Zu Absatz 2

Absatz 2 trifft Sonderregelungen für den Fall, dass ein Anspruch auf den Abschluss eines Vertrags in Betracht kommt. Die Bestimmungen enthält Klarstellungen, die sich bereits aus allgemeinen Prinzipien des Zivilrechts ergeben, wie etwa das in Satz 1 formulierte Kausalitätserfordernis. Auch der in Satz 2 geregelte Sachverhalt, wonach Leistung und Gegenleistung hinreichend bestimmt sein müssen, entspricht bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen. Nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht kommt ein Anspruch auf Vertragsschluss dann nicht mehr in Fra-ge, wenn der Benachteiligende inzwischen über die Sache oder das Recht verfügt hat (§ 275 Abs. 1 BGB).

Satz 1 ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Der Anspruch selbst hat seine Grundlage im Schadensersatzrecht (Vertragsschluss als Naturalrestitution) bzw. ergibt sich als quasinegatorischer Folgenbeseitigungsanspruch (Vertragsschluss als Beseitigung der Beeinträchtigung, siehe Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, 63. Auflage 2004, Anhang nach § 319 Rdnr. 20). Satz 1 stellt klar, dass in Fällen der Vertragsverweigerung ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages nur dann gegeben ist, wenn dieser ohne das diskriminierende Verhalten abgeschlossen worden wäre. Fehlt es an dieser kausalen Verknüpfung, kann zwar eine Benachteiligung vorliegen, die Ansprüche hinsichtlich des immateriellen Schadens oder der Aufwendungen für die Anbahnung des Zielvertrages auszulösen vermag. Aus einer solchen Benachteiligung kann dem Gläubiger aber kein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages erwachsen. Eine Benachteiligung in der Anbahnungsphase eines Vertrags führt also nicht „automatisch“ zum Anspruch auf Vertragsschluss.

Diese Kausalitätsprüfung wirft wenige Probleme auf, wenn es dem Unternehmer bei diskriminierungsfreiem Handeln nur auf den Absatz von Waren und Dienstleistungen ohne Ansehen der Person ankommt, wie dies bei Massengeschäften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 regelmäßig der Fall ist. Denn hier zielt der Unternehmer i.d.R. ausschließlich auf den reibungslosen, umsatzfördernden Absatz seiner Leistungen ab, und er hält Waren oder andere Leistung in einer hinreichenden Menge vorrätig, so dass mit jedem potentiellen Gläubiger ein Vertrag zustande kom-men kann.

Schwieriger sind diejenigen Fälle zu handhaben, bei denen ein Anspruch auf Vertragsschluss ausscheidet, weil der Schuldner des Benachteiligungsverbots nach dem Charakter des Vertrages redlicherweise auf andere, nicht durch das gesetzliche Verbot des § 20 Abs. 1 und 2 erfasste Unterscheidungsmerkmale abstellen darf, wie etwa auf die Solvenz oder auf besondere Fertigkeiten und Kenntnisse des Gläubigers. Auch kommt wegen des Schutzes der Vertragsfreiheit ein Anspruch nicht in Betracht, wenn mehrere weitgehend gleichwertige Angebote vorliegen bzw. Interessenten bereitstehen, denn der potentielle Vertragspartner des Benachteiligten muss sich auch bei diskriminierungsfreiem Verhalten nicht zwangsläufig für diese Person entscheiden. Es kann sich dann nämlich so verhalten, dass der Schuldner einen Mitbewerber (berechtigterweise) bevorzugt oder auf einen Vertragsschluss ganz verzichtet hätte. Insoweit liegt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast beim Benachteiligten.

Prozessual ist der Anspruch auf Abschluss eines Vertrags durch eine Klage auf Annahme des Antrages nach § 894 ZPO geltend zu machen, ggf. verbunden mit der Klage auf die Leistung (Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, 63. Auflage 2003, Rn. 22 vor § 145). Der Antrag und die hierauf gerichtete Klage müssen hinreichend bestimmt sein (§ 145 BGB und § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), Satz 2 erster Halbsatz stellt dies klar. Bei Massengeschäften bereitet diese Bestimmung meist keine Mühe, denn der Leistungsgegenstand des Zielvertrages (etwa die industriell gefertigte Ware oder eine standardisierte Dienstleistung) steht fest. Sofern sich die Leistung noch nicht hinreichend konkretisiert hat, kann im Einzelfall die Klage auf die Abgabe eines bestimmten Angebotes in Betracht kommen, das dann etwa die Nebenpflichten und Modalitäten der Leistung konkretisiert (siehe hierzu Bundesgerichtshof NJW 1986, Seite 2822).

Satz 2 zweiter Halbsatz regelt, wie die Gegenleistung des Zielvertrages zu bestimmen ist, so-fern diese Zweifeln unterliegt. Bei vielen Alltagsgeschäften ist die typischerweise als Geldschuld zu erbringende Gegenleistung ohne Schwierigkeiten zu ermitteln, weil die andere Partei die standardisierte Leistung auf Grund öffentlicher Preisangaben oder nach Listenpreisen vertreibt. Ansonsten verbleibt ihm nach § 316 BGB das Leistungsbestimmungsrecht; es besteht kein An-lass, über den gesetzlichen Kontrahierungszwang hinaus dem Benachteiligenden auch die Vertragsgestaltungsfreiheit zu nehmen. Allerdings unterliegt diese Befugnis nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Billigkeitskontrolle, weil ansonsten die Gefahr bestünde, den Zielvertrag durch unbillige Forderungen nach Gegenleistung (etwa prohibitiv wirkende Preise) im Ergebnis wieder zu vereiteln. In diesem Fall oder bei verzögerter Bestimmung entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht (zu diesem Regelungsmodell Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, 1999, Seite 251 ff).