VORENTWURF EINES VORSCHLAGS FÜR EINE VERORDNUNG
DES RATES
ÜBER DAS AUF AUSSERVERTRAGLICHE SCHULDVERHÄLTNISSE
ANZUWENDENDE RECHT Dieser Vorentwurf eines Vorschlags für eine Entscheidung des Rates soll Anstoß geben zu einer öffentlichen Debatte über den künftigen Gemeinschaftsrechtsakt über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht. Ein solcher Rechtsakt ist im Wiener Aktionsplan (Ziffer 40 b) und im Programm zur gegenseitigen Anerkennung (Ziffer II.B.3) vorgesehen. Es handelt sich bei diesem Vorentwurf nur um ein einfaches Arbeitsdokument, das von den Dienststellen der Kommission zum Zweck der Konsultation interessierter Parteien verfasst wurde. Die Kommission hat alle interessierten Parteien aufgefordert, ihr begründete Bemerkungen zu den unterschiedlichen Kollisionsnormen in diesem Dokument zu übermitteln. Die Bemerkungen sind auf der
Web-Seite der Kommission unter
TITEL I - ANWENDUNGSBEREICH Artikel 1 - Anwendungsbereich 1. Diese Verordnung findet Anwendung auf außervertragliche Schuldverhältnisse bei Sachverhalten, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen. 2. Sie ist nicht anzuwenden auf: a) außervertragliche Schuldverhältnisse, die auf einem Familienverhältnis oder einem diesem gleichgestellten Verhältnis, einschließlich der Unterhaltsverpflichtungen, beruhen, sofern dafür besondere Bestimmungen gelten; b) außervertragliche Schuldverhältnisse aufgrund des Erbrechts; c) Verpflichtungen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, sofern die Verpflichtungen aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen; d) Fragen betreffend die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter, der Organe und der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen für die Schulden der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person; e) die Haftung für Akte der Staatsgewalt; f) außervertragliche Schuldverhältnisse zwischen den Verfügenden, den Treuhändern und den Begünstigten eines "Trusts"; g) den Beweis und das Verfahren, vorbehaltlich des Artikels 17. 3. In dieser Verordnung bezeichnet der Begriff "Mitgliedstaat" alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme [des Vereinigten Königreichs, Irlands und] Dänemarks. Artikel 2 – Anwendung des Rechts von Nichtvertragsstaaten Das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedsstaats ist.
Artikel 3 - Allgemeine Vorschrift 1. Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung ist unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis erfolgt und in welchem Staat oder welchen Staaten die indirekten Schadensfolgen festzustellen sind, vorbehaltlich des Absatzes 2 das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt. 2. Wenn der Schädiger und der Geschädigte zum Zeitpunkt der Begehung der unerlaubten Handlung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat haben, ist das Recht dieses Staates anzuwenden. 3. Wenn sich allerdings aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass eine unerlaubte Handlung wesentlich engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist und es keine bedeutende Verbindung zwischen dieser unerlaubten Handlung und dem Staat gibt, dessen Recht aufgrund der Absätze 1 und 2 anwendbar wäre, findet das Recht dieses anderen Staates Anwendung. Eine wesentlich engere Verbindung zu einem anderen Staat kann sich insbesondere auf ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien wie einen Vertrag mit einer Verbindung zu der betreffenden unerlaubten Handlung stützen. Artikel 4 - Keiner territorialen Souveränität unterliegende Gebiete 1. Tritt der Schaden in Gebieten ein, die keiner territorialen Souveränität eines Staates unterliegen, ist das Recht des Staates anwendbar, unter dessen Flagge das mit der unerlaubten Handlung in Verbindung stehende Transportmittel fährt oder in dem die mit der unerlaubten Handlung in Verbindung stehende Anlage registriert ist, oder zu dem das Transportmittel oder die Anlage analoge Verbindungen aufweist. 2. Besteht keine Verbindung zu einem bestimmten Staat oder besteht eine Verbindung zu mehreren Staaten, so findet das Recht des Staates Anwendung, zu dem die unerlaubte Handlung die engste Verbindung aufweist. Artikel 5 - Produkthaftung 1. Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis im Fall eines durch ein Produkt verursachten Schadens findet das Recht des Staates Anwendung, in dem die Person, die den Schaden unmittelbar erleidet, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Hauptniederlassung hat, wenn dieser Staat auch - der Staat der Hauptniederlassung der Person ist, deren Haftung geltend gemacht wird, oder - der Staat ist, in dem das Produkt erworben wurde. 2. In allen anderen Fällen findet das Recht des Staates Anwendung, in dem sich die unerlaubte Handlung ereignet hat. Artikel 6 - Unlauterer Wettbewerb und unlautere Praktiken Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis in Folge von unlauterem Wettbewerb oder unlauteren Praktiken findet das Recht des Staates Anwendung, in dem der unlautere Wettbewerb oder die unlauteren Praktiken die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Verbraucherinteressen beeinträchtigt bzw. beeinträchtigen. Artikel 7 - Verleumdung Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis in Folge einer Beeinträchtigung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte oder einer Verleumdung findet das Recht des Staates Anwendung, in dem der Geschädigte zum Zeitpunkt der Begehung der unerlaubten Handlung seinen gewöhnlichen Wohnsitz hat. Artikel 8 - Umweltschädigung Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis in Folge einer Umweltschädigung findet das Recht des Staates Anwendung, in dessen Hoheitsgebiet der Schaden eingetreten ist oder einzutreten droht. Artikel 9 – Geltungsbereich des auf außervertragliche
Schuldverhältnisse Das nach den Artikeln 3 bis 8 und 11 dieser Verordnung auf ein außervertragliches Schuldverhältnis anzuwendende Recht ist insbesondere maßgebend für: 1. die Grundlage, die Bedingungen und den Umfang der Haftung, einschließlich der Bestimmung der Personen, deren Handlungen haftungsbegründend sind; 2. die Ausschlussgründe, sowie jede Beschränkung oder Teilung der Haftung; 3. das Vorliegen und die Art ersatzfähiger Schäden; 4. die Maßnahmen, die das Gericht innerhalb der Grenzen der ihm durch sein Prozessrecht eingeräumten Befugnisse zur Vorbeugung, zur Beendigung oder zum Ersatz des Schadens anordnen kann; 5. die Schadensbemessung, soweit sie nach Rechtsnormen erfolgt; 6. die Übertragbarkeit des Schadensersatzanspruchs; 7. die Personen, die einen Anspruch auf Ersatz des unmittelbar erlittenen Schadens haben; 8. die Haftung für das Verschulden Dritter; 9. die Verjährung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben, einschließlich des Beginns, der Unterbrechung und Hemmung von Fristen.
KAPITEL 2 Artikel 10 - Bestimmung des anzuwendenden Rechts 1. Für ein außervertragliches Schuldverhältnis aus anderer als unerlaubter Handlung, das sich aus einem bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ergibt, gilt das Recht des Staates, dessen Recht auf dieses Rechtsverhältnis Anwendung findet. 2. Vorbehaltlich des Absatzes 1 gilt für ein außervertragliches Schuldverhältnis, das sich auf eine ungerechtfertigte Bereicherung gründet, das Recht des Staates, in dem die Bereicherung erfolgt ist. 3. Vorbehaltlich des Absatzes 1 gilt für ein Schuldverhältnis aus Geschäftsführung ohne Auftrag das Recht des Staates, in dem das Geschäft vorgenommen worden ist. 4. Ungeachtet der Absätze 2 und 3 und vorbehaltlich des Absatzes 1 gilt in dem Fall, dass die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Begründung des außervertraglichen Schuldverhältnisses im selben Staat haben, das Recht dieses Staates.
KAPITEL 3 Artikel 11 - Freie Rechtswahl 1. Die Parteien können das auf ein außervertragliches Schuldverhältnis anzuwendende Recht frei wählen. Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen und darf die Rechte Dritter nicht berühren. 2. Sind alle anderen Teile des Sachverhalts zum Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses in einem anderen Staat als jenem belegen, dessen Recht gewählt wurde, so kann die Rechtswahl der Parteien die Anwendung der Bestimmungen nicht berühren, von denen nach dem Recht jenes Staates nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann und die nachstehend "zwingende Bestimmungen" genannt werden. 3. Sind alle Teile des Sachverhalts zum Zeitpunkt der Begründung des Schuldverhältnisses in einem oder mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft belegen, so kann die Wahl des Rechts eines Drittstaats durch die Parteien die Anwendung der zwingenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts nicht berühren. Artikel 12 – Zwingende Vorschriften Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der nach dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts geltenden Vorschriften, die unabhängig von dem auf das außervertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht den Sachverhalt regeln. Artikel 13 – Sicherheits- und Verhaltensregeln Unabhängig vom anzuwendenden Recht sind bei der Festlegung der Haftung die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Ort und zum Zeitpunkt der Begründung des außervertraglichen Schuldverhältnisses zu berücksichtigen. Artikel 14 – Direktklage gegen den Versicherer des Verantwortlichen 1. Der Geschädigte kann direkt gegen den Versicherer des Verantwortlichen vorgehen, wenn ihm diese Möglichkeit durch das auf das außervertragliche Schuldverhältnis anzuwendende Recht zugestanden wird. 2. Wenn diese Möglichkeit in dem auf das außervertragliche Schuldverhältnis anzuwendenden Recht nicht vorgesehen ist, kann sie unter der Voraussetzung ergriffen werden, dass sie in dem für den Versicherungsvertrag maßgebenden Recht vorgesehen ist. Artikel 15 - Gesetzlicher Forderungsübergang 1. Hat eine Person, der Gläubiger, aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses eine Forderung gegen eine andere Person, den Schuldner, und hat ein Dritter die Verpflichtung, den Gläubiger zu befriedigen, oder befriedigt er den Gläubiger aufgrund dieser Verpflichtung, so bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten maßgebende Recht, ob der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner gemäß dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht ganz oder zu einem Teil geltend machen kann. 2. Dies gilt auch, wenn mehrere Personen dieselbe Forderung zu erfüllen haben und der Gläubiger von einer dieser Personen befriedigt worden ist. Artikel 16 – Form Ein einseitiger Rechtsakt in Bezug auf ein außervertragliches Schuldverhältnis ist formgültig, wenn er die Formerfordernisse des für das betreffende außervertragliche Schuldverhältnis maßgebenden Rechts oder des Rechts des Staates, in dem er vorgenommen wurde, erfüllt. Artikel 17 – Beweis 1. Das nach dieser Verordnung für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht ist insoweit anzuwenden, als es für außervertragliche Schuldverhältnisse gesetzliche Vermutungen aufstellt oder die Beweislast verteilt. 2. Zum Beweis eines Rechtsaktes sind alle Beweisarten der lex fori oder eines der in Artikel 16 bezeichneten Rechte, nach denen der Rechtsakt formgültig ist, zulässig, sofern der Beweis in dieser Art erbracht werden kann. TITEL III - ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN Artikel 18 – Gleichstellung mit dem gewöhnlichen Aufenthalt 1. Bei Gesellschaften, Vereinen oder juristischen Personen steht die Hauptverwaltung dem gewöhnlichen Aufenthalt gleich. 2. Wenn die das außervertragliche Schuldverhältnis begründende Handlung in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit begangen oder erlitten wurde, steht die Hauptniederlassung dem gewöhnlichen Aufenthalt gleich. Bei mehreren Niederlassungen steht jene Niederlassung, bei deren Inanspruchnahme die schädigende Handlung begangen oder erlitten wurde, dem gewöhnlichen Aufenthalt gleich. Artikel 19 – Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung Unter dem nach dieser Verordnung anzuwendenden Recht eines Staates sind die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts zu verstehen. Artikel 20 – Öffentliche Ordnung Die Anwendung einer Bestimmung des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nur versagt werden, wenn diese Anwendung offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts unvereinbar wäre. Artikel 21 – Ausschluss der Rückwirkung Diese Verordnung ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden, die sich aus Ereignissen ergeben, die nach ihrem Inkrafttreten erfolgt sind. Artikel 22 – Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung 1. Umfasst ein Staat mehrere Gebietseinheiten, von denen jede eigene Rechtsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse hat, so gilt für die Bestimmung des nach dieser Verordnung anzuwendenden Rechts jede Gebietseinheit als Staat. 2. Ein Staat, in dem verschiedene Gebietseinheiten eigene Rechtsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse haben, ist nicht verpflichtet, diese Verordnung auf Kollisionen zwischen den Rechtsnormen dieser Gebietseinheiten anzuwenden. Artikel 23 - Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten 1. Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Bestimmungen, die in den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften oder in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften enthalten sind und die:
2. Diese Verordnung berührt nicht die Gemeinschaftsrechtsakte für besondere Bereiche, die in dem jeweils koordinierten Bereich die Erbringung von Dienstleistungen den nationalen Bestimmungen unterwerfen, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats anwendbar sind, in dem der Dienstleistende niedergelassen ist, und die in dem koordinierten Bereich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs aus einem anderen Mitgliedstaat gegebenenfalls nur unter bestimmten Bedingungen erlauben. Artikel 24 – Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung internationaler Übereinkommen, denen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören und die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten. TITEL IV - SCHLUSSBESTIMMUNGEN Artikel 25 Diese Verordnung tritt nach einer Frist von sechs Monaten nach dem Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
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