Zu § 196 - Verjährung bei Mängeln eines Bauwerks

Zu Absatz 1

Zu Satz 1

In Satz 1 wird die fünfjährige Verjährungsfrist des derzeitigen § 638 Abs. 1 für alle Mängel an Bauwerken übernommen. Der Entwurf sieht keine Veranlassung, an dieser Frist etwas zu ändern. Dabei ist durchaus berücksichtigt, dass Mängel bei der Herstellung eines Bauwerks auch erst nach Ablauf von fünf Jahren auftreten können. In der Praxis wird in Fällen, in denen dies zuvor absehbar ist, eine Verlängerung der Verjährungsfrist vereinbart werden können. Im Gegensatz zur Grundregel des geltenden Rechts (§ 225) sieht nämlich der Entwurf - wie bereits erwähnt - in § 212 die Möglichkeit einer Verlängerung der Verjährungsfrist vor. Berücksichtigt man andererseits, dass in einer Vielzahl von Fällen die Abgrenzung zwischen Mängeln und Abnutzungsschäden Schwierigkeiten bereitet, so muss die Verjährungsfrist von fünf Jahren als ein angemessener Ausgleich der Parteiinteressen angesehen werden. Die ebenfalls in § 638 derzeit besonders geregelte Verjährungsfrist für Mängel bei Arbeiten an einem Grundstück bedarf keiner besonderen Erwähnung, da die dort vorgesehene Einjahresfrist nunmehr unter die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 Satz 1 fällt.

Zu Satz 2

Satz 2 dehnt die fünfjährige Verjährungsfrist auch auf Ansprüche wegen nicht vertragsgemäßer Beschaffenheit eines Bauwerkes aus, soweit diese Ansprüche aus einem Kaufvertrag herrühren. Nach der Rechtsprechung des BGH soll es bereits nach geltendem Recht möglich sein, die Verjährungsfrist des § 638 selbst dann auf den Erwerb einer neuen Eigentumswohnung anzuwenden, wenn diese bei Vertragsschluss bereits fertiggestellt war (BGHZ 68, 372 unter Hinweis auf die st. Rspr. seit BGHZ 60, 362, 364). Diese mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbarende Rechtsprechung verdient im Ergebnis jedenfalls insoweit Zustimmung, als es nicht einzusehen ist, dass derjenige, der ein Bauwerk vor der Fertigstellung erwirbt, für die Dauer von fünf Jahren Gewährleistungsansprüche geltend machen kann, während diese Frist bei einem bereits fertiggestellten neuen Bauwerk nur ein Jahr beträgt. Da die Fünfjahresfrist ihren Ursprung und ihre Berechtigung darin hat, dass der Besteller eines für ihn errichteten Bauwerks innerhalb von fünf Jahren nach Herstellung Mängel geltend machen können soll, kann beim Kauf eines Bauwerks entgegen der Rechtsprechung des BGH nicht auf die Übergabe des Bauwerks an den Käufer abgestellt werden. Auch beim Kauf eines evtl. schon längere Zeit zuvor errichteten Bauwerkes muss die Fünfjahresfrist bereits mit der Herstellung des Bauwerks zu laufen beginnen. Dies ist insbesondere beim Erwerb von Wohnungseigentum von Bedeutung. Wird z. B. eine Wohnung vier Jahre nach ihrer Fertigstellung gekauft, so muss auch für diesen Käufer die Gewährleistungsfrist bereits mit Fertigstellung der Wohnung zu laufen begonnen haben. Damit erübrigt sich für das Verjährungsrecht auch eine Beantwortung der Frage, die sich nach der Rechtsprechung des BGH stellt, wie lange ein Bauwerk als neu anzusehen ist.

Der Wortlaut von Satz 2 macht deutlich, dass die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einem Kaufvertrag wegen nicht vertragsgemäßer Beschaffenheit eines Bauwerks gemäß § 195 Satz 1 drei Jahre beträgt, die nach § 198 Abs. 4 mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem die Sache dem Käufer zur Verfügung gestellt, also regelmäßig übergeben wird. Die Verjährungsfrist von fünf Jahren seit Herstellung des Bauwerkes soll sich daher nur fristverlängernd auf die Dreijahresfrist auswirken, wenn die Übergabe früher als zwei Jahre nach Errichtung des Bauwerkes erfolgt. Erfolgt die Übergabe z. B. drei Jahre nach Fertigstellung des Bauwerkes, kommt die Verjährungsfrist von fünf Jahren nicht zum tragen. Es bleibt dann bei der Verjährungsfrist von drei Jahren seit Übergabe des Bauwerkes. Es soll nur sichergestellt werden, dass auch gegen den Verkäufer eines Bauwerkes die Verjährungsfrist wegen dessen nicht vertragsgemäßer Beschaffenheit mindestens fünf Jahre seit dessen Errichtung läuft. Für den Begriff des Mangels gelten die Festlegungen im Kauf- und Werkvertragsrecht, der Mangelbegriff umfasst daher neben den Sachmängeln im Sinne des bisherigen Rechts auch die Zuwenig- und Falschlieferung sowie Rechtsmängel, wenngleich diese auch im Anwendungsbereich des § 196 nur von geringer Bedeutung sein dürften.

Zu Absatz 2

Bauhandwerker haften stets innerhalb der fünf Jahre dauernden Verjährungsfrist für die Verwendung von Baustoffen und Materialien für ein Bauwerk. Ihre Ansprüche gegenüber ihren Lieferanten verjähren demgegenüber nach geltendem Recht gemäß § 477 in sechs Monaten. Die Dreijahresfrist des § 195 Satz 1 verkürzt diese Divergenz zwischen den Verjährungsfristen auf zwei Jahre. Ohne Sonderregelung verbliebe daher bei dem Bauhandwerker das Risiko, seinen Lieferanten nicht regresspflichtig machen zu können, wenn er drei Jahre nach Lieferung des von ihm eingebauten Materials wegen dessen nicht vertragsmäßiger Beschaffenheit in Anspruch genommen wird. Der Entwurf sieht daher insofern einen Regelungsbedarf zugunsten des Bauhandwerkers, als diesem die Möglichkeit gegeben sein muss, den Lieferanten der Stoffe und Materialien innerhalb der für ihn nach Absatz 1 laufenden Frist in Anspruch zu nehmen. Die fünfjährige Frist des Absatzes 2 soll allerdings auch gelten, wenn der Bauherr die Materialien selbst erworben hat und Regressfragen Bauhandwerker/ Lieferanten keine Rolle spielen, denn auch in diesen Fällen wird der Bauherr die Mängel häufig erst nach dem Einbau erkennen.

Die Frist gilt für "Stoffe und Materialien", die für den Einbau bestimmt sind. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass hierunter nicht Sachen fallen, die dem Bauhandwerker geliefert werden, damit sie dieser im Zusammenhang mit der Herstellung des Bauwerkes verwendet, wie z. B. die Betonmischmaschine, die den Zement mischt, der bei der Herstellung eines Hauses verwendet wird und für dessen Lieferung die Verjährungsfrist von fünf Jahren gilt. Die Abgrenzung kann dennoch im Einzelfall zu Schwierigkeiten führen. Insoweit muss die Rechtsprechung zu dem bisherigen § 638 zur Abgrenzung zwischen Arbeiten an einem Grundstück und einem Bauwerk herangezogen werden. Von diesen zu § 638 von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen soll durch den Entwurf nicht abgewichen werden.

Die Stoffe und Materialien müssen "bestimmungsgemäß" bei der Herstellung eines Bauwerks verwendet werden. Der Begriff "bestimmungsgemäß" ist objektiv auszulegen. Es kommt also nicht darauf an, dass der Lieferant im Einzelfall von der konkreten Verwendung Kenntnis hat; es ist vielmehr ausreichend, dass es sich um einen Stoff handelt, der üblicherweise bei der Herstellung eines Bauwerks verwendet wird. Nicht erfasst würden z. B. Stoffe oder Materialien, die ein Künstler nutzt, um einem Gebäude eine künstlerische Note zu verleihen, die aber normalerweise nicht zur Herstellung eines Bauwerks eingesetzt werden.

Die fünfjährige Verjährungsfrist ist nicht nur für Ansprüche der Bauhandwerker gegen ihre Lieferanten maßgebend. Die vorgeschlagene Regelung soll nach ihrem weiten Wortlaut auch Ansprüche der Zwischenhändler erfassen. Ein Zwischenhändler ist in Regressfällen gegenüber einem anderen Zwischenhändler oder einem Hersteller von Baumaterialien in der gleichen schutzwürdigen Lage wie ein Bauhandwerker. Die Schuldrechtskommission hatte in einem § 195 Abs. 5 ihres Entwurfs eine weitere besondere Verjährungsfrist von zehn Jahren für Ansprüche auf Begründung, Übertragung, Aufhebung oder inhaltliche Änderung eines Rechts an einem Grundstück vorgeschlagen. Mit der Zehnjahresfrist sollte den Besonderheiten von Verträgen Rechnung getragen werden, die Grundstücke bzw. Rechte an Grundstücken zum Inhalt haben. Sie sah die Schuldrechtskommission darin, dass die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen, die sich auf Grundstücksrechte beziehen, nicht allein von dem Willen und dem Handlungsspielraum der Parteien abhängen. Der Leistungserfolg, der zur Erfüllung führt, sei jedenfalls nicht ausschließlich von der Leistungshandlung des Schuldners abhängig, und zwar insbesondere deshalb, weil Veränderungen von Rechten an Grundstücken der Eintragung ins Grundbuch bedürfen. Hier könnten Zeitverzögerungen von erheblicher Dauer eintreten, die den Gläubiger nicht dazu zwingen sollten, voreilig gegen den Schuldner vorzugehen, der selbst leistungsbereit sei und auch alles zur Erfüllung Erforderliche getan habe. So könne insbesondere beim Kauf eines noch nicht vermessenen Grundstücks eine erhebliche Zeit verstreichen, bis das Grundstück vermessen und das Vermessungsergebnis in das Kataster eingetragen worden sei. Verzögerungen könnten sich auch im Zusammenhang mit der vom Finanzamt zu erteilenden Unbedenklichkeitsbescheinigung ergeben, wenn der Käufer über die Höhe der Grunderwerbssteuer mit dem zuständigen Finanzamt streitet und deshalb die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt wird. Hinzu kommen oft Verzögerungen, die sich aus der Belastung der Gerichte ergeben. Alle diese Gesichtspunkte rechtfertigen jedoch nicht, für die genannten Ansprüche von dem Prinzip einer einheitlichen Verjährung für sämtliche Ansprüche abzuweichen. Die von der Schuldrechtskommission aufgeführten Probleme bei der Vertragsabwicklung sind weitgehend von den Beteiligten beherrschbar. So muss der Käufer wegen eines Streits über die Höhe der Grunderwerbsteuer keineswegs von der Zahlung der Steuer absehen. Er wird regelmäßig die geforderte Grunderwerbsteuer zahlen und die Rückzahlung der aus seiner Sicht bestehenden Überzahlung verlangen. Schwierigkeiten der geschilderten Art können zudem auch bei anderen Verträgen auftreten. Umgekehrt gibt es viele Vereinbarungen über Rechte an Grundstücken (z. B. Bestellung einer Grundschuld), die einfach, schnell und ohne weitere Komplikationen abgewickelt werden können. Hier ist eine Verlängerung der Regelverjährungsfrist um mehr als das Dreifache nicht gerechtfertigt. Zuzugeben ist, dass in manchen Fällen gerade des Grundstückskaufs sich das Bedürfnis einer längeren Frist ergeben kann. Im einzelnen hängt dies jedoch von den Umständen des jeweiligen Falles ab. Es soll deshalb der Vereinbarung der Parteien überlassen bleiben, die Verjährungsfrist den jeweiligen Erfordernissen anzupassen, ggf. auch deutlich zu verlängern. Im Unterschied zum geltenden Recht lässt dies der Entwurf in weitgehendem Umfang zu (§ 212). Da Verträge über Rechte an Grundstücken in weitgehendem Umfang unter Mitwirkung eines Notars geschlossen werden, ist eine auch hinsichtlich der Verjährungsfrage fachkundige Beratung der Beteiligten gewährleistet. Gerade in den wichtigsten Fällen, nämlich der Verpflichtung zur Übertragung von Grundeigentum und der Auflassung, ist die notarielle Beurkundung gesetzlich vorgeschrieben (§§ 313, 925).