Zu § 280 – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

Zu Absatz 1

§ 280 Abs. 1 RE soll künftig – von § 311a Abs. 2 RE als Sonderregel für die anfängliche Unmöglichkeit abgesehen – die einzige Anspruchsgrundlage für Schadensersatz auf Grund eines Vertrags oder eines anderen Schuldverhältnisses sein. Er löst damit die bisherigen Vorschriften der §§ 280 und 286 ab und stellt auch in Verbindung mit den §§ 281 bis 283 RE die Anspruchsgrundlage für die sich bisher aus den §§ 325, 326 sowie den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die Haftung aus culpa in contrahendo oder positiver Forderungsverletzung dar. Hiermit greift § 280 einen der zentralen Grundgedanken des UNKaufrechts und der modernen Vertragsrechtsprinzipien auf, die ebenfalls auf einem zentralen Haftungstatbestand aufbauen (Schlechtriem, IHR 2001, S. 12 ff., 16; Lando in: Grundmann/ Medicus/Rolland, S. 61 ff., 70 f.).

Zu Satz 1

Nach Absatz 1 Satz 1 kann der Gläubiger von dem Schuldner Schadensersatz verlangen, wenn dieser eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat. Mit Schuldverhältnis meint die Vorschrift in erster Linie Verträge, es sind aber auch andere Schuldverhältnisse angesprochen. Einbezogen ist auch die culpa in contrahendo; insoweit folgt aus § 311 Abs. 2 und 3 RE, dass auch die mit diesem Rechtsinstitut erfassten vorvertraglichen Pflichten solche aus einem Schuldverhältnis sind. § 280 Abs. 1 Satz 1 RE erfasst darüber hinaus auch einseitige Schuldverhältnisse, wie den Anspruch aus einem Vermächtnis. Schließlich gehören auch gesetzliche Schuldverhältnisse zum Anwendungsbereich des § 280 Abs. 1 Satz 1 RE.

§ 280 Abs. 1 Satz 1 RE spricht jegliche Art der Verletzung von Pflichten aus einem Schuldverhältnis an. Mit Pflichtverletzung meint die Vorschrift nur ein objektiv nicht dem Schuldverhältnis entsprechendes Verhalten des Schuldners, nicht die Frage, ob der Schuldner diese Verhalten auch zu vertreten hat. Dies wird erst im Rahmen von Satz 2 bedeutsam. Die Trennung von Pflichtverletzung und Vertretenmüssen läßt sich gut an den klassischen Tatbeständen der Unmöglichkeit und des Verzugs verdeutlichen: Die „Pflichtverletzung“ im Sinne von § 280 Abs. 1 Satz 1 RE besteht hier ganz einfach darin, dass die geschuldete Leistung nicht bzw. nicht pünktlich erbracht wird; die Verletzung der verkehrserforderlichen Sorgfalt liegt demgegenüber darin, dass der Schuldner z. B. den Vertragsgegenstand unsorgfältig behandelt und so die Unmöglichkeit herbeigeführt hat, oder etwa darin, dass er die geschuldete Ware nicht frühzeitig genug auf den Weg gebracht hat, obgleich mit einem Eisenbahnerstreik oder dgl. zu rechnen war.

Zu den Pflichten, um deren Verletzung es in Satz 1 geht, gehören auch die Fälle der bisher sog. positiven Forderungsverletzung. Der Schuldner verletzt deshalb eine derartige Pflicht, wenn er die geschuldete Leistung nicht, verzögert oder schlecht erbringt. Er verletzt seine Pflichten auch, wenn er Schutz- und Obhutspflichten verletzt, vgl. § 241 Abs. 2 RE. Entsteht dem Gläubiger hieraus ein Schaden, so ist er ihm nach Absatz 1 Satz 1 zu ersetzen.

Pflicht aus einem Schuldverhältnis umfasst sowohl die (echten) vertraglichen Nebenpflichten, die der Erfüllung des spezifisch vertraglichen Leistungsinteresses des Gläubigers dienen, als auch die (bloßen) Schutzpflichten, die die Bewahrung seiner sonstigen Rechte und Güter vor Schäden zum Ziel haben. Bei den Nebenpflichten bereitet das Pflichtverletzungskonzept keine Schwierigkeiten. Wird z. B. die notwendige Bedienungsanleitung für eine Maschine nicht ausgehändigt, so liegt in dem Unterbleiben der Aushändigung, die sich ja geradezu als unvollständige oder mangelhafte Erfüllung der Hauptleistungspflicht qualifizieren läßt, die Pflichtverletzung nach Satz 1. Der Schuldner kann nach Satz 2 unter Beweis stellen, dass er dieses nicht zu vertreten hat – z. B. weil alle Bedienungsanleitungen durch eine ihm nicht zuzurechnende Brandkatastrophe vernichtet worden sind und ein Nachdruck bis zum Fälligkeitstermin nicht möglich war.

Bei der Verletzung von Schutzpflichtverletzungen im Sinne von § 241 Abs. 2 RE muss demgegenüber positiv festgestellt werden, worin die Pflichtverletzung an sich besteht. Die Beweislast dafür trägt der Gläubiger ist, weil es sich um den Tatbestand der Pflichtverletzung handelt. Dem Gläubiger kommen hier allerdings unter dem Gesichtspunkt der Sphärentheorie (Palandt/Heinrichs, § 282 Rdn. 8 ff.) Beweiserleichterungen zugute. Ohne die Darlegung und ggf. den Nachweis des Tatbestandes der Pflichtverletzung kann sich der Gläubiger aber auf die Vermutung des Vertretenmüssens in Satz 2 nicht berufen.

Von diesem Ansatz aus ist auch das von Löwisch bei der Tagung der Vereinigung der deutschen Zivilrechtslehrer am 30./31. März 2001 in Berlin in die Diskussion gebrachte Beispiel der sogenannten Mankohaftung des Arbeitnehmers zu lösen. Es geht dabei um Fälle, in denen der Arbeitnehmer nicht den Besitz an dem Kassen- oder Warenbestand hat, sondern nur Besitzdiener ist. Dann haftet er nach Ansicht des BAG für einen Fehlbestand nicht aus § 667 in Verbindung mit dem geltenden § 280, so dass die Beweislastumkehrung des geltenden § 282 insoweit nicht zum Zuge kommt (AP Nr. 2 zu § 611 BGB Mankohaftung). Folglich bleibt allenfalls ein Anspruch aus Schutzpflichtverletzung mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe Geld oder Gut des Arbeitgebers nicht mit hinreichender Sorgfalt vor einer Minderung bewahrt. Für dessen Voraussetzungen trägt jedoch grundsätzlich der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, wie das BAG entschieden hat (AP Nr. 3 zu § 611 Mankohaftung). Daran ändert sich nichts. Nach § 280 Abs. 1 Satz 1 RE muss der Arbeitgeber zunächst darlegen und ggf. beweisen, dass der Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat.

Zu Satz 2

An die Person des Schuldners anknüpfende Voraussetzung für eine Schadensersatzpflicht soll das Vertretenmüssen sein, wie Satz 2 bestimmt. Die strenge Folge der Schadensersatzpflicht soll nur denjenigen Schuldner treffen, der für die Pflichtverletzung im Sinne der §§ 276 bis 278 verantwortlich ist. Dabei soll der Schuldner behaupten und beweisen müssen, dass er die Verletzung nicht zu vertreten hat; das ergibt sich aus der Fassung des Satzes 2. Diese Verteilung der Behauptungs- und Beweislast entspricht den geltenden §§ 282, 285. Danach trifft den Schuldner die Beweislast dafür, dass die Unmöglichkeit bzw. der Verzug nicht Folge eines von ihm zu vertretenden Umstandes ist. Der bisherige § 282 ist von der Rechtsprechung auf eine Vielzahl weiterer Fälle von Leistungsstörungen entsprechend angewandt worden. Dies greift der Entwurf auf, indem er durch die Formulierung des § 280 RE im allgemeinen Haftungstatbestand bereits eine für alle Leistungsstörungen geltende Beweislastregelung schafft. Dies macht die bisherigen §§ 282 und 285 entbehrlich, wenn auch für den Verzug in § 286 Abs. 4 RE die Verantwortlichkeit des Schuldners nochmals erwähnt werden muss, weil an den Schuldnerverzug neben dem Schadensersatzanspruch auch andere Rechtsfolgen angeknüpft werden (z. B. Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen, § 288 RE), die ein Vertretenmüssen des Schuldners nicht gesondert vorsehen.

Zu Absatz 2

Einer Pflichtverletzung, die nach Absatz 1 Satz 1 zum Schadensersatz verpflichtet, liegt auch vor, wenn der Schuldner in zeitlicher Hinsicht hinter den Pflichten aus dem Schuldverhältnis zurückbleibt. Bei dieser Form der Leistungsstörung ist aber eine Präzisierung notwendig. Denn nicht jede Verzögerung der Leistung rechtfertigt es, den Schuldner für den daraus entstehenden Schaden haften zu lassen. Deshalb bestimmt Absatz 2, dass der Verzögerungsschaden nach § 280 Abs. 1 RE nur zu ersetzen ist, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 RE über den Schuldnerverzug gegeben sind.

Zu Absatz 3

Nach Absatz 1 Satz 1 erhält der Gläubiger bei einer Pflichtverletzung durch den Schuldner grundsätzlich seinen gesamten Schaden ersetzt. Dazu würde auch der Schaden gehören, der im Bürgerlichen Gesetzbuch Schadensersatz wegen Nichterfüllung genannt wird. Dabei geht es um die Situation, dass der Anspruch auf Schadensersatz an die Stelle des Anspruchs auf die Leistung tritt. So sprechen im geltenden Recht die §§ 280 und 286 in dem für alle Schuldverhältnisse geltenden Teil des allgemeinen Leistungsstörungsrecht davon, dass die Leistung bzw. der noch mögliche Teil „abgelehnt“ werden kann. Ebenso besteht dann, wenn nach dem bisherigen § 326 oder § 325 Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden kann, ein Anspruch auf die Leistung nicht mehr, der Schadensersatzanspruch tritt an seine Stelle. Da in diesen Fällen der Vertrag nicht mehr so, wie ursprünglich vereinbart, durchgeführt wird, müssen für diese Form des Schadensersatzanspruchs zusätzliche Voraussetzungen aufgestellt werden, die in den §§ 281 bis 283 RE enthalten sind. Diese Form des Schadensersatzanspruchs soll nicht mehr wie im Bürgerlichen Gesetzbuch Schadensersatz wegen Nichterfüllung genannt werden. Denn dieser Schadensersatzanspruch tritt nicht an die Stelle der Erfüllung, sondern an die Stelle der primär geschuldeten Leistung, die nicht mehr verlangt werden kann; vielmehr bedeutet auch die Leistung von Schadensersatz Erfüllung (nämlich der auf Schadensersatz gerichteten Verbindlichkeit).

Bei der Definition der zusätzlichen Voraussetzungen für den Schadensersatz statt der Leistung unterscheidet sich der Entwurf in struktureller Hinsicht von den Vorschlägen der Schuldrechtskommission. Während diese die Anforderungen für den Schadensersatz statt der Leistung in einer einzigen Norm, nämlich § 283 KE zusammengefasst hatte, schlägt der Entwurf hier drei verschiedene Normen vor, die die Voraussetzungen für die typischen Formen der Leistungsstörung regeln. Der praktisch wichtigste Fall des Verzugs und der Schlechterfüllung wird in § 281 RE vorangestellt. Ihm folgen § 282 für Schadensersatz statt der Leistung wegen der Verletzung einer sonstigen (Neben-) Pflicht sowie entsprechend der untergeordneten praktischen Bedeutung § 283 für den Fall der Unmöglichkeit der Leistung.