Zu § 283 - Verzug des Schuldners

Vorbemerkung

Zur bisherigen Regelung
Der geltende § 283 findet im Entwurf kein unmittelbares Pendant. In dem neuen § 282 ist die allgemeine Regelung über den Schadensersatz statt der Leistung enthalten. In dieser Bestimmung geht der bisherige § 283 auf.

Zur Neuregelung
Eine bloße Verzögerung der Leistung über die Fälligkeit hinaus soll für den Schuldner noch keine wesentlichen Rechtsnachteile erzeugen. Vielmehr entspricht es der beizubehaltenden Rechtstradition, dass solche Nachteile erst im Schuldnerverzug (derzeit in § 284 geregelt) eintreten. Dieser setzt Vertretenmüssen des Schuldners sowie eine Mahnung oder einen gleichgestellten Umstand voraus. Bei diesen Mahnungssurrogaten besteht auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 330 ), das den Verzugseintritt bei Geldforderungen vereinfacht hat, das wesentliche Reformbedürfnis. Nach geltendem Recht steht gemäß § 284 Abs. 2 der für den Verzug erforderlichen Mahnung zunächst eine Zeitbestimmung für die Leistung gleich. Genügen soll aber auch, dass sich die Zeit für die Leistung von einer Kündigung an nach dem Kalender berechnen lässt. Andere Tatsachen (z. B. die Lieferung oder die Rechnungserteilung) stellt das Gesetz der Kündigung nicht gleich. Auch nennt es keine weiteren Umstände, derentwegen die Mahnung oder ein Surrogat ausnahmsweise entbehrlich sein sollen.

Als Mangel des geltenden Rechts kann man es vor allem verstehen, dass nur die kalendermäßige Berechenbarkeit seit der Kündigung eine Mahnung entbehrlich machen soll, § 284 Abs. 2 Satz 2. Die Rechtsprechung hat eine Ausdehnung auf andere Tatsachen abgelehnt. Diese Sonderstellung der Kündigung ist aber kaum gerechtfertigt. Andererseits hat die Rechtsprechung mehrere Fallgruppen entwickelt, bei denen die Mahnung oder ein Surrogat nicht für nötig gehalten werden. Wenigstens ein Teil dieser derzeit bloß nach § 242 zu behandelnden Fallgruppen kann gesetzlich geregelt werden.

Nicht geregelt zu werden braucht das Verhältnis zwischen Schuldnerverzug und Unmöglichkeit. Denn nach dem Entwurf soll sich die Wirkung der Unmöglichkeit darauf beschränken, eine Mahnung wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit unnötig zu machen (§ 283 Abs. 2 Nr. 3); außerdem bewirkt die Unmöglichkeit, dass die auf die Primärleistungspflicht bezogene Haftungsverschärfung nach § 284 Satz 2 nicht mehr eintreten kann. Im übrigen liegt es beim Schuldner, die Einrede aus § 275 zu erheben.

Zu Absatz 1

Zu Satz 1

Der Entwurf trennt in Übereinstimmung mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Regelung der Verzugsvoraussetzungen von der Regelung der Verzugsfolgen. Satz 1 entspricht dabei dem bisherigen § 284 Abs. 1 S. 1.

Zu Satz 2

Satz 2 übernimmt den bisherigen § 284 Abs. 1 S. 2. Die Schuldrechtskommission hatte vorgeschlagen, den schon bislang geregelten Mahnungssurrogaten die Fristbestimmung gleichzustellen. Gemeint war damit die Frist nach § 282 Abs. 1 Satz 1 und § 323 Abs. 1 Satz 1, die den Übergang vom Primärleistungsanspruch auf den Schadensersatzanspruch einleitet. Dies ist insofern sinnvoll, als damit ein Gleichlauf zwischen dem § 283 und den Vorschriften erreicht wird, die die Sekundäransprüche des Gläubigers betreffen. So wird vermieden, dass der Gläubiger Schadensersatz atstt der Leistung verlangen oder zurücktreten kann, ohne in Verzug zu sein. Notwendig ist eine derartige Regelung aber nur dann, wenn es Fälle geben kann, in denen zwar eine Fristsetzung vorliegt, in ihr jedoch keine Mahnung gesehen werden kann. Dies erscheint gerade angesichts der Neuformulierung der §§ 282 Abs. 1 Satz 1 und 323 Abs. 1 Satz 1 ausgeschlossen, die nunmehr auf eine Leistungsaufforderung verbunden mit einer Fristsetzung abstellen. Eine Mahnung stellt aber schon begrifflich ebenfalls eine Leistungsaufforderung dar.

Zu Absatz 2

Zu Satz 1

Absatz 2 Nr. 1 stellt nur eine Umformulierung des geltenden § 284 Abs. 2 Satz 1 ohne sachliche Änderung dar.
Dagegen ist in Absatz 2 Nr. 2 gegenüber dem derzeitigen § 284 Abs. 2 S. 2 die "Kündigung" durch "ein Ereignis" ersetzt. Damit können jetzt auch andere Ereignisse als die Kündigung, nämlich etwa Lieferung oder Rechnungserteilung, zum Ausgangspunkt einer kalendermäßigen Berechnung gemacht werden. Der Zugang einer Rechnung zuzüglich Ablauf einer Frist von 30 Tagen führt allerdings bereits gemäß Absatz 3 zum Verzug des Schuldners. Der Unterschied zu Absatz 2 Nr. 2 besteht darin, dass hier - wie auch im übrigen nach Nummer 1 - die Leistungszeit nicht nur wie in Absatz 3 durch Gesetz, sondern auch in anderer Weise "bestimmt" sein kann. Wie bisher auch genügt allerdings eine einseitige Bestimmung nicht; in Betracht kommen vielmehr eine Bestimmung durch Gesetz, durch Urteil und vor allem durch Vertrag. Damit und mit Absatz 2 Nummer 1 wird Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe a) der Zahlungsverzugsrichtlinie umgesetzt. Diese Regelung schreibt vor, dass für den Verzugseintritt in erster Linie der vertraglich vereinbarte Zahlungstermin maßgeblich sein muss.

Hinsichtlich Nummer 2 kann sich die Frage stellen, ob die mit dem Ereignis beginnende Frist eine bestimmte, angemessene Länge haben muss oder ob sie auch auf Null schrumpfen kann ("Zahlung sofort nach Lieferung"). Eine solche Klausel genügt indes für Absatz 2 Nr. 2 nicht. Denn sie bedeutet keine Fristsetzung, sondern lediglich eine für § 271 erhebliche Fälligkeitsbestimmung. Auch stellt sie keine Mahnung dar, da sie vor Eintritt der Fälligkeit erfolgt (§ 283 Abs. 1 Satz 1). Daher reicht sie zur Verzugsbegründung unter keinem Gesichtspunkt aus. Dem Schuldner wird so eine (allerdings nicht der Dauer nach fixierte) Schonfrist gesichert.

Neu gegenüber dem geltenden Recht ist Absatz 2 Nr. 3. Damit soll in Parallelität zu § 282 Abs. 2 - ebenso wie mit Absatz 2 Nr. 4 - die Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit der Mahnung oder eines Mahnungssurrogats eingefangen werden. Es handelt sich um die für den Gläubiger offensichtliche Erfolglosigkeit einer Mahnung. Dabei ist etwa an die Unmöglichkeit der Leistung oder an eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner zu denken. Dabei ist berücksichtigt, dass ein notorisch leistungsunfähiger Schuldner ohne jede Mahnung in Verzug geraten kann. Doch ist dies hinnehmbar: Da der Gläubiger das Beurteilungsrisiko trägt, wird er vernünftigerweise in allen Fällen, in denen Leistungsfähigkeit auch nur entfernt in Betracht kommt, ohnehin vorsichtshalber mahnen.

Schließlich ist auch Absatz 2 Nr. 4 neu. Diese Bestimmung nennt besondere Umstände, die bei Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Verzugseintritt rechtfertigen. Hier ist einmal an ein die Mahnung verhinderndes Verhalten des Schuldners zu denken, insbesondere wenn dieser die Leistung zu einem bestimmten Termin selbst angekündigt hat und damit einer Mahnung zuvorgekommen ist. Zum anderen geht es aber auch um Pflichten, deren Erfüllung offensichtlich besonders eilig ist (Reparatur des Wasserrohrbruchs) oder die überhaupt spontan zu erfüllen sind (so bei Aufklärungs- und Warnungspflichten).

Zu Satz 2

Satz 2 bestimmt, dass die Vereinbarung einer Frist, die den einen Teil grob benachteiligt, in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 und 2 unwirksam ist. Mit Nummern 1 und 2 wird den Parteien die Möglichkeit eröffnet, den Verzugseintritt durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen zu steuern. Ohne zusätzliche Regelung würden solche Vereinbarungen in Individualvereinbarungen der Kontrolle nach § 242, bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kontrolle nach § 9 des AGB-Gesetzes (jetzt § 311) unterliegen. Das wird allerdings den Anforderungen der Zahlungsverzugsrichtlinie nicht gerecht. Diese verlangt generell eine intensivere Kontrolle, setzt aber die Eingriffsschwelle mit der Formulierung "grob benachteiligen" höher an als § 311 (bisher § 9 des AGB-Gesetzes). Aus diesem Grunde wird in Satz 2 die Kontrolle besonders, und zwar unter Übernahme des Maßstabes der Richtlinie geregelt.

Zu Absatz 3

Absatz 3 baut auf dem geltenden § 284 Abs. 3 auf, dem zufolge Verzug bei Geldforderungen nach fruchtlosem Ablauf einer Frist von 30 Tagen nach Zugang einer Rechnung eintritt. Das soll den Eintritt des Verzuges in den praktisch häufigen Fällen vereinfachen, in denen bei einer Geldschuld der Zahlung des Schuldners eine Rechnungserstellung durch den Gläubiger vorausgeht. Bis zur Schaffung dieser Vorschrift kam der Schuldner nicht schon allein dadurch in Verzug, dass er auf diese Rechnung nicht bezahlt. Vielmehr war zusätzlich noch eine Mahnung an den Schuldner zu richten. Das ist aber in aller Regel überflüssig, weil der Schuldner schon aus der Rechnung ersehen kann, wieviel er wofür zahlen soll. Es reicht deshalb aus, ihm eine Frist zur Überprüfung der Rechnung zuzubilligen, nach deren Ablauf er ohne weitere Mahnung in Verzug gerät.

Absatz 3 unterscheidet sich allerdings in einem wesentlichen Punkt vom geltenden Recht: Während das geltende Recht die 30-Tages-Regelung als eine Sonderregelung ausgestaltet hat, gilt nach Absatz 3 auch für Geldforderungen wieder das Mahnungssystem, das durch die 30-Tages-Regelung lediglich ergänzt wird. Verzug kann also bei Geldforderungen wieder durch Mahnung eintreten. Er tritt aber spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Erhalt einer Rechnung ein. Für diese Änderung sind im wesentlichen drei Gründe maßgeblich:

- Die Änderung entspricht der Zahlungsverzugsrichtlinie mehr als das bisherige Recht. Die Richtlinie geht davon aus, dass die Parteien kürzere Fristen frei vereinbaren können. Das ist zwar auch nach dem geltenden Recht grundsätzlich möglich, soweit es um den von der Richtlinie erfassten Geschäftsverkehr geht. Die Parteien müssen in diesem Fall aber § 311 (bisher § 9 des AGB-Gesetzes) beachten, der Verkürzungen tendenziell erschwert. Mit der Neuregelung hat der Gläubiger die von der Richtlinie erwartete Sicherheit, dass er den Verzug wirklich früher herbeiführen kann. Diese Änderung entspricht im übrigen auch einer weit verbreiteten Forderung nicht nur aus den Kreisen der Wirtschaft.

- Die Beibehaltung von § 284 Abs. 3 in seiner bisherigen Konstruktion würde dem Gläubiger die Durchsetzung seiner Rechte im Verzugsfall auch ansonsten erschweren. Der Schadensersatz statt der Leistung hängt sowohl nach geltendem als auch nach künftigem Recht davon ab, dass der Gläubiger den Schuldner zur Leistung auffordert und ihm eine angemessene Frist setzt. Hängt der Verzugseintritt bei Geldforderungen aber schon an sich von einer starren 30-Tages-Frist ab, führt das tendenziell dazu, dass das Gesetz den vertragsbrüchigen Schuldner begünstigt. Das kann aber nicht Ziel der Modernisierung sein.

- Die bisherige Verzugsregelung des § 284 Abs. 3 führt zu Brüchen bei der Anwendung anderer zivilrechtlicher Vorschriften. So kann Geschiedenenunterhalt gemäß § 1585b grundsätzlich nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit verlangt werden. Rückwirkend kann der Unterhalt nur beansprucht werden, wenn der Unterhaltsschuldner in Verzug geraten ist. Bisher war dies durch Mahnung möglich. Seit dem 1. Mai 2000 tritt Verzug aber erst 30 Tage nach einer Zahlungsaufforderung ein. Der Unterhaltsgläubiger würde damit stets einen vollen Monat Unterhalt verlieren. Dem könnte man nur unter Anwendung von § 242 oder Vorschriften oder § 1613 Abs. 2 Nr. 2a abhelfen, die letztlich nur dazu dienen würden, die Mängel des geltenden Rechts zu überwinden. Der Entwurf schlägt deshalb vor, die 30-Tages-Regelung so umzugestalten, dass sie diesen Einwänden gerecht wird.

Zu Absatz 4

In Absatz 4 wird die Verantwortlichkeit des Schuldners für den Verzug besonders genannt, für dessen Fehlen - durch die Wortfassung ausgedrückt - der Schuldner die Behauptungs- und Beweislast tragen soll. Die Vorschrift lehnt sich an den derzeitigen § 285 an. Für den Schadensersatzanspruch steht das Erfordernis des Vertretenmüssens zwar schon in § 280 Abs. 1 Satz 2. Trotzdem muss auch § 283 ein entsprechendes Erfordernis enthalten: Dort sind ja auch die Voraussetzungen für die anderen Verzugsfolgen (Haftungsverschärfung, Verzugszinsen) geregelt. Es ist erwogen worden, im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr vom 29. Juni 2000 für den Geschäftsverkehr auf das Erfordernis des Verschuldens zu verzichten. Anlass für diese Überlegung war der Umstand, dass die Richtlinie für den dort allein geregelten Zahlungsverzug ein Verschulden des Schuldners nicht voraussetzt. Gleichwohl nimmt der Entwurf aus folgenden Gründen von diesem Gedanken Abstand: Der Verzicht auf das Verschuldenserfordernis würde dazu führen, dass die Voraussetzungen des Verzugs als einer wesentlichen Leistungsstörung unterschiedlich geregelt würden. Das machte es unmöglich, das Leistungsstörungsrecht zu vereinheitlichen, und führte ganz im Gegensatz zu dem Ziel des Entwurfs zu einer Zersplitterung des Leistungsstörungsrechts. EG-rechtlich geboten ist dies nicht. Das Verschuldenserfordernis soll 3 Problemlagen Rechnung tragen, die die Richtlinie ebenfalls berücksichtigt:

- Es soll sicherstellen, dass der Schuldner nicht Verzug gerät, wenn er sachliche Einwände gegen die Forderung hat. Dies stimmt mit der Richtlinie überein, die die Zahlungspflicht ausschließt, wenn solche Einwände bestehen.
- Das Verschuldenserfordernis soll ferner bewirken, dass der Schuldner nicht für Verzögerungen bei der Übermittlung der Zahlung haftet, die er nicht zu vertreten hat. Auch das sieht die Richtlinie vor.
- Schließlich soll das Verschuldenserfordernis verhindern, dass der Schuldner in Verzug gerät, ohne es zu ahnen. Dies könnte etwa sein, wenn ihm eine Rechnung während seiner Abwesenheit zugeht. Dies sieht die Richtlinie so nicht vor. Allerdings regelt sie auch nur den Geschäftsverkehr. Im Geschäftsverkehr handelt aber regelmäßig schuldhaft, wer ortsabwesend ist und nichts für die Besorgung der Post während seiner Abwesenheit unternimmt.
Da die Aufgabe des Verschuldenserfordernisses nicht geboten ist, soll es auch im Geschäftsverkehr bestehen bleiben, zumal es dort für den Verzug mit anderen als Geldforderungen benötigt wird.