Zu § 202 – Unzulässigkeit von Vereinbarungen über die Verjährung

Vorbemerkung

Die Länge der gesetzlichen Verjährungsfristen entspricht nicht immer den Interessen der Parteien. Es ist deshalb zu fragen, ob und ggf. in welchem Umfang die gesetzlichen Verjährungsfristen zur Disposition der Parteien gestellt werden können oder ob zwingende Gründe für ein Verbot einer Änderung der gesetzlichen Verjährungsvorschriften sprechen. Im geltenden Recht erlaubt der bisherige § 225 Vereinbarungen zur Erleichterung der Verjährung, verbietet aber den Ausschluss oder die Erschwerung der Verjährung durch Rechtsgeschäft.

Verjährungserleichterungen sind uneingeschränkt zulässig. Soweit sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, unterliegen sie den Grenzen der bisherigen §§ 9, 11 Nr. 10 Buchstabe e und f AGBG (jetzt: §§ 307, 309 Nr. 8 Buchstabe c Doppelbuchstaben ee und ff RE). Der bisherige § 225 bezieht sich allerdings nur auf verjährbare Ansprüche. Ist ein Anspruch gesetzlich unverjährbar ausgestaltet, so kann er auch nicht durch Parteivereinbarung der Verjährung unterworfen werden. Konkurrieren mehrere Ansprüche, so ist es zur Zeit eine Auslegungsfrage, ob die rechtsgeschäftliche Erleichterung der für einen Anspruch geltenden Verjährung sich auch auf die konkurrierenden Ansprüche bezieht (MünchKomm/v. Feldmann, § 225 Rdn. 6). Vereinbarungen, die die Verjährung unmittelbar ausschließen oder erschweren, sind nach dem bisherigen § 225 verboten und deshalb gemäß § 134 nichtig (BGH, NJW 1984, 289, 290). Unter dieses Verbot fällt insbesondere die ausdrückliche Verlängerung der Verjährungsfrist, daneben aber auch beispielsweise die Vereinbarung gesetzlich nicht vorgesehener Hemmungs- oder Unterbrechungsgründe. Nicht von dem geltenden § 225 erfasst werden dagegen solche Vereinbarungen, welche die Verjährung lediglich mittelbar erschweren (BGH aaO). Hierzu gehören beispielsweise die Stundung, ferner aber auch Vereinbarungen, welche die Fälligkeit eines Anspruchs und damit den Beginn der Verjährung hinausschieben (BGH aaO), oder das sog. „pactum de non petendo“. Ausgenommen von dem Verbot der Verjährungsverlängerung sind nach geltendem Recht die kurzen Gewährleistungsfristen im Kauf- und Werkvertragsrecht (bisherige §§ 477 Abs. 1 Satz 2, 480 Abs. 1, 490 Abs. 1 Satz 2, 638 Abs. 2). Bei ihnen ist eine vertragliche Verlängerung der Verjährungsfrist bis zu 30 Jahren zulässig.

Das starre Verbot einer rechtsgeschäftlichen Verjährungserschwerung hat sich in der Praxis als wenig praktikabel erwiesen. Zwar liegt es nicht nur im Schuldnerinteresse, sondern auch im Interesse des Rechtsfriedens, die Verjährungsfristen nicht beliebig zu verlängern. Andererseits können vor allem bei kurzen Verjährungsfristen Vereinbarungen, die den Eintritt der Verjährung erschweren oder verlängern, durchaus im Interesse beider Parteien liegen. Bereits das geltende Bürgerliche Gesetzbuch berücksichtigt dies durch die in den bisherigen §§ 477, 638 vorgesehene Möglichkeit einer Verjährungsverlängerung bei den kurzen Gewährleistungsfristen im Kauf- und Werkvertrag. Aber auch darüber hinaus gibt es Fälle, bei denen es im Interesse beider Parteien liegt, den Eintritt der Verjährung hinauszuschieben, beispielsweise um erfolgversprechende Verhandlungen nicht durch verjährungshemmende oder -unterbrechende Maßnahmen gefährden zu müssen. Das geltende Recht verbietet auch in solchen Fällen ausdrücklich Verlängerungsvereinbarungen. Die Parteien werden hierdurch gezwungen, dieses Verbot dadurch zu umgehen, dass sie sich auf Maßnahmen einigen, die den Eintritt der Verjährung nur mittelbar erschweren.

Zu Absatz 1

Absatz 1 regelt die Unzulässigkeit von verjährungserleichternden Vereinbarungen. Danach kann bei Haftung wegen Vorsatzes die Verjährung nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden sind. Wenn gemäß § 276 Abs. 3 RE die Haftung wegen Vorsatzes selbst dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden kann, muss auch der Weg verschlossen sein, die Wertungsaussage des § 276 Abs. 3 RE durch verjährungserleichternde Vereinbarungen auszuhöhlen.

Die Grundaussage des bisherigen § 225 Satz 2, wonach solche Vereinbarungen grundsätzlich zulässig sind, kann entfallen, da dies Bestandteil der allgemeinen Vertragsfreiheit ist.

Zu Absatz 2

Absatz 2 regelt die Unzulässigkeit von verjährungserschwerenden Vereinbarungen. Während das geltende Recht in dem bisherigen § 225 Satz 1 solche Vereinbarungen ausschloss, sind sie nach Absatz 2 nur noch dann unzulässig, wenn sie zu einer 30 Jahre übersteigenden Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn führen. Ansonsten sind verjährungserschwerende Vereinbarungen entsprechend der allgemeinen Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig. Damit folgt der Entwurf dem Vorschlag der Schuldrechtskommission (§ 220 Satz 2 KE). 247

Der Entwurf übernimmt damit praktisch die bereits jetzt in dem bisherigen § 477 Abs. 1 und dem bisherigen § 638 Abs. 2 vorgesehenen Verlängerungsmöglichkeiten bei den kurzen Gewährleistungsfristen und dehnt sie auf alle Verjährungsfristen aus. Hierdurch wird die Länge der gesetzlichen Verjährungsfristen in beiden Richtungen zur Disposition der Parteien gestellt und damit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit besser als bisher Rechnung getragen.

Die vielfach geübte Praxis, das Verbot verjährungsverlängernder Vereinbarungen durch Abreden zu umgehen, die den Eintritt der Verjährung nur mittelbar erschweren, macht deutlich, dass ein Bedürfnis für die Zulassung verjährungserschwerender Vereinbarungen besteht. Angesichts der im vorliegenden Entwurf vielfach verkürzten Verjährungsfristen sollen die Parteien die Möglichkeit erhalten, die Länge der Verjährungsfristen in angemessenem Rahmen selbst einverständlich bestimmen zu können. Die Zulassung verjährungserschwerender Vereinbarungen dient darüber hinaus auch der Rechtsklarheit, da hierdurch Umgehungsvereinbarungen überflüssig werden, die den Eintritt der Verjährung nur mittelbar erschweren.

Vereinbarungen zur Verjährungserschwerung sind nicht an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden. Die allgemeine Vertragsfreiheit gestattet es, sowohl vor Entstehung des Anspruchs eine noch nicht laufende als auch nachträglich eine bereits laufende Verjährungsfrist zu verlängern, wenn die Parteien dies im konkreten Einzelfall für zweckmäßig halten.

Nicht zweckmäßig erscheint es, verjährungsverlängernde Vereinbarungen grundsätzlich nur für bereits laufende Verjährungsfristen zuzulassen und nur bei Ansprüchen wegen Verletzung vertraglicher Pflichten derartige Vereinbarungen schon bei Vertragsschluss zu gestatten, da jedenfalls hierfür ein wirtschaftliches Bedürfnis bestehen kann. Indes ist eine Abgrenzung zwischen Erfüllungsansprüchen und Ansprüchen wegen Pflichtverletzung im Einzelfall problematisch, wie das Beispiel des Nacherfüllungsanspruchs zeigt. Eine Differenzierung wäre nur dann geboten, wenn dies aus Gründen des Schuldnerschutzes zwingend erforderlich wäre. Das aber ist zu verneinen. Der Schuldner ist bereits dadurch hinreichend geschützt, dass verjährungserschwerende Vereinbarungen nur mit seinem Einverständnis getroffen werden können.

Vereinbaren die Parteien eine Erleichterung oder Erschwerung der Verjährung für einen Anspruch, so wird sich diese regelmäßig auch auf solche Ansprüche erstrecken, die hiermit konkurrieren oder alternativ an deren Stelle treten. Wie schon nach geltendem Recht bezieht sich die Regelung allerdings nur auf verjährbare Ansprüche. Ist ein Anspruch kraft Gesetzes unverjährbar, so kann er auch in Zukunft nicht durch Vereinbarung der Verjährung unterworfen werden. Eine derartige Vereinbarung wäre unwirksam.