Zu Artikel 4 Nr. 7
Zum neuen § 12a StVG:

Der Transport von Gefahrgut im Straßenverkehr ist – wie jede Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr – mit der Betriebsgefahr des befördernden Kraftfahrzeugs behaftet. Bei Gefahrgutunfällen im Straßenverkehr kann sich allerdings neben der „normalen“ Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs im Einzelfall auch das zusätzliche Risiko des beförderten gefährlichen Guts realisieren. Das für diesen Fall geltende Haftungsrecht muss deshalb unter Berücksichtigung des zusätzlichen Gefahrgutrisikos den Ausgleich eines bei dem Transport gefährlicher Güter erlittenen Schadens gewährleisten. Dieses zusätzliche Gefahrgutrisiko schlägt sich vor allem darin nieder, dass es umfänglichere Schäden zur Folge haben kann als dies bei der Verwirklichung nur der „normalen“ Betriebsgefahr der Fall wäre: Kommt es zu einem Unfall eines Transporters explosiver Stoffe so ist eine – gefahrgutbedingte – Explosion eher und regelmäßig mit größeren Personen- und Sachschäden zu erwarten als bei einem Unfall eines Transporters nicht explosiver Stoffe. Die Haftungshöchstgrenzen des § 12 StVG können daher bei einem Unfall mit Gefahrgut schnell überschritten werden. Da keine besonderen Haftungshöchstgrenzen für Gefahrguttransporte bestehen, kann der Geschädigte dann allenfalls im Rahmen der – unbegrenzten – Verschuldenshaftung nach den §§ 823 ff. BGB, nicht aber unter den erleichterten Voraussetzungen der Gefährdungshaftung seine Ansprüche in vollem Umfang realisieren, obwohl sich hier nicht nur die allgemeine Gefährdung durch das Kraftfahrzeug, sondern auch noch die besondere Gefährdung durch das Gefahrgut verwirklicht hat.

Diese Rechtslage bietet aber nicht nur für den Geschädigten wegen der schnellen Überschreitung der Haftungshöchstgrenzen, der deshalb möglicherweise nicht ausreichenden Versicherungsdeckung und der unsicheren Realisierung seines Schadens im Rahmen der Verschuldenshaftung Risiken. Auch der Schädiger ist mit einem vielfach unkalkulierbaren Haftungsrisiko belastet, wenn hier verstärkt auf die Verschuldenshaftung zurückgegriffen wird und ein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten oder Sicherheitsanforderungen zu einer unbegrenzten Haftung führt.

Vor diesem Hintergrund und wegen der grenzüberschreitenden Dimension von Gefahrguttransporten sind im internationalen Bereich die Arbeiten zu einer besonderen Gefahrguthaftung bereits vorangeschritten. Das von Deutschland zwar gezeichnete, jedoch bisher nicht in Kraft getretene Übereinkommen vom 10. Oktober 1989 über die zivilrechtliche Haftung für Schäden bei der Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, der Schiene und mit Binnenschiffen (CRTD) wird allerdings mangels ausreichender Zahl von Ratifikationen in absehbarer Zeit nicht wirksam werden können. Berücksichtigt man den dafür erforderlichen Zeitbedarf, so ist auch im Lichte der Probleme der grenzüberschreitenden Beförderungen eine nationale Verbesserung der Gefahrguttransporthaftung erforderlich. Eine entsprechende Regelung für den Straßenverkehr kann vor dem Hintergrund der internationalen Situation zunächst als „Vorabregelung“ gestaltet werden und muss kein in sich geschlossenes, alle Einzelheiten regelndes und jeden Verkehrsbereich umfassendes Haftungssystem darstellen. Aus diesem Grund wird der Gefahrguttransport im Straßenverkehr, mit dem Dritte besonders häufig in Berührung kommen, in die bestehende Straßenverkehrs-Gefährdungshaftung integriert und mit Blick auf die Haftungshöchstgrenzen dem besonderen Gefährdungspotenzial eines solchen Transports angepasst.

Soweit ausländische Transporteure im Inland einen Gefahrgutunfall verursachen, werden sie im Allgemeinen nach den Regeln des Internationalen Privatrechts dem deutschen Haftungssystem unterfallen, so dass wettbewerbliche Verzerrungen durch eine „Vorabregelung“ weitestgehend ausgeschlossen werden können.

Rechtstechnisch knüpft der neue § 12a StVG an die allgemeine Halterhaftung des § 7 StVG an. Auch für Gefahrguttransporte setzt die Halterhaftung nach dem StVG also nur dann ein, wenn die haftungsbegründenden Voraussetzungen des § 7 StVG vorliegen und die Haftung nicht nach § 8 StVG ausgeschlossen ist. Der Beginn der Gefährdungshaftung ist daher auch für sie durch das Merkmal „beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ in § 7 StVG festgelegt, zu dem die Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik entwickelt hat, nach der zum Betrieb eines Transportfahrzeugs auch das Be- und Entladen gehört (BGHZ 71, 212, 215; 105, 65, 67).

Modifiziert gegenüber der allgemeinen Halterhaftung wird lediglich § 12 StVG durch besondere Haftungshöchstbeträge – und dies auch nur hinsichtlich des globalen Haftungshöchstbetrages für Personenschäden und des (globalen) Haftungshöchstbetrages für Sachschäden. Insoweit wird das bei Gefahrguttransporten bestehende zusätzliche Schadensrisiko, das sich insbesondere in einem größeren Schadensumfang niederschlagen kann, berücksichtigt. Voraussetzung für die Maßgeblichkeit der höheren Haftungshöchstbeträge ist nach § 12a Abs. 1 StVG daher aber stets, dass der Schaden durch die die Gefährlichkeit der beförderten Güter begründenden Eigenschaften verursacht worden ist, sich also gerade dieses zusätzliche Schadensrisiko des Gefahrguttransports in dem eingetretenen Schaden realisiert hat.

Die individuelle Haftungshöchstgrenze für Personenschäden nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG gilt auch für Unfälle mit Gefahrguttransporten. Dies stellt § 12a Abs. 1 Nr. 1 StVG durch die Formulierung „unbeschadet der in § 12 Abs. 1 Nr. 1 bestimmten Grenzen“ klar. Insoweit ist eine gefahrgutbedingte Erhöhung der allgemeinen Haftungshöchstgrenze auch nicht erforderlich. Denn die individuelle Haftungshöchstgrenze für Personenschäden orientiert sich an einem durchschnittlich schweren Personenschaden im Falle der Tötung oder Verletzung nur eines Menschen. Der insoweit anzusetzende Betrag ist aber davon unabhängig, ob der schwere Personenschaden gefahrgutbedingt ist oder nicht.

Die globale Haftungshöchstgrenze für Personenschäden (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG) wird indes durch § 12a Abs. 1 Nr. 1 StVG modifiziert: Für den Fall der Tötung oder Verletzung mehrerer Personen wird bis zu einem Kapitalhöchstbetrag von 6 Mio. Euro oder einer maximalen Jahresrente von 360 000 Euro gehaftet. Hiermit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass gefahrgutbedingte Risiken sich im Allgemeinen in einem größeren Umfang des Gesamt-, nicht aber des Individualschadens niederschlagen. In der Annahme, dass damit ein durchschnittlicher Großschaden bei Gefahrguttransporten abgedeckt ist, wurden die globalen Höchstbeträge für Personenschäden des § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG um das Doppelte angehoben. Damit ist der Ausgleich der Personenschäden von wenigstens 10 schwerstgeschädigten Personen im Umfang des individuellen Haftungshöchstbetrages sichergestellt.

Die (globale) Haftungshöchstgrenze für Sachschäden (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 StVG) wird für gefahrgutbedingte Unfälle durch § 12a Abs. 1 Nr. 2 StVG modifiziert: Bei der Beschädigung unbeweglicher Sachen wird bis zu einem Betrag von 6 Mio. Euro gehaftet. Werden trotz gefahrgutbedingter Schädigung keine unbeweglichen Sachen beschädigt, bleibt es bei der allgemeinen Haftungshöchstgrenze für Sachschäden nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 StVG. Dies stellt § 12a Abs. 1 Satz 2 StVG klar. Diese Anhebung der (globalen) Haftungshöchstgrenze für gefahrgutbedingte Sachschäden trägt – wie die Anhebung der Haftungshöchstgrenze für Personenschäden – der Tatsache Rechnung, dass das zusätzliche Gefahrgutrisiko zu umfänglicheren Sachschäden führen kann. Dabei treten verstärkt Schäden an unbeweglichen Sachen auf, wenn etwa eine auslaufende Chemikalie ins Erdreich gelangt und hierdurch Bodenschäden oder gar Grundwasser- oder Gewässerverunreinigungen auftreten. Hieraus erklärt sich die Begrenzung der Anhebung der Haftungshöchstgrenze auf Schäden an unbeweglichen Sachen.

Hieraus erklärt sich aber auch die gegenüber der Haftungshöchstgrenze für Personenschäden überproportionale Anhebung der allgemeinen Haftungshöchstgrenze des § 12 Abs. 1 Nr. 3 StVG für Sachschäden. Denn bei gefahrgutbedingten Sachschäden handelt es sich fast typischerweise um Umweltschäden, die schnell ein erhebliches Ausmaß annehmen können und deren Ausgleich nur dann regelmäßig gewährleistet erscheint, wenn der diesbezügliche Haftungshöchstbetrag erheblich angehoben wird. Bei der Bemessung der Haftungshöchstbeträge für Gefahrguttransporte wurden schließlich auch die Haftungshöchstbeträge für Gefahrguttransporte durch Binnenschiffe berücksichtigt.

Für sie sieht § 5h BinschG eine für Personenund Sachschäden jeweils global auf 5 Millionen Sonderziehungsrechte begrenzte Haftung vor. Da im Binnenschiffsverkehr grundsätzlich größere Gefahrgutmengen transportiert werden, bleiben die Haftungshöchstbeträge für den Straßenverkehr etwas hinter den dortigen Beträgen zurück. Die neuen Haftungshöchstbeträge werden im Übrigen von der bereits jetzt bestehenden Pflichtversicherungssumme gedeckt.

§ 12a Abs. 2 StVG definiert den Begriff der gefährlichen Güter. Dabei wird auf die Definition zurückgegriffen, wie sie bereits in den straßenverkehrsspezifischen Sicherheitsvorschriften für Gefahrguttransporte verwandt wird: Die weite Legaldefinition des § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Beförderung gefährlicher Güter (GBefGG) (BGBl. 1975 I S. 2121) wird in den verkehrsträgerspezifischen Gefahrgutverordnungen konkretisiert. Die für den Straßenverkehr maßgebliche Verordnung über den Transport gefährlicher Güter auf der Straße (GGVS) (BGBl. 1996 I S. 1886) enthält eine solche Konkretisierung in § 2 Abs. 1 Nr. 2, die die Anlagen A und B zu dem Europäischen Übereinkommen vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) (BGBl. 1969 II S. 1489, zuletzt geändert und neu bekannt gemacht am 24. Februar 1997, BGBl. 1998 II S. 564) in Bezug nimmt.

Diese Definition des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GGVS übernimmt Absatz 2 für die Gefahrguthaftung im Straßenverkehr. Absatz 3 erklärt die besonderen Haftungshöchstgrenzen des § 12a Abs. 1 StVG dann nicht für anwendbar, wenn es sich um Beförderungen gefährlicher Güter handelt, deren Transport die öffentlich-rechtlichen Gefahrguttransportvorschriften von ihren besonderen Sicherheitsanforderungen freistellen.

Damit wird eine Kongruenz von Sicherheits- und Haftungsvorschriften hergestellt: Wer auf Grund des geringeren Gefahrgutrisikos nicht die besonderen Sicherheitsanforderungen des öffentlichen Gefahrgutrechts erfüllen muss, soll auch keiner besonderen zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Absatz 4 nimmt von den besonderen Haftungshöchstbeträgen für Gefahrguttransporte Schäden aus, die bei der Beförderung innerhalb eines Betriebes entstanden sind, in dem gefährliche Güter hergestellt, bearbeitet, verarbeitet, gelagert, verwendet oder vernichtet werden, soweit die Beförderung auf einem abgeschlossenen Gelände stattfindet.

Der Grund für diesen Ausschluss liegt in den allgemeinen Bestimmungen des öffentlichen Gefahrgutrechts, die solche betriebsinternen Beförderungsvorgänge von den besonderen Sicherheitsanforderungen des Gefahrguttransportrechts befreien (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GBefGG). Absatz 4 überträgt diese Wertung auf den Bereich der Straßenverkehrshaftung. Einer besonderen straßenverkehrsrechtlichen Haftung für diesen Bereich bedarf es auch deshalb nicht, da gefahrgutbedingte Schäden innerhalb eines Betriebsgeländes eine Frage der Umwelthaftung sind und deshalb auch im Rahmen der Umwelt- Anlagenhaftung nach dem Umwelthaftungsgesetz eine Regelung erfahren haben: Gemäß § 3 Abs. 3 UmweltHG gehören nämlich auch Fahrzeuge, die mit der Anlage oder einem Anlagenteil in einem räumlichen oder betriebstechnischen Zusammenhang stehen und für das Entstehen von Umweltwirkungen von Bedeutung sein können, zu den Anlagen im Sinne des Umwelthaftungsgesetz.

Absatz 5 stellt klar, dass die Anordnung der verhältnismäßigen Kürzung der Ansprüche bei Erschöpfung der globalen Haftungshöchstbeträge nach § 12 Abs. 2 StVG bei Erschöpfung der globalen Haftungshöchstbeträge für Gefahrguttransporte nach § 12a Abs. 1 StVG entsprechend gilt.

Zum neuen § 12b StVG:
Im Anschluss an Diskussionen anlässlich der Flugzeugunglücke in Ramstein und Remscheid wurde die Frage aufgeworfen, ob die haftungsrechtliche Situation militärischer Landfahrzeuge nicht an diejenige von militärischen Luftfahrzeugen angepasst werden sollte. Nach § 53 LuftVG sind Schäden, die durch militärische Luftfahrzeuge verursacht werden, unabhängig von einem Verschulden und der Höhe nach unbegrenzt zu ersetzen. Darüber hinaus besteht in diesen Fällen bereits nach geltendem Recht ein Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten.

Die vorgesehene Neuregelung greift diesen Gedanken auf und erklärt die in den §§ 12, 12a StVG enthaltenen Haftungshöchstgrenzen bei Unfällen, die sich beim Betrieb eines gepanzerten Gleiskettenfahrzeugs ereignen, für unanwendbar. Dies führt dazu, dass für diese Fahrzeuge die bereits nach geltender Rechtslage bestehende Haftung für diese Militärfahrzeuge nach dem StVG der Höhe nach keiner Beschränkung mehr unterliegt.

Der Begriff des gepanzerten Gleiskettenfahrzeugs entspricht dem in § 34b Abs. 1 StVZO verwendeten Begriff. Hierunter sind zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zugelassene Fahrzeuge auf Gleisketten mit integriertem Schutz für den Fahrer und die Besatzung gegen ballistische Geschosse zu verstehen. Er umfasst auch Fahrzeuge ohne solchen Schutz, wenn sie Trägerfahrzeuge eines Waffensystems (u. a. Mehrfachraketenwerfer, Minenwerfer) sind.

Die Regelung trägt der Tatsache Rechnung, dass von solchen Spezialfahrzeugen eine gegenüber den sonst am Straßenverkehr teilnehmenden Fahrzeugen erhöhte Betriebsgefahr ausgeht, die sich in umfänglicheren Personen- und Sachschäden niederschlagen kann. Angesichts der in dem Entwurf enthaltenen sonstigen Haftungsverbesserungen bei Unfällen im Straßenverkehr (insb. Erhöhung der allgemeinen Haftungshöchstgrenzen, Einführung eigener Haftungshöchstgrenzen für den Transport gefährlicher Güter, Einführung eines Gefährdungshaftungsschmerzensgeldes) erschienen weiter gehende haftungsrechtliche Sonderregelungen weder für Gleiskettenfahrzeuge noch für andere militärische Landfahrzeuge erforderlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass von einem Großteil der militärischen Landfahrzeuge (PKW, LKW, Kraftomnibusse etc.) keine im Vergleich zu entsprechenden zivilen Fahrzeugen höhere Betriebsgefahr ausgeht. Diese unterliegen vielmehr grundsätzlich denselben Bau- und Betriebsvorschriften vergleichbarer ziviler Fahrzeuge.