Satz 1 enthält den Grundsatz, wonach Unterscheidungen zulässig sind, für die ein sachlicher Grund vorliegt. Dieser Rechtsfertigungsgrund ist erforderlich, weil bei den genannten Merkmalen – anders als bei Unterscheidungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft -Differenzierungen im allgemeinen Zivilrecht oft akzeptiert oder sogar höchst erwünscht sind. Beispielhaft erwähnt seien hier nur Preisrabatte für Schülerinnen und Schüler oder für Studierende oder gesonderte Öffnungszeiten für Frauen in Schwimmbädern. Andere Unterscheidungen werden von den Betroffenen zwar subjektiv als diskriminierend empfunden, dienen objektiv aber notwendigen Zwecken, etwa der Einhaltung von Verkehrssicherungspflichten und damit der Schadensverhütung. All diese Unterscheidungen können und sollen weiterhin möglich sein; denn hierbei handelt es sich nicht um Diskriminierungen, also sozial verwerfliche Unterscheidungen. Satz 1 dient damit auch der Umsetzung von Art. 3 Abs. 4 der Gleichbehand-lungs-Richtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt .../.../EG [noch nicht erlassen, Entwurf vom 6. Oktober 2004], wonach es gerechtfertigt sein kann, Güter und Dienstleistungen ausschließlich oder vorwiegend für die Angehörigen eines Geschlechts bereitzustellen.
Die Feststellung eines sachlichen Grundes bedarf einer wertenden Feststellung im Einzelfall nach den Grundsätzen von Treu und Glauben und entzieht sich wegen der Reichweite des allgemeinen zivilrechtlichen Benachteiligungsverbotes einer abschließenden näheren Konkretisierung. Die sachlichen Gründe können sich zunächst aus dem Charakter des Schuldverhältnisses ergeben. Es können Umstände sein, die aus der Sphäre desjenigen stammen, der die Unterscheidung trifft, oder aber aus der Sphäre desjenigen, der von der Unterscheidung betroffen ist.
Das Erfordernis einer Abwägung im Einzelfall kommt auch im bereits erwähnten Rechtfertigungsgrund des Art. 3 Abs. 4 der Gleichbehandlungs-Richtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt .../.../EG [noch nicht erlassen, Entwurf vom 6. Oktober 2004] zum Ausdruck. Der Erwägungsgrund 12a dieser Richtlinie stellt darüber hinaus klar, dass beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen die jeweiligen Möglichkeiten nicht in jedem Fall gleichermaßen geboten werden müssen, sofern dabei nicht Angehörige des einen Geschlechts besser gestellt sind als die des anderen. Es ist also sachlich gerechtfertigt, Waren und Dienstleistungen geschlechtspezifisch anzubieten, sofern dies sachlichen Kriterien Rechnung trägt. Ein weiteres Beispiel sind etwa Sportveranstaltungen, die nur Angehörigen eines Geschlechts zugänglich sind (siehe Erwägungsgrund 12 der Gleichbehandlungs-Richtlinie wegen des Geschlechts außerhalb der Arbeitswelt .../.../EG [noch nicht erlassen, Entwurf vom 6. Oktober 2004]).
In der Praxis werden meist die Regelbeispiele in Nr. 1 bis 5 einschlägig sein, die – nicht abschließend – die wichtigsten Fallgruppen umreißen und zugleich eine Richtschnur für die Auslegung des Grundtatbestandes geben können.