Zu Artikel 1 [Änderung des Arzneimittelgesetzes]
Die Bundesregierung hält die Einführung einer zusätzlichen Entschädigungsregelung (Haftungsfonds) nicht für geboten. Mit dem Regierungsentwurf wird die Rechtsstellung des Geschädigten in Fällen der Arzneimittelhaftung nachhaltig gestärkt. Zu Gunsten des Arzneimittelanwenders erfolgt eine Beweislastumkehr für die Frage, ob die schädlichen Wirkungen eines Arzneimittels ihre Ursache im Bereich der Entwicklung oder Herstellung haben. Der Beweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Anwendung des Arzneimittels und dem Schaden wird durch die Einführung einer Kausalitätsvermutung erleichtert. Weiterhin erhält der Arzneimittelanwender Auskunftsansprüche gegen den pharmazeutischen Unternehmer und die Zulassungs- und Überwachungsbehörde. Schließlich werden die Haftungshöchstbeträge erhöht und es wird erstmals ein Anspruch auf Schmerzensgeld im AMG verankert. Die Bundesregierung hält diese Verbesserungen für ausreichend.

Auch die vom Bundesrat angesprochene Frage nach dem Beweis der Schadensursächlichkeit eines Arzneimittels hat bei der Erarbeitung des Entwurfs eine wichtige Rolle gespielt. Es wurde besonderes Augenmerk darauf gelegt, dem Arzneimittelanwender den Nachweis der Schadenursächlichkeit eines Arzneimittels zu erleichtern. Zu diesem Zweck wurde in § 84 Abs. 2 AMG-E eine gesetzliche Kausalitätsvermutung eingefügt. Wenn das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den entstandenen Schaden zu verursachen, wird vermutet, dass das Arzneimittel auch den konkreten Schaden beim Anwender verursacht hat. Es ist dann an dem pharmazeutischen Unternehmer, diese Vermutung zu wiederlegen. Auf die Eignung eines anderen verwendeten Arzneimittels zur Schadensverursachung kann sich der pharmazeutische Unternehmer dabei nicht berufen (§ 84 Abs. 2 Satz 4 AMG-E). Diese Kausalitätsvermutung stellt für den Arzneimittelanwender eine wesentliche Verbesserung seiner beweisrechtlichen Lage dar. Daneben werden dem Arzneimittelanwender die neu geschaffenen Auskunftsansprüche gegen den pharmazeutischen Unternehmer und gegen die Zulassungs- und Überwachungsbehörde auch bei dem Nachweis der Kausalität zugute kommen. Der Auskunftsanspruch richtet sich auf dem pharmazeutischen Hersteller bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie auf bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Vertretbarkeit des Arzneimittels von Bedeutung sein können. Die insoweit erlangten Informationen werden auch für den Nachweis der Kausalität oder für die Ingangsetzung der Kausalitätsvermutung in § 84 Abs. 2 AMG-E von Bedeutung sein.

Die vom Bundesrat angeführten Fälle, dass der Geschädigte die von ihm angewandten Arzneimittel nicht namhaft machen kann oder unklar ist, ob das Arzneimittel der Firma A oder Firma B zur Anwendung kam, sind über eine vollständige und ordnungsgemäße Dokumentation der verabreichten Arzneimittel zu lösen und nicht über einen Haftungsfonds. Auch für Schadensfälle, in denen der Arzneimittelanwender ein Arzneimittel eingenommen hat, für das keine Deckungsvorsorge getroffen wurde, ließe sich die Einführung eines von der Industrie gespeisten Haftungsfonds nicht rechtfertigen. Pharmazeutische Unternehmer sind nach § 94 Abs. 1 AMG dazu verpflichtet, Vorsorge zu treffen, damit sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung zum Ersatz von Schäden nachkommen können. Eine nicht vorhandene oder nicht ausreichende Versicherungsdeckung ist strafbar (§ 96 Nr. 14 AMG). Dass in Einzelfällen Unternehmen einen vorsätzlichen Rechtsbruch begehen, den Abschluss der vorgeschriebenen Versicherung unterlassen und zahlungsunfähig werden, kann nie ganz ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang sind vorrangig die staatlichen Überwachungsbehörden gefordert, die nach § 64 AMG die Einhaltung der gesetzlichen Vorschrift sicherstellen müssen. Ein Fonds, in den die gesetzestreuen Hersteller einzahlen und dadurch gezwungen werden, für die Schänden ihrer gesetzeswidrig handelnden Konkurrenten aufzukommen, wäre unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten problematisch. Für die rechtstreuen Unternehmen entstünde so eine Doppelbelastung: die Erbringung der Deckungsvorsorge für ihre eigenen Arzneimittel und die Einzahlung in den Fonds für fremde Arzneimittel.