Zu Absatz 1
Zu Satz 1
Zu Buchstabe a)
dass eine Benachteiligung nicht vorliegt, wenn das Abstellen auf die Rasse
oder ethnische
Herkunft eine wesentliche berufliche Anforderung darstellt und das Vorliegen
oder
Nichtvorliegen dieses Merkmals für die Durchführung der beruflichen
Tätigkeit angemessen
und erforderlich ist. Dies übernimmt Nummer 1 Buchstabe a), soweit er
bestimmt, dass bei
Tätigkeiten dann auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines der an sich
verbotenen Merkmale
abgestellt werden darf, wenn dessen Vorhandensein oder Fehlen eine
unverzichtbare
Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. Bei den hier angesprochenen
Diskriminierungsmerkmalen
wird das nur sehr selten der Fall sein.
Anders liegt es dagegen beim Alter und bei der Behinderung. Hier können das
Alter oder
eine Behinderung durchaus ein Hindernis oder eine sachliche Voraussetzung
für eine Tätigkeit
sein. Deshalb sieht Nummer 1 Buchstabe b) vor, dass die Berücksichtigung des
Alters
oder einer Behinderung möglich ist, wenn sie durch sachliche Gründe
gerechtfertigt ist. Auch
insoweit ist also eine Güterabwägung erforderlich. Deshalb wird es, um auf
das Alter oder
die Behinderung abstellen zu können, künftig nicht genügen, die
Notwendigkeit einer solchen
Unterscheidung nur pauschal zu behaupten. Vielmehr muss die Notwendigkeit,
auf das
Merkmal abzustellen, als ein objektiver Anhaltspunkt dargelegt und unter
Berücksichtigung
der zur praktischen Handhabung erforderlichen pauschalierenden
Betrachtungsweisen gegebenenfalls
auch bewiesen werden.
Zu Nummer 2
Nummer 2 regelt den Interessenausgleich bei Zugang zu und bei der Versorgung
mit Waren
und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen,
einschließlich von Wohnraum.
Angebote stehen der Öffentlichkeit zur Verfügung, wenn sie an eine
unbestimmte Zahl
von Menschen gerichtet sind. Gemeint sind also Angebote in Anzeigen,
Werbezetteln, Tageszeitungen,
auf Plakaten, an und in Geschäften oder auch im Internet. In diesen
Situationen
sucht der private oder unternehmerische Anbieter solcher Angebote die
Öffentlichkeit
und damit auch den direkten Kontakt zu seinen potenziellen Vertragspartnern.
Spezifisch für
diese Situationen ist der Umstand, dass der Anbieter nicht nur die Menschen
trifft, mit denen
er Verträge schließen will, sondern – bei einem diskriminierenden
Verhalten – gerade auch
diejenigen, die er ausgrenzen will. Aus diesem Grund muss die Rechtsordnung
an sein Verhalten
in der Öffentlichkeit strengere Anforderungen stellen, als wenn er andere
Menschen
mit seinem Verhalten nicht konfrontiert. Entsprechendes gilt bei Verträgen,
die Gesundheits-
versorgung, z. B. den privatrechtlichen Behandlungsvertrag, und Bildung in
Privatrechtsform,
z. B. Privatunterricht, zum Gegenstand haben. Hier sind wegen der Bedeutung
solcher Verträge
für den Einzelnen ebenfalls strengere Maßstäbe anzulegen.
Es gibt kein Angebot für Waren oder Dienstleistung, die der Öffentlichkeit
zur Verfügung stehen,
das ein Anbieter von der Rasse oder ethnischen Herkunft abhängig machen
kann, ohne
von einem solchen Angebot ausgegrenzten Menschen in ihrer Würde zu
verletzen. Deshalb
lässt die Richtlinie 2000/43/EG eine solche Ungleichbehandlung nicht zu. Bei
den Diskriminierungsmerkmalen
Geschlecht, sexuelle Identität, Alter und Behinderung lässt sich das
nicht für alle Fallgestaltungen mit dieser Sicherheit sagen. Der Zugang zu
und die Versorgung
mit Waren und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung
stehen, erfasst
praktisch zwar die gesamte Breite des Vertragsrechts in seinen zahlreichen
Verästelungen.
Doch werden selbstverständlich die weitaus meisten Rechtsgeschäfte keinen
nachvollziehbaren
Anlass für eine unterschiedliche Behandlung aus Gründen des Geschlechts,
der sexuellen
Identität, des Alters oder einer Behinderung geben. Deshalb ist eine
Ungleichbehandlung
insoweit auch untersagt. Es lässt sich aber andererseits auch nicht
ausschließen,
dass es bei bestimmten Geschäften oder Arten von Geschäften einen
nachvollziehbaren
Anlass für solche Differenzierungen gibt. Diesem Interesse des Anbieters
soll mit Nummer 1
Rechnung getragen werden. Berücksichtigt werden kann dabei allerdings nicht
jedes Anliegen,
das ein Anbieter haben kann. Die Würde der Betroffenen zwingt dazu, nur
sachliche
Gründe zuzulassen. Sachlich ist ein Grund, wenn er nicht nur Ausdruck des
persönlichen
Gutdünkens ist, sondern einen Bezug zum Inhalt des fraglichen
Rechtsgeschäfts hat und
auch für den durchschnittlichen Betrachter nachzuvollziehen ist. Dieser
sachliche Grund
muss die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Dies lässt sich nur aufgrund
einer Güterabwägung
beurteilen, in welcher das Interesse des Anbieters mit den Interessen des von
der beabsichtigten
Ungleichbehandlung Betroffenen abgewogen wird. Eine Ungleichbehandlung ist
danach gerechtfertigt, wenn sie sich auch bei fallgruppenbezogener
pauschalierender Betrachtung
als geboten erweist.
Das Erfordernis des sachlichen Grundes soll dazu beitragen, dass das
Abstellen auf solche
Merkmale stärker hinterfragt wird. Es wird eine Objektivierung
vertragsrechtlich relevanten
Verhaltens erreicht. Diese Objektivierung ist bei einem Abstellen auf die
Merkmale der Religion
und der Weltanschauung nur schwer erreichbar. Hier ist der Tatbestand des
sachlichen
Grundes weiter auszulegen und in stärkerem Maß, als bei den anderen
Merkmalen Abwägungen
zuzulassen. Die Merkmale der Religion und der Weltanschauung enthalten
bereits in
sich wertende Elemente und sind festen Kategorisierungen nicht ohne weiteres
zugänglich.
Außerdem stehen sich beim Zusammentreffen unterschiedlicher religiöser oder
weltan-
schaulicher Überzeugungen zwei Grundrechtsträger gegenüber, deren
subjektive Grundrechtspositionen
grundsätzlich gleichermaßen schützenswert sind. Im Gegenzug stellt sich
die Differenzierung wegen einer bestimmten Weltanschauung auch nicht von
vornherein in
dem gleichen Maße als verurteilenswert dar, wie z.B. die Differenzierung
wegen einer bestimmten
ethnischen Herkunft. Das führt dazu, dass hier Freiräume für Wertungen
eröffnet
werden und in deren Gefolge auch zulässige Unterscheidungen in einem
bestimmten Ausmaß
möglich sein müssen. Deshalb sollen auch andere weitere, einer Wertung
zugängliche
Umstände Berücksichtigung finden dürfen: Diese müssen aber dennoch eine
nachvollziehbare,
wenn auch subjektive Elemente enthaltende Rechtfertigung begründen.
Anderenfalls
würde die Regelung dem grundrechtlichen Schutz von Religion und
Weltanschauung nicht
gerecht. Andererseits würde es dem Schutzzweck des Gesetzes wiederum nicht
entsprechen,
wenn jedes völlig willkürliche Verhalten eine Ungleichbehandlung erlauben
würde. Die
Ungleichbehandlung muss vielmehr unter Berücksichtigung der Freiheit von
Religion und
Weltanschauung sachlich zu rechtfertigen sein.
In Fällen, in denen die Religion nur als Vorwand für eine Differenzierung
aus Gründen der
Rasse oder der ethnischen Herkunft vorgeschoben wird, ist die Zulässigkeit
einer Unterscheidung
allerdings an den für diese Merkmale heranzuziehenden objektivierbaren
Rechtfertigungsgründen
zu messen, wonach eine zulässige Unterscheidung nur ausnahmsweise
gegeben sein wird.
Zu Satz 2
Nicht selten kann ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung
angeführt werden,
der grundsätzlich auch anerkennenswert ist. Die Erfahrung von Menschen mit
Behinderungen
hat aber gezeigt, dass aus dem Vorliegen eines an sich berechtigten Anliegens
zu
schnell der Schluss gezogen wird, dass eine Unterscheidung zwischen Menschen
mit Behinderung
und Menschen ohne Behinderung gemacht wird. Diese für Menschen mit
Behinderung
bedrückende Konsequenz muss aber nicht immer, jedenfalls nicht immer in der
Schärfe gezogen werden. Vielfach würde dem Anliegen auch Rechnung getragen
werden
können, wenn man den Vertrag und seine Bedingungen etwas anders ausgestaltet
oder den
Vertrag etwas anders durchführt. Diese Erfahrung lässt sich auf die anderen
Merkmale übertragen.
Deshalb soll ein sachlicher Grund nach Satz 2 nur anerkannt werden, wenn eine
solche Gestaltung oder Durchführung nicht zumutbar ist. Damit soll erreicht
werden, dass vor
einer unterschiedlichen Behandlung zunächst die Frage gestellt wird, ob sich
diese nicht
durch eine andere Gestaltung vermeiden lässt. Erst wenn das nicht geht, soll
es zu der Unterscheidung
kommen. Das kann und soll umgekehrt aber auch nicht dazu führen, dass das
Anliegen des anderen Teils entwertet wird. Will z. B. eine Kirchengemeinde
für ihren Kindergarten
nur Betreuerinnen und Betreuer einsetzen, die ihrer Religionsgemeinschaft
angehören,
weil sie den Kindergarten als Teil ihrer Verkündigung betrachtet, so kann
ihr auch unter
Berücksichtigung des ausgeführten Gedankens nicht zugemutet werden, in
einem Einzelfall
doch eine Betreuerin einzustellen, die der Religionsgemeinschaft nicht
angehört, etwa mit
der Begründung, sie habe noch genügend andere Betreuerinnen und Betreuer.
Dies würde
das Anliegen gerade entwerten, das gerade nicht durch eine andere Gestaltung
(auch) verwirklicht
werden kann.