| Prof.
Dr. Manfred Wolf, Frankfurt/Main
Prof.
Dr. Thomas Pfeiffer, Bielefeld
6 Thesen zu Schuldrechtsreform
und AGB-Gesetz
-
Die Einfügung des AGB-Rechts in das Schuldrecht
ist verfehlt. Das AGB-Recht ist richtigerweise dem Allgemeinen Teil
des Bürgerlichen Rechts zuzuordnen. Die zentralen Vorschriften des
AGB-Gesetzes über die Einbeziehung (§§ 2, 3 AGBG), über
die Auslegung (§ 5 AGBG), über den Schutz der rechtsgeschäftlichen
Entscheidungsfreiheit (§§ 8-11 AGBG) und die Teilwirksamkeit
(§ 6 AGBG) gehören systematisch zur Rechtsgeschäftslehre
und zum Vertragsrecht im Allgemeinen Teil des BGB.
-
Die Einfügung an falscher Stelle ist ein
Bruch mit wesentlichen Entwicklungslinien der deutschen Rechtskultur
und führt zu unnötigen Beeinträchtigungen der Schutzwirkung
des AGB-Rechts. Aufgrund dessen ist die Inhaltskontrolle von AGB, die Gegenstände
des Allgemeinen Teils (wie z.B. Vollmachtsklauseln, Zugangsklauseln, Schriftformklauseln)
und des Sachenrechts (wie z.B. Pfandrechtsklauseln, Eigentumsvorbehaltsklauseln,
Verarbeitungsklauseln des § 950 BGB) regeln, nicht mehr mit hinreichender
Sicherheit gewährleistet. Dies bringt insbesondere auch Gefahren für
einen effektiven Verbraucherschutz mit sich. Ferner erleichtert die richtige
systematische Einordnung die Vermittlung in der Lehre.
-
Die Einfügung im Schuldrecht ist mit den
Vorgaben der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche
Klauseln nicht vereinbar, da sich bei einer Einfügung des AGB-Rechts
in das Schuldrecht die EG-rechtlich vorgeschriebene Anwendung auf dingliche
Rechtsgeschäfte allenfalls noch durch eine Analogie erreichen lässt.
Dies widerspricht eindeutig der Rechtsprechung des EuGH, der verlangt,
daß "die Mitgliedstaaten, um die volle Anwendung des Gemeinschaftsrechts
zu gewährleisten, nicht nur ihr Recht mit dem Gemeinschaftsrecht in
Einklang bringen, sondern darüber hinaus eine so bestimmte, klare
und transparente Lage schaffen, daß der Einzelne seine Rechte in
vollem Umfang erkennen und sich vor den nationalen Gerichten auf sie berufen
kann" (s. EuGH v. 18.01.2001 EuZW 2001, 187, Tz 22). Dieses Gebot der klaren
und vollständigen Umsetzung hat der EuGH in seiner neuesten Entscheidung
zur Richtlinie 93/13/EWG über mißbräuchliche Klauseln noch
einmal ausdrücklich betont (EuGH v. 10.05. 2001 Rs C - 144/99 Kommission/Niederlande).
-
Auf rechtsvergleichende Vorbilder kann sich die
Einfügung des AGB-Rechts in das Schuldrecht, u.a. wegen des für
das deutsche Recht charakteristischen Abstraktionsgrundsatzes, nicht stützen;
rechtsvergleichende Argumente bestätigen vielmehr, daß im Kontext
des deutschen Rechts eine Einfügung in den Allgemeinen Teil vorzugswürdig
ist.
-
Allein eine Einfügung in den Allgemeine
Teil wahrt die wünschenswerte Übereinstimmung mit den Lando-Principles
of European Contract Law und den UNIDROIT-Principles of International Commercial
Contracts.
-
Als Standort innerhalb des Allgemeinen Teils
wird ein neuer Titel "Allgemeine Geschäftsbedingungen" innerhalb des
3. Abschnitts ("Rechtsgeschäfte") des Allgemeinen Teils vorgeschlagen,
der im Anschluss an den Dritten Titel nach § 157 BGB einzufügen
ist. Allein dieser Standort entspricht der Verknüpfung, die das AGB-Recht
- wie schon angesprochen - sowohl mit den Vorschriften der allgemeinen
Rechtsgeschäftslehre als auch mit den Vorschriften des Vertragsabschlussrechts
aufweist. Zugleich entspricht dieser Standort der wertungssystematischen
Verbindung zwischen der AGB-rechtlichen Fundamentalvorschrift des bisherigen
§ 9 AGBG einerseits und dem bürgerlich-rechtlichen Prinzip von
Treu und Glauben andererseits, auf dem § 157 BGB beruht. Dabei ist
es möglich, den Standort der Vorschriften über die Bedingung
und Zeitbestimmung (§§ 158-163 BGB) nach hinten zu verlagern
und im Anschluss an die Vorschriften über die Einwilligung und Genehmigung
(§§ 182-185 BGB) und vor den Vorschriften über Fristen und
Termine wieder einzufügen, um dadurch Platz für die Einfügung
der AGB-Vorschriften an "prominenter Stelle" im richtigen systematischen
Zusammenhang zu schaffen.
|