Zu § 439 - Minderung
Vorbemerkung
Hat die gelieferte Sache einen Mangel, so kann der
Käufer ein Interesse daran haben, sie zu behalten und den Kaufpreis
herabzusetzen. Diesem Ziel dient die Minderung. Dabei ist zunächst die Frage zu
behandeln, ob die Minderung als Rechtsbehelf in das allgemeine
Leistungsstörungsrecht neben Rücktritt und Schadensersatz eingestellt werden
soll. Entscheidend dagegen spricht, dass die Minderung für einzelne
Vertragstypen, insbesondere für den Dienstvertrag, als Rechtsbehelf
ausgeschlossen bleiben muss. Für den Kauf- und Werkvertrag bedarf es daher einer
besonderen Vorschrift über die Minderung.
Voraussetzung
und Durchführung der Minderung sind derzeit in §§ 462, 465 wie für die Wandelung
geregelt. Bis zum Vollzug eines dieser Rechte stehen Wandelung und Minderung dem
Käufer alternativ zu. Die Durchführung der Minderung regeln im geltenden Recht
§§ 472, 473.
Auch hinsichtlich der Minderung - wie schon bei der
Wandelung - wird kritisiert, dass der Verkäufer kein "Recht zur zweiten
Andienung" hat. Schwierigkeiten bereitet im übrigen die Berechnung des
Minderungsbetrages nach § 472, da sie auf der Grundlage dreier Wertgrößen
durchzuführen ist, die sich zwar theoretisch scharf trennen lassen, deren
Ermittlung aber im Einzelfall praktische Schwierigkeiten entgegenstehen
können.
Die Minderung des Kaufpreises ist in fast allen
kontinentalen Kaufrechten und auch in den internationalen Kaufrechten
vorgesehen. Sie besteht meist in einer proportionalen Herabsetzung des
Kaufpreises, wie sie auch derzeit in § 472 vorgesehen ist. Für die
Wertermittlung kommt es zum Teil auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an (wie
in § 472 alt); teilweise ist dagegen der Zeitpunkt der Lieferung entscheidend
(so Artikel 50 UN-Kaufrecht). Artikel 3 Abs. 2 und 5 der
Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geben dem Käufer ebenfalls das Recht auf
Minderung.
Zu Absatz 1
Zu Satz 1
Die Regelung der Minderung in Absatz 1 weicht in vier
Punkten vom geltenden Recht ab:
- Der Käufer kann den
Kaufpreis auch beim Vorliegen eines Rechtsmangels in gleicher Weise wie beim
Vorliegen eines Sachmangels mindern.
- Der Käufer ist
zur Minderung erst nach erfolgloser Fristsetzung zur Nacherfüllung
berechtigt.
- Die Minderung ist Gestaltungsrecht.
- Die Minderung ist auch bei Unerheblichkeit des Mangels
nicht ausgeschlossen.
Maßgeblich hierfür sind die folgenden Gründe:
Bei Grundstückskaufverträgen gibt es in der Praxis
Fallgestaltungen, in denen es dem Verkäufer mangels Zustimmung des Berechtigten
nicht gelingt, dem Käufer das Eigentum am Grundstück frei von einem
eingetragenen Recht zu verschaffen. Geht es um die Löschung einer "lästigen"
Dienstbarkeit (Wege- oder Leitungsrecht), ist der Käufer regelmäßig nicht an
einem Rücktritt vom Vertrag interessiert. Weit interessengerechter ist für ihn
eine Herabsetzung des Kaufpreises um den wirtschaftlichen Wert der
Beeinträchtigung. Dies spricht dafür, auch beim Rechtsmangel die Minderung in
gleicher Weise wie beim Sachmangel vorzusehen. Die Gründe, die dafür sprechen,
dem Käufer das Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag erst zu geben, wenn der
Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung gehabt hat, sprechen auch bei der
Minderung für das Erfordernis erfolgloser Fristsetzung. Die Ausgangslage
unterscheidet sich nicht von derjenigen bei Rücktritt des Käufers vom Vertrag.
Auch bevor der Käufer den Kaufpreis mindern kann, muss er zunächst Nacherfüllung
verlangen. Auch hier steht gemäß § 437 Abs. 1 ihm und nicht dem Käufer das
Wahlrecht zwischen den verschiedenen Arten der Nacherfüllung zu. Dies entspricht
Artikel 3 Abs. 2 bis 5 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die insoweit nicht
zwischen Minderung und Vertragsauflösung unterscheiden. Wenn die Minderung zu
einem Gestaltungsrecht wird, werden die Probleme des derzeitigen § 465
vermieden. Die damit verbundenen Änderungen des geltenden Rechts sind
angemessen.
Zu Satz 2
Satz 2 enthält Verweisungen auf die Vorschriften zum Rücktritt, deren Anwendung auch für die Minderung sinnvoll ist. Das betrifft insbesondere die Fälle, in denen eine Fristsetzung nicht erforderlich ist, §§ 438 Abs. 2, 323 Abs. 2. Insoweit gilt hier dasselbe, was schon oben zu § 438 Abs. 2 ausgeführt wurde. Auch Artikel 3 Abs. 2 bis 5 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie behandeln Minderung und Vertragsauflösung in den Voraussetzungen gleich. Erst Artikel Abs. 6 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthält einen sachlichen Unterschied: Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher (Käufer) keinen Anspruch auf Vertragsauflösung; die Möglichkeit zur Minderung bleibt aber unberührt. Deshalb sieht der Entwurf vor, dass dem Käufer auch bei einem unerheblichen Mangel, den zu beseitigen der Verkäufer innerhalb angemessener Frist versäumt hat, oder dessen Beseitigung er wegen unverhältnismäßiger Aufwendungen berechtigt abgelehnt hat, das Recht bleibt, den Kaufpreis um den Minderwert herabzusetzen. § 439 Abs. 1 verweist deshalb nicht auf § 323 Abs. 3 Nr. 1.
Der Wechsel der Konstruktion (Minderung als Gestaltungsrecht) gebietet aber eine entsprechende Anwendung des § 323 Abs. 3 Nr. 4. Auch die Minderung ist deshalb ebenso wie der Rücktritt insbesondere dann ausgeschlossen, wenn der Anspruch des Käufers verjährt ist und der Käufer sich auf die Einrede der Verjährung beruft. Dadurch erfolgt die Verknüpfung zwischen der Verjährung der Ansprüche des Käufers wegen einer Pflichtverletzung des Verkäufers (Lieferung einer mangelhaften Sache) und den Gestaltungsrechten Rücktritt und Minderung, die als solche der Verjährung nicht unterliegen.
Zu Absatz 2
Auf Grund der Ausgestaltung der Minderung als Gestaltungsrecht kann die Vorschrift des derzeitigen § 474 nicht beibehalten werden. Vielmehr ist - wie in § 351 (derzeit § 356) für den Rücktritt - eine Unteilbarkeit der Minderung vorzusehen. Bei der Beteiligung mehrerer soll die Minderung deshalb nicht auf einzelne beschränkt werden; sie kann nur einheitlich erklärt werden.
Zu Absatz 3
Zu Satz 1
Die Vorschrift übernimmt den derzeitigen § 472 Abs. 1
(Berechnung der Minderung) mit Änderungen.
Der
Minderungsbetrag sollte möglichst einfach und praktikabel zu berechnen sein.
Abweichend vom geltenden Recht sieht der Entwurf daher nicht die relative
Berechnungsmethode nach dem Verkehrswert der mangelhaften Sache vor, die - da
ihr objektiver Wert nur schwer zu ermitteln ist - häufig zu Schwierigkeiten
führt. Er hat sich vielmehr für eine Regelung entschieden, die an den
vereinbarten Kaufpreis anknüpft. Nach dessen Höhe ist in relativer
Berechnungsweise der Minderungsbetrag zu berechnen. Die Berechnung des
Minderungsbetrags soll nicht von den Kosten der Nachbesserung abhängig gemacht
werden. Diese können zwar im Einzelfall Anhaltspunkte für die Wertberechnung
geben, können aber auch besonders hoch sein und stünden dann zur Leistung des
Verkäufers in einem auffälligen Missverhältnis. Nicht vorgeschlagen wird auch,
bei der Berechnung des Minderungsbetrags subjektive Gesichtspunkte zu
berücksichtigen. Wird durch den Mangel der Kaufsache ein Affektionsinteresse
des Käufers verletzt, kann der Verkäufer unter Umständen bereits nach § 437 Abs.
3 die Nacherfüllung verweigern, weil sie einen unverhältnismäßigen Aufwand
erfordert. Subjektive Erwartungen und Vorstellungen können bei der insoweit
gebotenen umfassenden Interessenabwägung besser berücksichtigt werden als bei
der Minderung.
Eine dem bisherigen § 472 Abs. 2
entsprechende Regelung über die Minderung beim Verkauf mehrerer Sachen ist nicht
notwendig. Die Vorschrift hat sich in der Praxis als überflüssig erwiesen.
Eine Regelung über die Berechnung des Minderungsbetrags bei
Mitverantwortung des Käufers für den Mangel ist ebenfalls nicht erforderlich. In
welchem Verhältnis der Minderungsbetrag herabzusetzen ist, wenn der Käufer
ausnahmsweise einen Mangel der Kaufsache mit zu vertreten hat, richtet sich
nach den allgemeinen Vorschriften sowie nach dem Rechtsgedanken des § 254,
der auch bei Berechnung des Minderungsbetrags anwendbar ist.
Zu Satz 2
Maßgebend für die Berechnung des Minderungsbetrages ist der Wert im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Zur Vereinfachung der Berechnung wird im Gesetzestext klargestellt, dass etwaige Wertveränderungen im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Minderung außer Betracht bleiben.
Zu Satz 3
Satz 3 eröffnet die Möglichkeit, den Minderungsbetrag - soweit erforderlich - durch Schätzung zu ermitteln. Eine solche Schätzung wird bereits jetzt von der Rechtsprechung vorgenommen (vgl. BGHZ 77, 320, 326). Auch ist die Schätzung eines Betrags dem geltenden Recht nicht unbekannt (vgl. §§ 738 Abs. 2, 2311 Abs. 2 S. 1).
Zu Absatz 4
Hat der Käufer den Kaufpreis bereits ganz oder teilweise bezahlt, steht ihm nach der Minderung ein Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Mehrbetrags zu. Absatz 4 regelt diesen Anspruch nicht durch bloße Verweisung auf die Rücktrittsvorschriften, sondern durch eine selbständige Anspruchsgrundlage. Ergänzend finden die Rücktrittsvorschriften der §§ 346, 347 Anwendung.