Zu § 275 - Ausschluss der Leistungspflicht

Zu Absatz 1

Vorübergehende Unmöglichkeit

Die Änderung in § 275 Abs. 1 BGB-BE betrifft die Behandlung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Leistung. Der Entwurf regelt in § 275 BGB-RE nicht nur die dauernde Unmöglichkeit der Leistung, sondern mit den Worten „und solange“ auch die vorübergehende Unmöglichkeit der Leistung, wie sie etwa in Embargofällen auftreten kann. Der Bundesrat hat in den Nummern 19, 23, 32 und 52 seiner Stellungnahme die mit der gesetzlichen Regelung der vorübergehenden Unmöglichkeit in § 275 BGB-RE („und solange“) zusammenhängenden Schwierigkeiten angesprochen. Die Bundesregierung hat bereits in der Gegenäußerung zu Nummer 19 der Stellungnahme des Bundesrates darauf hingewiesen, dass die vorübergehende Unmöglichkeit noch nicht befriedigend geregelt ist. Dem Vorschlag der von der Bundesministerin der Justiz eingesetzten Kommission „Leistungsstörungsrecht“ folgend sollten deshalb die Worte „und solange“ in § 275 Abs. 1 und 2 BGB-RE gestrichen werden. Damit bleibt die Einordnung vorübergehender Leistungshindernisse wie bisher auch Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen. Nennenswerte Probleme, die eine gesetzliche Regelung erfordern würden, sind hierbei in den praktisch nicht sehr bedeutsamen Fällen der vorübergehenden Unmöglichkeit bislang nicht aufgetreten. Die Vorschriften über den Schadensersatz statt der Leistung und auch über den Rücktritt bei Pflichtverletzung sind jedenfalls so ausgestaltet, dass der Gläubiger auch bei vorübergehender Unmöglichkeit der Leistung die Möglichkeit hat, dem anderen Teil eine angemessene Frist zur Leistung zu setzen und nach deren erfolglosem Ablauf Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen oder den Rücktritt vom Vertrag zu erklären, soweit die vorübergehende Unmöglichkeit im Einzelfall nicht ohnehin der dauerhaften Unmöglichkeit gleichsteht und der Gläubiger deshalb nach den §§ 283 bzw. 326 Abs. 5 BGB-BE vorgehen kann, ohne eine Frist setzen zu müssen. Die in der Praxis für den Gläubiger häufig bestehende Unsicherheit, aus welchen einzelnen Gründen der Schuldner nicht leistet bzw. ob von diesem vorgebrachte Gründe zutreffen, kann der Gläubiger durch das Setzen einer angemessenen Frist beseitigen: Nach erfolglosem Fristablauf kann er sicher sein, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung verlangen oder zurücktreten zu können. Sollte das Ausbleiben der Leistung auf deren Unmöglichkeit beruhen, so wäre die Fristsetzung ungünstigstenfalls überflüssig gewesen.

Geldschuld

Der Entwurf spricht - anders als die Schuldrechtskommission in ihrem Vorschlag zu § 275 (Bericht S. 117 - 121) - die Geldschuld nicht ausdrücklich an. Der Ausschuss hat erwogen, ob dieser Vorschlag der eindeutigeren Regelung wegen aufgegriffen werden sollte. Er hat sich im Ergebnis gegen eine solche Änderung und dafür entschieden, die Behandlung der Geldschuld weiterhin ungeregelt zu lassen. Dies entspricht auch dem Vorschlag der Kommission „Leistungsstörungsrecht“. Eine Formulierung, die sämtliche Arten der Geldschuld und die jeweils unterschiedlichen Auswirkungen von Zahlungshindernissen umfasst, lässt sich ohne großen Formulierungsaufwand kaum finden. Hierbei wäre beispielsweise auch zu berücksichtigen, dass eine Befreiung von der Leistung bei Geldschulden nicht schlechthin ausgeschlossen ist, sondern nur bei Zahlungsverpflichtungen (vgl. dazu z. B. BGH, VIZ 1999, 176, 178). Bei der Pflicht zur Herausgabe von Geld kommt § 275 BGB ausnahmsweise doch zur Anwendung, woran sich nichts ändern sollte. Leistungshindernisse, die mit einem Mangel an finanziellen Mitteln zusammenhängen, können sich im Übrigen nicht nur bei einer Geldschuld, sondern auch bei sonstigen Verpflichtungen ergeben, wenn sich der Schuldner einer Gattungssache diese zum Beispiel nicht beschaffen kann, weil ihm das Geld hierfür fehlt. Dass der Schuldner sich auf finanzielles Unvermögen nicht berufen kann, ist auch im geltenden BGB nicht ausdrücklich geregelt, sondern folgt aus allgemeinen Grundsätzen sowie der Existenz der Insolvenzordnung, die ansonsten überflüssig wäre (vgl. z. B. RGZ 106, 181, BGHZ 63, 139 und BGH, NJW 1998, 1278; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 279, Rnr. 4; Medicus, AcP 188, 501). An dieser Rechtslage will der Entwurf nichts ändern.

Zu Absatz 2

Vorübergehende Unmöglichkeit

Die vorübergehende Unmöglichkeit soll auch in Absatz 2 nicht geregelt, die Worte „und solange“ also auch hier gestrichen werden.

Hinweis auf das Vertretenmüssen

§ 275 BGB-RE möchte, was der Ausschuss auch für zutreffend hält, die Frage der Befreiung von der Primärleistung bei Unmöglichkeit von der Frage des Vertretenmüssens trennen. In der öffentlichen Diskussion und in der Anhörung der Sachverständigen durch den Ausschuss ist die Frage aufgeworfen worden, ob gerade deshalb Absatz 2 Satz 3 gestrichen werden sollte, der das Vertretenmüssen dennoch anspricht. Diesem Vorschlag möchte der Ausschuss nicht folgen, weil diese Vorschrift einen zutreffenden Gedanken enthält. Allerdings sollte zur Vermeidung der Missverständnisse, die in der Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nummer 21 der Stellungnahme des Bundesrates in diesem Zusammenhang angesprochen werden, § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB-RE in einen eigenen neuen Absatz 3 übernommen werden. Dies entspricht auch dem Vorschlag der Kommission „Leistungsstörungsrecht“.

Zu Absatz 3

Der bisherige Absatz 2 Satz 2 soll zur Vermeidung von Missverständnissen inhaltlich unverändert in einen eigenen Absatz übernommen werden. Auf die Ausführungen zu § 275 Abs. 2 BGB-BE wird verwiesen.

Zu Absatz 4

Absatz 4 entspricht inhaltlich unverändert § 275 Abs. 3 BGB-RE.