Vorbemerkung zu den §§ 199 bis 201 (direkt zur Begründung)

Neben der Länge der Verjährungsfrist ist deren Beginn von entscheidender Bedeutung dafür, ob ein Anspruch infolge Zeitablaufs außer Kraft gesetzt wird. Eine kurze Verjährungsfrist kann für den Gläubiger ungefährlich sein, wenn die Frist erst spät zu laufen beginnt. Umgekehrt kann sich trotz einer langen Verjährungsfrist der Verjährungsbeginn als absolute Sperre für die Durchsetzung des Anspruchs auswirken, wenn die Verjährungsfrist unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers, dass ihm der Anspruch zusteht, zu laufen beginnt.

Das Gesetz muss einen allgemeinen Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn festlegen. Fraglich ist dann, inwieweit für bestimmte Anspruchsinhalte abweichende tatbestandliche Anknüpfungen vorzusehen sind. Insbesondere Ansprüche wegen Verletzung vertraglicher Pflichten müssen hinsichtlich des Verjährungsbeginns von den Erfüllungsansprüchen abgekoppelt werden, weil die Vertragspflichtverletzung keinen Bezug zum Lauf der Verjährungsfrist für den Anspruch auf die Primärleistung zu haben braucht (z. B. bei Verletzung einer Schutzpflicht). Aber selbst wo dies der Fall ist, kann sich ein unterschiedlicher Verjährungsbeginn je nach dem empfehlen, ob sich die Leistungsstörung gegenständlich niederschlägt (z. B. Mangelhaftigkeit der Kaufsache) oder nicht.

Das geltende Recht enthält in § 198 eine grundsätzliche Regelung des Verjährungsbeginns, macht davon aber in den folgenden Bestimmungen und anderswo zahlreiche Ausnahmen. Die Verjährung beginnt regelmäßig mit der Entstehung des Anspruchs. Hängt dieser von einer Kündigung oder Anfechtung ab, beginnt die Verjährung derzeit schon mit dem Zeitpunkt, von welchem ab das Gestaltungsrecht ausgeübt werden konnte (bisherige §§ 199, 200 Satz 1). Bei Ansprüchen auf bestimmte Leistungen des täglichen Lebens, für die eine kurze Verjährungsfrist von zwei bzw. vier Jahren angeordnet ist, beginnt die Verjährung erst mit dem Schluss des Jahres (geltender § 201 Satz 1). Sondervorschriften zum Verjährungsbeginn finden sich derzeit sodann für die verschiedenartigsten Leistungsansprüche über das ganze Bürgerliche Gesetzbuch verstreut (z. B. §§ 425, 558 Abs. 2, 801 Abs. 1 Satz 2, 1057, 1226, 2332 Abs. 1), besonders konzentriert im Mängelgewährleistungsrecht (bisherige §§ 477 Abs. 1 Satz 1, 638 Abs. 1 Satz 2, 651g Abs. 2) und auch außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs (z. B. §§ 88, 439 HGB; § 4 ErbbauV0; § 51b BRAO; § 68 StBerG; § 51a WiPO).

Die gegenwärtige Regelung des Verjährungsbeginns wird als unklar, ungerecht, inkonsequent, präzisierungs- und ergänzungsbedürftig sowie als prozessrechtlich fragwürdig bemängelt (Peters/Zimmermann, S. 244 ff.). Im Mängelgewährleistungsrecht wird der Verjährungsbeginn an objektive Umstände (wie die Übergabe) geknüpft, so dass bei verborgenen Mängeln auf Grund der geltenden kurzen Verjährungsfristen etwaige Ansprüche des Gläubigers bereits verjährt sein können, ehe der Mangel überhaupt entdeckt worden ist. Das Hauptdefizit der geltenden Regelung sieht man in der Beliebigkeit, mit der die Gerichte in andere Verjährungssysteme ausweichen und damit der Voraussehbarkeit der gerichtlichen Entscheidungsergebnisse jede Sicherheit nehmen (Peters/Zimmermann, S. 248 f.; Weyers, S. 1170).

Dieses Defizit will der Entwurf dadurch ausgleichen, dass er für die regelmäßige Verjährungsfrist einen einheitlichen Beginn festlegt, der dem bisherigen § 852 Abs. 1 nachgebildet ist. Dieser Beginn ist das entscheidende Merkmal der neuen regelmäßigen Verjährungsfrist. Der Entwurf enthält mit § 200 RE einen Auffangtatbestand für Verjährungsfristen, die ohne Beginn bestimmt werden. Einen besonderen Beginn gibt es nur noch für festgestellte Ansprüche und Sachmängelansprüche.

Zu § 199 – Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist

§ 199 RE regelt den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist. Er betrifft damit nur Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen. Ist für Ansprüche eine Verjährungsfrist von drei Jahren ausdrücklich bestimmt, unterliegen sie gleichwohl einer besonderen Frist und nicht der allgemeinen Verjährungsfrist. Der Verjährungsbeginn richtet sich dann auch nicht nach § 199 RE, sondern nach § 200 RE.

Zu Absatz 1

Nach Absatz 1 beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, wenn – kumulativ – die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 erfüllt sind. Nach der Nummer 1 muss der Anspruchs fällig sein. Dies entspricht dem bisherigen § 198 Satz 1 mit der Maßgabe, dass statt von der Entstehung von der Fälligkeit des Anspruches gesprochen wird. Eine sachliche Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist damit nicht verbunden, weil das Tatbestandsmerkmal der „Entstehung des Anspruchs“ in dem bisherigen § 198 Satz 1 ebenfalls im Sinne der Fälligkeit verstanden wird (vgl. BGHZ 53, 222, 225; 55, 340, 341 f.; Palandt/Heinrichs, § 198 Rdn. 1).

Auch hinsichtlich der der regelmäßigen Verjährungsfrist unterfallenden Ansprüche auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens entstehen durch das Abstellen auf die Fälligkeit keine sachlichen Änderungen. Insbesondere ändert diese Regelung nicht die im Schadensrecht entwickelte Rechtsprechung zur Schadenseinheit. Der BGH geht nämlich davon aus, dass ein Schaden im Sinne des bisherigen § 198 Satz 1 entstanden ist, wenn die Vermögenslage des Geschädigten sich durch eine unerlaubte Handlung verschlechtert und sich diese Verschlechterung „wenigstens dem Grunde nach verwirklicht hat“ (BGH, NJW 1993, 648, 650). Die Verjährung von Schadensersatzansprüche kann nach dem Grundsatz der Schadenseinheit auch für nachträglich auftretende, zunächst also nur drohende, aber nicht unvorhersehbare Folgen beginnen, sobald irgendein (Teil-)Schaden entstanden ist (BGH wie vor). Daran ändert sich nichts.

Nach der Nummer 2 ist weitere Voraussetzung, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Damit wird das aus dem bisherigen § 852 Abs. 1 bekannte Merkmal der Kenntniserlangung erweitert um die grob fahrlässige Unkenntnis. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseitegeschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGHZ 10, 14, 16; 89, 153, 161; NJW-RR 1994, 1469, 1471; NJW 1992, 3235, 3236). Davon ist Kenntnis, wie sie in § 852 Abs. 1 verlangt wird, nicht weit entfernt. So werden von der Rechtsprechung schon bislang der positiven Kenntnis die Fälle gleichgestellt, in denen der Gläubiger es versäumt, eine gleichsam auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen und deshalb letztlich das Sichberufen auf Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Gläubigers unter denselben konkreten Umständen die Kenntnis gehabt hätte (BGHZ 133, 192, 199; BGH, NJW 2000, 953; NJW 1999, 423, 425; NJW 1994, 3092, 3094). Auch im Rahmen der vorstehend erwähnten Rechtsprechung zur Schadenseinheit werden bereits die als möglich voraussehbaren Schadensfolgen erfasst, obwohl das bloß Voraussehbare gerade nicht bekannt ist, so dass auch hier im Ergebnis Kennenmüssen und Kenntnis gleichgestellt werden. Diese Auflockerungstendenzen haben Peters/Zimmermann in ihrem Gutachten zu dem Vorschlag bewogen, die grob fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis gleichzustellen (vgl. den von Peters/ Zimmermann vorgeschlagenen § 199 – Hemmung durch Unkenntnis des Berechtigten, S. 316). In § 12 des ProdHaftG hat der Gesetzgeber diese Angleichung auch schon vollzogen.

Die Einbeziehung der grob fahrlässigen Unkenntnis entspricht schließlich auch dem Rechtsgedanken des § 277, wonach grobe Fahrlässigkeit stets auch dann schadet, wenn man in eigenen Angelegenheiten handelt. Von der Existenz eines Anspruchs sowie der Person des Schuldners Kenntnis zu nehmen, ist eine eigene Angelegenheit des Gläubigers. Daher soll bereits bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit die Verjährung zu laufen beginnen.

Zu Absatz 2

Nach Absatz 2 Satz 1 verjährt der Anspruch ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von der Fälligkeit an.

Die Anknüpfung des Beginns der Verjährung an die Kenntniserlangung oder grob fahrlässige Unkenntnis in Absatz 1 Nr. 2 führt zu der Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung, da sich bei Nichtvorliegen des Kenntnismerkmals der Eintritt der Verjährung auf unabsehbare Zeit hinausschieben könnte.

Entsprechend dem von der Schuldrechtskommission vorgeschlagenen Weg, den Anwendungsbereich der 30-jährigen Verjährungsfrist nach Möglichkeit zurückzudrängen und stattdessen eine 10-jährige Frist vorzusehen (vgl. §§ 198 und 199 KE) wird die absolute Verjährungsfrist auf zehn Jahre festgelegt. Diese Frist erscheint angemessen und ist in der wissenschaftlichen Kritik auch nicht beanstandet worden. Die Absage an die 30-jährige Frist kommt einerseits dem Schuldner entgegen, andererseits ist die Zehn-Jahres-Frist so lang, dass die Gefahr, dass Ansprüche verjähren, bevor der Gläubiger von ihnen Kenntnis erlangt, auf ein hinnehmbares Maß reduziert ist.

Diese Begrenzungsmodalitäten entsprechen der Verjährungsregelung des Produkthaftungsgesetzes. Dieses sieht bereits jetzt ein Erlöschen der Ansprüche zehn Jahre nach dem Zeitpunkt vor, in dem das fehlerhafte Produkt in den Verkehr gebracht worden ist (§ 13 Abs. 1 ProdHaftG).

Die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren kann für den Gläubiger allerdings dann zu ungünstig sein, wenn es um Ansprüche geht, die sich aus der Verletzung besonders wertvoller Rechtsgüter ergeben. Das ist bei der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit der Fall. Eine Verletzung dieser Rechtsgüter führt nicht selten erst nach vielen Jahren zu erkennbaren Schäden. Die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren ist dann zu kurz. Absatz 2 Satz 2 sieht deshalb vor, dass in diesen Fällen die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren nach Absatz 2 Satz 1 nicht gilt. Insoweit bleibt es also – vorbehaltlich des Absatzes 3 – dabei, dass es für den Beginn der Verjährung nach Absatz 1 Nr. 2 auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis ankommt. Auch in diesen Fällen ist die Geltendmachung indes nicht zeitlich uneingeschränkt möglich. Dies folgt aus Absatz 3, auf dessen Erläuterung Bezug genommen wird.

Damit kann sich allerdings die Situation ergeben, dass aus derselben unerlaubten Handlung, z. B. aus demselben Verkehrsunfall, resultierende Ansprüche je nach Art des verletzten Rechtsguts zu unterschiedlichen Zeitpunkten verjähren. Dieses Ergebnis muss aber hingenommen werden. Es hängt mit der dem Absatz 2 Satz 2 zugrundeliegenden Wertung zusammen, die den dort genannten Rechtsgütern einen besonders hohen Stellenwert zumisst.

Die Schuldrechtskommission hatte darüber hinaus vorgeschlagen, eine Frist von 30 Jahren für die absolute Verjährung von Ansprüchen wegen Verletzung einer Amtspflicht vorzusehen. Eine derartige Privilegierung der Ansprüche aus Amtspflichtverletzung erscheint indes nicht gerechtfertigt. Die von der Schuldrechtskommission zur Begründung angeführte Möglichkeit von Spätschäden ergibt sich auch bei sonstigen Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung.

Zu Absatz 3

Nach Absatz 3 verjähren ohne Rücksicht auf die Fälligkeit und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, aus Gefährdungshaftung und aus Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Verwirklichung der Gefahr oder der Pflichtverletzung an. Das Abstellen auf die Fälligkeit einerseits und dem von subjektiven Umständen abhängigen Verjährungsbeginn andererseits führen zu Unsicherheiten über den Lauf der Verjährungsfrist. Das ist im Interesse des Gläubigers notwendig. Der Schuldner andererseits muss aber zu einem bestimmten Zeitpunkt auch Gewissheit haben, ob er noch in Anspruch genommen werden kann oder nicht. Dies ist der Zweck der absoluten Verjährungsfristen. Die in Absatz 2 Satz 1 bestimmte absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren betrifft indessen nur das Merkmal Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis nach Absatz 1 Nr. 2. Außerdem gilt dieses nicht bei Ansprüchen wegen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit. In diesen von Absatz 2 Satz 1 nicht erfassten Fällen kann der Eintritt der Verjährung also auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben werden. Bei einem Fehler des Notars bei der Testamentsgestaltung, der erst mit Eintreten des Erbfalls zu einem Schaden führt, können zwischen der Pflichtverletzung und der Fälligkeit ohne Weiteres mehr als 30 Jahre liegen. Auch ein Verkehrsunfall vermag nach mehr als 30 Jahren z. B. einen Körperschaden zu verursachen, der nicht vorhersehbar war und damit noch nicht verjährt wäre.

Um dies zu vermeiden, lässt auch der bisherige § 852 Abs. 1 die 30-jährige absolute Verjährungsfrist nicht mit der Entstehung des Schadens beginnen, sondern schon mit der Begehung der Handlung, d. h. mit der Setzung der Schadensursache (Palandt/Thomas, § 852 Rdn. 15). Dem folgt Absatz 3.

Die Verjährungsfrist von 30 Jahren beginnt bei Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung mit der Begehung der Handlung. Dies entspricht dem bisherigen § 852 Abs. 1. Bei Schadensersatzansprüchen aus Gefährdungshaftung beginnt die Verjährung mit der Verwirklichung der Gefahr. Damit wird dem Vorschlag der Schuldrechtskommission (vgl. § 199 Abs. 1 KE) gefolgt. Soweit sich mit der Tierhalterhaftung nach § 833 unter den Vorschriften zur unerlaubten Handlung auch ein Gefährdungsdelikt befindet, beginnt die Verjährung mit der Verwirklichung der Gefahr. Für Gefährdungshaftungstatbestände innerhalb oder – soweit die Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung finden – außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs führt die Klarstellung des Verjährungsbeginns zu einer Vereinfachung und Erleichterung. Bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis (§ 280 RE) beginnt die Verjährungsfrist mit der Pflichtverletzung.

Zu Absatz 4

Soweit der Anspruch auf ein Unterlassen gerichtet ist, ist in den vorstehenden Absätzen statt auf die Fälligkeit auf die Zuwiderhandlung abzustellen. Dies entspricht dem bisherigen § 198 Satz 2.