Zu § 305b - Elektronische Bestellungen

Vorbemerkung Mit § 305b werden Artikel 10 und 11 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr umgesetzt. Bei diesen Vorschriften ist zu beachten, dass das Gemeinschaftsrecht unter dem Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft sowohl den Provider als auch den Unternehmer versteht, der seinen - grundsätzlich auf eine andere Art von Tätigkeiten gerichteten - Geschäftsgegenstand elektronisch zugänglich macht. Diensteanbieter in diesem Sinne ist also auch der Versandhändler, der online seinen Katalog zur Verfügung stellt und so eine Bestellmöglichkeit über Internet eröffnet. Diesen Diensteanbieter, der also selbst in ein Vertragsverhältnis mit dem die Bestellung Aufgebenden eintreten will, treffen die Pfllichten der Art. 10 f.

Artikel 10 verpflichtet dabei diesen Unternehmer seinen künftigen Vertragspartner vor Abschluss des Vertrages über die technischen Modalitäten des Vertragsschlusses und die von dem Anbieter beobachteten Verhaltenskodizes aufzuklären. Nach Vertragsschluss hat er ihm die Vertragsbedingungen in abrufbarer und wiedergabefähiger Form zur Verfügung zu stellen. Gemäß Artikel 11 Abs. 1, 1. Spiegelstrich, muss der Unternehmer seinem Vertragspartner darüber hinaus unverzüglich den Eingang der Bestellung bestätigen.

Derartige vor- und nachvertragliche Informationspflichten sind dem EG- und dem deutschen Recht nicht völlig unbekannt. Ähnliche Informationspflichten wie in Artikel 10 sind sowohl in der Teilzeit-Wohnrechte- als auch in der Fernabsatzrichtlinie enthalten und haben über die Umsetzungsgesetze, das Teilzeit-Wohnrechtegesetz und das Fernabsatzgesetz, auch Eingang in das deutsche Recht gefunden. Während die vor- und nachvertraglichen Informationspflichten nach dem Teilzeit-Wohnrechtegesetz und nach dem Fernabsatzgesetz nur gegenüber Verbrauchern gelten, gelten die Informationspflichten nach Artikel 10 und 11 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr jedoch auch im Verhältnis zu Unternehmern. Dies sowie der Umstand, dass Dienste der Informationsgesellschaft ein sehr weit gefächertes Spektrum von Vertragstypen ansprechen, deren weitere Einzelheiten auch in Bezug auf den Vertragsschluss nicht geregelt werden, lässt es geraten erscheinen, die genannten Artikel im Zusammenhang mit den allgemeinen Vorschriften über den Inhalt von Verträgen, also im Untertitel 1 des Titels 1 umzusetzen.

Zu Absatz 1

Absatz 1 setzt die Regelung des Artikel 11 Abs. 2 der Richtlinie um, indem er vorsieht, dass der Unternehmer, der seine Waren oder Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr vertreiben will, dem Kunden wirksame Mittel zur Verfügung stellen muss, mit Hilfe deren dieser etwaige Eingabefehler im Rahmen des Bestellvorgangs erkennen und korrigieren kann. Die Bezeichnung dieses Unternehmers als "Diensteanbieter" wird dabei vermieden, da dies dem üblichen Sprachgebrauch widersprechen würde und damit die Gefahr bestünde, dass als Adressat der Verpflichtung - fälschlicherweise - der Provider des Dienstes angesehen würde.

Der Schlüsselbegriff "Dienst der Informationsgesellschaft" wird in § 305b bewusst nicht definiert. Mit dieser Vorschrift wird nämlich nur ein vergleichsweise geringfügiger Teil der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr umgesetzt. Die wesentlichen Bestimmungen dieser Richtlinie werden durch ein öffentlich-rechtlich angelegtes Sondergesetz umzusetzen sein, das in einem besonderen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden soll. In diesem Gesetz muss der Begriff des Dienstes der Informationsgesellschaft gesetzlich definiert werden. Auf diese Legaldefinition soll § 305b zurückgreifen. Eine Anwendungslücke wird durch diese Regelungstechnik nicht entstehen, weil die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr nahezu zeitgleich mit der Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf umgesetzt werden muss. In jedem Fall kann aber zur Auslegung des Begriffs des Dienstes der Informationsgesellschaft auf die EG-rechtlichen Vorgaben zurückgegriffen werden, die schon für sich genommen eine Verdeutlichung bringen. Für die Definition des Begriffs des Dienstes der Informationsgesellschaft verweist Artikel 2 Buchstabe a in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auf Artikel 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. EG Nr. L 204 S. 37) in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der Richtlinie 98/34/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und der technischen Vorschriften (ABl. EG Nr. L 217 S. 18). Danach ist Dienst der Informationsgesellschaft "jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung". Der Begriff des Fernabsatzes ist hier enger als in § 1 Abs. 2 des Fernabsatzgesetzes, der als § 480 Abs. 2 Eingang in das Bürgerliche Gesetzbuch finden soll. Während nach § 1 Abs. 2 des Fernabsatzgesetzes jede Form des Vertragsschlusses unter physisch abwesenden Personen erfasst wird, wird beim "Dienst der Informationsgesellschaft" nur derjenige Abschluss unter physisch abwesenden Personen erfasst, der sich elektronischer Kommunikationsmittel bedient. Nicht erfasst werden daher insbesondere der Brief und der Telefonverkehr, was Anhang V Nr. 2 der vorbezeichneten Richtlinie auch beispielhaft klarstellt. Enger als das Fernabsatzgesetz ist der Begriff des Dienstes der Informationsgesellschaft auch insoweit, als er zwingend voraussetzt, dass die Leistung " auf individuellen Abruf eines Empfängers" erbracht wird. Dies schließt - anders als das beim Fernabsatzgesetz der Fall ist - elektronische Medien aus, die Angebote an eine unbestimmte Zahl von Empfängern sendet, wie das etwa beim Fernsehen, beim Hörfunk und beim Teletext der Fall ist. Auch das stellt Anhang V der Notifikationsrichtlinie klar (Nr. 3).

Zu Absatz 2

Absatz 2 Satz 1 bestimmt unter im wesentlichen wörtlicher Übernahme des Wortlauts von Artikel 10 Abs. 1 der Richtlinie den Umfang der vorvertraglichen Informationspflichten. Vor dem Abschluss derartiger Verträge muss dem Nutzer erläutert werden, in welchen einzelnen technischen Schritten der Vertragsschluss herbeigeführt wird, ob der Vertrag gespeichert wird und ob er dem Nutzer zugänglich ist (Nr. 2), welche Möglichkeiten der Erkennung und Korrektur von Eingabefehlern bestehen (Nr. 3) und welche Sprachen für den Vertragsschluss zur Verfügung stehen.
Absatz 2 Satz 2 setzt Artikel 11 Abs. 1, 1. Spiegelstrich, um, indem er vorsieht, dass der Eingang der Bestellung vom Unternehmer unverzüglich zu bestätigen ist.

Zu Absatz 3

Nach Absatz 3 muss der Unternehmer seinem Vertragspartner bei elektronischen bestellungen die Vertragsbedingungen so zur Verfügung stellen, dass dieser sie abspeichern und wiedergeben kann. Eine vergleichbare Regelung ist im deutschen Recht bisher nicht bekannt. Nach § 2 des AGB-Gesetzes, der jetzt in § 309 Abs. 1 aufgehen soll, müssen allgemeine Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner des Verwenders nicht zur Verfügung gestellt, sondern nur zu seiner Einsicht bereitgehalten werden. Nach § 2 Abs. 3 des Fernabsatzgesetzes ist dem Verbraucher nach Vertragsschluss zwar eine Beschreibung der wesentlichen Merkmale des Vertrages schriftlich oder auf dauerhaftem Datenträger zur Verfügung zu stellen, nicht aber die Gesamtheit aller Vertragsbedingungen. Absatz 2 geht in mehrerlei Hinsicht über die bisher bekannten Vorschriften hinaus.

Der Unternehmer ist zunächst verpflichtet, nicht nur Verbrauchern die Vertragsbedingungen zur Verfügung zu stellen, sondern auch Vertragspartnern, die ihrerseits Unternehmer sind. Vertragsbedingungen meint zudem nicht nur Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 2 des AGB-Gesetzes, der jetzt § 310 Abs. 1 werden soll. Mit Vertragsbedingungen meint die Richtlinie und meint Absatz 3 vielmehr alle Bestimmungen des Vertrages, also sowohl den Basistext als auch die einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese Vertragsbedingungen müssen dem Vertragspartner dabei so zur Verfügung gestellt werden, dass er sie speichern und später wiedergeben kann. Das entspricht den Anforderungen, die der bisherige § 361 a Abs. 3 an einen dauerhaften Datenträger stellt. Eine Einschränkung liegt hier insofern vor, als der dauerhafte Datenträger medienunabhängig ausgestaltet ist, hier aber eine auf elektronische Medien beschränkte Handlungsform angesprochen wird.

Zu Absatz 4

Absatz 4 schränkt zum einen den Anwendungsbereich der Absätze 1 und 2 ein und legt zum anderen fest, inwieweit eine vertragliche Abbedingung der Regelungen der Absätze 1 bis 3 zulässig ist.
Absatz 4 Satz 1 greift dabei Artikel 10 Abs. 4 und Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie auf, wonach die Informationspflichten aus Artikel 10 Abs. 1 und 2 und die Verpflichtungen aus Artikel 11 Abs. 1, 1. Spiegelstrich, und Abs. 2 nicht anwendbar sind auf Verträge, die ausschließlich durch den Austausch von E-Mail oder vergleichbarer individueller Kommunikation geschlossen werden. Damit sollen Vertragsabschlüsse, die solchen am Telefon oder per Brief ähneln und damit nicht die spezifischen Besonderheiten des Online-Einkaufs aufweisen, von diesen Pflichten entlastet werden, da diese insbesondere bei Verträgen nur zwischen zwei Verbrauchern übermäßige Anforderungen stellen würden.

Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 übernimmt die Einschränkungen in Artikel 10 Abs. 1 und 2 und Artikel 11 Abs. 1 und 2, wonach die dort geregelten Verpflichtungen gelten "außer im Fall abweichender Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind". Dabei wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit eine positive Formulierung gewählt, die auf die Unternehmereigenschaft und damit auf § 14 BGB abstellt. Eine entsprechende abweichende Vereinbarung kann für einen individuellen Vertrag, sie kann aber auch für eine Vielzahl von Verträgen im Voraus abgeschlossen werden. Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 legt die beteiligten Unternehmer auf keine Variante fest. Der häufigere Fall wird voraussichtlich der Fall sein, dass sich der Anbieterunternehmer mit dem Vertragspartner generell über das Verfahren beim Abschluss von Verträgen mithilfe von Diensten der Informationsgesellschaft verständigt. Dann wäre die abweichende Vereinbarung Gegenstand einer solchen Rahmenvereinbarung. Soll eine abweichende Vereinbarung individuell getroffen werden, müssten sich die Beteiligten zunächst über die Vertragsprozedur einigen und dann den eigentlichen Vertragsschluss vornehmen.

Absatz 4 Satz 2 legt fest, dass außerhalb der Fälle des Satzes 1 Nr. 2 abweichende Vereinbarungen unzulässig sind. Dies gilt zum einen also für Verträge, an denen ein Verbraucher beteiligt ist, zum anderen aber insbesondere auch für die Regelung des Absatzes 3, die - wie sich aus Artikel 10 Abs. 4 ergibt - in keinem Fall abbedungen werden kann.

Zu Absatz 5

Damit stellt sich die Frage, welche Wirkung ein Verstoß gegen die Pflicht gemäß Absatz 1 oder die vor- oder nachvertraglichen Informationspflichten gemäß Absatz 2 und 3 hat. Gerade bei Verstößen gegen die vorvertraglichen Informationspflichten des Absatzes 2 liegt auf den ersten Blick die Annahme nahe, dass der unter Missachtung dieser Informationspflichten abgeschlossene Vertrag unwirksam oder aufhebbar sein könnte. Diese Rechtsfolge wäre allerdings nicht geeignet, die Informationspflichten in der von der Richtlinie verlangten Weise effektiv durchzusetzen. Der Nutzer würde die ihm zugedachten Informationen bei Unwirksamkeit des Vertrages nicht erhalten. Der Unternehmer könnte die Leistungen gleichwohl anbieten und auch in einer Weise erbringen, die einen Bereicherungsausgleich ausschließt (§ 814). Deshalb sieht Absatz 3 vor, dass die Verletzung der vorvertraglichen und auch der nachvertraglichen Informationspflichten nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages führt, diese vielmehr unberührt lässt.

Das bedeutet nicht, dass die Pflichten nach Absätzen 1 bis 3 sanktionslos wären. Im Falle eines Verstoßes gegen die Pflicht aus Absatz 1 können dem Vertragspartner Schadensersatzansprüche zustehen. Dies gilt dann, wenn er wegen des Fehlens entsprechender Vorrichtungen irrtümlich seine Willenserklärung abgegeben hat und deshalb den Vertrag nach § 119 BGB anficht. Der damit normalerweise verbundene Schadensersatzanspruch des Unternehmers gemäß Artikel 122 wird dann im Ergebnis ausgeschlossen. Die Verpflichtungen aus Absatz 2 und 3 kann der Nutzer selbst effektiv durchsetzen. Er kann selbständig auf Erfüllung der Informationspflichten klagen. Werden diese trotz entsprechender Aufforderung und Fristsetzung nicht erfüllt, kann er nach § 323 vom Vertrag zurücktreten und Rückabwicklung des Vertrages verlangen.

Verstöße gegen Absätze 1 bis 3 begründen im Übringen auch die Möglichkeit einer Unterlassungsklage nach § 13 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und nach § 2 des Unterlassungsklagengesetzes, das insoweit an die Stelle des bisherigen § 22 des AGB-Gesetzes treten soll. Die Nichteinhaltung der Verpflichtungen nach Absätzen 1 und 2 ist ein Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz, das ohne weiteres einen Unterlassungsanspruch nach § 2 des Unterlassungsklagengesetzes (bisher § 22 Abs. 1 des AGB-Gesetzes) begründet. Da sich der Anbieter durch die Missachtung der Informationsverpflichtungen auch einen zumindest formalen Wettbewerbsvorteil verschafft, der gesetzeswidrig ist, stellt eine systematische Verletzung der Absätze 1 bis 3 regelmäßig auch einen Verstoß gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs dar, der einen Unterlassungsanspruch nach § 13 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb begründet.