Zu § 438 - Rücktritt

Vorbemerkung

Hat die verkaufte Sache einen Sachmangel, so kann der Käufer derzeit nach § 462 Rückgängigmachung des Kaufs verlangen, dessen Vollzug und Durchführung in den §§ 465-467 alt geregelt ist. Das Recht zur Wandelung steht dem Käufer sofort zu, d. h. er braucht dem Verkäufer keine Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben. Nach dem derzeitigen § 465 wird die Wandelung dadurch vollzogen, dass der Verkäufer sich auf Verlangen des Käufers mit ihr einverstanden erklärt. Bis zum Vollzug kann der Käufer von einer zunächst verlangten Wandelung wieder Abstand nehmen und statt dessen Minderung verlangen. Die Durchführung der Wandelung richtet sich mit einigen Besonderheiten nach den Rücktrittsvorschriften (§ 467 alt). Nach § 459 Abs. 1 Satz 2 alt kommt eine Wandelung nicht in Betracht, wenn der Wert oder die Tauglichkeit einer Sache durch einen Fehler nur unerheblich gemindert ist; dies gilt allerdings nicht, soweit die Wandelung nach § 459 Abs. 2 alt auf das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft gestützt werden kann.

Hat die verkaufte Sache einen Rechtsmangel (§ 434 alt), so stehen derzeit dem Käufer nach § 440 Abs. 1 alt die Rechte des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zu; ein Rücktrittsrecht kann sich aus §§ 325, 326 alt ergeben. Insbesondere im Zusammenhang mit der Wandelung wird beklagt, dass der Verkäufer kein "Recht zur zweiten Andienung" hat, obwohl dies zumeist im Interesse beider Vertragsparteien liegt. Im übrigen wird bemängelt, dass die Wandelung gegenüber dem Rücktritt eigenständig geregelt ist, und zwar in einer unnötig umfangreichen und komplizierten Weise, die den Bedürfnissen der Praxis nicht gerecht wird. So hat der derzeitige § 465 zu verschiedenen Theorien über den Vollzug der Wandelung geführt. Nach dieser Vorschrift, die die Wandelung als Vertrag ausgestaltet, wäre das Recht des Käufers auf Wandelung ein Anspruch auf Vertragsabschluß (so die heute nicht mehr vertretenen Vertragstheorien). Dies führt zu Schwierigkeiten, wenn der Verkäufer sich mit der Wandelung nicht freiwillig einverstanden erklärt. Erst nach rechtskräftiger Verurteilung zum Einverständnis wäre die Wandelung vollzogen und damit der Weg frei für eine - möglicherweise erneute gerichtliche - Durchsetzung von Ansprüchen aus der Wandelung. Dass dies vermieden werden muss, ist heute allgemeine Meinung. Nach den Herstellungstheorien soll deshalb die Gestaltungserklärung des Käufers genügen, um die Rechtsfolgen der Wandelung herbeizuführen; § 465 soll nur den Sinn haben, es dem Verkäufer zu ermöglichen, durch sein Einverständnis den Käufer an die Wandelung zu binden. Die Theorien der richterlichen Gestaltungsakte oder modifizierten Vertragstheorien gehen davon aus, dass der Käufer sogleich Ansprüche aus der Wandelung geltend machen kann. Ein zuerkennender Richterspruch enthält die Umgestaltung des Kaufvertrags in ein Rückabwicklungsverhältnis. Die Rechtsprechung hat in diesem Theorienstreit keine Stellung bezogen. Es ist aber ständige gerichtliche Praxis, dass der Käufer im Streitfall sogleich seine Ansprüche aus der Wandelung gerichtlich geltend machen kann.

Artikel 3 Abs. 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie spricht von einem Anspruch des Käufers auf Vertragsauflösung, Absatz 5 nennt im einzelnen die Voraussetzungen, unter denen der Käufer die Vertragsauflösung verlangen kann. Ein Recht zur Vertragsauflösung bei mangelhafter Lieferung findet sich auch in ausländischen Rechtsordnungen und in den internationalen Kaufrechten; es gehört zum Grundbestand der Käuferrechte.

Zu Absatz 1

Der Entwurf verzichtet auf eine eigenständige gesetzliche Regelung der Wandelung und stellt insoweit die Einheit zwischen allgemeinem Leistungsstörungsrecht und Gewährleistungsrecht her. Er sieht vor, im Kaufrecht die Voraussetzungen für das Recht des Käufers zum Rücktritt vom Vertrag durch eine Verweisung auf § 323 zu regeln. Er sieht davon ab, den Wortlaut dieser Vorschrift in § 438 in einer angepassten Fassung zu wiederholen.

Absatz 1 erklärt § 323 - die Rücktrittsvorschrift des allgemeinen Leistungsstörungsrechts - für anwendbar. Das Recht des Käufers zum Rücktritt vom Vertrag wegen eines Mangels der Sache setzt danach grundsätzlich voraus, dass eine dem Verkäufer vom Käufer gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist (§ 323 Abs. 1). Die Neuregelung weicht damit in einem entscheidenden Punkt vom geltenden Recht ab, das dem Käufer die sofortige Wandelung gestattet. Sie entspricht der derzeitigen gesetzlichen Regelung beim Rechtsmangel (§§ 440 Abs. 1, 326 alt) und stimmt mit der des Werkvertrags (§ 634 alt) überein. Nur in Ausnahmefällen erhält der Käufer ein Recht zum sofortigen Rücktritt (§§ 438 Abs. 2, 323 Abs. 2).
Der Verkäufer bekommt so eine letzte Chance, den mit der Rückabwicklung des Vertrags verbundenen wirtschaftlichen Nachteil abzuwenden. Die Möglichkeit des Verkäufers, die Rückabwicklung des Vertrags durch fristgerechte Nachbesserung oder Neulieferung abzuwenden, ist auch für den Käufer interessengerecht. Er erhält, was er vertraglich zu beanspruchen hat. Ist ihm durch die verspätete Nacherfüllung ein Schaden entstanden, kann er diesen nach § 440 Abs. 2 vom Verkäufer ersetzt verlangen, wenn die Verzögerung vom Verkäufer zu vertreten ist. Vorrang vor dem Rücktritt vom Vertrag hat damit die Nacherfüllung durch den Verkäufer, wenn auch die Wahl zwischen den beiden Arten der Nacherfüllung dem Käufer zusteht, § 437 Abs. 1. Dies entspricht auch dem Stufenverhältnis, das Artikel 3 Abs. 3 S. 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie für die verschiedenen Gewährleistungsrechte des Käufers vorsieht. Auch danach kann der Käufer nicht sofort die Vertragsauflösung oder die Minderung des Kaufpreises verlangen, sondern ist in einer ersten Stufe auf die Geltendmachung der Nacherfüllung in von ihm zu bestimmender Form beschränkt. Als Rücktritt ist das Recht des Käufers zur Aufhebung des Vertrags - anders als die Wandelung - ein Gestaltungsrecht. Der Käufer ist an den erklärten Rücktritt gebunden und kann ihn nicht nach seinem freien Willen zurücknehmen und z. B. statt dessen Minderung verlangen. Diese Änderung des geltenden Rechts ist sachgerecht. Insbesondere besteht kein Bedürfnis dafür, dem Käufer das Recht einzuräumen, auch nach Erklärung des Rücktritts diesen zu widerrufen, um einen anderen Anspruch geltend zu machen. Denn auch dann, wenn der Käufer an der Entscheidung für den Rücktritt festgehalten wird, erhält er das, was ihm zusteht. Vor einer übereilten (falschen) Entscheidung wird der Käufer geschützt, weil der Rücktritt nicht sofort, sondern erst nach Ablauf der dem Verkäufer zur Nacherfüllung gesetzten Frist erklärt werden kann.

Damit sind die Vorgaben des Artikel 3 Abs. 5, 2. Spiegelstrich i. V. m. Abs. 3 S. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umgesetzt: Dort sind die Voraussetzungen genannt, unter denen der Verbraucher (Käufer) Minderung oder Vertragsauflösung verlangen kann. Diese Rechte sollen ihm erst in zweiter Linie nach der vorrangig geltend zu machenden Nacherfüllung zustehen. Der Entwurf gewährleistet den Vorrang der Nacherfüllung dadurch, dass der Käufer erst nach Setzen einer angemessenen Frist zurücktreten kann. Das entspricht Artikel 3 Abs. 3 S. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der bestimmt, dass die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen muss. Geschieht dies nicht, so kann der Käufer nach §§ 438 Abs. 1, 323 Abs. 1 vom Vertrag zurücktreten, ebenso wie dies Artikel 3 Abs. 5, 2. Spiegelstrich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorsieht. Dort ist als Voraussetzung für den Rücktritt genannt, dass der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat. Dort ist allerdings nicht die Rede davon, dass der Käufer dem Verkäufer eine Frist setzen muss. Dem trägt § 323 Abs. 1 Satz 2 dadurch Rechnung, dass bei bloßer Aufforderung zur Nacherfüllung durch den Käufer ohne Setzen einer Frist eine angemessene Frist als gesetzt gilt. Dadurch wird vermieden, dass der Rücktritt des Käufers allein daran scheitert, dass in der Aufforderung an den Verkäufer eine Nachfristsetzung unterblieben ist.

Bei einer "unerheblichen Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit" im Sinne des bisherigen § 459 Abs. 1 Satz 2 bzw. bei einer "geringfügigen Vertragswidrigkeit" im Sinne des Artikel 3 Abs. 6 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist der Rücktritt vom Kaufvertrag ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus § 323 Abs. 3 Nr. 1, der den Ausschluss des Rücktrittsrechts bei einer unerheblichen Pflichtverletzung vorsieht. Nach geltendem Recht gilt der Ausschluss des Rücktrittsrechts nicht, wenn der Verkäufer eine Eigenschaft zugesichert hat. Insoweit ist eine Änderung nicht beabsichtigt. Hier findet § 323 Abs. 3 Nr. 1 keine Anwendung, da bei Zusicherung einer Eigenschaft nicht von einer "unerheblichen" Pflichtverletzung gesprochen werden kann, selbst wenn der Wert oder die Tauglichkeit der Sache nur unerheblich gemindert ist. Zu Absatz 2

Der Fristsetzung bedarf es nur in Ausnahmefällen nicht. Einen Katalog dieser Fälle enthält § 323 Abs. 2. Die Besonderheiten des Kaufvertrags geben keinen Anlass, diesen Katalog einzuschränken.

Absatz 2 ergänzt vielmehr den Katalog für den Kaufvertrag zunächst um den Fall, dass die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist. Diese Ergänzung ist erforderlich, weil nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 eine Fristsetzung nur entbehrlich ist, wenn aus besonderen Gründen unter Abwägung der "beiderseitigen" Interessen der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist. Ist die Nacherfüllung in Form der Nachbesserung oder Neulieferung fehlgeschlagen, kann dem Käufer eine weitere Fristsetzung nicht zugemutet werden; für sein Recht zum sofortigen Rücktritt vom Vertrag kommt es auf das mögliche Interesse des Verkäufers, am Vertrag festzuhalten, nicht mehr an. Den Begriff "Fehlschlagen" hat das AGB-Gesetz in § 11 Nr. 10 Buchstabe b eingeführt. Ein "Fehlschlagen" ist nach der bisherigen Rechtsprechung zu diesem Begriff anzunehmen im wesentlichen bei objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit, Unzulänglichkeit, unberechtigter Verweigerung, ungebührlicher Verzögerung und bei einem misslungenen Versuch der Nachbesserung bzw. Ersatzlieferung (BGH, NJW 1994, 1004, 1005; BGHZ 93, 29, 62, 63; Ulmer/Brandner/Hensen § 11 Nr. 10 Buchstabe b Rn. 35). Daneben sind Fälle anerkannt, in denen eine Nachbesserung wegen Unzumutbarkeit für den Käufer nicht in Betracht kommt (Ulmer/Brandner/Hensen a. a. O. Rn. 45 m. w. Nachw.).

Wegen des mittlerweile eingeführten Begriffs übernimmt der Entwurf das "Fehlschlagen" der Nacherfüllung zur Umschreibung des Falles, in dem es der Bestimmung einer Frist nicht bedarf. Damit sind zugleich die Fälle erfasst, in denen - trotz entsprechender Versuche - nicht davon gesprochen werden kann, dass der Verkäufer Abhilfe geschaffen hat, Artikel 3 Abs. 5, 2. Spiegelstrich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Ob man begrifflich unter dem "Fehlschlagen" der Nacherfüllung auch den Fall der Unzumutbarkeit fassen kann, ist nicht zweifelsfrei. Der Entwurf nennt ihn deshalb in Ergänzung der Vorschläge der Schuldrechtskommission als zweiten Fall des Absatzes 2. Dies dient gleichzeitig der Umsetzung von Artikel 3 Abs. 5, 3. Spiegelstrich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der den Fall behandelt, dass eine Abhilfe mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verbunden ist. Zur näheren Konkretisierung ist Artikel 3 Abs. 3 S. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie heranzuziehen, der für die Beurteilung der "erheblichen Unannehmlichkeit" auf die Art der Sache und den Zweck abstellt, für den der Verbraucher die Sache benötigt. Dies wird mit dem 2. Fall des Absatzes 2 aufgegriffen.

Artikel 3 Abs. 5, 1. Spiegelstrich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie behandelt den Fall, dass der Verbraucher (Käufer) keinen Anspruch auf Nacherfüllung hat. Hierfür nennt Artikel 3 Abs. 3 S. 1 die beiden Fälle der Unmöglichkeit und der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung, die der Entwurf - wie ausgeführt - in den §§ 275 und 437 Abs. 3 behandelt. Die Unmöglichkeit kann dabei auch als Unterfall des "Fehlschlagens" der Nacherfüllung Bedeutung erlangen. In sämtlichen Konstellationen ist eine Fristsetzung zumindest gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 nicht erforderlich, weil offensichtlich ist, dass sie keinen Erfolg haben würde: Der Verkäufer verweigert die Nacherfüllung jeweils zu Recht, dies jedenfalls dann, wenn keine der beiden Arten der Nacherfüllung verlangt werden kann.

Erwogen worden ist auch die Frage, ob dem Käufer ein Recht zum sofortigen Rücktritt nicht nur in den Fällen des § 438 Abs. 2, sondern auch bei den sog. Alltagsgeschäften eingeräumt werden soll. Der Entwurf hat sich letztlich aus folgenden Gründen für die einheitliche Lösung des § 438 Abs. 1 entschieden: Zum einen sind die Alltagsgeschäfte nicht hinreichend bestimmt und sachgerecht gesetzlich zu beschreiben. Zum anderen würde eine abweichende Sonderregelung für Sachmängel die angestrebte Einheit mit dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht durchbrechen, den wünschenswerten Gleichlauf des kauf- und werkvertraglichen Gewährleistungsrechts erheblich stören und für den Rücktritt beim Vorliegen eines Rechtsmangels, bei dem die Fristsetzung als Voraussetzung für den Rücktritt unverzichtbar ist, eine weitere Spezialvorschrift verlangen.

Auch wenn auf eine Ausnahme zum Erfordernis der Fristsetzung für Alltagsgeschäfte verzichtet wird, bleibt das berechtigte Interesse des Käufers an einer zügigen Rückabwicklung solcher Verträge gewahrt. § 323 erfordert eine "angemessene" Frist. Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich vorrangig nach dem Interesse des Käufers, der gerade bei den Alltagsgeschäften die kurzfristige Reparatur oder den sofortigen Austausch der mangelhaften Sache beanspruchen kann. Bei den Alltagsgeschäften werden häufig die Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 Nr. 3 vorliegen, nach dem der sofortige Rücktritt, also ohne Bestimmung einer Frist, möglich ist.

Zu Absatz 3

Die Vorschrift übernimmt den bisherigen § 467 Satz 2. Obgleich der Anspruch des Käufers auf Ersatz der Vertragskosten schadensersatzähnlich ist, ist es interessengerecht, dem Käufer den Anspruch auch dann zu geben, wenn ein Verschulden des Verkäufers nicht vorliegt. Erstattungsfähig sind insbesondere die Vertragskosten, die nach § 445 bei Durchführung des Vertrags vom Käufer zu tragen sind.