Zur Neufassung der §§ 279 bis 285

Vorbemerkung

Die Neuordnung des Leistungsstörungsrechts macht es erforderlich, die wesentlichen Regelungen beginnend mit § 280 an anderen Stellen zu platzieren. An ihrem bekannten Standort könnten nur die §§ 284 und 288 bleiben. Die Schuldrechtskommission hatte sie dort belassen wollen und deshalb vorgeschlagen, einzelne nicht mehr benötigte Regelungen aufzuheben und die Paragraphenstellen unbesetzt zu lassen. Dem soll nicht gefolgt werden. Die neu belegten Paragraphen haben künftig ohnehin nicht mehr denselben Inhalt wie bisher. Es ist deshalb zweckmäßiger, die neuen Regelungen fortlaufend zu nummerieren und so auch ihre logische Abfolge durch die Paragraphenabfolge zu verdeutlichen.

Zu § 279 - Verantwortlichkeit für Beschaffungshindernisse

§ 276 geht vom Verschuldensprinzip aus. Damit stellt sich die Frage, ob man Fallgruppen für eine ausnahmsweise geltende verschuldensunabhängige Haftung nicht bloß allgemein andeuten, sondern konkret umschreiben kann. Im geltenden Recht stellt § 279 einen solchen Versuch dar: Der Gattungsschuldner soll ein bloß subjektives Unvermögen verschuldensunabhängig zu vertreten haben. Diese Fassung des § 279 wird heute allgemein kritisiert. Maßgeblich für diese Kritik sind vor allem zwei Gründe:

- Einerseits geht die in dem derzeitigen § 279 angeordnete verschuldensunabhängige Haftung zu weit. Das hat sich schon früh an zwei Entscheidungen des Reichsgerichts gezeigt: RGZ 57, 116 (das gattungsmäßig geschuldete Baumwollsaatenmehl Marke "Eichenlaub" verschwindet von dem zur Beschaffung vorgesehenen Markt, bleibt aber anderswo erhältlich) und RGZ 99, 1 (die Lieferung der verkauften ostgalizischen Eier wird durch den Einmarsch russischer Truppen verhindert). Hier kann eine Haftungsbefreiung richtigerweise nicht erst bei objektiver Unmöglichkeit durch den völligen Untergang der Gattung eintreten.

- Andererseits ist der Ansatz bei der Gattungsschuld zwar historisch erklärbar, aber sachlich grundsätzlich verfehlt: Denn richtigerweise ist nicht beim Gattungscharakter der Schuld anzusetzen, sondern bei der vom Schuldner übernommenen Beschaffungspflicht: Der Schuldner garantiert bei marktbezogenen Geschäften seine Fähigkeit zur Überwindung der typischen Beschaffungshindernisse. Angesichts dieses Befundes liegt eine ersatzlose Streichung des § 279 nahe. Allerdings würde dies zu einem Mangel an Deutlichkeit gegenüber dem geltenden Recht führen: § 276 geht ja vom Verschuldensprinzip aus. Zudem wird im geltenden Recht auch die Garantiehaftung des Geldschuldners auf § 279 (in direkter oder - richtiger - entsprechender Anwendung) gestützt (etwa BGHZ 107, 92, 102); ein ersatzloser Wegfall der Vorschrift könnte auch insoweit zu Irritationen führen. Daher soll der bisherige § 279 in wesentlich veränderter Fassung beibehalten werden. Dem liegen folgende Gedanken zugrunde:

- Die Anknüpfung an die Gattungsschuld wird aufgegeben; stattdessen wird auf eine Beschaffungspflicht des Schuldners abgestellt. Damit erfasst die Vorschrift regelmäßig auch die Geldschuld: Wer Kredit aufnimmt, hat das zur Rückzahlung nötige Geld typischerweise erst zu beschaffen.

- Aufgegeben wird auch die (schon im geltenden Recht zu enge) Bezugnahme auf das Unvermögen; § 279 gilt also insbesondere auch für Verzögerungen bei der Beschaffung.

- Es wird nicht schlechthin eine Garantiehaftung des Schuldners ausgesprochen, sondern nur eine Haftung für die Überwindung von Beschaffungshindernissen. Vorausgesetzt wird dabei, dass der Schuldner das Hindernis überhaupt zu überwinden hat (vgl. § 275). Daran kann es fehlen, wenn vom Schuldner nur beschränkte Anstrengungen zur Beschaffung erwartet werden können (z. B. bei der Bestellung eines Buches). Eine Nichtüberwindung soll zudem nur "im Zweifel" zu vertreten sein. Damit sollen Fälle wie diejenigen von RGZ 57, 116 und 99,1 von der Garantiehaftung ausgenommen werden: Insoweit gibt es kein typisches Vertrauen des Gläubigers in die Leistungsfähigkeit des Schuldners, das durch eine Haftungsverschärfung zu schützen wäre.

- Die Garantiehaftung soll auf Hindernisse bei der Beschaffung gerade des geschuldeten Gegenstandes beschränkt sein. Nicht ohne weiteres erfasst werden sollen also Hindernisse bei der Beschaffung von Vorleistungen oder nötigen Zubehörteilen. Freilich kann die Vorschrift insoweit analog angewendet werden, wenn sich dafür ein Bedürfnis zeigt.

- Dass der Schuldner nach § 279 "ohne Verschulden" haften soll, bedeutet nicht, auch seine Verschuldensfähigkeit (§ 276 Abs. 1 Satz 3, §§ 827 f.) sei unnötig: Deren Vorliegen fällt typischerweise nicht in den Bereich einer anzunehmenden Garantie.

- § 279 bringt nicht bloß eine Konkretisierung der Ausnahme in § 276 Abs. 1 Satz 1. Vielmehr macht er auch die Frage nach einem Übernahmeverschulden unnötig, die sonst stets zu stellen und wohl häufig zu bejahen wäre.