Zu § 641 - Gefahrübergang

Vorbemerkung

Da nunmehr gemäß § 639 Abs. 1 S. 1 nicht mehr davon auszugehen ist, dass regelmäßig eine Abnahme der Werkleistung stattfindet, ist eine Überarbeitung der Bestimmung über den Gefahrübergang notwendig. Im geltenden Recht trägt nach § 644 Abs. 1 der Hersteller die Vergütungsgefahr bis zur Abnahme des Werkes, und diese Gefahr geht auf den Besteller über, wenn dieser in Verzug der Annahme gerät. Absatz 1 Satz 3 handelt nicht wie Satz 1 und 2 von der Vergütungsgefahr, sondern davon, wer bei Zufall die Sachgefahr des von dem Besteller gelieferten Stoffes trägt. § 644 Abs. 2 hat den Versand des Werkes nach Art des bisherigen § 447 zum Gegenstand. Die Bedeutung des § 644 in der Rechtspraxis ist außerordentlich gering; es gibt hierzu so gut wie keine veröffentlichten Entscheidungen. Eine Bestimmung, die den Hersteller die Gefahr bis zur Abnahme tragen lässt, berücksichtigt nicht, dass der Hersteller häufig schon vor der Abnahme den Besitz an der von ihm hergestellten oder bearbeiteten Sache verloren hat, die Sache nämlich dem Besteller übergeben worden ist, ohne dass dieser bereits die Abnahme erklärt hat. Für diesen Fall liegt es nach der Sphärentheorie nahe, die Vergütungsgefahr schon mit der Übergabe auf den Besteller übergehen zu lassen.

Zu Satz 1

Trotz der geringen Bedeutung, die der bisherige § 644 erlangt hat, soll nicht auf eine Vorschrift über die Gefahrtragung verzichtet werden, schon um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Im Kaufrecht muss eine Regelung über den Gefahrübergang getroffen werden, weil die Kaufsache dem Käufer übergeben sein kann, ohne dass der Verkäufer seine Pflicht zur Übertragung des Eigentums erfüllt hat. Da die Sache die Sphäre des Verkäufers verlassen hat, braucht er - selbst wenn er noch nicht vollständig geleistet hat - für Zufall nicht einzustehen, behält vielmehr den bereits mit Abschluss des Kaufvertrags fällig gewordenen Kaufpreisanspruch. Eine gleiche Interessenlage besteht im Werkvertragsrecht nicht. Zwar heißt es in § 631 Abs. 3 Satz 1, ebenso wie in § 433 Abs. 2, dass der Besteller zur Zahlung verpflichtet ist. Anders als das Kaufrecht kennt aber das Werkvertragsrecht eine besondere Fälligkeitsregelung; der Vergütungsanspruch wird erst mit der Fertigstellung des Werks oder mit der Abnahme fällig (§ 639). Somit ist die Gefahrtragungsregel des bisherigen § 644 zunächst - lediglich zum Zwecke der Klarstellung - an § 639 anzupassen, der die Abnahme der Werkleistung in das zweite Glied zurückstuft und die Fertigstellung des Werks zum Regelfall für das Fälligwerden des Vergütungsanspruchs erhebt. Also besagt Satz 1, dass der Hersteller die Gefahr grundsätzlich bis zum Eintritt der Fälligkeit seiner Vergütung trägt. Dabei verwendet der Entwurf weiterhin die Bezeichnung "Gefahr", erläutert sie also nicht durch das Wort "Vergütungsgefahr". Der juristische Laie würde wohl auch mit der neuen Benennung keine klaren Vorstellungen über den rechtlichen Inhalt gewinnen können. Mit "Gefahr" ist also stets die Vergütungsgefahr gemeint und damit die Frage gestellt, ob der Besteller vergüten muss, obschon dem Hersteller die Leistung aus Gründen, die er nicht vertreten muss, unmöglich geworden ist.

Zu Satz 2

Satz 2 weist dagegen einen wesentlichen und eigenständigen Regelungsgehalt auf. Mit ihm wird eine bislang im Gesetz unbekannte Kategorie von Werken eingeführt, nämlich das zu übergebende Werk, bei dem die Vergütungsgefahr bereits mit der Übergabe auf den Besteller übergeht. Damit zieht der Entwurf die Folgerung aus dem Umstand, dass es Werke gibt, die sowohl übergabefähig als auch abnahmepflichtig sind, bei denen die Abnahme aber nicht mit der Übergabe zusammenfällt. Bei einer komplexen Reparatur einer Maschine beispielsweise lässt sich eine Billigung der Werkleistung als vertragsgemäß erst nach Probeläufen oder auch erst nach einiger Zeit der Benutzung erklären. Nicht einzusehen ist, warum - anders als im Kaufrecht - der zufällige Untergang der Sache nicht den Besteller treffen soll, wenn ihm die Sache schon übergeben worden ist und er sich damit in größerer Nähe zum Werkgegenstand befindet. Dies gilt umso mehr, als in weit größerem Umfang als bisher Verträge über die Lieferung herzustellender Sachen gemäß § 631 Abs. 3 Kaufrecht unterstellt werden, das gemäß § 444 auf die Übergabe abstellt. Ob sich ein Vertrag auf die Herstellung oder Reparatur einer beweglichen Sachen oder die Erstellung eines Bauwerks bezieht, sollte aber für die Gefahrtragung keine Rolle spielen. Bei abnahmepflichtigen Werken, die übergabefähig sind, wird der Gefahrübergang also fortan auf den Zeitpunkt der Übergabe vorverlagert. Das gilt aber nicht etwa für den Fall der Ausführung von Malerarbeiten im Hause des Bestellers. Hier können die jeweils fertiggestellten Teile nicht als übergeben angesehen werden; vielmehr bleibt es dabei, dass der Hersteller die Gefahr bis zu der nach endgültiger Fertigstellung üblichen Abnahme trägt. Aus Satz 2 folgt aber auch, dass die Vergütungsgefahr für Werkleistungen, die nicht abnahmepflichtig, also nur fertiggestellt sind und gleichwohl der Übergabe bedürfen - wenn es solche denn gibt - erst mit der Übergabe auf den Besteller übergeht.

Zu Satz 3

Der bisherige § 644 Abs. 1 Satz 2 lautet: "Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die Gefahr auf ihn über". In Satz 3 des Entwurfs wird geregelt, dass ein Annahmeverzug der Übergabe gleichstellt. Diese Regelung ist vorgesehen, weil die Bestimmungen des allgemeinen Teils des Schuldrechts nicht stets zu demselben Ergebnis führen, wie es in Satz 3 zum Ausdruck gebracht wird. Die schon oben erwähnte Regelung der Sachgefahr in dem geltenden § 644 Abs. 1 Satz 3 ist entbehrlich. Nach dieser Vorschrift hat der Besteller gegen den Hersteller keinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn der von ihm gelieferte Stoff zufällig untergeht oder sich verschlechtert hat. Das ist "eigentlich nichts Neues und könnte gestrichen werden" (Weyers, Gutachten S. 1159). Dem ist zu folgen. In § 641 wird auch nichts über die Leistungsgefahr gesagt, also das Risiko des Herstellers, das bestellte Werk bei Untergang oder Beschädigung noch einmal herstellen zu müssen. Auch hier gilt jedoch, dass die Leistungsgefahr bis zur Fertigstellung beim Hersteller bleibt, wenn es sich nicht - wie in Fällen von Untergang und Beschädigung wohl regelmäßig - um zu übergebende Werke handelt oder ausnahmsweise um solche, die (nur) abzunehmen sind. Vergütungs- und Leistungsgefahr gehen danach vernünftigerweise korrespondierende Wege. Der bisherige § 644 Abs. 2 hat den Versendungskauf zum Gegenstand und entfällt, weil § 447 nach dem Entwurf entfallen soll.