Die Formulierung im Regierungsentwurf entspricht den inhaltsgleichen Vorschriften des § 8 Abs. 1 Satz 1 UmweltHG und des § 35 Abs. 1 Satz 1 GenTG. Eine Abweichung von der in diesen Vorschriften gewählten Formulierung ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn damit auch eine inhaltliche Änderung beabsichtigt wäre. Für eine inhaltliche Änderung besteht jedoch kein Anlass.
Zunächst ist nicht zu erkennen, warum der Auskunftsanspruch nach dem Arzneimittelgesetz anderen Voraussetzungen unterliegen sollte, als die Auskunftsansprüche nach dem Umwelthaftungsgesetz oder dem Gentechnikgesetz. Allen drei Auskunftsansprüchen liegen vergleichbare Situationen zugrunde. In dem jeweiligen Sektor soll ein typischerweise auftretendes Informationsdefizit des Geschädigten behoben werden. Alle drei Auskunftsansprüche werden durch Ursachenvermutungen zugunsten des Geschädigten ergänzt. Sie sollten deshalb auch den gleichen Voraussetzungen unterliegen.
Es ist auch nicht zu erkennen, dass die derzeit bestehende Fassung der Auskunftsansprüche die Geschädigten benachteiligen würde. Nach dem Umwelthaftungsgesetz und dem Gentechnikgesetz hat der Geschädigte, der einen Auskunftsanspruch geltend machen will, zunächst einen Schaden darzulegen. Darüber hinaus muss er Tatsachen dartun, die die Annahme begründen, dass der Schaden durch eine Anlage nach dem Umwelthaftungsgesetz (§ 8 Abs.1 Satz 1 UmweltHG) oder durch gentechnische Arbeiten eines Betreibers nach dem Gentechnikgesetz (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GenTG) verursacht wurde. Dabei ist anerkannt, dass an die Darlegungslast des Anspruchsstellers keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, da der Auskunftsanspruch dem Geschädigten zunächst nur die Überprüfung ermöglichen soll, ob der Auskunftsverpflichtete überhaupt als Schadensverursacher in Betracht kommt (Landsberg/ Lülling, § 8 UmweltHG Rdnr. 10).
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass es wegen dieser Anforderungen zu praktischen Schwierigkeiten für die Auskunftsberechtigten gekommen wäre. Sie sieht deshalb auch keinen Anlass, eine Änderung vorzunehmen. In der Praxis wird es darauf ankommen, dass der Richter eine Plausibilitätsprüfung vornimmt, ob die vorgetragenen Tatsachen den Schluss auf eine Ursache/Wirkungs-Beziehung zwischen dem fraglichen Arzneimittel und dem individuellen Schaden des auskunftsersuchenden Anwenders ergeben. Die Bundesregierung teilt auch nicht die in der Begründung des Antrags geäußerte Auffassung des Bundesrates, dass es einer Auskunftspflicht dann nicht mehr bedürfe, wenn bereits die konkrete Möglichkeit der Schadensverursachung durch das Arzneimittel feststeht. Dies wäre allenfalls dann richtig, wenn der Auskunftsanspruch sich auf Tatsachen, die den Ursachenzusammenhang zwischen Anwendung des Arzneimittels und eingetretenem Gesundheitsschaden betreffen, beschränken würde. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Der Auskunftsanspruch wurde im Interesse des geschädigten
Arzneimittelanwenders breit angelegt. Er erstreckt sich
auch auf die Umstände, die für die Bewertung der Vertretbarkeit
schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können.
Deshalb behält der Auskunftsanspruch nach § 84a AMG-E
seine Bedeutung auch dann, wenn der Geschädigte bereits
über genug Erkenntnisse verfügt, um die Ursachenvermutung
des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG-E in Gang zu setzen.
Zu Artikel 1 Nr. 2 [§ 84a Abs. 1 Satz 1 AMG])
Die Bundesregierung ist mit der Beweislastumkehr für die
Erforderlichkeit der Auskunft einer Forderung des Bundesrates
aus der 13. Legislaturperiode gefolgt (vgl. Stellungnahme
des Bundesrates zum Entwurf eines Zweiten Schadensersatzrechtsänderungsgesetzes,
Bundestagsdrucksache
13/10766). In der Stellungnahme des Bundesrates hieß es dazu (Bundestagsdrucksache 13/10766, S. 2): "Die jetzt vorgesehene Formulierung erlegt dem Auskunftsberechtigten die Beweislast für die Frage auf, ob die einzelne Mitteilung zur Feststellung des Schadensersatzanspruchs erforderlich ist. Hierzu ist der Auskunftsberechtigte nicht in der Lage, denn die Beurteilung dieser Frage setzt zunächst gerade die Kenntnis der Wirkungen, Nebenwirkungen und Anzeichen hierfür voraus, die mitgeteilt werden müssten. Die Auskunftspflicht sollte deshalb nur dann eingeschränkt werden, wenn der Auskunftsverpflichtete darlegen und beweisen kann, dass bestimmte Mitteilungen für die Feststellung, ob ein Schadensersatzanspruch gegeben ist, nicht erforderlich sind".
Die Bundesregierung hält diese Gründe für stichhaltig. Auf Grund seines Fachwissens fällt es dem pharmazeutischen Unternehmer regelmäßig leichter, zu beurteilen, welche Auskünfte im Zusammenhang mit dem vom Arzneimittelanwender geltend gemachten Schaden relevant sind und welche nicht. Deshalb erscheint es auch zumutbar, von ihm dann, wenn er einem Auskunftsanspruch nicht entsprechen will, zu verlangen, dass er darlegt und im Streitfall beweist, warum die Auskunft für den Schadensersatzanspruch nicht erforderlich ist. Die Gefahr, dass die Umkehr der Beweislast zu einer Ausforschung des pharmazeutischen Unternehmers missbraucht werden könnte, schätzt die Bundesregierung als gering ein. Der pharmazeutische Unternehmer verfügt über die notwenigen Mittel, um sich gegen überzogene Auskunftsansprüche zu verteidigen. Die Begründung des Regierungsentwurfs stellt insoweit klar, dass der Auskunftsberechtigte nur in dem benötigten Umfang mit Pflichten belastet werden soll. Schließlich sieht der Entwurf in § 84a Abs. 1 Satz 4 AMG-E ausdrücklich vor, dass ein Auskunftsanspruch insoweit nicht besteht, als die Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht.
Zu Artikel 1 Nr. 2 [§ 84a Abs. 1 Satz 3 AMG]
Die Bundesregierung stimmt dem Änderungsvorschlag
nicht zu.
Die Bezugnahme auf die §§ 259 bis 261 BGB entspricht den inhaltsgleichen Vorschriften der §§ 8 UmweltHG und 35 GenTG. Die Bundesregierung hält die darin enthaltenen Anforderungen für sachgerecht. Sie teilt die Befürchtung des Bundesrates nicht, dass der Geschädigte in der Regel keine hinreichenden Gründe für die Annahme einer unvollständigen oder unrichtigen Auskunft darlegen könne. Gegen diese Befürchtung spricht unter anderem, dass der Geschädigte neben seinem Auskunftsanspruch gegen den pharmazeutischen Unternehmer auch einen Auskunftsanspruch gegen die Überwachungsbehörde nach § 84a Abs. 2 AMG-E erhält. Auch über die durch den Auskunftsanspruch gegen die Überwachungsbehörde gewonnenen Informationen wird der Arzneimittelanwender beurteilen können, ob Grund zur der Annahme besteht, dass die Angaben vom pharmazeutischen Unternehmer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht wurden.
Die Bundesregierung hat schwerwiegende Bedenken gegen die Ursachenvermutung, die der Bundesrat an eine Verweigerung der eidesstattlichen Versicherung knüpfen will. Eine solche Verknüpfung erscheint nicht sachgerecht. Der Auskunftsanspruch des § 84a AMG-E ist nicht auf die Aufklärung des Ursachenzusammenhangs zwischen Anwendung des Arzneimittels und eingetretenem Schaden begrenzt, sondern richtet sich auch auf sämtliche Umstände, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können (vgl. § 84a Abs. 1 Satz 2 AMG-E). Der Vorschlag des Bundesrates könnte somit dazu führen, dass die Nichtabgabe einer eidesstattlichen Versicherung auf eine Frage zur Vertretbarkeit des Arzneimittels dazu führt, dass die Schadensursächlichkeit des Arzneimittels vermutet wird. Dies wäre nicht sachgerecht, weil es sich bei der Vertretbarkeit der schädlichenWirkungen eines Arzneimittels und der Schadensursächlichkeit um zwei voneinander zu trennende Fragen handelt. Vor der Unvertretbarkeit der schädlichen Wirkungen eines Arzneimittels können keine Rückschlüsse auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Anwendung des Arzneimittels und eingetretenen Gesundheitsschaden gezogen werden. Es erscheint auch zweifelhaft, ob den Interessen des Geschädigten mit einer solchen Vermutung immer gedient wäre.
Zu Artikel 1 Nr. 2 [§ 84a Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 2 AMG]
Die Bundesregierung wird die erbetene Prüfung vornehmen.
Sie weist allerdings daraufhin, dass der Gesetzentwurf
mit dem Tatbestandsmerkmal eines "überwiegenden Interesses"
bereits jetzt eine Abwägungsklausel enthält. Es wird
daher zu prüfen sein, ob und wie der Abwägungscharakter
noch deutlicher herausgearbeitet werden kann.
Zu Artikel 1 Nr. 2 [§ 84a Abs. 3 - neu - AMG]
Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag zu.
Zu Artikel 1 Nr. 2 [§ 84a Abs. 1 AMG]
Die Bundesregierung hat die Frage, ob dem nach § 84a
Abs. 1 AMG-E auf Auskunft in Anspruch genommenen
pharmazeutischen Unternehmer ein Auskunftsanspruch gegen
den Geschädigten gewährt werden soll, bei der Erarbeitung
des Gesetzentwurfs eingehend geprüft. Sie ist dabei zu
der Auffassung gelangt, dass von einem solchen Auskunftsanspruch
abgesehen werden sollte.
Gegen einen Auskunftsanspruch des pharmazeutischen Unternehmers spricht insbesondere der damit verbundene Eingriff in das allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arzneimittelanwenders. Das Vorliegen von Krankheiten, ihre Art und Folgen, gehören zu dem intimsten Lebensbereich eines Menschen. Die Verpflichtung zur Offenlegung von Krankenunterlagen und ggf. von Lebensgewohnheiten sowie die Entbindung der behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht würde empfindlich in die Privatsphäre des Arzneimittelanwenders eingreifen. Ein solch umfassender Eingriff in die Privatsphäre erscheint um so weniger zumutbar, als er die Arzneimittelanwender von vornherein davon abschrecken könnte, ihre berechtigten Ansprüche geltend zu machen. Damit würde die Zielsetzung des Entwurfs, die Stellung des Arzneimittelgeschädigten zu stärken, konterkariert. Die Bundesregierung hält einen solchen Anspruch im Interesse des pharmazeutischen Unternehmers auch nicht für zwingend erforderlich. Dem Interesse des pharmazeutischen Unternehmers wird bereits dadurch gedient, dass den Geschädigten nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG-E eine weit gehende Darlegungsobliegenheit trifft. Diese Darlegungsobliegenheit geht zwar nicht so weit wie ein eigenständiger Auskunftsanspruch des pharmazeutischen Unternehmers. Sie dürfte aber ausreichen, um auch solche Tatsachen in den Prozess einzuführen, die für den pharmazeutischen Unternehmer für die Entkräftung der Vermutung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG-E von Bedeutung sind.