Damit die Vermutung eingreift, wird mehr als die nur abstrakt- generelle Eignung des Arzneimittels verlangt, Schäden der in Rede stehenden Art hervorzurufen. Die Eignung muss auf Grund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden. Satz 2 zählt beispielhaft Umstände auf, die für die Frage der konkreten Eignung eine Rolle spielen und die der Geschädigte darlegen muss, damit die Vermutung eingreift. Dazu gehören die Zusammensetzung und Dosierung des angewendeten Arzneimittels, die Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, der zeitliche Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, das Schadensbild und der gesundheitliche Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung. Diese Aufzählung der für die Eignung im Einzelfall maßgeblichen Umstände ist nicht abschließend. Vielmehr sind auch alle sonstigen Gegebenheiten vorzutragen, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung durch das von dem in Anspruch genommenen pharmazeutischen Unternehmer hergestellte Arzneimittel sprechen. Hierzu kann insbesondere auch die Anwendung weiterer Arzneimittel zählen, die sich auf den Schadenseintritt ausgewirkt haben können. Kann der Geschädigte darlegen und im Streitfall beweisen, dass das Medikament nach den Umständen des Einzelfalls dazu geeignet war, den Schaden zu verursachen, so wird darauf geschlossen, dass die bei ihm konkret vorliegende Beeinträchtigung durch das Arzneimittel bewirkt wurde. Es genügt also die Darlegung und – im Bestreitensfalle – der Nachweis der konkreten Möglichkeit der Schadensverursachung. Der Geschädigte wird dann davon befreit, den Kausalverlauf zur vollen Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen zu müssen.
Die Kausalitätsvermutung gilt nicht, wenn der pharmazeutische Unternehmer darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass nach den Gegebenheiten des Einzelfalls ein anderer Umstand als das Arzneimittel als geeignete Schadensursache in Betracht kommt (Satz 3).
Nach dem Vorbild des § 7 UmweltHG stellt Satz 4 klar, dass die Einnahme weiterer Arzneimittel, die den Schaden verursacht haben können, kein „anderer Umstand“ in diesem Sinne ist. Sind mehrere Arzneimittel zur Schadensverursachung geeignet, so sollen die pharmazeutischen Unternehmer nicht dadurch der Kausalitätsvermutung entgehen, dass sie sich wechselseitig die mögliche Verantwortung zuschieben. Dies korrespondiert mit den in derartigen Konstellationen in Betracht kommenden Haftungsnormen (§ 830 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 840 BGB bzw. § 93 AMG), die eine gesamtschuldnerische Haftung vorschreiben, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine gefährdende Handlung verursacht hat. Und ebenso wie dort angenommen wird, dass eine Haftung für alle potenziellen Schadensverursacher entfalle, wenn auch nur einer von ihnen – abgesehen von der Kausalität – nicht einstandspflichtig ist (BGH NJW 1994, 932; Soergel-Zeuner, BGB, § 830, Rdnr. 20, m. w. N.), wird man auch hier erwägen müssen, die Kausalitätsvermutung gegenüber allen potenziellen Schadensverursachern ausnahmsweise dann nicht eingreifen zu lassen, wenn der Hersteller des anderen im Einzelfall zur Schadensverursachung geeigneten Arzneimittels aus anderen Gründen nicht haften würde, etwa weil die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels vertretbar wären. Gleiches wird auch für die Kausalitätsvermutung nach den §§ 6 f. UmweltHG erwogen, wenn ein anderer potenzieller Schadensverursacher – abgesehen von der Kausalität – nicht einstandspflichtig ist, so dass er aus dem Haftungsverbund herausfällt und kein Ausgleich im Innenverhältnis stattfindet (vgl. Landsberg/Lülling, Umwelthaftungsrecht, § 7, Rdnr. 13 ff.).
Sind mehrere Arzneimittel im Einzelfall zur Schadensverursachung geeignet und wird nur ein pharmazeutischer Hersteller in Anspruch genommen, kann dieser im Innenverhältnis Rückgriff bei dem anderen pharmazeutischen Hersteller nehmen (§ 93 AMG). Für die Frage der Ersatzpflichtigkeit des anderen pharmazeutischen Unternehmers ist die Ursachenvermutung des § 84 Abs. 2 AMG zu berücksichtigen. Die Kausalitätsvermutung wird durch den neu eingeführten Auskunftsanspruch des § 84a AMG (Artikel 1 Nr. 2) ergänzt.
Soweit der Geschädigte nicht über die notwendigen Erkenntnisse verfügt, um die Eignung des Medikaments zur Verursachung seines Schadens beurteilen und im Streitfall darlegen zu können, wird er mittels des Auskunftsanspruchs in die Lage versetzt, an die notwendigen Informationen zu gelangen.
Zu dem neuen Absatz 3 wird auf die Begründung zu Artikel 1 Nr. 1a verwiesen.