Zu § 214 - Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht nach Eintritt der Verjährung
§ 390 Satz 1 verbietet die Aufrechnung mit einer einredebehafteten Forderung. Die Regelung ist Ausdruck des allgemeinen Gedankens, dass nur eine vollwirksame Forderung zur Aufrechnung gestellt werden soll, die der Aufrechnende auch selbständig durchsetzen könnte. § 389 ordnet die Rückwirkung der Aufrechnung an. Diese Vorschrift bewirkt, dass eine einmal geschaffene Aufrechnungslage nicht durch bloßen Zeitablauf beseitigt werden kann. Wendet man § 390 Satz 1 ohne jede Ausnahme auch auf die verjährte Forderung an, so setzt man sich in einen gewissen Widerspruch zu dem Grundgedanken des § 389, wenn beide Forderungen in unverjährter Zeit sich aufrechenbar gegenüberstanden. Zu klären ist, ob dies für die verjährte Forderung eine Ausnahmeregelung rechtfertigt.
Im geltenden Recht folgt § 390 Satz 2 dem in § 389 enthaltenen Grundsatz der Rückwirkung der Aufrechnung. Er lässt die Aufrechnung auch mit verjährten Ansprüchen zu, wenn nur die Aufrechnungslage noch in unverjährter Zeit bestanden hat. Darin liegt eine Ausnahme zu dem allgemeinen Grundsatz in § 390 Satz 1, wonach eine Forderung nicht aufgerechnet werden kann, der eine Einrede entgegensieht. Die Aufrechnungsmöglichkeit bleibt selbst dann erhalten, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung bereits zuvor wegen Verjährung rechtskräftig abgewiesen worden ist (BGH, WM 1971, 1366, 1367).
Eine Einschränkung der nach § 390 Satz 2 zulässigen
Aufrechnung mit einer verjährten Forderung enthalten die §§ 479, 639 im Kauf-
und Werkvertragsrecht sowie verschiedene Vorschriften außerhalb des
Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Analog angewandt wird der
derzeit geltende § 390 Satz 2 auf Nachforderungen eines Auftragnehmers, die
wegen vorbehaltloser Entgegennahme der Schlusszahlung gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2
Satz 1 VOB/B nicht mehr geltend gemacht werden können (BGH, NJW 1982, 2250,
2251). Nicht entsprechend anwendbar ist die Vorschrift dagegen auf
Ausschlussfristen (h. M. vgl. Palandt/Heinrichs § 390 Rn. 3; Staudinger/ Kaduk
§ 390 Rn. 40; MünchKomm/v. Feldmann § 390 Rn. 2; BGH Betrieb 1974, 585, 586
unter Aufgabe von BGHZ 26, 304, 308 ff.).
Anerkannt ist
in Rechtsprechung und Literatur, dass ein Zurückbehaltungsrecht auch auf einen
verjährten Anspruch gestützt werden kann, wenn die Verjährung noch nicht
vollendet war, als der Anspruch des Gläubigers entstand. Zur Begründung wird
teilweise § 390 Satz 2 herangezogen (BGHZ 53, 122, 125), teilweise wird diese
Rechtsfolge auch aus dem Grundsatz des § 223 Abs. 1 hergeleitet (MünchKomm/v.
Feldmann § 223 Rn. 2).
§ 390 Satz 2 hat sich in der Praxis bewährt. Der Entwurf sieht daher keinen Anlass, Änderungen des bestehenden Rechts vorzunehmen. Der Entwurf übernimmt deshalb den Regelungsinhalt dieser Vorschrift in den neuen § 214 und dehnt lediglich den Anwendungsbereich der Vorschrift ausdrücklich auf das Zurückbehaltungsrecht mit einer verjährten Forderung aus. Auch damit wird aber keine Änderung des geltenden Rechts vorgesehen. Der Entwurf übernimmt nur, was in Rechtsprechung und Literatur bereits anerkannt ist. Da die Regelung die Wirkungen der Verjährung betrifft, soll sie in die hierauf bezogenen allgemeinen Vorschriften eingestellt werden. Nicht erforderlich erscheint es, die Vorschrift um eine Sonderregelung zu ergänzen, die das Zurückbehaltungsrecht bei der Geltendmachung von Rückgewähransprüchen nach Rücktritt vom Vertrag wegen Pflichtverletzung betrifft. Da diese Rückgewähransprüche nämlich nicht erst ab Rücktritt, sondern gemäß § 198 Abs. 3 bereits mit der Pflichtverletzung, wenngleich nicht vor Fälligkeit des Anspruchs auf die Hauptleistung zu verjähren beginnen, ist theoretisch denkbar, dass der Rücktritt erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erfolgt. Der Rücktritt ist dann zwar wirksam, der Rückgewähranspruch des Rücktrittsberechtigten aber bereits zum Zeitpunkt der Entstehung verjährt, während der Gegenanspruch des Rücktrittsgegners unverjährt ist, weil er gemäß § 198 Abs. 1 erst ab Fälligkeit zu verjähren beginnt, also erst ab Rücktritt. Danach könnte der Rücktrittsgegner seinen Anspruch noch durchsetzen, der Rücktrittsberechtigte dagegen nicht mehr.
Diese Fallgestaltung wird jedoch kaum eintreten, weil nach § 323 Abs. 3 Nr. 4 ein Rücktritt wegen Pflichtverletzung dann ausgeschlossen ist, wenn der Erfüllung der Pflicht eine Einrede entgegensteht, die vom Schuldner bereits erhoben worden ist oder unverzüglich nach der Rücktrittserklärung erhoben wird. Hat der Rücktrittsgegner die Einrede der Verjährung schon erhoben oder erhebt er sie unverzüglich, dann kommt es gar nicht zu Rückgewähransprüchen. Erhebt er die Einrede nicht, dann kann der Rücktrittsberechtigte seinen Rückgewähranspruch durchsetzen. Was verbleibt, sind die seltenen Fälle, in denen der Rücktritt erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist erklärt und noch zusätzlich die Verjährungseinrede nicht unverzüglich erhoben wird. Dieser Sonderfall bedarf keiner ausdrücklichen Regelung. Man wird in diesem Fall § 214 entsprechend auch auf § 348 anwenden können. Das bedeutet, dass trotz der Verjährung der Rücktrittsberechtigte einen etwaigen Rückgewähranspruch des Gegners nur Zug um Zug zu erfüllen verpflichtet ist.