Wolfgang Vogelsang, LL.M (London)
wissenschaftlicher Assistent Lehrstuhl Prof. Dr. Stephan Lorenz ZPO-Erkenntnisverfahren 2. Arbeitsgemeinschaft Zulässigkeit der Klage
I
Fall 9: " Ich geb Gas, ich will Spaß..." (vgl. BGH NJW 1992, 1684) Der in Augsburg wohnhafte B leiht sich von seiner in Stuttgart wohnenden Bekannten K deren Porsche Carrera. Kurz vor Flensburg läßt er sich mit einem BMW-Fahrer auf ein Rennen ein und verliert bei Tempo 250 km/h die Kontrolle über das Fahrzeug. Wie durch ein Wunder übersteht er den Unfall jedoch unverletzt. K möchte B auf Schadensersatz in Höhe von DM 125.000 in Anspruch nehmen. Vor welchen Gerichten kann sie B verklagen?
Lösung: Zu prüfen ist, welche Gerichte für die Klage der K sachlich und örtlich zuständig sind.
Die K fordert Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Rückgabepflicht aus dem mit dem B geschlossenen Leihvertrag, so daß eine Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis vorliegt. Für den Anspruch auf Schadensersatz ist grundsätzlich der Ort Leistungsort, an welchem die geschuldete Verbindlichkeit hätte erbracht werden müssen. Zu prüfen ist also, wo B seine Rückgabeverpflichtung hätte erfüllen müssen (1). Gem. § 269 Abs. 1 BGB kommt es auf den Wohnsitz des Schuldners an, hier also Augsburg, falls der Leistungsort weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen ist. Für eine entsprechende Parteibestimmung gibt der Sachverhalt nichts her (weshalb sich auch nicht die Frage stellt, ob eine solche Vereinbarung zuständigkeitsbegründende Wirkung hätte, vgl. § 29 Abs. 2 ZPO). Allerdings könnte hier wegen der "Natur des Schuldverhältnisses" der Erfüllungsort in Stuttgart liegen. Nach allgemeiner Auffassung (2) ergibt sich aus der Unentgeltlichkeit des Leihvertrags in aller Regel, daß der Entleiher die Sache am Wohnort des Verleihers bzw. an dessen gewerblicher Niederlassung zurückzugeben hat. Erfüllungsort einer eventuellen vertraglichen Schadensersatzpflicht ist daher Stuttgart, so daß Hierfür ist zu prüfen, ob der von K vorgetragene Sachverhalt als unerlaubte Handlung zu qualifizieren ist. Das deutsche bürgerliche Recht versteht unter eine unerlaubten Handlung alle außervertraglichen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffe in den Rechtskreis eines anderen sowie die außervertraglichen Handlungen, die ohne ein Verschulden die Rechtsfolge der unerlaubten Handlung nach sich ziehen. (4) Hier kommt eine Haftung des B gem. §§ 823 Abs. 1 BGB, 18 StVG wegen Eigentumsverletzung, also deliktische Ansprüche der K in Betracht. Begehungsort ist einmal jeder Ort, an dem tatbestandsmäßige Ausführungshandlungen, auch Teilakte, vorgenommen worden sind (sog Handlungsort) .Entscheidend ist, daß die Handlung Außenwirkungen gezeitigt und über das Stadium bloßer Vorbereitungshandlungen hinausgekommen ist. Begehungsort ist aber auch der Ort, dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (sog. Erfolgsort). Der Schadensort als solcher ist ohne Belang. Nur wenn der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört, ist der Ort des Schadenseintritts Verletzungs- und damit Begehungsort (5). Handlungs- wie Erfolgsort einer eventuellen unerlaubten Handlung des B liegen im Bezirk des LG Flensburg. unerlaubter Handlung - zuständig FN 1: MünchKomm/Patzina, § 29 Rdnr. 18 (zurück). FN 2: Vgl. statt aller MünchKomm-BGB/Kollhosser, 3. Aufl., § 604 Rdnr. 6 (zurück). FN 3: so mit Recht der BGH (NJW 1996, 1411, 1412 f. mit zahlreichen Nachweisen zur Gegenauffassung) (zurück). FN 4: Stein/Jonas/Schumann, § 32 Rdnr. 16, 18 (zurück). FN 5: Vgl Zöller/Vollkommer, § 32 Rdnr. 16 (zurück). |