Zu § 206 – Hemmung der Verjährung bei höherer Gewalt

Die Vorschrift übernimmt den bisherigen § 203 Abs. 2 zur Hemmung der Verjährung, wenn der Gläubiger durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Peters/Zimmermann (S. 252, 308) weisen allerdings darauf hin, dass der bisherige § 203 Abs. 2 mit dem Erfordernis der „höheren Gewalt“ früher mit dem auf die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist bezogenen § 233 Abs. 1 ZPO übereingestimmt habe, bei dessen Neufassung - nur noch: „ohne ihr Verschulden“ - aber nicht angepasst worden sei. Sie sprechen sich dafür aus, diese Anpassung nachzuholen, da die Fälle der Versäumung einer Notfrist und einer Verjährungsfrist durchaus vergleichbar seien. Dafür spreche auch die Regelung in § 651g Abs. 1 Satz 2 und die Rechtsprechung zu § 270 Abs. 3 ZPO, wonach die Zustellung „demnächst“ erfolgt sei, wenn sie nicht durch schuldhaftes Verhalten des Klägers verzögert worden sei. Es erscheine auch unbillig, dass Ansprüche verjährten, denen zunächst ein später für verfassungswidrig erklärtes Gesetz entgegengestanden habe, bei denen der Gläubiger schwer erkrankt sei oder bei deren Durchsetzung die Post verzögerlich gearbeitet habe.

Der Entwurf folgt dem nicht. Einmal sind die Fälle des § 233 ZPO und die des geltenden § 203 nicht ohne weiteres vergleichbar: Zunächst geht es bei § 233 ZPO darum, ob ein Träger öffentlicher Gewalt einen Rechtsbehelf wegen Versäumung einer regelmäßig sehr kurzen Frist a limine zurückweist. Bei dem bisherigen § 203 geht es darum, ob ein Schuldner einem Gläubiger deshalb, weil dieser eine regelmäßig viel längere Frist versäumt hat, eine an sich geschuldete Leistung verweigern kann. Wenn auch die bei § 233 ZPO einschlägigen Fälle im Einzelfall recht unterschiedlich sind, so verengt sich in der großen Mehrzahl der Fälle die Frage doch dahin, weshalb eine bestimmte Erklärung in einem bereits anhängigen Verfahren nicht vor Ablauf einer Frist eingegangen ist.

Bei dem bisherigen § 203 ist die Bandbreite der einschlägigen Fälle erheblich größer. Das beginnt mit der Frage, wie die Unkenntnis des Gläubigers vom Anspruch einzuordnen ist. Was ist mit dem Gläubiger, der sich wegen Krankheit nicht umfassend um seine Geschäfte kümmern, aber einzelne Maßnahmen noch veranlassen kann? Die Gründe, einen Anspruch nicht rechtzeitig einzuklagen, können sehr vielfältig sein: Ein Beweismittel wird zu spät aufgefunden. Das dem Anspruch entgegenstehende Gesetz ist noch nicht für verfassungswidrig erklärt worden. Die dem Anspruch entgegenstehende Rechtsprechung hat sich noch nicht geändert. Der Gläubiger, dem Prozesskostenhilfe zu Unrecht versagt worden ist, ist noch nicht wieder zu Geld gekommen.

Die bisherige Rechtsprechung in diesem Bereich, die die Hemmung der Verjährung verneint hat, ist sachgerecht (zu spät behobene Beweisschwierigkeiten: BGH, NJW 1975, 1466, verfassungswidriges Gesetz: KG und OLG Hamm, NJW 1980, 242 ff., 244, 246; geänderte Rechtsprechung: BAG, NJW 1962, 1077 f. gegen BGH, DB 1961, 1257).

Der geltende § 203 soll daher der Sache nach beibehalten, aber aus sprachlichen Gründen in einem Absatz zusammengefasst werden. Der in Absatz 1 des bisherigen § 203 geregelte Stillstand der Rechtspflege lässt sich zwanglos als Unterfall der höheren Gewalt auffassen.