Zu § 212 - Vereinbarungen über die Verjährung

Vorbemerkung

Die Länge der gesetzlichen Verjährungsfristen entspricht nicht immer den Interessen der Parteien. Es fragt sich deshalb, ob und ggf. in welchem Umfang die gesetzlichen Verjährungsfristen zur Disposition der Parteien gestellt werden können oder ob zwingende Gründe für ein Verbot einer Änderung der gesetzlichen Verjährungsvorschriften sprechen. Im geltenden Recht erlaubt § 225 Vereinbarungen zur Erleichterung der Verjährung, verbietet aber den Ausschluss oder die Erschwerung der Verjährung durch Rechtsgeschäft.

Verjährungserleichterungen sind uneingeschränkt zulässig. Soweit sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, unterliegen sie den Grenzen der §§ 9, 11 Nr. 10 Buchstabe e und f des AGB-Gesetzes (jetzt: § 311, 313 Nr. 10 Buchstaber e und f). § 225 bezieht sich allerdings nur auf verjährbare Ansprüche. Ist ein Anspruch gesetzlich unverjährbar ausgestaltet, so kann er auch nicht durch Parteivereinbarung der Verjährung unterworfen werden. Konkurrieren mehrere Ansprüche, so ist es zur Zeit eine Auslegungsfrage, ob die rechtsgeschäftliche Erleichterung der für einen Anspruch geltenden Verjährung sich auch auf die konkurrierenden Ansprüche bezieht (MünchKomm/v. Feldmann § 225 Rn. 6).

Vereinbarungen, die die Verjährung unmittelbar ausschließen oder erschweren, sind derzeit nach § 225 verboten und deshalb gemäß § 134 nichtig (BGH, NJW 1984, 289, 290). Unter dieses Verbot fällt insbesondere die ausdrückliche Verlängerung der Verjährungsfrist, daneben aber auch beispielsweise die Vereinbarung gesetzlich nicht vorgesehener Hemmungs- oder Unterbrechungsgründe. Nicht von § 225 erfasst werden dagegen solche Vereinbarungen, welche die Verjährung lediglich mittelbar erschweren (BGH a. a. O.). Hierzu gehören beispielsweise die Stundung, ferner aber auch Vereinbarungen, welche die Fälligkeit eines Anspruchs und damit den Beginn der Verjährung hinausschieben (BGH a. a. O.), oder das sog. "pactum de non petendo". Ausgenommen von dem Verbot der Verjährungsverlängerung sind nach geltendem Recht die kurzen Gewährleistungsfristen im Kauf- und Werkvertragsrecht (§§ 477 Abs. 1 Satz 2, 480 Abs. 1, 490 Abs. 1 Satz 2, 638 Abs. 2). Bei ihnen ist eine vertragliche Verlängerung der Verjährungsfrist bis zu 30 Jahren zulässig. Das starre Verbot einer rechtsgeschäftlichen Verjährungserschwerung hat sich in der Praxis als wenig praktikabel erwiesen. Zwar liegt es nicht nur im Schuldnerinteresse, sondern auch im Interesse des Rechtsfriedens, die Verjährungsfristen nicht beliebig zu verlängern. Andererseits können vor allem bei kurzen Verjährungsfristen Vereinbarungen, die den Eintritt der Verjährung erschweren oder verlängern, durchaus im Interesse beider Parteien liegen. Bereits das geltende Bürgerliche Gesetzbuch berücksichtigt dies durch die in den §§ 477, 638 vorgesehene Möglichkeit einer Verjährungsverlängerung bei den kurzen Gewährleistungsfristen im Kauf- und Werkvertrag.

Aber auch darüber hinaus gibt es Fälle, bei denen es im Interesse beider Parteien liegt, den Eintritt der Verjährung hinauszuschieben, beispielsweise um erfolgversprechende Verhandlungen nicht durch verjährungshemmende oder -unterbrechende Maßnahmen gefährden zu müssen. Das geltende Recht verbietet auch in solchen Fällen ausdrücklich Verlängerungsvereinbarungen. Die Parteien werden hierdurch gezwungen, dieses Verbot dadurch zu umgehen, dass sie sich auf Maßnahmen einigen, die den Eintritt der Verjährung nur mittelbar erschweren.

Zu Absatz 1

Zu Satz 1

Der Entwurf belässt es in Absatz 1 Satz 1 zunächst bei der Möglichkeit, Vereinbarungen zur Erleichterung der Verjährung zu treffen. Soweit sich Satz 1 auf die Erleichterung der Verjährung bezieht, entspricht er inhaltlich dem geltenden § 225 Satz 2.
Abweichend vom geltenden Recht erlaubt Satz 1 aber auch Vereinbarungen, die den Eintritt der Verjährung erschweren. Die Vorschrift nennt als Hauptbeispielsfall die Verlängerung der Verjährungsfrist. Zulässig sind aber auch andere Formen der Verjährungserschwerung, beispielsweise die Vereinbarung von gesetzlich nicht geregelten Hemmungs- oder Unterbrechungsgründen. Der Entwurf übernimmt damit praktisch die bereits jetzt in den §§ 477 Abs. 1, 638 Abs. 2 vorgesehene Verlängerungsmöglichkeit bei den kurzen Gewährleistungsfristen und dehnt sie auf alle Verjährungsfristen aus. Hierdurch wird die Länge der gesetzlichen Verjährungsfristen in beiden Richtungen zur Disposition der Parteien gestellt und damit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit besser als bisher Rechnung getragen. Die vielfach geübte Praxis, das Verbot verjährungsverlängernder Vereinbarungen durch Abreden zu umgehen, die den Eintritt der Verjährung nur mittelbar erschweren, macht deutlich, dass ein Bedürfnis für die Zulassung verjährungserschwerender Vereinbarungen besteht. Angesichts der im vorliegenden Entwurf vielfach verkürzten Verjährungsfristen sollen die Parteien die Möglichkeit erhalten, die Länge der Verjährungsfristen in angemessenem Rahmen selbst einverständlich bestimmen zu können. Das gilt insbesondere für die Fälle, in denen sich nicht von vornherein ausschließen lässt, dass Schäden erst nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist auftreten. Die Zulassung verjährungserschwerender Vereinbarungen dient darüber hinaus auch der Rechtsklarheit, da hierdurch Umgehungsvereinbarungen überflüssig werden, die den Eintritt der Verjährung nur mittelbar erschweren. Die Schuldrechtskommission hatte vorgeschlagen, das Recht, verjährungserschwerende Vereinbarungen zu treffen, im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens durch eine Höchstfrist von 30 Jahren ab Beginn der gesetzlichen Verjährung zu begrenzen. Diese Frist entspricht den längsten gesetzlichen Verjährungsfristen, wie sie § 197 vorsieht. Diesen Vorschlag übernimmt der Entwurf nicht. Er erscheint nicht mehr zeitgerecht. Unternehmen, die von ihren Produkten überzeugt sind, bieten heute durchaus auch lebenslange Garantien an. Es soll deshalb die Möglichkeit bestehen, die Verjährung ohne Begrenzung zu verlängern. Es kann davon ausgegangen werden, dass jeder Schuldner sich nur auf solche Verlängerungen einlässt, die er auch leisten kann.

Vereinbarungen zur Verjährungserschwerung sind nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden. Satz 1 gestattet es, eine bereits laufende Verjährungsfrist zu verlängern, etwa um erfolgversprechende Vergleichsverhandlungen ohne den Druck einer drohenden Verjährung führen zu können. Dabei kann eine Verlängerung der Verjährungsfrist auch Schwierigkeiten vorbeugen, die entstehen, wenn zweifelhaft ist, ob und wie lange die Verjährung auf Grund der Vergleichsverhandlungen gehemmt ist. Den Parteien steht es aber auch frei, schon bei Vertragsschluss - also vor Entstehung des Anspruchs - eine gesetzliche Verjährungsfrist zu verlängern, wenn sie dies im konkreten Einzelfall für zweckmäßig halten. Nicht zweckmäßig erscheint es, verjährungsverlängernde Vereinbarungen grundsätzlich nur für bereits laufende Verjährungsfristen zuzulassen und nur bei Ansprüchen wegen Verletzung vertraglicher Pflichten derartige Vereinbarungen schon bei Vertragsschluss zu gestatten, da jedenfalls hierfür ein wirtschaftliches Bedürfnis bestehen kann. Indes ist eine Abgrenzung zwischen Erfüllungsansprüchen und Ansprüchen wegen Pflichtverletzung im Einzelfall problematisch, wie das Beispiel des Nacherfüllungsanspruchs zeigt. Eine Differenzierung wäre nur dann geboten, wenn dies aus Gründen des Schuldnerschutzes zwingend erforderlich wäre. Das aber ist zu verneinen. Der Schuldner ist bereits dadurch hinreichend geschützt, dass verjährungserschwerende Vereinbarungen nur mit seinem Einverständnis getroffen werden können.

Vor der Gefahr eines Missbrauchs durch die Aufnahme verjährungserschwerender Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Schuldner durch § 311 (bisher § 9 des AGB-Gesetzes) hinreichend geschützt. Den gesetzlichen Verjährungsfristen kommt eine Ordnungs- und Leitbildfunktion zu. Es ist deshalb nicht erforderlich, eine Sonderregelung in die §§ 309 ff. einzufügen, um Missbräuchen durch verjährungserschwerende Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorzubeugen. Satz 1 schreibt weder für die Verjährungserleichterung noch für die Verjährungserschwerung eine bestimmte Form vor. Derartige Vereinbarungen können mündlich, schriftlich, aber auch durch schlüssiges Verhalten getroffen werden. Nicht erforderlich erscheint es, für Vereinbarungen zur Verjährungserschwerung aus Gründen des Schuldnerschutzes die Schriftform vorzuschreiben. Vielmehr soll eine Verkürzung der Verjährungsfristen auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Grenzen der §§ 309 ff. möglich bleiben. Dem Gedanken des Schuldnerschutzes kann auch bei Wegfall der Schriftformklausel dadurch Rechnung getragen werden, dass an den Nachweis der Einigkeit der Parteien über eine Verjährungserschwerung keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Vereinbaren die Parteien eine Erleichterung oder Erschwerung der Verjährung für einen Anspruch, so wird sich diese regelmäßig auch auf solche Ansprüche erstrecken, die hiermit konkurrieren oder alternativ an deren Stelle treten. Wie schon nach geltendem Recht bezieht sich die Regelung allerdings nur auf verjährbare Ansprüche. Ist ein Anspruch kraft Gesetzes unverjährbar, so kann er auch in Zukunft nicht durch Vereinbarung der Verjährung unterworfen werden. Eine derartige Vereinbarung wäre unwirksam. Werden Verjährungserleichterungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen, so unterliegen sie den durch die §§ 9, 11 Nr. 10 Buchstabe e und f des AGB-Gesetzes (§§ 311, 313 Nr. 10 Buchstabe e und f) gesetzten Grenzen.

Zu Satz 2

Unwirksam ist die Vereinbarung gemäß Absatz 1 Satz 2 allerdings in den Fällen, in denen sich der Verpflichtete arglistig verhalten hat (§ 195 Satz 2). Der arglistig Handelnde soll keinen Vorteil aus einer die Verjährung erleichternden Vereinbarung ziehen dürfen.

Zu Absatz 2

Absatz 2 dient der Umsetzung des Artikel 7 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Danach sind vertragliche Vereinbarungen, mit denen zum Nachteil des Verbrauchers von den Regelungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie abgewichen wird, unwirksam. Artikel 5 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sieht eine Verjährungsfrist von nicht weniger als zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung vor. Durch Rechtsgeschäft darf mithin diese Verjährungsfrist bei einem Verbrauchsgüterkauf nicht unterschritten werden. Da die §§ 309 ff. nicht sämtliche Individualverträge mit Verbrauchern erfassen, bedürfen sie der Ergänzung. Dem trägt Absatz 2 Rechnung und bestimmt gleichzeitig, dass nicht nur eine ausdrückliche Verkürzung der Verjährungsfrist unwirksam ist, sondern auch sonstige Vereinbarungen über eine Erleichterung der Verjährung, wenn sie im Ergebnis eine kürzere Frist als zwei Jahre ab Lieferung der Kaufsache zur Folge haben. Das wäre zum Beispiel bei einer Vorverlegung des Verjährungsbeginns denkbar. Für gebrauchte Sachen enthält die Bestimmung eine Untergrenze von einem Jahr, die nicht unterschritten werden darf; dies lässt Artikel 7 Abs. 1 Satz 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ausdrücklich zu. Über die Mindestanforderungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geht Absatz 2 insoweit hinaus, als nicht nur die Ansprüche des Verbrauchers, die ihm die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache gewährt, betroffen sind. Die Richtlinie regelt zwar die Ansprüche auf Nacherfüllung, auf Minderung des Kaufpreises und Rückgängigmachung des Kaufvertrages, nicht aber den Schadensersatzanspruch des Käufers einer mangelhaften Sache. Auch auf letzteren bezieht sich aber Absatz 2. Die Gewährleistungsrechte des Käufers sollten hinsichtlich der Verjährung einheitlich behandelt werden; Gründe für eine Differenzierung bei der Zulässigkeit von verjährungserleichternden Vereinbarungen sind nicht ersichtlich.