.
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Gem. § 762 Abs. 1 BGB
wird durch Spiel oder Wette eine Verbindlichkeit nicht begründet.
Daraus folgt für Teile der Lit., daß Wettschulden nicht klagbar
sind (1). Nach h.M. wird im Fall des § 762
Abs. 1 BGB überhaupt keine Verbindlichkeit begründet, sondern
liegt nur ein Erwerbsgrund vor, so daß eine gleichwohl erhobene Klage
nicht unzulässig, sondern unbegründet ist (2).
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Die Mindermeinung verkennt
den Begriff der Klagbarkeit. Diese liegt nur im Falle mangelnder Rechtsgarantie
(die Verbindlichkeit ist vollkommen, aber unklagbar), nicht aber im Falle
mangelnder Rechtsqualität (die Verbindlichkeit ist materiell-rechtlich
unvollkommen) vor. Das Gesetz bestimmt im Falle des § 762 BGB, daß
ein Wettschuld weder gerichtlich oder außergerichtlich erzwungen
(etwa durch Aufrechnung oder mittels eines Zurückbehaltungsrechts)
noch indirekt (etwa durch Bürgschaft, abstraktes Schuldanerkenntnis)
werden kann. Daraus folgt, daß es sich bei § 762 BGB nicht um
eine unklagbare, sondern um eine qualitativ unvollkommene Verbindlichkeit
handelt (3).
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Somit ist die Klage auch nicht mangels Klagbarkeit
unzulässig
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Begründetheit der Klage
Die Klage ist jedoch gem. § 762 Abs. 1BGB
unbegründet, da durch Wette keine Verpflichtung des L zur zu einem
Tun oder Unterlassen des R begründet werden kann.
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Das AG Augsburg hat daher die Klage als unbegründet
abzuweisen.
FN 1: Vgl.
Zöller/Greger, vor § 253 Rdnr. 19
(zurück).
FN 2: Stech,
ZZP 77 (1964), 161, 170 ff; MünchKomm/Lüke, vor § 253 Rdnr.
9; Rosenberg-Schwab/Gottwald,§ 93 II 2 a
(zurück).
FN 3: Eingehend
Stech, ZZP 77 (1964), 161, 171 , 172
(zurück). |