Zu § 323 - Rücktritt bei Pflichtverletzung

Vorbemerkung

Vom Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind, müssen Ausnahmen gelten, wo die Durchführung des Vertrags wegen einer Pflichtverletzung beeinträchtigt oder verhindert wird. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Lösung vom Vertrag den jeweiligen Vertragspartner hart treffen kann. Deshalb kann nicht jede Pflichtverletzung ausreichend sein, sondern es ist die Schwere der Pflichtverletzung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien zu berücksichtigen. Regelungsbedürftig ist auch die Frage, ob die Aufhebung des Vertrags davon abhängig sein soll, dass die Pflichtverletzung vom Schuldner zu vertreten ist.
Das geltende Recht enthält keine einheitliche Regelung des Rechtsbehelfs "Rücktritt wegen Pflichtverletzung", sondern regelt in Voraussetzungen, Durchführung und Folgen unterschiedlich ausgestaltete Fälle der Vertragsaufhebung. Für die wichtigsten Störungen steht dabei die Kategorie "Unmöglichkeit" im Mittelpunkt: Bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit ist der Vertrag nach § 306 ipso iure nichtig. Bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit einer synallagmatischen Hauptpflicht wird nicht nur der Schuldner, sondern auch der Gläubiger als Schuldner der Gegenleistungspflicht frei, § 323 Abs. 1, so dass hinsichtlich der Hauptleistungspflichten eine Art ipso iure Auflösung eintritt. Für den Fall zu vertretender Unmöglichkeit eröffnet § 325 Abs. 1 Satz 1 den Weg zum Rücktritt, wobei - wie zu § 275 bereits ausgeführt - nicht nur die in der Praxis seltenen Fälle der naturgesetzlichen Unmöglichkeit hier eingeordnet worden sind.

Bei Verzug mit einer Hauptpflicht eröffnet derzeit § 326 Abs. 1 den Weg zum Rücktritt. Ergänzt werden die Rücktrittsmöglichkeiten wegen vollständiger Unmöglichkeit durch Regeln zur teilweisen Unmöglichkeit, die dann zum Rücktritt vom ganzen Vertrag führen kann, wenn die teilweise Erfüllung für den Gläubiger kein Interesse hat, § 325 Abs. 1 Satz 2, § 326 Abs. 1 Satz 3. Rechtsprechung und Wissenschaft haben diese Regelung ergänzt um die Fälle der positiven Forderungsverletzung des Schuldners, die das Festhalten am Vertrag für den Gläubiger unzumutbar macht, die ernsthafte Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit (dogmatisch überwiegend ebenfalls als positive Forderungsverletzung eingeordnet) und die Störung der Erbringung einzelner Raten beim Sukzessivlieferungsvertrag. Zu diesem Kernbestand an Rücktrittsregeln treten Sonderfälle wie der Rücktritt bei Fristüberschreitung im Falle eines relativen Fixgeschäftes, § 361 BGB, § 376 Abs. 1 Satz 1 HGB sowie bei bloßer Terminüberschreitung nach § 636 Abs. 1 Satz 1, ferner die Aufhebungsmöglichkeiten wegen Mängeln, die als Wandelungsvertrag (auf dessen Abschluss der verletzte Teil Anspruch hat) geregelt, §§ 459, 462, 634 Abs. 1 Satz 3, oder als Kündigung ausgestaltet sind, §§ 651e, 651j.

Die Aufhebungsmöglichkeiten nach geltendem Recht unterscheiden sich zunächst in den Voraussetzungen: Teilweise muss die Störung im Sinne der §§ 276 ff. zu vertreten sein (insbesondere §§ 325, 326 und im Falle positiver Forderungsverletzung), teilweise reicht die Störung als solche (§ 323, Wandelung bei Kauf- und Werkvertrag, Kündigung wegen Mängeln oder nicht voraussehbarer höherer Gewalt beim Reisevertrag sowie im Falle der Aufhebung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage). Auch hinsichtlich der Schwere der Leistungsstörungen bestehen Unterschiede: Unmöglichkeit wird stets als schwerer Leistungsstörungsfall gesehen, bei positiver Forderungsverletzung kommt es auf die "Zumutbarkeit" der Fortführung des Vertrags für den anderen Teil an, bei Teilunmöglichkeit auf Fortbestand oder Wegfall seines Interesses, bei Fristüberschreitung auf die Bedeutung des Termins für den Vertrag, die eine Nachfrist erforderlich - § 326 Abs. 1 - oder entbehrlich - § 361 - sein lässt. Aber auch geringfügige Leistungsstörungen können - so Mangelhaftigkeit der Kaufsache oder Werkleistung - zur Aufhebung führen.

Schließlich sind auch die Folgen einer Vertragsauflösung wegen Leistungsstörungen derzeit verschieden geregelt und teilweise umstritten: Bei ipso facto eintretendem Erlöschen der Hauptpflichten ist nach Bereicherungsrecht abzuwickeln, bei Erlöschen durch Rücktrittserklärung oder Wandelungsvertrag nach den für ein vertragliches Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften der §§ 346 ff. Streitig ist in der Auslegung des geltenden § 327 Satz 2, ob die haftungserleichternde Verweisung auf Bereicherungsrecht wörtlich zu nehmen ist oder den allgemeinen Rechtsgedanken enthält, dass derjenige, der den Rücktrittsgrund nicht zu vertreten hat, stets (nur) nach Bereicherungsgrundsätzen. Hinzu kommen für bestimmte Aufhebungsfälle Sonderregelungen, etwa bei der Wandelung der Ersatz der Vertragskosten nach § 467 Satz 2. Die Mängel des geltenden Rechts sind in der außerordentlichen Vielfalt der Voraussetzungen der Vertragsaufhebung, der sie bewirkenden Faktoren und der Unterschiede in den Abwicklungsregeln zu sehen. Die Verschiedenheiten lassen sich kaum durch sachliche Gesichtspunkte rechtfertigen, sondern sind nur durch die historischen Entstehungsbedingungen zu erklären (dazu grundlegend Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, 1975, S. 26 ff., 54 ff. mit eingehender Darstellung der Entstehung des gesetzlichen Rücktrittsrechts). Sie führen immer wieder zu Überschneidungen, die Abgrenzungen erforderlich machen, oder zu Konkurrenzen, für die dann Hilfsregeln entwickelt werden müssen, die im konkreten Fall plausibel sein mögen, bei Anwendung auf den nächsten Fall aber schon zu Bedenken Anlass geben. Ob bei Abweichungen von der vertragsmäßigen Beschaffenheit Nichtleistung - und deshalb Aufhebung über § 326 Abs. 1 - oder mangelhafte Leistung - mit Wandelungsmöglichkeit - gegeben ist, ob Nutzungsbeschränkungen auf Grund öffentlich-rechtlicher Bauplanung zur Wandelung berechtigender Sachmangel oder Rücktritt ermöglichender Rechtsmangel sind, kann die Beurteilung konkreter Fälle ebenso erschweren wie die Frage, ob der Schuldner im Falle grundlegender Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein Leistungsunvermögen zu vertreten hat oder nicht. Hinzu kommt, dass die im Gesetz vorgesehene Ablehnungsandrohung (§§ 283 Abs. 1 Satz 1, 326 Abs. 1 Satz 1) wenig praktikabel ist und häufig unwirksame Fristsetzungen vorkommen (vgl. die Begründung zu § 282).

Eine rechtsvergleichende Umschau bestätigt das bereits zum deutschen Recht wiedergegebene Bild einer großen Vielzahl rechtstechnischer Instrumente zur Lösung des Spannungsverhältnisses von Vertragstreue und Notwendigkeit der Auflösung wegen gravierender Störungen. Am ähnlichsten sind dem deutschen Recht verständlicherweise das schweizerische und österreichische Recht: Das schweizerische Recht kennt die Nichtigkeit aufgrund anfänglicher objektiver Unmöglichkeit, Artikel 20 Abs. 1 des schweizerischen OR, unterscheidet weiter zwischen zu vertretender und nicht zu vertretender Unmöglichkeit, kennt die Vertragsauflösung nach Nachfristen, Artikel 107 Abs. 1 des schweizerischen OR und die Erfüllungsweigerung als positive Forderungsverletzung (vgl. schw. Bundesgericht, BGE 69 II 243, 244). Wie im deutschen Recht gibt es ein besonderes Regime für Sachmängel. Im österreichischen Recht finden sich entsprechende Bestimmungen in §§ 878, 879, 922, 930, 932, 933, 934 und 1167 des österreichischen ABGB. Das französische Recht regelt in Artikel 1184 Code Civil den Grundtatbestand der Aufhebung synallagmatischer Verträge durch gerichtliche Entscheidung und bedient sich dazu des dogmatischen Hilfsmittels einer als vereinbart unterstellten auflösenden Bedingung für den Fall der Pflichtverletzung des anderen Teils (inexécution); erfasst werden Nichterfüllung, verzögerte Erfüllung und Schlechterfüllung. Zu dem Sonderregime der Haftung für Sachmängel besteht ein schwer überschaubares Konkurrenzverhältnis. Die Rechtsprechung neigt zunehmend dazu, vertragswidrige Beschaffenheit als "inexécution" zu behandeln. Im englischen Recht entscheidet sich die Aufhebungsmöglichkeit zunächst danach, ob die verletzte Pflicht als "condition" des Vertrags oder nur als "warranty" gewertet werden kann. Daneben gibt es die sog. "innominate terms" (vgl. Hongkong Fir Shipping Company Co. Ltd. v. Kawasaki Kisen Kaisha Ltd [1962] 2 QB 26), für deren Verletzung es darauf ankommt, ob der betroffenen Partei damit im wesentlichen entzogen wird, was ihr als Vorteil aus dem Vertrag zukommen sollte. Das amerikanische Recht hat sich von der als archaisch empfundenen Unterstellung, die Erfüllung bestimmter Pflichten sei eine "condition" des Vertrags, zu lösen begonnen und gestattet Vertragsauflösung in Fällen der Unmöglichkeit, aber auch der Undurchführbarkeit, sofern nicht eine Partei für die Durchführbarkeit das Risiko übernommen hat. Das UN-Kaufrecht geht von einem einheitlichen Aufhebungsgrund des "wesentlichen Vertragsbruchs" aus, der unabhängig von Vertretenmüssen oder Verschulden des Vertragsteils, der seine Leistung nicht oder nicht richtig erbringen kann, Aufhebung durch gestaltende Erklärung des anderen Teils ermöglicht. Ist zweifelhaft, ob die in Artikel 25 UN-Kaufrecht definierte Schwelle des "wesentlichen Vertragsbruchs" erreicht ist, kann für die wichtigsten Störungsfälle Nichtzahlung, Nichtleistung der Kaufsache oder Nichtabnahme durch Nachfristsetzung geklärt werden, ob die jeweilige Störung als Aufhebungsgrund ausreicht. Auch die von Unidroit formulierten "Principles for international commercial contracts" sehen in Artikel 5.2.1 zunächst die Grundregel vor, dass Erschwernisse für den Schuldner nicht von der Bindung an den Vertrag befreien, dass jedoch im Falle einer "fundamental non-performance" die davon betroffene Partei den Vertrag auflösen könne, Artikel 6.3.1. Die Definition der "fundamental non-performance" in Artikel 6.3.1 (II) (a) gleicht dabei nahezu völlig Artikel 25 UN-Kaufrecht. Für verzögerte Erfüllung wird das Nachfristsystem vorgesehen, Artikel 6.3.2.

Im ganzen hat die rechtsvergleichende Analyse von Treitel (in: Encyclopedia of Comparative Law, Vol. VII, Cap. 16, Remedies for Breach of Contract, dort vor allem no. 147 ff., 155 ff.) nachgewiesen, "the most important principle" sei, dass "the default attains a certain minimum degree of seriousness" (a. a. 0. no. 161) - ein Grundgedanke, der in den einheitlichen Kaufrechten als die Voraussetzung eines "wesentlichen Vertragsbruchs" für die Vertragsauflösung festgehalten worden ist (vgl. Artikel 25 UN-Kaufrecht). Durchgangsstation ist dabei in allen Rechtsordnungen die Hilfsvorstellung einer für den Fall der schweren Pflichtverletzung durch den anderen Teil unterstellten auflösenden Bedingung, die im 19. Jahrhundert allein die Vereinbarkeit der Vertragsauflösung mit dem Prinzip "pacta sunt servanda" als möglich erscheinen ließ (vgl. dazu von Caemmerer, Festschrift Coing, Bd. 2, S. 39: "Musste vom Satz pacta sunt servanda abgewichen werden, so sollte das auf den vermutlichen Parteiwillen gestützt werden können").

Huber hat in seinem Gutachten "Leistungsstörungen" vorgeschlagen, die Auflösung des Vertrags durch Rücktritt im Falle von Leistungsstörungen am einheitlichen Kaufrecht zu orientieren. Ein Rücktritt soll nach seinen Vorschlägen stets bei wesentlicher Vertragsverletzung möglich sein, im übrigen nach Ablauf einer erfolglos gesetzten Nachfrist; der Nachfristfall steht jedoch am Beginn seiner Vorschläge (§§ 326, 326a, ferner § 326c Abs. 1 Satz 3 für Fälle der teilweisen Nichterfüllung, 326d für Sukzessivlieferungsverträge usw., s. Gutachten S. 677 f., 832 ff.). Auch in der sonstigen Literatur finden sich Versuche, die den verstreuten und divergierenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugrundeliegenden Vorstellungen und Wertungen auf ein einheitliches Prinzip zurückzuführen (vgl. Schlechtriem, Aufhebung des Vertrages als Rechtsbehelf bei Leistungsstörungen, Festschrift Müller-Freienfels 1986, S. 525 ff.).

Der Entwurf sieht vor, dass die Vertragsauflösung als Rechtsbehelf bei Pflichtverletzungen künftig in einer zentralen, für alle Pflichtverletzungen aus Verträgen geltenden Norm geregelt werden soll. Ausgehend vom Grundtatbestand der Pflichtverletzung als zentralem Merkmal des Leistungsstörungsrechts ermöglicht § 323 die Vertragsauflösung von gegenseitigen Verträgen bei Pflichtverletzung jeglicher Art. Es kommt also nicht darauf an, ob eine synallagmatische oder eine andere Pflicht verletzt worden ist, ob die Pflichtverletzung durch Nichtleistung wegen Unmöglichkeit oder auf Grund einer Leistungsverweigerung geschieht, ob Unmöglichkeit oder Verzug vorliegen oder ob eine sonstige Vertragsstörung durch Schlechterbringung der Hauptleistung oder Verletzung von Nebenpflichten zu beurteilen ist. § 323 erfasst deshalb u. a. die im geltenden Recht in §§ 325, 326 geregelten Fälle, aber auch die bisher als Wandelung geregelte Auflösung von Verträgen wegen Mängeln eines Leistungsgegenstandes oder den von der Rechtsprechung entwickelten Rücktritt wegen positiver Forderungsverletzung.

Für die Auflösung des Vertrags wegen Pflichtverletzung kommt es nicht darauf an, ob der vertragsbrüchige Teil die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Auch bei einer vom Schuldner nicht zu vertretenden Pflichtverletzung kann der Gläubiger den Vertrag auflösen; § 323 deckt damit auch den zur Zeit in § 323 geregelten Fall der vom Schuldner nicht zu vertretenden Unmöglichkeit ab.

Die Auflösung des Vertrags geschieht in allen Fällen der Pflichtverletzung durch Rücktritt. Der Rücktritt erfolgt nach § 349 durch rechtsgestaltende, zugangsbedürftige Erklärung. Es gibt danach nicht mehr den Fall der ipso iure eintretenden Befreiung von den Leistungspflichten wie im geltenden § 323 noch den Wandelungsvertrag. Vertragsauflösender Rücktritt soll als tief einschneidender Rechtsbehelf nur dann zur Verfügung stehen, wenn die Pflichtverletzung erheblich ist, wovon nach Fristablauf regelmäßig auszugehen ist. Regelungstechnisch lässt sich deshalb entweder entsprechend den einheitlichen Kaufrechten und den "principles for international commercial contracts" des Internationalen Instituts für die Vereinheitlichung des Privatrechts (Unidroit) die Erheblichkeitsschwelle als Voraussetzung der Vertragsaufhebung abstrakt definieren und für Zweifelsfälle Nachfristsetzung zur Klärung der Rechtslage vorsehen. Das Gesetz kann aber auch die Nachfristlösung als Prinzip zugrunde legen und in Ausnahme von diesem Prinzip in bestimmten "schweren" Fällen die Nachfrist als entbehrlich regeln. Der Entwurf folgt letzterem Regelungsmodell, das auch den Vorschlägen Hubers und dem geltenden Recht in § 326 für den Fall des Verzugs zugrunde liegt. Das hat jedenfalls den Vorteil, dass das Gebot, Verträge ein- und durchzuhalten, stärker betont wird. Es berücksichtigt auch den Grundsatz, dem Schuldner bei Pflichtverletzung noch eine Chance zu pflichtgemäßem Verhalten zu eröffnen und damit Vertrag und Schuldner zu schonen.

Zu Absatz 1

Zu Satz 1

Nach Absatz 1 Satz 1 ist Verletzung einer "Pflicht aus einem gegenseitigem Vertrag" Voraussetzung für einen Rücktritt. Es muss sich um einen gegenseitigem Vertrag handeln; für Bürgschaft, Auftrag und andere Verträge ohne im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflichten gilt die Vorschrift also nicht, sondern es greifen nur die §§ 275 ff. ein. Dagegen ist nicht erforderlich, dass die verletzte Pflicht im Synallagma steht. Das geht über die Regelung der geltenden §§ 325, 326 hinaus, doch hat die Rechtsprechung durch die großzügige Auslegung des derzeitigen § 326 (vgl. BGH, NJW 1988, 1778 ff., s. aber auch BGH, NJW 1990, 2376) und die Zulassung eines Rücktritts wegen positiver Forderungsverletzung die Rücktrittsmöglichkeiten bereits erheblich erweitert und stellt nicht mehr entscheidend auf den synallagmatischen Charakter der verletzten Pflicht ab.

Eine Pflichtverletzung berechtigt grundsätzlich jedoch erst nach fruchtloser Nachfristsetzung zum Rücktritt. Für die - wohl wichtigsten - Fälle unterbliebener oder schlecht erbrachter Leistung ist im Entwurf eine Frist zur Abhilfe vorgesehen. Auf die bislang in § 326 zusätzlich zur Nachfristsetzung erforderliche Ablehnungsdrohung soll verzichtet werden. Dafür sind vor allem folgende Erwägungen maßgebend: Die Ablehnungsdrohung, deren Notwendigkeit Nichtjuristen vielfach unbekannt ist, kann sich in der Praxis als Stolperstein für den von einem Vertragsbruch betroffenen Teil auswirken. Die Auslegung einer Nachfristsetzung mit dem Ziel, in ihr auch eine Ablehnungsdrohung zu finden, kann zwar im Einzelfall helfen, aber auch den Ausgang von Prozessen unsicher machen. Allerdings verschärft der Verzicht auf die Ablehnungsdrohung, die nach Fristablauf zum Wegfall des Erfüllungsanspruch führt, das Problem des ius variandi. Im geltenden Recht wird die Bedeutung der Nachfristsetzung als Schwelle für den Rücktritt durch die Ablehnungsdrohung verdeutlicht. Zu überlegen war deshalb, ob nicht nach Verzicht auf die Ablehnungsdrohung zusätzlich zum Fristablauf eine Voraussetzung aufgenommen werden müsste, die für den vertragsbrüchigen Teil erkennbar macht, dass es mit Ablauf der Nachfrist oder der Abmahnung "ernst" wird bzw. werden kann, die Fristsetzung oder Abmahnung also nicht nur ein höfliches Drängen des Gläubigers zum Ausdruck bringen soll. Eingefügt wurde deshalb, dass der Schuldner auf Grund der Fristsetzung oder Abmahnung "mit dem Rücktritt rechnen musste". Das kann mit der Androhung rechtlicher Schritte zum Ausdruck gebracht werden, sich aber auch aus der Bedeutung der verletzten Pflicht ergeben. Dagegen kommt es nicht stets darauf an, dass dem Gläubiger wegen der Pflichtverletzung ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist.
Das Nachfristverfahren nach Absatz 1 Satz 1 entspricht der Regelung des § 282 für den Schadensersatz wegen Nichterfüllung; insoweit ist der geltende § 326 auf § 282 und § 323 Abs. 1 aufgeteilt worden.

Zu Satz 2

Nach Satz 2 gilt eine angemessene Frist als gesetzt, wenn der Gläubiger eine unangemessen kurze oder keine Frist bestimmt hat. Bei dem ersten Fall handelt es sich lediglich um eine Klarstellung. Der zweite Fall ist eine Ergänzung, die nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie jedenfalls für den Rücktritt vom Kaufvertrag zwingend geboten ist. Danach darf die Durchsetzung seiner Rechte durch den Käufer nicht daran scheitern, dass er die Fristsetzung vergisst, was leicht geschehen kann. Deshalb muss in diesem Fall von Gesetzes wegen eine angemessene Frist als gesetzt gelten. Eine Beschränkung der Regelung auf den Anwendungsbereich der Richtlinie wäre sachlich nicht zu rechtfertigen, da sie auch in anderen Fällen ihre Berechtigung hat.

Zu Satz 3

Nach Satz 2 ist das Setzen einer Nachfrist in bestimmten Fällen nicht notwendig. Es genügt dann eine Abmahnung, wenn nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht kommt. Gedacht ist an eine Verletzung von Unterlassungspflichten: Hier muss abgemahnt werden. Bei Unterlassungen muss die "Verwarnung" des Schuldners also nicht mit einer Nachfrist verbunden werden, da eine solche Fristsetzung bei geschehener Zuwiderhandlung regelmäßig keinen Zweck mehr hätte.

Zu Satz 4

Eine Alternative "Vertragsdurchführung" oder "Vertragsaufhebung" kann bei teilweisen Defiziten der Leistung nicht befriedigen, auch wenn sie durch die den Erfüllungsanspruch begleitende Schadensersatzansprüche des Gläubigers gemildert wird. Die Beschränkung der Vertragsaufhebung auf einen Teil unter Aufrechterhaltung der durchführbaren oder bereits durchgeführten Vertragsteile, die im Ergebnis zu einer Anpassung der Gegenleistung an das Leistungsdefizit führt, ist deshalb vielfach die sinnvollere Lösung. Bei Sukzessivlieferungsverträgen ist eine solche Beschränkung bzw. Beschränkbarkeit des Rücktritts anerkannte Regel. Bei Sachmängeln wird durch Minderung funktionell vergleichbar Anpassung der vom Gläubiger zu erbringenden Leistung an die unvollständige Leistung des Schuldners erreicht. Die Vergleichbarkeit von Defiziten qualitativer (Sachmängel) und quantitativer Art im Hinblick auf die Gegenleistung und ihre Herabsetzung durch Minderung ist auch im geltenden Recht festgehalten, § 323 Abs. 1 Halbsatz 2. Die nunmehr in Absatz 1 Satz 3 vorgesehene Regelung für Pflichtverletzungen, die sich nur auf einen Teil der Leistung beziehen, steht in engem Zusammenhang mit Überlegungen, entweder Minderung als generellen Rechtsbehelf oder einen Teilrücktritt zuzulassen. Minderungen wegen einer nur teilweisen Leistungsstörung hätte der Regelung des § 323 Abs. 1 Halbsatz 2 des geltenden Rechts, Rücktritt vom ganzen Vertrag oder nur vom gestörten Teil je nach Ausmaß der Interesseverletzung hätte der Regelung der §§ 325 Abs. 1 Satz 2, 326 Abs. 1 Satz 3 des geltenden Rechts sowie der grundsätzlichen Wertung bei der Störung einzelner Raten in Sukzessivlieferungsverträgen entsprochen. Der Entwurf hat sich für den Grundsatz des Teilrücktritts entschieden, wobei durch die Einführung des Wortes "nur" deutlich gemacht wird, dass grundsätzlich bei Teilstörungen auch nur Teilrücktritt möglich sein soll. Wenn der Gläubiger an der möglichen oder mangelfreien oder rechtzeitig erbrachten Teilleistung auf Grund der Störung einer oder mehrerer anderer Teilleistungen oder Leistungsteile kein Interesse mehr hat, kann er vom ganzen Vertrag zurücktreten.

Zu Absatz 2

Zu Satz 1

Absatz 2 normiert Fälle, in denen Rücktritt ohne Nachfristsetzung oder Abmahnung sofort möglich ist.
Nummer 1 regelt vor allem Fälle der Unmöglichkeit, des absoluten Fixgeschäftes, der ernsthaften Erfüllungsweigerung nach Fälligkeit und der - zuweilen als wirtschaftliche Unmöglichkeit bezeichneten - unüberwindbaren Leistungserschwerung. Abgedeckt werden damit die bisher von §§ 323, 325 geregelten Situationen, Fälle der als positive Forderungsverletzung behandelten ernsthaften und endgültigen Erfüllungsweigerung (vgl. BGHZ 49, 56, 59), aber auch § 634 Abs. 2 alt und Sachverhalte, in denen bisher ein Recht zur Lösung vom Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingeräumt worden ist (wirtschaftliche Unmöglichkeit); im letzteren Fall hat Vertragsanpassung, soweit möglich, Vorrang, § 307 Abs. 3. Gegenüber dem geltenden Recht ist wichtig, dass künftig bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit die Leistungspflichten nicht mehr ipso iure erlöschen und erbrachte Leistungen nach Bereicherungsrecht abzuwickeln sind, sondern Rücktritt erklärt werden muss und Rückabwicklung nach §§ 346 ff. erfolgt. Erfasst werden aber auch Fälle vorübergehender Unmöglichkeit, wenn offensichtlich ist, dass sie innerhalb angemessener Frist nicht behoben sein wird, oder solche subjektiven Unvermögens, etwa auf Grund Diebstahls oder Verlustes des zu leistenden Gegenstandes, in denen Wiederbeschaffung innerhalb angemessener Frist dem Schuldner offensichtlich nicht möglich ist.

Nummer 2 regelt den Fall des einfachen Fixgeschäftes. Abweichend von dem derzeitigen § 361, aber entsprechend § 376 HGB, wird jedoch nicht nur eine Auslegungsregel - "im Zweifel" - formuliert, sondern ein gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Pflichtverletzung durch Terminüberschreitung. Die Abweichung von der Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs dürfte freilich gering sein, da auch das sofortige Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 2 Nr. 2 abdingbar ist, jedenfalls in Individualvereinbarungen. Die von der Rechtsprechung zur Bewertung einer Terminangabe als "fix" im Sinne des bisherigen § 361 BGB verwendete Formel, dass der Vertrag auf Grund der Terminvereinbarung mit der Einhaltung des Leistungstermins "stehen oder fallen" sollte (RGZ 51, 347 ff.), wird im Entwurf mit der Formulierung festgeschrieben, dass "der andere Teil im Vertrag den Fortbestand seines Erfüllungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Erfüllung gebunden hat". Nach der Rechtsprechung zu den geltenden §§ 361 BGB, 376 HGB muss sich diese Bindung des Erfüllungsinteresses an die Einhaltung eines bestimmten Termins aus dem Vertrag oder aus den objektiven Umständen ergeben (vgl. RGZ a. a. 0.: "Eine ausdrückliche dahin gehende Vereinbarung ... (oder) aus den Umständen ein Wille in diesem Sinne ..."; vgl. auch BGH, NJW-RR 1989, 1373; BGH, NJW 1990, 2065, 2067). Bei dieser Vorschrift wird davon ausgegangen, dass durch die Bindung des Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung "im Vertrag" auch hinreichend deutlich ist, dass die entscheidenden Umstände für den Schuldner bekannt sein müssen.

Nummer 3 ist als Auffangtatbestand für die in Nr. 1 und 2 nicht erfassten Fälle konzipiert und soll den Gerichten entsprechende Bewertungsspielräume geben. Er deckt auch die derzeit in § 326 Abs. 2 geregelten Fälle, soweit nicht das besondere Interesse durch Bestimmung eines Liefertermins oder einer Lieferfrist bereits im Vertrag so herausgehoben worden ist, dass von einem Fixgeschäft ausgegangen werden kann. Allerdings dürfte in den Fällen der bisherigen § 326 Abs. 2 und § 634 Abs. 2 das Interesse des verletzten Gläubigers im Vordergrund stehen. Wird der verspätet gelieferte Dünger für die Feldbestellung unverwendbar (vgl. RG, JW 1920, 47), Saisonware unverkäuflich (BGH LM § 326 (Ed) Nr. 3), ein Exportgeschäft undurchführbar, weil der ausländische Käufer wegen des Lieferverzugs keine Importlizenz mehr bekommen kann (BGH WM 1957, 1342, 1343 f.), dann wird der Interessewegfall wohl ohne Rücksicht auf die Interessen des säumigen Teils festzustellen sein.

Zu Satz 2 Nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie muss sichergestellt werden, dass der Rücktritt nicht nur dann sofort möglich ist, wenn die in Satz 1 bezeichneten Gründe vor der Aufforderung vorgelegen haben. Der Käufer muss vielmehr auch dann sofort zurücktreten können, wenn er zunächst zur Nacherfüllung aufgefordert hatte, sich dann aber noch vor Ablauf der Frist Gründe ergeben, die eine Aufforderung entbehrlich gemacht und dem Käufer den sofortigen Rücktritt ermöglicht hätten. Dies bestimmt Satz 2.

Zu Absatz 3

Absatz 3 regelt eine Reihe von Einzelfällen, in denen ein an sich nach Absatz 1 oder Absatz 2 gegebenes Rücktrittsrecht ausgeschlossen ist. Nicht jede Pflichtverletzung kann ausreichen, vom Grundsatz der Vertragstreue abzuweichen und Vertragsbindungen durch Rücktritt zu lösen. Im geltenden Recht kommt diese Bewertung darin zum Ausdruck, dass nach §§ 323, 325 oder im Falle fruchtloser Nachfristsetzung mit Ablehnungsdrohung eine als synallagmatische "Hauptleistungspflicht" qualifizierte Vertragspflicht verletzt worden sein muss, ferner bei Teilstörungen - § 325 Abs. 1 Satz 2, § 326 Abs. 1 Satz 3 - Interessewegfall des Gläubigers vorausgesetzt wird. Schließlich liegt diese Wertung auch den Voraussetzungen für den Rücktritt wegen positiver Forderungsverletzung zugrunde, wonach der Vertragszweck derart gefährdet sein muss, dass dem anderen Teil nach Treu und Glauben ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, NJW 1984, 2287 f.). Auch Nachfristsetzung allein kann deshalb in solchen Fällen nicht mehr zu einer Rücktrittslage führen.

Nummer 1 nennt als ersten Ausschlussfall die geringfügige Pflichtverletzung. Die Vorschrift schließt Rücktritt bei unerheblicher Schlechterfüllung oder geringfügigen Nebenpflichtverletzungen aus. Auch eine Überschreitung der Nachfrist nach Absatz 1 kann aber noch unter "Berücksichtigung aller Umstände" als unerhebliche Pflichtverletzung bewertet werden, etwa wenn der Schuldner wenig später vollständig und richtig erfüllt, bevor der Gläubiger ein Deckungsgeschäft getätigt oder sich anders auf den Vertragsbruch eingestellt hat. Bei Unmöglichkeit einer Hauptleistungspflicht wird aber wohl immer ein Rücktritt möglich sein.

Nummer 2 regelt als weiteren Ausschlussfall die Nebenpflichtverletzung. Im Hinblick auf Nebenpflichtverletzungen wurde erwogen, den Rücktritt allgemein dadurch zu erschweren, dass - entsprechend der Rechtsprechung zum Rücktritt wegen positiver Forderungsverletzung - eine Zumutbarkeitsschwelle eingefügt oder mindestens eine erhebliche oder wesentliche Pflichtverletzung verlangt wird. So ist daran gedacht worden, den Rücktritt nur bei Unzumutbarkeit des weiteren Festhaltens am Vertrag oder bei einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Schuldners zu ermöglichen. Um das Problem der Verletzung von Neben- und Schutzpflichten gesondert zu erfassen, ist die Nummer 2 in den Entwurf eingefügt worden.

Nummer 3 betrifft die Verantwortung des Gläubigers für die Pflichtverletzung. Im geltenden Recht bleibt der von einer Leistungsstörung des Schuldners betroffene Gläubiger an den Vertrag gebunden - und zur Erbringung seiner eigenen Leistung verpflichtet -, wenn er die Unmöglichkeit der Leistung durch den Schuldner zu vertreten hat, § 324 Abs. 1 Satz 1. Der Entwurf verallgemeinert und erweitert diese Lösung: Da die gesetzliche Regelung nicht mehr auf Unmöglichkeit, sondern auf Pflichtverletzung abstellt, musste dem Gläubiger das Rücktrittsrecht konsequenterweise für alle Fälle genommen werden, in denen er selbst für die Pflichtverletzung des Schuldners verantwortlich ist. Der Entwurf erweitert den Geltungsbereich der Regel aber vor allem dadurch, dass bereits eine Mitverantwortung des Gläubigers ausreicht, das Entstehen eines Rücktrittsrechts für ihn zu verhindern. Damit soll die im geltenden Recht umstrittene Frage gesetzlich geklärt werden, wie sich eine Mitverantwortung des Gläubigers auswirkt (zum geltenden Recht vgl. MünchKomm/ Emmerich § 324 Rn. 19 ff.). Die Regelung als Ausschlussgrund für den Rücktritt ist auf der Grundlage des Entwurfs auch deshalb erforderlich, weil die Unmöglichkeit als ein Unterfall der Pflichtverletzung anders als nach dem geltenden § 323 nicht mehr ipso iure dazu führt, dass der Anspruch auf die Gegenleistung erlischt. Will der Gläubiger sich wegen einer Pflichtverletzung des Schuldners also von seiner Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreien, so muss er zurücktreten. Soll dem Schuldner der Anspruch auf die Gegenleistung erhalten bleiben, weil der Gläubiger das Leistungshindernis zu vertreten hat, so muss das Recht des Gläubigers, von dem Vertrag zurückzutreten, ausgeschlossen werden.

Allerdings soll das Rücktrittsrecht nur bei einer überwiegenden Verantwortung des Gläubigers für die Pflichtverletzung abgeschnitten werden. Bei geringfügiger Mitverantwortung bleibt ein Rücktritt möglich. Der vom Rücktritt betroffene Schuldner kann dann unter Umständen wegen der Mitverantwortung des Gläubigers einen Schadensersatzanspruch aus § 280 haben. Das setzt eine Pflichtverletzung des Gläubigers hinsichtlich der Leistungsmöglichkeit und der Leistungserbringung durch den Schuldner voraus.

Nummer 3 bezieht sodann den Fall mit ein, dass die nicht vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung im Annahmeverzug des Gläubigers eingetreten ist. Damit wird der Gedanke des derzeitigen § 324 Abs. 2 übernommen, der mit dem Annahmeverzug dem Gläubiger die Gegenleistungsgefahr auferlegt, freilich auch hier mit der Erweiterung auf andere Pflichtverletzungen als die Unmöglichkeit. Nummer 4 schließlich regelt das Leistungsweigerungsrecht des Schuldners als Ausschlussfall. Die Vorschrift setzt voraus, dass dem Anspruch eine Einrede entgegensteht, die der Schuldner bereits erhoben hat oder unverzüglich nach dem Rücktritt erhebt. Mit "Anspruch" ist der Anspruch gemeint, auf den sich die Pflichtverletzung bezieht, die § 323 Abs. 1 als Voraussetzung für das Rücktrittsrecht nennt. Mit der Aufforderung des Gläubigers soll dem Schuldner ja Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben werden. Kann der Erfüllungsanspruch wegen des Bestehens einer Einrede indes nicht mehr durchgesetzt werden, so ist ein Ausschluss des Rücktrittsrechts des Gläubigers gerechfertigt. Bedeutung hat dies etwa für den Anspruch des Käufers aus § 433 Abs. 1 Satz 2, der auf die Verschaffung der Kaufsache frei von Rechts- und Sachmängeln gerichtet ist. Aus der Verletzung dieser Pflicht des Verkäufers kann ein Rücktrittsrecht des Käufers gemäß §§ 438, 323 folgen. Ist der Anspruch des Käufers aus § 433 Abs. 1 Satz 2 gemäß §§ 195, 198 Abs. 4 verjährt, so ist gemäß § 323 Abs. 3 Nr. 4 der Rücktritt des Käufers ausgeschlossen, wenn der Verkäufer sich auf die Einrede der Verjährung beruft. Die Verjährung der Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der gekauften Sache hat damit auch Auswirkungen auf das Rücktrittsrecht, obwohl Gestaltungsrechte als solche der Verjährung nicht unterliegen (vgl. § 194 Abs. 1). Entsprechendes gilt beim Werkvertrag für das Rücktrittsrecht des Bestellers gemäß §§ 633, 636, 323.

Der Entwurf sieht das Bestehen einer Einrede des Schuldners als besonderen Ausschlussgrund für das Rücktrittsrecht des Gläubigers vor. Da jedoch Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Leistungen einerseits nicht mehr ipso iure befreien, sondern als Einrede ausgestaltet worden sind, andererseits das rechtspolitische Kernanliegen des Rücktrittsrechts, undurchführbare Verträge liquidieren zu können, nicht für den wichtigen Fall unmöglicher oder unzumutbarer Leistung aufgegeben werden kann, mussten die jetzt in § 275 als Einrede ausgestalteten Befreiungsgründe in Nummer 4 von der rücktrittssperrenden Wirkung von Einreden ausgenommen werden. Ist der Vertrag wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Leistungserbringung durch eine Seite undurchführbar, bleibt es also beim Rücktrittsrecht. Die allgemeinen, den Rücktritt ausschließenden Einreden sollen allerdings nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie vom Schuldner bereits erhoben worden sind oder unverzüglich nach dem Rücktritt erhoben werden.

Zu Absatz 4

Nach dem Wortlaut des geltenden Rechts hätte der Gläubiger im Falle, dass vor Fälligkeit eine unbehebbare Leistungshinderung droht oder der Schuldner unmissverständlich und endgültig Leistungsweigerung ankündigt, an sich keine Möglichkeit zum Rücktritt, da eine zu vertretende Verletzung der fraglichen Leistungspflicht noch nicht vorliegt. Um ein unzumutbares Abwarten des Fälligkeitszeitpunktes in solchen Situationen vermeiden zu können, gestatten Rechtsprechung und Literatur seit langem den Rücktritt auch schon vor Fälligkeit. Die dogmatische Grundlage der Rechtsbehelfe bei diesem sog. vorweggenommenen Vertragsbruch ist streitig; überwiegend wird - vor allem im Fall der ernsthaften Erfüllungsweigerung - darin eine positive Forderungsverletzung gesehen. Das Ergebnis entspricht der Regelung in den einheitlichen Kaufrechten - früher Artikel 76 EKG, jetzt Artikel 72 Abs. 1 UN-Kaufrecht.

Zu Absatz 5

Zu Satz 1

Der von einer Leistungsstörung des Schuldners betroffene Gläubiger hat neben dem Rechtsbehelf "Rücktritt", sofern die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 gegeben sind, noch seinen Erfüllungsanspruch. Er kann also wählen, ob er weiter auf Erfüllung bestehen oder zurücktreten will. Auch kann er den Zeitpunkt des Rücktritts bestimmen. Eine vergleichbare Wahlmöglichkeit besteht bei einer zu vertretenden Pflichtverletzung des Schuldners für die Ansprüche des Gläubigers auf Erfüllung oder Schadensersatz. Durch die Möglichkeit einer Wahl zwischen verschiedenen Rechtsbehelfen und insbesondere zur Bestimmung des Zeitpunkts der Wahl kann der Gläubiger auf Kosten des Schuldners die Marktentwicklung abwarten, also ggf. spekulieren. Auch wenn man für Schadensersatzansprüche des Gläubigers allzu langes Zuwarten und dadurch verursachte Vergrößerung des Schadens mit § 254 auffangen kann, bleibt es unbefriedigend, dass durch die Wahlmöglichkeiten des Gläubigers eine Schwebelage entsteht, in welcher der Schuldner nicht absehen kann, ob von ihm noch Erfüllung verlangt wird. Im geltenden Recht kann diese Situation seltener entstehen, da bei Unmöglichkeit kaum mit einer Klage auf Erfüllung zu rechnen ist (jedenfalls wenn der Schuldner die Unmöglichkeit dartut) und da der Erfüllungsanspruch bei Leistungsverzug nach § 326 mit Ablauf der Nachfrist auf Grund der angedrohten Ablehnung erlischt. Das EKG beugte einer Schwebelage dadurch vor, dass in bestimmten Fällen eines wesentlichen Vertragsbruchs ipso facto "avoidance" eintrat; das UN-Kaufrecht, das auf die automatische Vertragsaufhebung verzichtet, bedeutet demgegenüber einen Rückschritt.
Der Entwurf sieht eine Entschärfung des Regelungsproblems durch Absatz 5 vor. Nach Satz 1 kann der Schuldner dem Gläubiger für die Ausübung des Rücktrittsrechts eine angemessene Frist bestimmen und dadurch eine Klärung des Schwebezustandes herbeizuführen versuchen.

Zu Satz 2

Nach Satz 2 verliert z. B. ein Käufer sein bis dahin erworbenes Recht zur Ausübung des Rücktritts wegen Nichtlieferung der Kaufsache, wenn der Verkäufer ihm erfolglos eine Frist zur Ausübung des Rücktritts gesetzt hat. Allerdings kann der Käufer weiterhin Erfüllung verlangen und erneut eine Frist zur Erfüllung setzen, nach deren erneutem fruchtlosen Ablauf er wiederum das Recht hat zurückzutreten. Auch kann eine (weitere) Nachfrist entbehrlich sein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Der Verkäufer wird vor einem Andauern des Schwebezustandes dadurch ausreichend geschützt, dass er die Leistung rechtzeitig erbringen kann und erbringt, wozu er verpflichtet ist. Es erscheint nicht erforderlich, den Schwebezustand am Ende der Entscheidungsfrist und ggf. einer nochmals erforderlichen Nachfrist dadurch zu beenden, dass der Erfüllungsanspruch entsprechend § 376 Abs. 1 Satz 2 HGB entfällt, sofern er nicht unmissverständlich geltend gemacht wird.