Das Gesetz hat die Zielsetzung, Benachteiligungen wegen der in § 1 genannten Gründe in seinem in § 2 Abs. 1 näher bestimmten Anwendungsbereich zu verhindern oder zu beseitigen. Es setzt damit die Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2002/73/EG um, die – in ihrem jeweiligen spezifischen Anwendungsbereich – gegen Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität schützen. Einen Schutz gegen Benachteiligung wegen anderer Gründe regelt dieses Gesetz nicht. Soweit sich aus anderen Vorschriften oder insbesondere aus arbeitsrechtlichen Grundsätzen weitere Benachteiligungsverbote oder Gleichbehandlungsgebote ergeben, finden diese nach § 2 Abs. 3 neben den Vorschriften dieses Gesetzes weiterhin Anwendung.
Rechtlicher Schutz vor Benachteiligung zielt nicht auf den Schutz besonderer Gruppen, sondern auf den Schutz vor Benachteiligungen, die an die in den Richtlinien genannten Merkmale anknüpfen. Diese Merkmale werden von jedem Menschen in der einen oder anderen Form verwirklicht, denn alle Menschen weisen eine bestimmte ethnische Herkunft auf, haben ein bestimmtes Lebensalter und eine sexuelle Orientierung. Nicht alle Menschen aber sind in gleicher Weise von Benachteiligungen betroffen.
Das Gesetz spricht im Folgenden von „Benachteiligung“ und nicht von „Diskriminierung“, um deutlich zu machen, dass nicht jede unterschiedliche Behandlung, die mit der Zufügung eines Nachteils verbunden ist, diskriminierenden Charakter hat. Unter „Diskriminierung“ nämlich wird schon im allgemeinen Sprachgebrauch nur die rechtwidrige, sozial verwerfliche Ungleichbehandlung verstanden. Es gibt indessen auch Fälle der zulässigen unterschiedlichen Behandlung; dies zeigen die §§ 5, 8 bis 10 und 21.
Die in § 1 erwähnten Merkmale entstammen Art. 13 EG-Vertrag, der durch den Am sterdamer Vertrag mit Wirkung zum 1. Mai 1999 in das primäre Gemeinschaftsrecht eingefügt worden ist.
Die Bedeutung der aufgezählten Merkmale erschließt sich weithin ohne besondere Erläuterung. Ergänzend ist anzumerken:
Das Merkmal „Rasse“ bzw. „ethnische Herkunft“ ist von der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG vorgegeben. Diese auch in Artikel 13 EG-Vertrag erwähnten Begriffe sind EGrechtlich in einem umfassenden Sinne zu verstehen, denn sie sollen einen möglichst lückenlosen Schutz vor ethnisch motivierter Benachteiligung gewährleisten.
Die Verwendung des Begriffs der „Rasse“ ist nicht unproblematisch und bereits bei der Erarbeitung der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG intensiv diskutiert worden (zur Auslegung des Begriffs siehe Göksu, Rassendiskriminierung beim Vertragsabschluss als Persönlichkeitsverletzung, Freiburg/CH 2003, Seite 8 ff). Die Mitgliedstaaten und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben letztlich hieran festgehalten, weil Rasse den sprachlichen Anknüpfungspunkt zu dem Begriff des „Rassismus“ bildet und die hiermit verbundene Signalwirkung – nämlich die konsequente Bekämpfung rassistischer Tendenzen - genutzt werden soll.
Zugleich entspricht die Wortwahl dem Wortlaut des Artikel 13 EG-Vertrag, dessen Ausfüllung die Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG dient, sowie dem Wortlaut des Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes. In Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 6 der Antirassismus -Richtlinie 2000/43/EG sind allerdings Theorien zurückzuweisen, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen. Die Verwendung des Begriffs Rasse in der Antirassismus-Richtlinie 2000/43/EG bedeutet keinesfalls eine Akzeptanz solcher Vorstellungen. Zur Klarstellung wurde daher – auch in Anlehnung an den Wortlaut des Artikels 13 des EG-Vertrags - die Formulierung „aus Gründen der Rasse“ und nicht die in Artikel 3 Abs. 3 GG verwandte Wendung „wegen seiner Rasse“ gewählt. Sie soll deutlich machen, dass nicht das Gesetz das Vorhandensein verschiedener menschlicher „Rassen“ voraussetzt, sondern dass derjenige, der sich rassistisch verhält, eben dies annimmt.
Auch das Merkmal der „ethnischen Herkunft“ ist in einem weiten Sinne zu verstehen. Es ist EGrechtlich auszulegen und umfasst auch Kriterien, wie sie das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) vom 7. März 1966 (BGBl. 1969 II
S. 961) nennt: Benachteiligungen auf Grund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, des nationalen Ursprungs oder des Volkstums (im Sinne des ethnischen Ursprungs). Dies gilt auch dann, wenn scheinbar auf die Staatsangehörigkeit oder Religion abgestellt wird, in der Sache aber die ethnische Zugehörigkeit gemeint ist.
Der Begriff der „Behinderung“ entspricht den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (IX) -Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) und in § 3 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG): Nach den insoweit übereinstimmenden Vorschriften sind Menschen behindert, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ Mit diesem sozialrechtlich entwickelten Begriff werden sich die meisten Sachverhalte der ungerechtfertigen Benachteiligung Behinderter auch im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erfassen lassen.
Der Begriff der „sexuellen Identität“ entspricht der bereits zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG in § 75 Betriebsverfassungsgesetz erfolgten Wortwahl. Erfasst werden homosexuelle Männer und Frauen ebenso wie bisexuelle, transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen.
Der Begriff „Alter“ meint Lebensalter, schützt also gegen ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlungen, die an das konkrete Lebensalter anknüpfen. Es geht also nicht ausschließlich um den Schutz älterer Menschen vor Benachteiligung, wenngleich dies ein Schwerpunkt des Anwendungsbereichs sein wird.