Zu § 648 - Kostenvoranschlag

Vorbemerkung

Der Kostenvoranschlag für Werkvertragsleistungen - in dem derzeitigen § 650 noch altertümlich "Kostenanschlag" genannt - hat im Wirtschaftsleben eine erhebliche Bedeutung erlangt. Das Werkvertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs sollte deshalb eine die Interessen beider Vertragsparteien angemessen berücksichtigende Regelung vorsehen, die auf Standardsituationen der Verwendung von Kostenvoranschlägen anwendbar ist. Im geltenden Recht gibt § 650 dem Besteller bei wesentlicher Überschreitung des Kostenvoranschlags ein Kündigungsrecht mit der Vergütungspflicht des § 645 Abs. 1 und legt dem Hersteller eine Anzeigepflicht auf. Die Unterlassung der Anzeige wird als schuldhafte Forderungsverletzung gewertet, die den Hersteller zum Schadensersatz verpflichtet (Palandt/Sprau § 650 Rn. 3). Die Vorschrift des § 650 spielt im Rechtsleben keine erwähnenswerte Rolle. Das weisen auch die im Verhältnis zur Verbreitung von Kostenvoranschlägen kargen Kommentierungen des § 650 und die wenigen Fundstellen von Gerichtsentscheidungen zu § 650 aus. Im Schrifttum wird in Ergänzung zu § 650 die Meinung vertreten, dass ein schuldhaft unrichtiger Voranschlag zur Haftung des Herstellers auf Schadensersatz führe, wobei allerdings Art und Umfang der Schadensersatzpflicht entweder gar nicht behandelt werden (Soergel/ Mühl § 650 Rn. 4; MünchKomm/Soergel § 650 Rn. 14) oder aber eine im Einzelfall nicht ganz einfache Handhabung vorgestellt wird (BGB-RGRK/Glanzmann § 650 Rn. 18). Der Regelungsgehalt des derzeitigen § 650 kann nicht als ausreichend erachtet werden. Das Recht zur Lösung vom Vertrag ist für den Besteller zumeist uninteressant, weil das Werk unfertig ist und die Fertigstellung ihn finanziell überfordert. Der Kostenvoranschlag stellt im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf ein wirksames Werbemittel dar. Der Besteller muss davor geschützt werden, dass er auf Grund bewusst zu niedrig angesetzter Kostenvoranschläge Aufträge erteilt. Aber auch ein lediglich nachlässig erstellter Kostenvoranschlag lässt den Besteller Gefahr laufen, dass er sich durch den Abschluss des Werkvertrags am Ende wirtschaftlich übernimmt. Diese von der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung nicht einzufangenden Situationen werden erfasst, wenn der Hersteller an einen schuldhaft unrichtig erstellten Kostenvoranschlag im Grundsatz gebunden bleibt.

Zu Absatz 1

Aus den oben genannten Gründen ist eine starke Bindung des Herstellers auch an einen unverbindlichen Kostenvoranschlag wünschenswert. Dass der verbindliche Kostenvoranschlag keiner besonderen Regelung bedarf, folgt daraus, dass er als Vertragsbestandteil die Vergütung bestimmt. § 648 hat also den unverbindlichen Kostenvoranschlag zum Gegenstand, was Absatz 1 ausdrücklich klarstellt. Der geltende § 650 umschreibt ihn bislang in der Weise, dass der Hersteller keine Gewähr für die Richtigkeit des Voranschlags übernommen habe. Welche Worte der Hersteller verwendet, um die Unverbindlichkeit seines Voranschlags zu bestimmen, ist einerlei. Der Besteller muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass die genannten Preise nicht Vertragsinhalt werden sollen. Das kann gewiss am besten durch die Bezeichnung des Kostenvoranschlags als "unverbindlich" geschehen, aber auch durch Zusätze wie "Preise freibleibend" oder "ohne Gewähr für die Richtigkeit", nicht aber durch Verwendung der Abkürzung "l. v." oder auch deren Langfassung "Irrtum vorbehalten"; damit unterwirft sich der Hersteller allein den Anfechtungsregeln der §§ 119 ff. Ob die Rechtsnatur des unverbindlichen Kostenvoranschlags dadurch richtig erfasst wird, dass man ihn als Geschäftsgrundlage bezeichnet (so OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 209) kann dahinstehen. Der Hersteller hat es jedenfalls immer in der Hand, Preisangaben zu machen, die den Begriff des unverbindlichen Kostenvoranschlags noch nicht erfüllen; er muss dies allerdings hinreichend erkennbar machen. So liegt es, wenn der Hersteller lediglich eine Preisidee äußert oder eine ersichtlich nur überschlägig ermittelte Preisvorstellung, bei der das volle Preisrisiko eindeutig bei dem Besteller verbleibt. Mit Absatz 1 möchte der Entwurf bei voraussehbar gewesener Überschreitung des Kostenvoranschlags dem Besteller nicht lediglich einen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses verschaffen, wie dies in der Literatur vertreten wird, sondern den Hersteller binden. Der Hersteller soll allerdings nur bei wesentlicher Überschreitung des Kostenvoranschlags gebunden sein. Wie ein Umkehrschluss aus dem Wort "wesentlich" ergibt, greift die in § 648 getroffene Regelung nicht ein, wenn der Kostenvoranschlag nur unwesentlich überschritten wird. Die Gefahr, dass der Hersteller wissentlich unter dem wahren Preis bleibt, um sich stets die unwesentliche Überschreitung zu sichern, muss hingenommen werden und folgt schon begrifflich aus der Unverbindlichkeit des Voranschlags. Der Besteller, der dieses tragbare Risiko nicht eingehen will, muss die Verbindlichkeit des Anschlags herbeizuführen suchen. Auf der anderen Seite kann der Hersteller den Freiraum der unwesentlichen Erhöhung bis zur Grenze der Wesentlichkeit nicht für sich ausnutzen, wenn eine wesentliche Überschreitung des Kostenvoranschlags eingetreten ist, die voraussehbar war. Wann eine Überschreitung wesentlich ist, lässt sich nicht für alle Vertragstypen einheitlich beantworten. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 323 Abs. 1 ZPO wird schon bei einer Abweichung von 10 % angenommen (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 323 Anm. 2 D). Eine solche starre Grenze dürfte für den Werkvertrag kaum in Betracht kommen. Voraussetzung dafür, dass der Hersteller die höhere Vergütung fordern kann, ist der Umstand, dass die Überschreitung nicht voraussehbar war. Darin kommt zum Ausdruck, dass der Hersteller als Fachmann seine Sachkunde bei der Erstellung des Kostenvoranschlags einzubringen hat. Aus demselben Gedanken der Sachnähe folgt, dass es Sache des Herstellers ist, darzulegen und zu beweisen, dass die Erhöhung der Kosten unvorhersehbar war. Falls sich herausstellt, dass eine gewisse Erhöhung zu erwarten war, aber nicht in der schließlich eingetretenen Höhe, so kann der Hersteller jedenfalls die Spanne der nicht voraussehbar gewesenen Überschreitung als Mehrpreis einsetzen. Da der Hersteller die ihn treffende Beweislast häufig nur schwer wird erfüllen können und dies für ihn auch absehbar sein wird, steht er vor der Wahl, ob er das Risiko einer Beweisaufnahme eingeht oder sich von vornherein mit der ohne weiteres einzufordernden unwesentlichen Erhöhung zufrieden gibt. Für den Zeitpunkt der Vorhersehbarkeit kommt es auf die Abgabe des Kostenvoranschlags an. Der Abschluss des Werkvertrags kann nicht entscheidend sein, weil zwischenzeitlich Änderungen eingetreten sein können, die der Hersteller nach Absatz 2 Satz 1 anzeigen muss. Bis zum Vertragsschluss steht es dem Hersteller im übrigen frei, seinen Kostenvoranschlag zurückzuziehen. Selbstverständlich sollte sein, dass der veranschlagte Preis im Sinne des Absatzes 1 derjenige ist, der allein das vom Besteller vorgesehene ursprüngliche Leistungsprogramm des Herstellers abdeckt. Alle nachträglichen Änderungswünsche des Bestellers entziehen dem Kostenvoranschlag seine rechtliche Wirkung, die lediglich für den unverändert gelassenen Teil des Leistungsumfangs erhalten bleibt. Die vorgesehene Verschärfung der Rechtsfolgen eines unverbindlichen Kostenvoranschlags soll nicht dazu führen, die Schriftform für den Voranschlag abzuordnen. Der Hersteller wird schon von sich aus meistens die Schriftform wählen. Anders als im Falle des vom Besteller behaupteten Festpreises vermag der Besteller mit der Behauptung eines unverbindlichen Kostenvoranschlages die Beweislast für das Gegenteil nicht auf den Hersteller zu verlagern.

Zu Absatz 2

Zu Satz 1

Absatz 2 regelt die Folgen des bei Abgabe des Voranschlags nicht voraussehbar gewesenen Preisanstiegs. Ergibt sich nach Abgabe des Kostenvoranschlags eine wesentliche Überschreitung, so trifft den Hersteller gemäß Satz 1 eine Mitteilungspflicht. Hier wird also - auch - eine vorvertragliche Pflicht gesetzlich verankert, die.600 allerdings ohne größere Bedeutung bleiben wird. Im Vorfeld des Vertrags soll der Kunde nicht in dem Glauben bleiben, der Hersteller wolle ungefähr zu dem veranschlagten Preis leisten. Rechtliche Relevanz hat die Mitteilungspflicht dagegen für die Zeit nach Vertragsschluss. Insoweit ist die Anzeigepflicht bereits derzeit in § 650 Abs. 2 bestimmt.

Zu Satz 2

In Satz 2 sind die Folgen der Versäumung der Mitteilungspflicht geregelt: Der Hersteller kann dann den Betrag, um den der Kostenvoranschlag überschritten wird, nur in dem Umfang verlangen, in dem der Besteller bereichert ist. Verletzt der Hersteller also die Mitteilungspflicht aus Satz 1, erfährt der Kunde deshalb nichts von der unerwarteten Überschreitung des Kostenvoranschlags und arbeitet der Hersteller trotzdem weiter, so hat dieser Anspruch auf einen Mehrbetrag lediglich nach dem Grundgedanken des § 818 Abs. 3. Die Zahlungspflicht des Bestellers beschränkt sich auf sein Interesse an dem eingetretenen Vermögenszuwachs, der regelmäßig daran zu messen sein wird, inwieweit die Leistung des Herstellers für den Besteller einen höheren Nutzen hat. Will der Hersteller am Ende eine wesentlich höhere Vergütung einfordern, ohne dass er dem Besteller zwischenzeitlich davon etwas angezeigt hat, muss er also zum einen die Unvorhersehbarkeit der Kostensteigerung beweisen und sich zum anderen mit einem möglicherweise schmalen Bereicherungsanspruch begnügen, sofern er nicht - wie wohl häufig - völlig leer ausgeht.

Zu Satz 3

Satz 3 gibt dem Besteller ein Kündigungsrecht wegen der Kostenüberschreitung und regelt den Vergütungsanspruch des Herstellers. Der Hersteller soll durch rechtzeitige Anzeige der unvorhersehbaren Kostensteigerung dem Besteller die Lösung vom Vertrag ermöglichen. Hat der Hersteller die nicht vorhersehbare Überschreitung des Voranschlags angezeigt, so muss sich der Besteller entscheiden, ob er den Vertrag kündigen will oder nicht. Er wird prüfen, ob ein anderer Hersteller die noch ausstehende Leistung preiswerter ausführen will..601 Kündigt der Besteller nicht, so schuldet er die höhere Vergütung. Kündigt er, so ist nach Maßgabe des Kostenvoranschlags abzurechnen; dabei kann es jedoch nicht lediglich auf den Umfang der dem Besteller erbrachten Leistungen ankommen, sondern auch auf den Umfang der im Preis inbegriffenen Vorarbeiten, die erforderlich sind, um dem Besteller überhaupt leisten zu können, wozu als Beispiel die häufig kostenintensive Baustelleneinrichtung dienen kann. Ein dritter Weg, nämlich die Kündigurig aufzuschieben, um auf diese Weise noch in den Genuss preiswerter Leistungen auf der Grundlage des Kostenvoranschlags zu gelangen, ist dem Besteller schon nach Treu und Glauben verwehrt.