Begründung Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Reformbedürfnis

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll der Schutz vor Diskriminierungen im Sinne des Artikels 3 des Grundgesetzes verbessert werden. Er setzt die Vorgaben folgender EU-Richtlinien um:

-Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft,

-Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und der

-Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen.

Er berücksichtigt darüber hinaus die kurz vor der Verabschiedung stehende Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen [noch nicht erlassen, Vorschlag von 5. November 2003 – KOM(2003) 657 endgültig – Fassung vom 6. Oktober 2004].

Internationale Bemühungen

Der Gesetzentwurf steht im Zusammenhang mit der internationalen Weiterentwicklung des Schutzes aller Menschen vor Diskriminierung:

Die Grundüberzeugung, dass alle Menschen in ihrer Würde, ihrem Wert und ihrem Rang gleich sind, hat seit der Aufklärung und den bürgerlichen Revolutionen in England, den USA und Frankreich zunehmend Eingang in das Recht gefunden.

Rassismus und Diskriminierungen wegen der Rasse waren die ersten Formen der Diskriminierung, mit denen sich die internationale Gemeinschaft befasste. Es ging zunächst um das Verbot der Sklaverei und die Umsetzung dieses Verbotes, später um den Umgang mit der Bevölkerung in den Kolonien durch die Kolonialerwaltungen. Die Erfahrungen mit dem Ende des Kolonialismus sowie mit dem Holocaust führten 1948 zur Allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen (VN), in der auch Diskriminierungen wegen der Rasse ausdrücklich geächtet wurden.

In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts beeinflusste vor allem die Bürgerrechtsbewegung in den USA, die die Rassendiskriminierung im Alltag der Amerikaner afrikanischer Abstammung in das politische Bewusstsein brachte, das VN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1966.

Das zweite große Antidiskriminierungsthema ist das Geschlecht, insbesondere die Benachteiligung von Frauen. Die Ausgrenzung von Frauen aus dem Arbeitsmarkt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Problem, als sie für die zurückkehrenden Männer die Arbeitsplätze frei machen mussten, die sie während des Krieges ausgefüllt hatten. Thematisiert seit dem Internationalen Jahr der Frau 1975 und der ersten Frauenweltkonferenz in Mexiko führte dieser Diskriminierungsbereich 1979 zum VN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau.

In den letzten Jahrzehnten befasst sich die internationale Gemeinschaft insbesondere mit der globalen Migration und den Wanderarbeitnehmer/innen, ferner mit der demographischen Entwicklung, die in den Industrieländern zu einer Benachteiligung älterer Arbeitnehmer/innen führt, und mit der Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen sowie von HIV-Infizierten.

Seit der Menschenrechtsweltkonferenz 1993 in Wien setzt sich der Menschenrechtsansatz in der internationalen Diskussion zur Bekämpfung von Diskriminierungen zunehmend durch: Es wird von den Werten, Prinzipien und Instrumenten der Menschenrechtserklärung her argumentiert und gehandelt, im Mittelpunkt steht die Anerkennung der gleichen Würde und des gleichen Wertes der Menschen, die auf der Basis der Menschenrechtserklärung durchzusetzen sind.

Andere europäische Länder wie Frankreich, Großbritannien oder die Niederlande haben seit einigen Jahren zivil- und strafrechtliche Antidiskriminierungsgesetze, die jeweils auf die besonderen nationalen Rechtstraditionen Rücksicht nehmen. In diesem Sinne ergänzt Deutschland sein Zivilrecht.

Die Vorgaben der EU

Auch innerhalb der Europäischen Union spielen die Menschenrechte in den EU-Institutionen und im Gemeinschaftsrecht eine zunehmend wichtigere Rolle. Dazu gehörte die Etablierung eines gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsverständnisses durch den Europäischen Gerichtshof, das im Menschenrechtskatalog der Europäischen Verfassung seinen Niederschlag gefunden hat. Die heute anstehende Integration Europas macht verstärkt Menschenrechte und damit auch den Gleichheitssatz zum normativ wichtigen Teil einer europäischen Sozialordnung. Nach Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit. Sie hat die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind, zu achten. Die Gleichheit vor dem Gesetz und der Schutz aller Menschen vor Diskriminierung ist ein solches allgemeines Menschenrecht. Der Europäische Gerichtshof hat dem Gleichbehandlungsgrundsatz höchste normative Dignität verliehen, indem er ihn zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts erklärt hat.

Diskriminierungen können die Verwirklichung der im EG-Vertrag festgelegten Ziele unterminieren, insbesondere die Erreichung eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines hohen Maßes an sozialem Schutz, die Hebung des Lebensstandards und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt, die Solidarität sowie die Freizügigkeit.

In Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages wird daher der Rat der Europäischen Union ermächtigt, im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten Vorkehrungen zu tref-fen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.

Auf der Grundlage von Artikel 13 bzw. Artikel 141 EGV hat der Rat zwei Richtlinien beschlossen:

-die Richtlinie 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (im Folgenden: An-tirassismus-Richtlinie), -die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen

Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Fol

genden: Rahmenrichtlinie Beschäftigung)

Kurz vor Verabschiedung steht die Richtlinie.../.../EG des Rates vom ... zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (im Folgenden: Gleichbehandlungs-Richtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt .../.../EG [noch nicht erlassen, Entwurf vom 6. Oktober 2004]....)

Auf Grundlage des Art. 141 EGV ist die die Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (im Folgenden: Gender-Richtlinie). beschlossen worden.

Die Antirassismus-Richtlinie, die Rahmenrichtlinie Beschäftigung und die Gender-Richtlinie beziehen sich im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf das Arbeitsleben, die Antirassismus-Richtlinie im genannten Rahmen außerdem auf die Bereiche Soziales, Bildung und den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum. Die Gleichbehandlungs-Richtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt .../.../EG [noch nicht erlassen, Vorschlag vom 5. November 2003 – KOM(2003) 657 endgültig -Fassung vom 6. Oktober 2004] regelt ebenfalls Fragen des Zugangs zu Gütern und Dienstleistungen sowie die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Privatversicherungsrecht.

Die Gleichbehandlungsrichtlinien entstanden vor dem Hintergrund der Erfahrung von Ausgrenzung von Menschen auf Grund bestimmter Merkmale oder Zuschreibungen innerhalb der Europäischen Union. Sie beschränken sich nicht auf einen Rechtsschutz gegenüber Diskriminierungen durch den Staat, sondern sie verpflichten die Mitgliedstaaten im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auch zu einem Rechtsschutz vor Diskriminierungen durch Private, insbesondere durch Arbeitgeber.

Rechtlicher Schutz vor Diskriminierung zielt nicht auf den Schutz besonderer Gruppen, sondern auf den Schutz jedes und jeder Einzelnen vor Benachteiligungen, die an Eigenschaften oder Lebensformen anknüpfen. Die in den Richtlinien genannten Merkmale werden von jedem Menschen in der einen oder anderen Form verwirklicht, denn alle Menschen sind beispielsweise Träger eines Geschlechts, einer Ethnie, eines bestimmten Lebensalters, einer bestimmten sexuellen Identität. Dabei sind nicht alle in gleichem Maße von Diskriminierungen betroffen.

Die Richtlinien sollen die gesellschaftliche Wirklichkeit in den Mitgliedstaaten verändern, d. h. sie sollen Diskriminierungen nicht nur verbieten, sondern wirksam beseitigen. Auch deshalb enthalten die Richtlinien neben materiell-rechtlichen und prozessualen Vorgaben zusätzlich Vorschriften zum sozialen Dialog, zur Unterstützung durch Verbände und zur Benennung von Unterstützungseinrichtungen.

Reformbedürfnis in Deutschland

Die rechtliche Situation

Die deutsche Politik der Gleichbehandlung ordnet sich in diesen supranationalen Kontext ein. Es gibt eine Reihe von Diskriminierungsverboten in völkerrechtlichen Übereinkommen, die von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurden:

-das Internationale Übereinkommen der VN zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskri

minierung vom 7. März 1966, -den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966, -den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. De

zember 1966, -das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18.

Dezember 1979, -das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989, -die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten vom

3. September 1953,-das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1995.

Aus dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, das die Bundesrepublik Deutschland 1969 ratifiziert hat, ergibt sich die Verpflichtung zu einer umfassenden Gesetzgebung mit einem Verbot der Rassendiskriminierung in der Privatwirtschaft. Der nach diesem Übereinkommen eingerichtete Ausschuss hat Deutschland zuletzt in seiner Stellungnahme vom 20. März 1997 empfohlen, den Erlass eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes zu prüfen. Er hat dabei seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass eine umfassende Gesetzgebung mit einem Verbot der Rassendiskriminierung in der Privatwirtschaft entsprechend den Vorgaben des Übereinkommens in Deutschland fehle.

Durch die 1985 erfolgte Ratifizierung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW ) vom 18. Dezember 1979 hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, durch geeignete gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen jede Diskriminierung der Frau zu verbieten. Deutschland ist als Vertragsstaat des Abkommens darüber hinaus verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten, dass Frauen die Menschenrechte und Grundfreiheiten gleichberechtigt mit Männern ausüben können. Die staatliche Verpflichtung zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung besteht u.a. für den Bereich des bürgerlichen Rechts sowie für das Arbeits- und Wirtschaftsleben.

Im Rahmen des Europarats hat der Wiener Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Oktober 1993 einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz verabschiedet.

Die Bundesrepublik Deutschland hat zudem als Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eine Vielzahl von ILO-Übereinkommen ratifiziert, die insbesondere Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf verbieten und gleiches Entgelt gebieten.

Nach Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) ist eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens, der religiösen oder politischen Anschauungen sowie einer Behinderung verboten. Das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot wegen einer Behinderung wurde 1994 im Rah-men der Verfassungsreform eingefügt.

Die Verfassungsnorm des Artikel 3 Abs. 3 GG stellt primär ein Abwehrrecht der Grundrechtsträger gegenüber dem Staat dar, entfaltet aber auch – vor allem über die Generalklauseln und andere auslegungsbedürftige Begriffe der einzelnen Rechtsgebiete – eine mittelbare Drittwirkung für den Privatrechtsverkehr.

Das Privatrecht regelt vor allem die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern selbst, insbesondere im Vertragsrecht. Zivilgesellschaften sind auf das vor allem durch Verträge in freier Selbstbestimmung gesetzte private Recht angewiesen. Bei den hiermit verbundenen Unterscheidungen, die auf unterschiedlichsten Gründen beruhen, kann es sich allerdings teilweise auch um sozial verwerfliche Diskriminierungen handeln. Zu dem durch Art. 3 des Grundgesetzes dokumentierten Grundkonsens der Bundesrepublik Deutschland gehört es, dass bestimmte Unterscheidungen auch im Bereich des Privatrechts, für den Art. 3 GG nicht unmittelbar gilt, als unerwünscht gelten können.

Schon das geltende deutsche Recht verpflichtet vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge auch Private zum Vertragsschluss oder legt ihnen (zum Beispiel im Arbeitsrecht, im Mietrecht oder im Verbraucherrecht) Beschränkungen zum Schutz der strukturell schwächeren Partei auf. Zur Bekämpfung von anderen Diskriminierungen, also von sozial unerwünschten Ungleichbehandlungen, stellte das Zivilrecht bislang allerdings vor allem die Generalklauseln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur Verfügung.

In anderen Bereichen sind auf einfachgesetzlicher Ebene Antidiskriminierungsvorschriften in Deutschland kontinuierlich ausgebaut worden:

-Diskriminierungen wegen des Geschlechts werden seit 1980 (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz) arbeitsrechtlich untersagt und sanktioniert.

-Im Bereich des öffentlichen Dienstes haben die Grundsätze des Art 3 Abs. 3 GG sowohl im Beamtenrechtsrahmengesetz als auch im Bundesbeamtengesetz ihren Niederschlag gefunden.

-Das Beschäftigtenschutzgesetz verbietet sexuelle Belästigungen in der Privatwirtschaft wie auch im öffentlichen Dienst.

-Im Bundespersonalvertretungsgesetz wie auch im Betriebsverfassungsgesetz sind entsprechende Überwachungspflichten für Dienstherren/Arbeitgeber sowie für den Personal-/Betriebsrat verankert.

-Das neue Bundesgleichstellungsgesetz, das am 5. Dezember 2001 in Kraft getreten ist, enthält vielfältige Fördermaßnahmen, um gegen Diskriminierungen wegen des Geschlechts innerhalb der Bundesverwaltung vorzugehen.

-Am 23. Dezember 2000 trat die Änderung von Artikel 12a Abs. 4 Satz 2 GG in Kraft, die

Frauen den Zugang in alle Bereiche der Streitkräfte ermöglicht. -§ 554a BGB sieht seit dem Jahr 2001 die Barrierefreiheit im Mietrecht vor. -Im Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen –

wurden 2001 neben einem allgemeinen Diskriminierungsverbot auch weitreichende positive Maßnahmen festgeschrieben, mit denen die Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen verbessert werden soll.

-Mit dem am 1. Mai 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Gleichstellung behinderter Me nschen wurden Gleichstellung und Barrierefreiheit im öffentlichen Recht verankert. Neben anderen Bereichen wurden Regelungen zur Barrierefreiheit für den öffentlichen Personenverkehr und für Gaststätten getroffen. Der Durchsetzung des Benachteiligungsverbotes für Zur Unterstützung der von Diskriminierung Betroffenen hat die Bundesregierung Beauftragte eingesetzt, darunter

Träger öffentlicher Gewalt sowie der Regelungen zur Barrierefreiheit dient ein für anerkann
te Verbände vorgesehenes Verbandsklagerecht.
-In diesem Zusammenhang wurde auch das Gaststättengesetz um eine Verpflichtung zur
Herstellung von Barrierefreiheit unter anderem bei Neuanlagen ergänzt.
-Der Beseitigung einer rechtlichen Diskriminierung im Bereich der Arbeit dient das Gesetz
zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten, das 2002 in
Kraft trat.

-den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, -die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, -den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten in

Deutschland.

Einen umfassenden arbeitsrechtlichen Schutz vor Diskriminierungen, wie er von den Richtlinien mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen vorgeschrieben wird, gibt es in Deutschland noch nicht hinsichtlich sämtlicher in den Richtlinien geregelter Diskriminierungsmerkmale. Am weitesten fortgeschritten ist dieser arbeitsrechtliche Rechtsschutz bei Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der 1980 durch das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz eingeführt und seitdem kontinuierlich verbessert wurde, und bei Benachteiligungen wegen einer Behinderung (§ 81 SGB IX). Das Bundesgleichstellungsgesetz verbietet Diskriminierungen wegen des Geschlechts für den Bereich der Bundesbehörden, in den Bundesländern gibt es ähnliche Gesetze für den öffentlichen Dienst.

In Deutschland fällt auf, dass der vorhandene Rechtsschutz in der Praxis von den Betroffenen bisher wenig genutzt wird. Naheliegen wäre hier zunächst die Vermutung, dass es tatsächlich nur zu wenigen Diskriminierungen kommt. Gerade bei der Belästigung und der sexuellen Belästigung trifft dies aber nicht zu. Diese Einschätzung bestätigt den Ansatz der EU-Richtlinien, nicht nur das Recht zu verbessern, sondern auch die faktische Rechtsdurchsetzung in den Blick zu nehmen. Für die mangelnde Rechtsnutzung durch die Betroffenen in Deutschland gibt es verschiedene Erklärungen:

-In Deutschland gibt es bisher keine Kultur der Antidiskriminierung, wie sie z.B. für Me nschen in angelsächsischen Ländern zum Alltag gehört. Für die Betroffenen in diesen LänNur unzureichenden Schutz bietet das geltende Recht z.B. vor Belästigungen am Arbeitsplatz. Die deutsche Rechtsordnung enthält kein ausdrückliches Verbot der Belästigung wegen eines der relevanten Merkmale in der Arbeitswelt, lediglich für die Sonderform der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz besteht mit dem Beschäftigtenschutzgesetz eine gesetzliche Regelung. Gegen andere belästigende Verhaltensweisen am Arbeitsplatz bestehen zwar Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Täter sowie gegen die Arbeitgeber, das Verhalten kann auch strafrechtlich relevant sein, doch es gibt Probleme bei der praktischen Durchsetzung von Unterlas

dern ist es daher selbstverständlicher, Diskriminierungen offen zu legen und sich dagegen
zur Wehr zu setzen.
-In Deutschland sind hingegen die rechtlichen Möglichkeiten, gegen Diskriminierungen vor
zugehen, wie auch die hierzu ergangene Rechtsprechung wenig bekannt1. Soweit Arbeits
recht auf Richterrecht beruht, hat es einen geringeren öffentlichen Bekanntheitsgrad.
-Artikel 3 GG entfaltet im Bereich der privaten Erwerbswirtschaft, etwa im Zivilrecht bei der
Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (z.B. im Mietvertragsrecht), nur mittelbare
Drittwirkung.
-Manche Bestimmungen sind hinsichtlich ihres Ausmaßes und ihrer Rechtsfolgen umstritten,
so dass Betroffene das Risiko eines Verfahrens scheuen bzw. ihnen abgeraten wird.
-Es werden Beweisschwierigkeiten antizipiert, weil die wahren Beweggründe für ungleiche
Behandlungen selten offen gelegt werden2 .
-Stereotype, Vorurteile und Stigmatisierungen sind zumeist tradiert und daher vielen Me n
schen nicht bewusst. Diskriminierendes Verhalten wird in solchen Fällen nicht als solches
erkannt, erfolgt also unbeabsichtigt.
-Die Abhängigkeit zwischen Beschäftigten und Arbeitgebenden führt zu Angst vor Arbeits
platzverlust bzw. vor anderen Nachteilen am Arbeitsplatz3 .
-Es gibt bei vielen Diskriminierungsopfern Bildungsbarrieren, sie kennen sich nicht mit den
rechtlichen und prozessualen Möglichkeiten aus.
-Hinzu kommen ökonomische Barrieren, weil gerade Menschen, die aufgrund von Rasse,
einer Behinderung oder wegen des Alters diskriminiert werden, und auch Frauen oft über
weniger Geld verfügen. Vielen ist nicht bekannt, dass sie gegebenenfalls einen Anspruch
auf Prozesskostenhilfe haben.
-Weitere Barrieren sind Scham (z.B. bei sexueller Belästigung), Angst vor erneuter Stigmati
sierung und mangelndes Vertrauen in institutionelles Handeln (oft bei Flüchtlingen aufgrund
ihrer Erfahrungen im Herkunftsland).

1

Vgl. z.B. Eurobarometer 57.0 von 2002: 29 % der Deutschen aus den neuen Bundesländern kennen ihre Rechte nicht.

2

Vgl. Pflüger, Almut/Baer, Susanne: Das Beschäftigtenschutzgesetz in der Praxis, www.bmfsfj.de

3

siehe Fußnote 2

sungs- und Schadensersatzansprüchen, so dass der vorhandene Rechtsschutz häufig in der Praxis nicht greift.

Die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten hat gezeigt, dass der bisherige Rechtsschutz vor Diskriminierungen zwischen Privaten nicht ausreicht. Der Ansatz der EU-Richtlinien, Diskriminierungen auch durch Private in den Blick zu nehmen, greift diese Probleme auf und verpflichtet die Mitgliedstaaten, ihre Rechtsordnungen entsprechend auszugestalten.

Mit dem vorliegenden Gesetz soll dieser Rechtsschutz entsprechend den Vorgaben der Richtlinien für alle Rechtsbereiche geregelt werden.

Die soziale Lage bestimmter Gruppen in Deutschland

Durch die EU-Gleichbehandlungsrichtlinien werden bestimmte Personengruppen als besonders schutzbedürftig definiert und in den Katalog der geschützten Merkmale aufgenommen. Auch in Deutschland gibt es Hinweise dafür, dass diese Bevölkerungsgruppen schlechtere Chancen haben als andere. So zeigen bestimmte Bevölkerungsgruppen eine deutlich geringere Bildungsund Ausbildungsbeteiligung, was in der Folge zu einem insgesamt schlechteren sozialen und wirtschaftlichen Status führt. Die vorhandenen Daten zeigen deutliche merkmalsbezogene Unterschiede in Bezug auf die Integration in den Arbeitsmarkt, Erwerbslosigkeit und Beschäftigungsfelder. Insbesondere Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, behinderte und ältere Menschen sind schlechter in die Arbeitswelt eingebunden. Viele Menschen vereinen mehrere dieser Merkmale auf sich und erleben dadurch häufiger Ausgrenzung, wirtschaftliche Einbußen und andere materielle und immaterielle Nachteile.

Deutlich wird dies u.a.

-im Ersten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung (2001), aber auch -im Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2003)

und -im Nationalen beschäftigungspolitischen Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland

(2003).

Die Randständigkeit von Deutschen mit Migrationshintergrund wie auch von Ausländern und Ausländerinnen ist u.a.

-im Sechsten Familienbericht der Bundesregierung (2000),

-in der Untersuchung des früheren Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur

Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen in der Bundesre

publik Deutschland (2002) -sowie in den Berichten der Beauftragten der Bundesregierung zu Migration, Flüchtlingen

und Integration über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland

dokumentiert, wobei es im Alltag häufig eine Überschneidung hinsichtlich der Merkmale ethnische Herkunft und Religion gibt. Die veröffentlichten Daten zeigen auch, dass das Geschlecht zusätzlich das Risiko beeinflusst, in eine sozial ungünstige Position zu gelangen. So ist die soziale Lage von Frauen mit Migrationshintergrund im Schnitt prekärer als diejenige von Männern mit Migrationshintergrund.

Seit Mitte der 90er Jahre geht auch die Ausbildungsbeteiligung zugewanderter Jugendlicher kontinuierlich zurück, 2000 lag ihr Anteil in den alten Bundesländern bei 7,1 % - bei einem Anteil an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung von ca. 12 %. Fast die Hälfte aller Jugendlichen oh-ne deutsche Staatsangehörigkeit hat keine abgeschlossene Ausbildung, bei den deutschen Jugendlichen sind dies nur 15 %.

Untersuchungen belegen, dass Belästigungen bei ausländischen Beschäftigten besonders häufig vorkommen. Bei entsprechenden innerbetrieblichen Beschwerden wird regelmäßig von rassistischen Übergriffen und Belästigungen berichtet.

Vorurteilsstudien zeigen, dass in Deutschland die Akzeptanz gegenüber Migrantinnen und Migranten gering ist, insbesondere gegenüber Zuwanderern aus Drittstaaten. Die Bundesregierung hat deshalb zahlreiche Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt ergriffen. Diese sind in ihrem Bericht vom 8. Mai 2002 über ihre aktuellen und geplanten Maßnahmen und Aktivitäten dargestellt.

Auch das Diskriminierungsmerkmal Alter, das sich auf jedes Lebensalter bezieht und nicht nur auf ältere Menschen, führt besonders häufig zu Benachteiligungen, gerade wenn es zusammen mit anderen diskriminierungsrelevanten Merkmalen auftritt. So ist z.B. die Armut bei älteren Migrantinnen häufig, aber auch bei älteren Frauen mit Behinderung.

Die Daten des Statistischen Bundesamtes in „Leben und Arbeiten in Deutschland“ (2003) zeigen, dass Menschen über 55 und unter 20 Jahren überdurchschnittlich häufig in atypischen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Berufsanfänger und Berufsanfängerinnen sind immer häufiger gezwungen, zeitlich begrenzte Arbeitsverträge abzuschließen.

Der Dritte Bericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Lage der älteren Generation (2001) weist aus, dass die Erwerbsbeteiligung der über 55-Jährigen drastisch zurückgeht. Frauen sind davon stärker betroffen, bei ihnen fällt die Erwerbsbeteiligung zwischen 55 und 64 Jahren von 61,1 % auf 11,3 %, bei Männern gleichen Alters von 82,1 % auf 27 %.

Die Situation für Menschen mit Behinderung wird u.a. im Bericht der Bundesregierung nach § 160 SGB IX über die Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen dargestellt. Untersuchungen zeigen zudem, dass Menschen mit Behinderung überdurchschnittlich häufig arbeitslos sind: Die Arbeitslosenquote behinderter Frauen betrug 1999 15,0 %, die behinderter Männer 16,7 %. Die Erwerbslosenquote der Menschen in der Altersgruppe von 55 bis 60 liegt für behinderte Menschen sogar bei 23,7 % gegenüber 19 % bei Nichtbehinderten.

Diskriminierungen behinderter Frauen und Männer sind auch aus dem Dienstleistungsbereich bekannt: In Gaststätten sind Menschen mit Behinderungen häufig nicht gern gesehen und werden abgewiesen, weil sie sich anders verhalten, artikulieren oder essen.

Empirische Untersuchungen zeigen häufige Belästigungen und ein hohes Ausmaß sexueller Übergriffe bei Menschen mit Behinderung. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend weist in seiner Broschüre „Einmischen – Mitmischen“ (2003) darauf hin, dass Frauen und Mädchen mit Behinderung ein besonderes Risiko tragen, Opfer von sexueller Belästigung sowie Gewalt zu werden, sie sind davon doppelt so häufig betroffen wie nicht behinderte Frauen.

Hinsichtlich des Diskriminierungsmerkmals sexuelle Identität ist davon auszugehen, dass viele Homosexuelle ihre sexuelle Identität am Arbeitsplatz verheimlichen, weil sie Diskriminierungen durch Kollegen und Kolleginnen und Vorgesetzte befürchten. 79 % der Frauen und 69 % der in einer Untersuchung befragten Männer haben es im Laufe ihrer beruflichen Biographie schon einmal für notwendig befunden, ihre Homosexualität am Arbeitsplatz gänzlich zu verschweigen. Nur knapp 4 % konnten immer offen mit ihrer Homosexualität umgehen.

Das meiste – auch repräsentative – Datenmaterial liegt zur unterschiedlichen Situation von Frauen und Männern am Arbeitsplatz vor. Aus der Fülle der Berichte und Veröffentlichungen

insbesondere des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu diesem Thema sollen an dieser Stelle beispielhaft

-der Bericht der Bundesregierung zur Berufs-und Einkommenssituation von Frauen und

Männern (2002), -die Bilanz 2003 der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbän

den der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Mä n

nern in der Privatwirtschaft, -die Publikation „Frauen in Deutschland“ (2002)

genannt werden. Ein erster Gleichstellungsbericht der Bundesregierung ist in Vorbereitung.

Die Berichte und Untersuchungen der Bundesregierung zeigen, dass das Geschlecht bei allen sonstigen Merkmalen verstärkend hinzukommt: Geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die höchsten Risiken, benachteiligt zu werden, haben Frauen mit Migrationshintergrund, Frauen mit Behinderung und ältere Frauen. Ganz offensichtlich wirken alle Merkmale geschlechtsspezifisch.

Aus dieser Zusammenstellung folgt: Es ist auch für Deutschland wichtig und richtig, alle Merkmale der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien in ein Antidiskriminierungsgesetz aufzunehmen. Auch die Hereinnahme von Belästigungen und sexuellen Belästigungen in den Schutzbereich des Gesetzes ist sinnvoll, da, wie aufgezeigt, bestimmte Personengruppen häufiger unter Belästigungen und sexuellen Übergriffen leiden.

Wegen der hohen Erwartungen an das Gesetz muss aber gleichzeitig darauf hingewiesen werden, dass die oben beschriebene soziale Lage nicht allein mit gesetzlichen Benachteiligungsverboten verbessert werden kann, denn die Gründe und Zusammenhänge, die zu ihr führen, sind vielschichtig. Die besorgniserregenden sozialen Daten beruhen nicht zwangsläufig auf einer Vielzahl individueller Diskriminierungen, wie sie nach diesem Gesetz aufgegriffen werden können. Sie machen aber deutlich, dass auch in Deutschland diese Personengruppen des besonderen Schutzes bedürfen. Ein Antidiskriminierungsgesetz kann nur ein Baustein einer umfassenden Integrationspolitik sein, die an den vielfältigen Ursachen der Ausgrenzung bestimmter Gruppen ansetzt.

II. Überblick über die Neuregelungen

Das Gesetz umfasst folgende Neuregelungen:

Artikel 1 Gesetz zum Sc hutz vor Diskriminierung (Antidiskriminierungsgesetz – ADG)

Artikel 2 Gesetz zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor Diskriminierungen (Soldatinnen- und Soldaten-Antidiskriminierungsgesetz - SADG)

Artikel 3 Änderungen in anderen Gesetzen

Artikel 4 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Zu Artikel 1 (Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung – Antidiskriminierungsgesetz – ADG)

Artikel 1 enthält das Antidiskriminierungsgesetz. Dieses ist der Hauptbestandteil des Umsetzungsgesetzes und in sieben Abschnitte gegliedert.

Zu Abschnitt 1 (Allgemeiner Teil)

In seinem allgemeinen Teil enthält das Gesetz Bestimmungen, die für alle betroffenen Rechtsgebiete gleichermaßen gelten: Darunter das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen, den sachlichen Anwendungsbereich nach Maßgabe der im ADG enthaltenen Bestimmungen (Arbeitsleben, Sozialschutz, soziale Vergünstigungen, Bildung und den zivilrechtlichen Bereich) sowie die Begriffbestimmungen der unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligung, der Belästigung und sexuellen Belästigung. Vervollständigt wird der Abschnitt durch Regelungen zu unterschiedlichen Behandlung wegen mehrerer Gründe, den so genannten Mehrfachdiskriminierungen, sowie zu Ungleichbehandlungen zur Verhinderung und Beseitigung bestehender Nachteile, den so genannten positiven Maßnahmen.

Zu Abschnitt 2 (Schutz der Beschäftigte n vor Benachteiligung)

Um Benachteiligungen in Beschäftigung und Beruf wirksamer als bisher begegnen zu können, werden durch Abschnitt 2 Bestimmungen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung geschaffen, die Rechtsunsicherheiten beseitigen und die Grundlage für ein tolerantes und benachteiligungsfreies Miteinander in der Arbeitswelt schaffen. Dabei erhebt das Gesetz nicht den Anspruch, eine faktische Gleichstellung aller Personen oder Personengruppen zu erreichen. Hierzu reichen gesetzliche Regelungen allein nicht aus. Zur wirksamen und dauerhaften Überwindung von Benachteiligungen bedarf es einer nachhaltigen Änderung der Einstellung und insbesondere des Verhaltens jedes Einzelnen.

Ein benachteiligungsfreies Arbeitsumfeld liegt im Interesse aller Beteiligten. Ein positives Arbeitsklima und eine benachteiligungsfreie Beziehung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten haben direkte Auswirkungen auf Motivation und Gesundheit der Beschäftigten. Damit steigen Arbeitsqualität und Produktivität. Das bewusste Eintreten für eine benachteiligungsfreie Beschäftigungswelt ist damit auch eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft, die sich z. B. in entsprechenden Betriebsvereinbarungen oder speziellen Förderprogrammen ausdrückt.

Da der arbeitsrechtliche Geltungsbereich in allen drei Richtlinien identisch ausgestaltet ist, werden auch alle in den drei Richtlinien genannten Merkmale in einheitlichen arbeitsrechtlichen Vorschriften zur Verhinderung von Benachteiligungen zusammengefasst. So wird der arbeitsrechtliche Zusammenhang gewahrt und die Anwendung für die Praxis erleichtert.

Inhaltlich wird das bewährte Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch im Wesentlichen übernommen und auf alle Diskriminierungsmerkmale ausgeweitet.

Die §§ 6 bis 10 enthalten die Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs, das zentrale Benachteiligungsverbot in Beschäftigung und Beruf und zulässige unterschiedliche Behandlungen.

Die §§ 11 und 12 beschreiben die Pflicht zu diskriminierungsfreier Arbeitsplatzausschreibung sowie die Organisationspflichten der Arbeitgeber, die die erforderlichen Maßnahmen im Einzelfall sowie vorbeugende Maßnahmen umfassen.

Die §§ 13 bis 17 enthalten die Rechte der Beschäftigten und die Rechtsfolgen bei einem erfolgten Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. Auf öffentlich-rechtliche Elemente, wie z. B. Bußgelder oder eine behördliche Aufsicht, wird dabei verzichtet.

§ 18 enthält einen gesetzlichen Appell an alle beteiligten Parteien, an der Verwirklichung einer benachteiligungsfreien Beschäftigungswelt mitzuwirken, sowie das Recht des Betriebsrates und der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, in besonderen Fallkonstellationen das Arbeitsgericht anzurufen.

§ 19 enthält ergänzende Vorschriften wie die entsprechende Geltung des Gesetzes für die Mitgliedschaft in Organisationen der Arbeitgeber und Beschäftigten.

Der Gesetzentwurf setzt damit den arbeitsrechtlichen Geltungsbereich der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG um und erfüllt das in der Koalitionsvereinbarung vom

16. Oktober 2002 verabredete Ziel, zur Modernisierung der Arbeitswelt eine sinnvolle und anwenderfreundliche Lösung für die betriebliche Praxis umzusetzen.

Zu Abschnitt 3 (Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr)

Das in § 20 geregelte zivilrechtliche Benachteiligungsverbot bezieht sich auf sämtliche in § 1 genannten Gründe und geht damit über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinaus. Europarechtlich geboten ist ein Diskriminierungsschutz insoweit wegen der Rasse und der ethnischen Herkunft und – in Kürze -wegen des Geschlechts. Zu den Merkmalen Religion und Weltanschauung, Alter, Behinderung und sexuelle Identität bestehen keine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.

Eine Beschränkung im allgemeinen Zivilrecht allein auf Benachteiligungen aufgrund der ethnischen Herkunft oder der Rasse wäre problematisch, weil damit Benachteiligungen, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihres Alters, ihrer sexuellen Identität oder aufgrund einer Behinderung erfahren, ungeregelt blieben.

Deshalb wird das Benachteiligungsverbot breiter angelegt. Dabei ist erforderlich, dass in den wesentlichen Bereichen des alltäglichen Rechtslebens Regelungen für alle Diskriminierungsmerkmale geschaffen werden.

Für Menschen mit Behinderung wird damit zudem der bereits in der 14. Wahlperiode begonnene Ausbau des Benachteiligungsschutzes (siehe insbesondere das Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – SGB IX und das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen) weiterentwickelt.

Bei der Ausgestaltung eines zivilrechtlichen Benachteiligungsschutzes für alle nach diesem Gesetz erfassten Merkmale war allerdings sicherzustellen, dass das für das Privatrecht prägende Institut der Vertragsfreiheit in angemessener Weise berücksichtigt wird. Dies ist in zweifacher Weise erfolgt.

Zum einen beschränkt § 20 Abs. 1 das zivilrechtliche Benachteiligungsverbotes auf solche Geschäfte, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat, sowie auf privatrechtliche Versicherungen. Lediglich eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder we-gen der ethnischen Herkunft ist darüber hinaus nach §20 Abs. 2 auch bei der Begründung, Durchführung und Beendigung sonstiger zivilrechtlicher Schuldverhältnisse unzulässig.

Ausgenommen bleiben ferner das Familien- und das Erbrecht sowie Schuldverhältnisse, die einen besonders engen Bezug zur Privatsphäre haben.

Zum anderen ist für die Merkmale Geschlecht, Lebensalter, Behinderung, sexuelle Orientierung, Religion und Weltanschauung nach § 21 eine unterschiedliche Behandlung aus sachlichen Gründen zulässig. Das ist erforderlich, weil es eine Vielzahl wünschenswerter oder zumindest objektiv erforderlicher Differenzierungen nach den genannten Merkmalen gibt, die vom Benachteiligungsverbot nicht in Frage gestellt werden sollen.

Durch dieses Vorgehen bringt der Entwurf den Schutz vor Benachteiligung mit der Vertragsfreiheit in ein ausgewogenes Verhältnis.

Benachteiligte erhalten nach § 22 bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot einen Unterlassungsanspruch und gegebenenfalls einen Anspruch auf Abschluss des verweigerten Vertrages sowie – wie im Arbeitsrecht – Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz.

Zu Abschnitt 4 (Rechtsschutz)

Die Betroffenen erhalten neben der aus § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB bzw. § 81 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch bereits bekannten Beweiserleichterung zukünftig die Möglichkeit, sich durch Antidiskriminierungsverbände unterstützen zu lassen. Die Verbände können unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtsangelegenheiten der Benachteiligten besorgen und in gerichtlichen Verfahren (mit Ausnahme von Strafverfahren) als Bevollmächtigte oder Beistände auftreten. Benachteiligte können auch ihre Schadensersatz- bzw. Entschädigungsforderungen zum Zwecke der Einziehung an einen Antidiskriminierungsverband abtreten, so dass dieser die abgetretene Forderung einfordern kann.

Zu Abschnitt 5 (Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse)

Abschnitt 5 enthält Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse.

Zu Abschnitt 6 (Antidiskriminierungsstelle)

Abschnitt 6 regelt die Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie wird neben den Beauftragten des Bundestages oder der Bundesregierung, die ebenfalls gegen Diskriminierungen bestimmter Personengruppen vorgehen, errichtet.

Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst den Geltungsbereich aller vier EU-Gleichbehandlungs-richtlinien. Dies ist erforderlich, weil sich die Beratung auf die deutsche Rechtslage beziehen wird, die gemäß Artikel 1 ebenfalls alle Diskriminierungsmerkmale umfasst.

Mit der Schaffung einer neuen Antidiskriminierungsstelle des Bundes, deren Leitung im Hinblick auf ihre Aufgaben unabhängig und weisungsfrei ist, soll der Beseitigung und Verhinderung von Diskriminierungen Nachdruck verliehen und den Betroffenen eine wichtige Hilfestellung in Form einer zentralen Anlaufstelle gegeben werden. Zugleich werden damit die Vorgaben aus Artikel 13 der Richtlinie 2000/43/EG und aus Artikel 8a der Richtlinie 76/207/EWG4 umgesetzt.

Zu den Kernaufgaben dieser Stelle gehört ihre Unterstützungsfunktion für von Diskriminierungen betroffene Personen. Diese erhalten durch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Klärung ihrer Situation und zu den Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens. Des Weiteren hat die Stelle Schlichtungsmöglichkeiten, indem sie eine gütliche Beilegung von Diskriminierungsfällen zwischen den Beteiligten anstreben kann. Zur Erfüllung dieser Aufgaben kann die Stelle unter bestimmten Voraussetzungen die Beteiligten um Stellungnahmen ersuchen und hat gegenüber Bundesbehörden ein Auskunftsrecht.

Weitere Kernaufgaben der Stelle sind:

Maßnahmen zur Prävention von Diskriminierungen,

Im Folgenden werden sämtliche Vorschriften der Richtlinie 76/207/EWG in der seit Inkrafttreten der

die Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen, vierjährige Berichtspflichten gegenüber dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung, Abgabe von Empfehlungen zur Beseitigung und Verhinderung von Diskriminierungen an Bundestag und Bundesregierung, Öffentlichkeitsarbeit.

Um der bewährten und erfolgreichen Arbeit bislang schon beratend und unterstützend tätig werdender Stelle des Bundes, der Länder oder Kommunen Rechnung zu tragen, ist die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gehalten, entsprechende Anliegen von Betroffenen an solche Stellen weiterzuleiten. Hierdurch sollen gewachsene Strukturen erhalten bleiben und Parallelstrukturen vermieden werden.

Ferner soll die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit Nichtregierungsorganisationen und regionalen Beratungsstellen kooperieren, um so eine ortsnahe Unterstützung zu ermöglichen. Damit werden die Vorgaben aus Artikel 12 der Richtlinie 2000/43/EG und aus Artikel 8c der Richtlinie 2000/78/EG entsprochen.

Zur Förderung des Dialogs mit gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, insbesondere des sozialen Dialogs der Tarifpartner, wird der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Beirat beigeordnet. In diesen Beirat sollen Vertreterinnen und Vertreter entsprechender Gruppen und Organisationen berufen werden. Der Beirat soll die Antidiskriminierungsstelle bei der Vergabe von wissenschaftlichen Untersuchungen sowie bei den Empfehlungen an den Bundestag und die Bundesregierung beraten. Die Stelle ihrerseits hat über den Beirat die Möglichkeit, verstärkt in die Zi vilgesellschaft hineinzuwirken.

Zu Abschnitt 7 (Schlussvorschriften)

Der siebte Abschnitt enthält Schlussbestimmungen zur Unabdingbarkeit, zur Geltung der allgemeinen Bestimmungen sowie die Übergangsbestimmungen.