Wolfgang Vogelsang, LL.M (London)
wissenschaftlicher Assistent
Lehrstuhl Prof. Dr. Stephan Lorenz 
 
 
Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht IV

 ZPO-Erkenntnisverfahren

2. Arbeitsgemeinschaft

 Zulässigkeit der Klage I
Klageschrift - Rechtsweg-, funktionelle, sachliche und örtliche Zuständigkeit

 

Fall 8:          "Salamitaktik I"

K macht einen Anspruch auf DM 15.000 in drei gleichzeitig erhobenen Teilklagen auf je DM 5.000 vor dem AG geltend. 

Sind die Klagen zulässig? 
 
 

Lösung:

Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

  1. Die Klage könnte wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit des AG unzulässig sein.

  2. Gem. § 23 Nr. 1 GVG sind die Amtsgerichte sachlich zuständig für Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldwert die Summe von DM10.000 nicht übersteigt. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts besteht insbesondere auch dann, wenn der Kläger aus einem an sich zur landgerichtlichen Zuständigkeit gehörenden (teilbaren) Anspruch eine (auch verdeckte) Teilklage mit einem Streitwert bis 10 000,- DM vor dem Amtsgericht erhebt (1). Das AG ist daher für die Klagen sachlich zuständig.
  3. Die Klagen könnten aber wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses unzulässig sein.

  4. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, der auch das Zivilprozeßrecht beherrscht, verdient ein Rechtsgebrauch dann keinen Rechtsschutz, wenn er Zwecken dient, die zu schützen unter keinem denkbaren Gesichtpunkt zu rechtfertigen ist (2)
    Nach h.M. (3) ist die Erhebung mehrerer gleichzeitiger Teilklagen bis zur Höhe des Gesamtanspruchs rechtsmißbräuchlich. Diese Ansicht verdient Zustimmung, da die Aufgliederung des Anspruchs in Teilklagen nicht nur die sachliche Zuständigkeit verschiebt, sondern auch den Rechtsmittelzug verändert und die Gerichts- und Anwaltskosten vergrößert. U.U. läßt sie die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung des Kl. zu (§ 708 Nr. 11 ZPO) (4). Für diese "Zuständigkeitserschleichung" fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.
  5. Die Teilklagen sind daher unzulässig (und nach wohl h.M. durch Prozeßurteil als unzulässig abzuweisen. Die bessere Lösung ist, dem Kl. zunächst die Möglichkeit zu eröffnen [vgl. § 139 Abs. 2 ZPO], einen Antrag auf Verbindung der Teilklagen [§ 147 ZPO] und Verweisung an das LG zu stellen [§ 506 ZPO analog]). 

FN 1: BGH NJW 1997, 1990; vgl. auch Musielak/Wittschier, § 23 GVG Rdnr. 5 m.w.N. (zurück).

FN 2: BGH NJW 1987, 1947 (zurück).

FN 3: OLG Hamm, OLGZ 1987, 336, 337; LG Berlin, JW 1931, 1766; Stein, Jonas7Roth, § 2 Rdnr. 32; Baumbach/Hartmann, § 2 Rdnr. 7); Rosenberg,/Schwab/Gottwald, § 32 II 1; aA. Zeiss, Die arglistige Prozesspartei, 1967, S. 81 ff; Zimmermann, § 1 Rdnr. 2 (zurück).

FN 4: Peters, Zivilprozeßrecht, 4.Aufl., S. 13 (zurück).

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