Zu § 280 - Schadensersatz bei Pflichtverletzung

Vorbemerkung

Bewirkt der Schuldner eine geschuldete Leistung nicht oder verletzt er sonst eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so können an die Stelle eines gestörten Primärleistungsanspruchs oder neben diesen Schadensersatzansprüche treten. Die Regelungsaufgabe besteht darin zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen dies geschehen soll.
Die derzeitigen §§ 275 bis 292 unterscheiden zwei Arten der Leistungsstörung: die den primären Erfüllungsanspruch aufhebende Unmöglichkeit und die ihn zunächst bestehen lassende Leistungsverzögerung. Ein beide Arten umfassender Oberbegriff kommt im allgemeinen Schuldrecht nicht vor. Schon bald nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat sich jedoch die Meinung gebildet, manche Leistungsstörungen ließen sich weder als Unmöglichkeit noch als Leistungsverzögerung erfassen: Es liefert etwa der Schuldner das verkaufte Viehfutter zwar rechtzeitig, doch ist dieses giftig; oder eine geschuldete Bilanz wird zwar sogar vorzeitig aufgestellt, doch ist sie unrichtig; in beiden Fällen entsteht dem Gläubiger durch die Verwendung der mangelhaften Schuldnerleistung Schaden an seinem Vermögen außerhalb des Leistungsgegenstandes. Für solche Fälle hat sich als dritte Art der Leistungsstörung die positive Forderungsverletzung (oder auch: positive Vertragsverletzung) in der Rechtsprechung vollständig und in der Literatur weitgehend durchgesetzt. Sie kann inzwischen als gewohnheitsrechtlich anerkannt gelten. Infolge dieser Lückenfüllung durch Gewohnheitsrecht könnte man das Problem für sachlich erledigt halten. Nötig wäre dann lediglich eine Vervollständigung des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch Aufnahme des ohnehin Anerkannten, also etwa durch die Einführung eines dritten Tatbestandes der Leistungsstörung.

Dem ist zunächst schon entgegenzuhalten, dass dann Unmöglichkeit und Verzug als weitere Leistungsstörungstatbestände erhalten bleiben und von dem dritten Tatbestand der Leistungsstörung abgegrenzt werden müssen. Doch liegt das Problem im Blick auf das besondere Schuldrecht noch komplizierter. Denn dort sind an vielen wichtigen Stellen (etwa in den derzeit geltenden §§ 463, 480 Abs. 2, 538 Abs. 1, 635) Schadensersatzansprüche geregelt, die in den Anwendungsbereich der positiven Forderungsverletzung zumindest hineinragen. Einige dieser Ansprüche sind vom Tatbestand her oder durch eine kurze Verjährung beschränkt. Daher wird hier fraglich, ob mit dem speziell geregelten Anspruch noch der allgemeinere aus positiver Forderungsverletzung konkurriert und ob für diesen etwa die gleichen Beschränkungen gelten. Wird (wie derzeit bei den §§ 635, 638) die zweite Frage verneint, so erlangt die Abgrenzung zwischen dem (beschränkten) speziellen Anspruch und dem unbeschränkten Anspruch aus positiver Forderungsverletzung Bedeutung. Das hat zu erheblichen Unterscheidungsschwierigkeiten geführt, deren Lösung mit den Begriffspaaren "unmittelbar" und "mittelbar" oder "Mangelschaden" und "Mangelfolgeschaden" versucht worden ist. Die hieraus entstandenen vielfachen Unsicherheiten zu beseitigen, ist eines der wesentlichen Ziele der Schuldrechtsmodernisierung. Dieses soll nicht bloß durch eine Vereinheitlichung der Verjährungsfristen erreicht werden, sondern schon durch eine Neuordnung der Normen über die Anspruchsbegründung.

Zu Absatz 1

Zu Satz 1

Der Entwurf greift den Gedanken des UN-Kaufrechts auf, es sei Grundelement jeder Schadensersatzpflicht aus der Sonderverbindung eines Schuldverhältnisses, dass der Schuldner die sich aus dem Schuldverhältnis ergebenden Pflichten zur Leistung (§ 241 Abs. 1) oder zu besonderer Rücksicht (§ 241 Abs. 2) nicht erfüllt. Nachdem in § 275 die Befreiung des Schuldners von seiner Primärleistungspflicht geregelt ist, kommt als Standort für den Grundtatbestand der Schadensersatzpflicht erst § 280 in Betracht. Das korrespondiert insofern mit dem geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch, als auch dort erstmals in § 280 ein Schadensersatzanspruch aus einer Leistungsstörung geregelt wird. § 280 soll einen umfassenden Tatbestand für Schadensersatzansprüche bilden. Er ist der Grund- und Auffangtatbestand und wird durch Spezialvorschriften ergänzt.

Objektive Voraussetzung für eine Schadensersatzpflicht und damit Grundtatbestand der Leistungsstörung soll die "Pflichtverletzung" sein. Diese Terminologie beruht auf einem Vorschlag von Diederichsen (AcP 182 [1982] 101, 117 ff.). Bewusst ist nicht der Begriff der "Nichterfüllung" gewählt worden, wie dies Huber (Gutachten, S. 671 ff.) vorschlägt. Denn dieser Vorschlag lässt Missverständnisse befürchten: Im geltenden Recht bezeichnet "Nichterfüllung" nur den Fall, dass die geschuldete Leistung (ganz oder zu einem Teil) auf Dauer ausbleibt. Dementsprechend bildet der bei Nichterfüllung geschuldete Schadensersatz ("wegen Nichterfüllung") das Surrogat der zur Erfüllung führenden Leistung. Bloße Abweichungen der Leistung vom Geschuldeten hinsichtlich der Zeit oder der Begleitumstände werden üblicherweise nicht als "Nichterfüllung" bezeichnet; das gilt auch für die Umgangssprache. Huber stellt seinen erweiterten Begriff der Nichterfüllung zwar durch die Definition in § 275 Abs. 1 seines Vorschlags klar. Dieser Begriff ist aber durch das Büregerliche Gesetzbuch mit einem gänzlich anderen Inhalt vorgeprägt, so dass er sich nicht als Grundbegriff des neuen Gedankens eignet.

Zu Satz 2

An die Person des Schuldners anknüpfende Voraussetzung für eine Schadensersatzpflicht soll das Vertretenmüssen sein, wie Satz 2 bestimmt. Die strenge Folge der Schadensersatzpflicht soll nur denjenigen Schuldner treffen, der für die Pflichtverletzung im Sinne der §§ 276 bis 279 verantwortlich ist. Dabei soll der Schuldner behaupten und beweisen müssen, dass er die Verletzung nicht zu vertreten hat; das ergibt sich aus der Fassung des Satzes 2. Diese Verteilung der Behauptungs- und Beweislast entspricht den geltenden §§ 282, 285. Danach trifft den Schuldner die Beweislast dafür, dass die Unmöglichkeit bzw. der Verzug nicht Folge eines von ihm zu vertretenden Umstandes ist. Der bisherige § 282 ist von der Rechtsprechung auf eine Vielzahl weiterer Fälle von Leistungsstörungen entsprechend angewandt worden. Dies greift der Entwurf auf, indem er durch die Formulierung des § 280 im allgemeinen Haftungstatbestand bereits eine für alle Leistungsstörungen geltende Beweislastregelung schafft. Dies macht § 282 ebenso wie § 285 entbehrlich, wenn auch für den Verzug in § 283 Abs. 4 die Verantwortlichkeit des Schuldners nochmals erwähnt werden soll, weil an den Schuldnerverzug neben dem Schadensersatzanspruch auch andere Rechtsfolgen angeknüpft werden (z. B. Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen, § 285), die ein Vertretenmüssen des Schuldners nicht gesondert vorsehen.

Zu Absatz 2

Zu Satz 1

Der Generaltatbestand des § 280 Abs. 1 soll durch einige Spezialvorschriften ergänzt oder modifiziert werden. Dies stellen die drei Sätze des § 280 Abs. 2 klar. Satz 1 betrifft das Recht des Gläubigers, statt der Leistung Schadensersatz zu verlangen. Im einfachen Schuldverhältnis kann nach geltendem Recht "Schadensersatz wegen Nichterfüllung" nur verlangt werden, wenn die Primärleistung nicht mehr möglich (§ 280) oder das Warten auf sie dem Gläubiger nicht mehr zumutbar ist (§§ 283 Abs. 1). Auch nach dem Entwurf sollen gemäß § 282 für diese Art des Schadensersatzes (Schadensersatz statt der Leistung) Einschränkungen gelten (freilich etwas andere); deren Beachtung soll durch Satz 1 gesichert werden. Zur Terminologie sieht der Entwurf vor, den im Bürgerlichen Gesetzbuch verwendeten Ausdruck "Schadensersatz wegen Nichterfüllung" durch den Ausdruck "Schadensersatz statt der Leistung" zu ersetzen. Dieser zweite Ausdruck erscheint treffender, weil ja der Schadensersatz die (primär geschuldete) Leistung und nicht die Erfüllung ersetzen soll; vielmehr bedeutet auch die Leistung von Schadensersatz Erfüllung (nämlich der auf Schadensersatz gerichteten Verbindlichkeit).

Zu Satz 2

Der Ersatz von Verzögerungsschäden kann nach geltendem Recht gemäß § 286 Abs. 1 nur unter den Voraussetzungen des Schuldnerverzugs verlangt werden. Das soll auch nach neuem Recht gelten; daher verweist Satz 2 auf § 283 (= § 284 alt).

Zu Satz 3

Satz 3 schließlich verweist auf § 325. Diese Vorschrift erlaubt - teilweise abweichend vom geltenden Recht - eine Kombination von Rücktritt und dem Anspruch auf Ersatz des Schadens aus der Nichterfüllung des Vertrags. Satz 3 soll sichern, dass dieser Schadensersatz (bei dem zugleich die Pflicht zur Gegenleistung wegfällt) nur in Kombination mit einem Rücktritt soll verlangt werden können, also nach § 325 Abs. 1. Zu dem bisherigen § 463 ist anerkannt, dass als Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht nur die Wertdifferenz zwischen mangelfreier und mangelhafter Sache verlangt werden kann (kleiner Schadensersatz). Der Käufer kann vielmehr die Annahme der mangelhaften Sache gänzlich ablehnen und den durch die Nichterfüllung insgesamt entstandenen Schaden verlangen (großer Schadensersatz); dies entspricht im Ergebnis einer Kombination von Rücktritt und Schadensersatz, wie sie jetzt nach §§ 323, 325 allgemein möglich wird. Da aber der Rücktritt nach § 323 Abs. 3 unter den dort genannten Voraussetzungen versagt ist, muss auch ein De-facto-Rücktritt durch Geltendmachen des großen Schadensersatzanspruchs nach § 282 ausgeschlossen werden. Die Rücktrittsvorschriften sind deshalb als vorrangig anzusehen. Dagegen entsprechen die Voraussetzungen des Rücktritts bei unvollständiger Leistung - § 323 Abs. 1 Satz 3 - der Regelung des Schadensersatzes bei unvollständiger Leistung in § 282 Abs. 3, da es für Rücktritt vom ganzen Vertrag oder Schadensersatz statt der gesamten Leistung stets auf den Interessewegfall hinsichtlich der möglichen Leistungsteile ankommt.