Der Übergang vom Anspruch auf die Primärleistung zu einem diese Leistung ersetzenden Schadensersatzanspruch kann einem dringenden Interesse des Gläubigers entsprechen:
Häufig wird dieser sich die ausgebliebene Primärleistung anderswo besorgen müssen; auch lässt sich ein auf Geld gerichteter Schadensersatzanspruch regelmäßig leichter vollstrecken als der Anspruch auf eine bestimmte Primärleistung. Andererseits aber kann der Übergang zum Schadensersatzanspruch den Schuldner schwer belasten: Dieser mag schon erhebliche Anstrengungen gemacht haben, um den Gegenstand seiner Primärleistungspflicht herzustellen oder zu beschaffen; solche Anstrengungen können nutzlos werden. Zudem kann der Schadensersatzanspruch lästiger sein als der Anspruch auf die Primärleistung. Daher muss der Übergang auf den Schadensersatzanspruch an besondere Voraussetzungen geknüpft werden.
Detailprobleme ergeben sich zusätzlich, wenn der Schuldner schon eine Teilleistung erbracht hat: Soll der Gläubiger dann nur wegen des Restes Schadensersatz verlangen oder soll er die Teilleistung zurückweisen können? Weitere Probleme ergeben sich hinsichtlich der Bindung des Gläubigers an seine Erklärung, auf den Schadensersatzanspruch übergehen zu wollen: Soll dem Gläubiger noch eine Rückkehr zum Primärleistungsanspruch offen stehen?
Das geltende Recht kennt für den Übergang zum Schadensersatz unterschiedliche Regelungen je nach dem, ob es sich bei der Primärleistung um eine einseitige Verbindlichkeit handelt oder um eine Verbindlichkeit, die im Gegenseitigkeitsverhältnis eines Vertrags steht. Den allgemeinen Vorschriften in den derzeitigen §§ 280, 286 Abs. 2, 283 gehen für gegenseitige Verträge die Regelungen in §§ 325, 326 vor. Aus allen genannten Vorschriften kann man nach geltendem Recht für den Übergang zum Schadensersatzanspruch drei Lösungswege entnehmen:
- In §§ 280 Abs. 1, 325 Abs. 1 wird der Primärleistungsanspruch regelmäßig bei Unmöglichkeit der Leistung ohne weiteres durch den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung ersetzt. Das ist auch unproblematisch, weil der Schuldner die Primärleistung ohnehin nicht mehr erbringen kann.
- In den §§ 280 Abs. 2, 325 Abs. 1 Satz 2 (Teilunmöglichkeit) und in §§ 286 Abs. 2, 326 Abs. 2 (Schuldnerverzug) wird der Übergang zum Schadensersatzanspruch daran geknüpft, dass das Interesse des Gläubigers an der noch möglichen Primärleistung nicht oder nicht mehr besteht.
- Ohne Unmöglichkeit oder Interessewegfall dagegen kommt der Gläubiger zu einem Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung allgemein nur nach § 283: Er muss zunächst ein rechtskräftiges Urteil auf die Primärleistung erwirken und dann dem Schuldner eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung setzen; erst deren fruchtloser Ablauf erzeugt den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, wenn sich der Schuldner nicht exkulpieren kann. Im Rahmen gegenseitiger Verträge führt beim Verzug mit einer Hauptleistungspflicht ebenfalls der erfolglose Ablauf einer Nachfrist mit Ablehnungsandrohung zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 326 Abs. 1).
Das geltende Recht ist mit seinen vielen Differenzierungen unübersichtlich. Abgesehen von den Fällen der Unmöglichkeit bringt es eine einfache Lösung nur für die - allerdings praktisch weitaus wichtigsten - Fälle des Verzugs mit einer im vertraglichen Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptpflicht. Im Übrigen ist das geltende Recht für den Gläubiger verhältnismäßig ungünstig. Denn der Weg über den bisherigen § 283 ist regelmäßig umständlich, langwierig und kostspielig, zudem mit den Mängeln der Ablehnungsandrohung belastet (vgl. dazu noch weiter unten). Der Weg über den bisherigen § 286 Abs. 2 ist für den Gläubiger riskant: Darüber, ob die Primärleistung infolge des Verzugs für ihn wirklich kein Interesse mehr hat, wird sich oft streiten lassen. Der Gläubiger geht also ein erhebliches Risiko ein, wenn er sich auf den Standpunkt eines solchen Interessewegfalls stellt. Dazu steht in Widerspruch, dass § 326 Abs. 1 dem Gläubiger einen weitaus einfacheren Weg bietet.
Zu § 281 – Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung
Zu Absatz 1
Zu Satz 1
Absatz 1 bestimmt, dass der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann, wenn die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbracht wird. Der Anspruch selbst folgt nicht unmittelbar aus § 281 Abs. 1 Satz 1 RE, sondern aus § 280 Abs. 1 RE. § 281 RE bestimmt lediglich zusätzliche Voraussetzungen, die für den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gegeben sein müssen. Dies bringt die Vorschrift dadurch zum Ausdruck, dass sie sich auf § 280 Abs. 1 RE bezieht. Die Bezugnahme bringt zum Ausdruck, dass Schadensersatz statt der Leistung auch im Fall des § 281 RE nur geschuldet ist, wenn der Schuldner die Leistungsstörung zu vertreten hat. Was er zu vertreten hat, richtet sich wie bisher nach den §§ 276 bis 278. Auch im Fall des § 281 RE gilt die Beweislastumkehr nach § 280 Abs. 1 Satz 2 RE.
Anders als § 283 Abs. 1 KE regelt § 281 Abs. 1 Satz 1 RE den Schadensersatz statt der Leistung nicht in jedem Fall einer Leistungsstörung, sondern in den praktisch häufigsten Leistungsstörungen, die darin bestehen, dass die Leistung sich verzögert oder dass sie schlecht erbracht wird. Die Verzögerung der Leistung beschreibt Abs. 1 Satz 1 mit den Worten „...nicht...erbracht“. Diese Formulierung würde rein sprachlich auch den Fall der Unmöglichkeit erfassen. Hierfür enthält § 283 RE aber eine spezielle Regelung, die besondere Voraussetzungen aufstellt und § 281 RE verdrängt. Im Übrigen ergibt sich aus § 281 Abs. 1 Satz 1 RE, dass diese Vorschrift nur Leistungsstörungen erfasst, die noch behebbar sind. Nur dann ergibt die Fristsetzung einen Sinn. Nicht behebbare Leistungsstörungen liegen bei einer Unmöglichkeit der Leistung und bei der Verletzung einer nicht leistungsbezogenen Nebenpflicht vor, für die deshalb die §§ 283 und 282 Sonderregelungen enthalten, die sich vor allem durch das fehlende Erfordernis einer Fristsetzung von § 281 Abs. 1 Satz 1 RE unterscheiden.
Für den Fall des Verzugs ersetzt § 281 Abs. 1 Satz 1 RE seiner Funktion nach die bisherigen Regelungen über den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung bei Verzug, insbesondere also den bisherigen § 326. Anders als dieser verlangt § 281 Abs. 1 Satz 1 RE aber nicht förmlich die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs, wie sie in § 286 aufgestellt werden. Davon wurde bewusst abgesehen. Für den Gläubiger ist in aller Regel zunächst nur das Ausbleiben der Leistung selbst, nicht aber der Grund hierfür erkennbar. So kann die Leistung unmöglich geworden sein, was ihn zur sofortigen Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 283 RE berechtigen würde. Es kann aber auch sein, dass zugunsten des Schuldners lediglich die Voraussetzungen der Einrede aus § 275 Abs. 2 RE erfüllt sind; solange der Schuldner diese Einrede nicht erhebt, braucht der Gläubiger die zugrundeliegenden Umstände nicht zu kennen. Schließlich – und in der Praxis weitaus häufiger – mag der Schuldner auch keinen Grund haben, der ihn zur Verweigerung der Leistung berechtigen würde.
Hier verfolgt der Entwurf das Ziel, dem Gläubiger eine Möglichkeit an die Hand zu geben, mit der er in möglichst einfacher Weise Klarheit über den Fortbestand des Leistungsanspruchs bzw. über die Substituierung des Primäranspruchs durch einen Schadensersatzanspruch erlangen kann. Das kann er durch das Setzen einer angemessenen Frist, auf die weiter unten noch einzugehen sein wird, erreichen. Diese Fristsetzung enthält inhaltlich eine Leistungsaufforderung, in der man stets auch eine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 RE sehen wird, so dass der Fall nicht eintreten kann, dass der Schuldner zwar Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 Satz 1 RE verlangen (und dann auch nach § 323 Abs. 1 RE zurücktreten) kann, sich aber noch nicht nach § 286 RE in Verzug befindet.
Außer der Leistungsverzögerung erfasst § 281 Abs. 1 Satz 1 RE auch die Schlechterfüllung. Sie wird mit den Worten „... nicht wie geschuldet erbringt“ beschrieben. Worin die Schlechterfüllung besteht, ist für die Anwendung von § 281 Abs. 1 Satz 1 RE grundsätzlich unerheblich. Es wird anders als bisher nicht zwischen Haupt- und Nebenpflichten unterschieden. Zu berücksichtigen ist indessen, dass § 282 RE einen speziellen Fall der Schlechterfüllung besonders regelt und in seinem Anwendungsbereich § 281 Abs. 1 Satz 1 RE vorgeht. Es handelt sich um den Fall, dass Schadensersatz statt der Leistung nicht wegen einer Verletzung des Leistungsinteresses, sondern ausschließlich deshalb verlangt werden soll, dass Nebenpflichten („sonstige Pflichten“), die nicht leistungsbezogen sind, verletzt werden.
Nach § 281 Abs. 1 Satz 1 RE kann der Gläubiger vom Schuldner bei Verzögerung der Leistung oder bei Schlechtleistung Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat und diese Frist erfolglos abgelaufen ist. Die Frist muss so lang sein, dass der Schuldner die Leistung tatsächlich auch erbringen kann. Allerdings muss sie dem Schuldner, der noch nichts zur Erbringung der Leistung unternommen hat, nicht ermöglichen, die Leistung erst anzufangen und zu erbringen (BGH, NJW 1995, 323, 857; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, 951). Da der Schuldner seiner ursprünglichen Leistungspflicht nicht hinreichend entsprochen hat, können von ihm allerdings jetzt auch größere Anstrengungen und damit schnelleres Handeln erwartet werden. Erweist sich die Frist als unangemessen kurz, so ist sie damit nicht völlig unwirksam. Vielmehr setzt sie die angemessene Frist in Lauf, wenn nicht der Gläubiger deutlich gemacht hat, dass es ihm gerade auf die Kürze der Frist ankommt. Insoweit kann auf die Auslegung des bisherigen § 326 in Rechtsprechung und Wissenschaft zurückgegriffen werden.
§ 281 Abs. 1 Satz 1 RE nennt als Gegenstand der mit der Fristsetzung verbundenen Aufforderung neben der Leistung noch die Nacherfüllung. Letztere stellt einen Unterfall der Leistung dar, die im Falle des Satzes 1 eben gar nicht oder noch nicht vollständig erbracht ist. Die Nacherfüllung hätte deshalb an sich nicht ausdrücklich erwähnt werden müssen; gleichwohl erschien dies zweckmäßig, um deutlich zu machen, dass der ausgebliebene „Leistungsrest“, zu dessen Erbringung aufgefordert wird, einen etwas unterschiedlichen Inhalt haben kann, je nachdem, ob der Schuldner überhaupt nicht geleistet oder zwar einen Teil der geschuldeten Leistung erbracht hat. Auf letzten Fall bezieht sich der Ausdruck „Nacherfüllung“. So enthält für das Kaufrecht § 439 RE eine Konkretisierung dessen, was der Käufer, dem eine mangelhafte Sache geliefert worden ist, von dem Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verlangen kann. Deren Erwähnung in § 281 Abs. 1 Satz 1 RE dient damit der Verdeutlichung, dass in diesem Fall Gegenstand der Fristsetzung die Erfüllung des in § 439 beschriebenen Nacherfüllungsanspruchs des Käufers ist.
Die Schuldrechtskommission hatte noch einen Satz 2 in § 283 Abs. 1 KE vorgeschlagen, von dessen Aufnahme in den Entwurf abgesehen wurde. Danach sollte dann, wenn die Leistung in der Rückgewähr eines bestimmten Gegenstandes besteht, die Fristsetzung allein nicht genügen. Vielmehr sollte weiter erforderlich sein, dass der Gläubiger das Interesse an der Rückgewähr verloren hat. Damit sollte vor allem an den Rückgabeanspruch des Vermieters nach § 556 gedacht werden. Es sollte vermieden werden, dass der Mieter, der die Mietsache auch nach einer angemessenen Frist nicht zurückgibt, dem Vermieter Schadensersatz statt der Rückgabe leisten muss, was auf einen Ersatz des Wertes der Mietsache (gegen deren Übereignung), also eine Art „Zwangsverkauf“ hinausliefe. Ähnliche Fälle lassen sich etwa bei Ansprüchen aus § 812 denken. Mit der von der Schuldrechtskommission vorgeschlagenen Formulierung ergeben sich jedoch Probleme in Fällen, in denen von einem fortbestehenden Interesse des Gläubigers an der Rückgewähr auszugehen ist und dennoch die Möglichkeit gegeben sein muss, zu einem Schadensersatzanspruch zu gelangen. Zum Beispiel kann der Verleiher eines Buches an dessen Rückgabe in höchstem Maße interessiert sein. Auch wenn er wegen dieses Interesses mehrere Versuche, vielleicht auch im Wege der Zwangsvollstreckung, unternimmt, das Buch zurückzubekommen, und damit erfolglos bleibt, kann weiter von einem fortbestehenden Interesse an der Rückgabe ausgegangen werden. Dennoch muss dem Verleiher schließlich die Möglichkeit gegeben werden, zum Schadensersatz überzugehen. Nach dem Vorschlag der Schuldrechtskommission für einen Satz 2 wäre ihm dies unmöglich. Die Fälle eines „Zwangsverkaufs“ einer zurückzugebenden Sache an den Schuldner, an welche die Schuldrechtskommission gedacht hatte, sollten zwar tatsächlich vermieden werden. Es dürfte sich aber zum einen um recht theoretische Fallgestaltungen handeln. Zum anderen dürften seltene Missbrauchsfälle mit § 242 zu bewältigen sein.
Zu Satz 2
Der bisherige § 326 lässt die Fristsetzung allein für den Schadensersatz statt der Leistung nicht genügen. Er verlangt vielmehr zusätzlich, dass der Gläubiger mit der Fristsetzung dem Schuldner zugleich androht, nach Verstreichen der Frist die Leistung abzulehnen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an diese Ablehnungsandrohung stellt, sind sehr hoch und können praktisch nur von der rechtskundig beratenden Vertragspartei wahrgenommen werden, die die feinen Formulierungsunterschiede überblickt, die die Rechtsprechung herausgearbeitet hat (Überblick hierzu bei Palandt/Heinrichs, § 326 Rdn. 18). Dies hat zu einer Überforderung der Gläubiger geführt und ist unzweckmäßig.
Die Schuldrechtskommission hatte mit Rücksicht auf diese Schwierigkeiten des Gläubigers vorgeschlagen, auf die sich als unpraktikabel erwiesene „Ablehnungsandrohung“ zu verzichten und die Möglichkeit des Schadensersatzes statt der Leistung allein davon abhängig zu machen, dass der Gläubiger dem Schuldner eine angemessene Frist zur (Nach)Erfüllung gesetzt hat. Dem folgt der Entwurf in § 281 Abs. 1 Satz 1 RE. Danach reicht der erfolglose Ablauf einer dem Schuldner zur Leistung (Nacherfüllung) gesetzten Frist aus, um den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zu begründen. Weitere Erfordernisse, insbesondere auch nicht eine Art „kleine Ablehnungsandrohung“, werden nicht verlangt. Vielmehr soll es regelmäßig mit der Fristsetzung sein Bewenden haben, so dass ein Schuldner, der nicht rechtzeitig oder schlecht geleistet hat, eine solche Fristsetzung grundsätzlich und von vornherein ernst zu nehmen und grundsätzlich nach deren Ablaufen damit zu rechnen hat, dass der Gläubiger nunmehr statt der Leistung Schadensersatz verlangt.
Gegen dieses „reine“ Fristenmodell ist eingewandt worden, dass es Fallkonstellationen geben könne, in denen der Schuldner trotz der Fristsetzung nicht sogleich mit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zu rechnen brauche; etwa dann, wenn der Gläubiger durch sein sonstiges Verhalten gegenüber dem Schuldner Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Fristsetzung begründet habe. Als Lösung ist in Anlehnung an den Vorschlag der Schuldrechtskommission zum Rücktritt in § 323 Abs. 1 KE vorgeschlagen worden, die Fristsetzung nur dann ausreichen zu lassen, wenn der Schuldner auf Grund der Fristsetzung mit der Schadensersatzforderung rechnen musste.
Diesem Vorschlag folgt der Entwurf indes bewusst nicht, weil eine solche konditionale Verknüpfung ebenfalls – wie beim jetzigen Erfordernis der Ablehnungsandrohung im § 326 BGB – den Gläubiger ungerechtfertigt benachteiligen und auch zu einer erheblichen Unsicherheit auf Seiten des Gläubigers führen würde. Der Gläubiger könnte sich nämlich dann nicht mit einer klaren Fristsetzung begnügen. Er müsste seiner Erklärung vielmehr Erklärungen hinzufügen, die dem Schuldner deutlich machen, dass die Fristsetzung auch tatsächlich ernst gemeint ist. Was das konkret bedeutet, würde sich aber ähnlich schwer wie bei der jetzt erforderlichen Ablehnungsandrohung vorhersehen lassen. Diese Unsicherheit ist dem Gläubiger auch unter Berücksichtigung der Belange des Schuldners nicht zuzumuten. Die Fristsetzung setzt nämlich voraus, dass die Leistung fällig ist und der Schuldner sie nicht in der verabredeten Zeit oder schlecht erbracht hat. Schadensersatz statt der Leistung schuldet der Schuldner im Übrigen auch nur, wenn er die Fristsetzung schuldhaft nicht zur Nacherfüllung genutzt hat. Den insoweit „doppelt“ vertragswidrig handelnden Schuldner darüber hinaus zu begünstigen, ist nicht einzusehen.
Der Entwurf trägt der Kritik des „reinen“ Fristenmodells und den von diesen genannten Ausnahmefällen indessen gleichwohl Rechnung, indem er in Satz 2 des § 281 Abs. 1 RE bestimmt, dass Satz 1 nicht gilt, wenn der Schuldner trotz der Fristsetzung mit dem Verlangen von Schadensersatz nicht rechnen musste. Durch diese Formulierung wird einerseits deutlich, dass zwar der durch Satz 1 allein durch die Fristsetzung eröffnete Weg des Schadensersatzes in der Regel nicht davon abhängig ist, dass der Schuldner mit dem Schadensersatz zu rechnen brauchte. Andererseits wird durch den Satz 2 deutlich, dass es von diesem Grundsatz im Einzelfall Ausnahmen geben kann. Eine solche Ausnahme muss freilich der Schuldner darlegen und ggf. beweisen. Fehlt es im Prozess an einem entsprechenden Sachvortrag des Schuldners, ist allein Satz 1 maßgebend dafür, ob der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann.
Zu Satz 3
Nach § 281 Abs. 1 Satz 1 RE ist Schadensersatz statt der Leistung bei erfolgloser Fristsetzung stets nur insoweit geschuldet, als die Leistung ausgeblieben ist. Das bedeutet, dass man bei einer teilweisen oder bei einer mangelhaften Leistung Schadensersatz statt der Leistung nur für den ausgebliebenen oder mangelhaften Teil der Leistung beanspruchen kann. Sind also statt 100 Flaschen Wein nur 90 geliefert worden, kann der Gläubiger als Schadensersatz statt der Leistung nur die Ersatzbeschaffungskosten für die ausgebliebenen 10 Flaschen beanspruchen. Entsprechendes gilt für Mängel. Ist bei einem neuen Fahrzeug etwa nur die Navigationsanlage defekt, kann der Gläubiger als Schadensersatz statt der Leistung grundsätzlich nach § 281 Abs. 1 Satz 1 RE nur die Ersatzbeschaffungskosten für das defekte Navigationsgerät beanspruchen.
Dies wird den Interessen des Gläubigers aber nicht in jedem Fall gerecht. Der Gläubiger muss auch die Möglichkeit haben, in solchen Fällen Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu verlangen. Die Anforderungen hierfür müssen aber höher sein, weil die Belastung des Schuldners durch diese gesteigerte Schadensersatzverpflichtung höher ist und weil dies zum Scheitern des gesamten Vertrags führt. § 281 Absatz 1 Satz 3 RE bestimmt deshalb, dass der Gläubiger bei Teilleistung und bei Schlechtleistung Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen kann, wenn dies sein Interesse an der geschuldeten Leistung erfordert. Das wird normalerweise nur der Fall sein, wenn der erbrachte Teil der Leistung unter Berücksichtigung des Schadensersatzes statt der ausgebliebenen Leistung das Leistungsinteresse des Schuldners nicht voll abdeckt. Bei einer teilweisen Leistung wird Schadensersatz statt des ausgebliebenen Teils der Leistung das Leistungsinteresse des Schuldners meist voll abdecken und Schadensersatz statt der ganzen Leistung eher die Ausnahme sein.
Bei einer Schlechtleistung des Schuldners wird der Schadensersatz statt der ausgebliebenen Leistung nur genügen können, wenn es sich um abgrenzbare Mängel handelt, die ohne Schwierigkeiten behoben werden können. Im Übrigen wird das Interesse des Gläubigers an der geschuldeten Leistung oft Schadensersatz statt der ganzen Leistung erforderlich machen. Mit Rücksicht hierauf ist erwogen worden, dem Vorschlag der Schuldrechtskommission in § 283 Abs. 1 KE zu folgen und auf dieses zusätzliche Kriterium zu verzichten. Davon ist aber abgesehen worden, weil die Schlechtleistung sich nicht immer nur auf die Leistung insgesamt beziehen muss, sondern nicht selten auch auf abgrenzbare Teile beschränkt sein wird. Dieser Umstand hat den Gedanken nahegelegt, bei der Schlechtleistung ähnlich wie bei der verzögerten Leistung zwischen der vollständigen Mangelhaftigkeit und der teilweisen Mangelhaftigkeit zu unterscheiden. Dies hat sich letztlich aber als nicht durchführbar erwiesen, da die teilweise von der vollständigen Mangelhaftigkeit kaum abgrenzbar ist. Im Ergebnis bereitet das an sich strenge Kriterium des Interessefortfalls bei einer mangelhaften Leistung aber keine unangemessene Belastung des Gläubigers. Je umfangreicher die Mängel sind, desto eher wird das Leistungsinteresse des Gläubigers es auch erforderlich machen, dass er Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangen kann. § 281 Abs. 1 Satz 3 RE regelt damit auch die Fälle, die im Kaufrecht im Rahmen des bisherigen § 463 als „großer Schadensersatz“ bezeichnet wurden.
Zu Absatz 2
§ 281 Abs. 1 RE macht den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung von einer Fristsetzung durch den Gläubiger sowie davon abhängig, dass der Schuldner schuldhaft nicht leistet oder nicht nacherfüllt. Das geschieht deshalb, weil grundsätzlich von einer Erfüllungsbereitschaft des Schuldners ausgegangen werden kann. Hat der Schuldner allerdings die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, wäre eine Fristsetzung sinnlos. Deshalb erklärt sie Absatz 2 für entbehrlich.
Eine Fristsetzung muss aber auch dann entbehrlich sein, wenn Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine sofortige Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung erforderlich machen. Einen solchen Fall stellen etwa sogenannte „Just-in-time-Verträge“ dar, bei denen der eine Teil dem anderen Teil zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern muss, wenn dessen Produktion ordnungsgemäß betrieben werden soll. Bleibt die Leistung ganz oder teilweise aus, muss der Gläubiger die Möglichkeit haben, sofort Ersatzbeschaffung anzuordnen, weil sein Schaden sonst viel größer würde.
Zu Absatz 3
Nach dem bisherigen § 326 Abs. 1 Satz 2 kann der Gläubiger nach erfolglosem Ablauf der gesetzten Frist nicht mehr Erfüllung, sondern nur noch Schadensersatz verlangen. Das ist unzweckmäßig und benachteiligt auch den Gläubiger. Im Zeitpunkt der Fristsetzung ist der Gläubiger nämlich noch an dem Erhalt der Leistung interessiert. Das muss sich nach erfolglosem Ablauf dieser Frist nicht ändern. Wenn nämlich der Schuldner insolvent ist, würde ihm ein Schadensersatzanspruch wenig nützen. Es wäre zweckmäßiger, wenn er seinen Leistungsanspruch durchsetzen würde. Genau daran hindert ihn aber die geltende Regelung. Sie soll deshalb aufgegeben werden.
Das hat allerdings auch zur Folge, dass der Schuldner nach erfolgter Fristsetzung nicht ohne weiteres damit rechnen kann, dass er dem Gläubiger nur noch Schadensersatz zu leisten hat. Er muss vielmehr auch mit einem Erfüllungsbegehren rechnen und sich deshalb auch erfüllungsbereit halten. Es ist erwogen worden, diese Unsicherheit des Schuldners dadurch zu überbrücken, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, den Gläubiger zu einer Entscheidung zu zwingen. Eine solche Lösung hätte allerdings den Nachteil, dass ausgerechnet der vertragsbrüchige Schuldner dem Gläubiger eine ihm ungünstige Entscheidung aufzwingen kann. Dies erscheint nicht gerechtfertigt. Außerdem kann der Schuldner die Ungewissheit jederzeit dadurch beenden, dass er die nach dem Schuldverhältnis geschuldete Leistung erbringt.
Andererseits ist es auch dem Schuldner nicht zuzumuten, sich über einen unter Umständen erheblichen Zeitraum sowohl auf Erfüllung als auch auf Schadensersatzleistung einrichten zu müssen. Deshalb bestimmt Absatz 3, dass der Gläubiger den Erfüllungsanspruch nicht mehr geltend machen kann, wenn er Schadensersatz verlangt. Es kommt hierfür nicht darauf an, ob er tatsächlich Schadensersatz auch erhält. Entscheidend ist nur, dass er sich mit der Beanspruchung von Schadensersatz letztlich hierfür entschieden hat. Damit wird eine Parallele zum Rücktritt nach § 323 Abs. 1 RE gezogen. Da der Rücktritt ein Gestaltungsrecht ist, wird mit der Rücktrittserklärung gemäß § 349 das Schuldverhältnis in ein Rückabwicklungsverhältnis umgestaltet, was den Anspruch auf die Leistung ausschließt. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, entsprechendes für das Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung vorzusehen.
Ein Verlangen von Schadensersatz liegt mit Sicherheit in einer Klage. Ein solches Verlangen kann aber auch in vorprozessualen Erklärungen gesehen werden. Eine entsprechende Äußerung des Gläubigers muss aber den eindeutigen Willen erkennen lassen, sich auf das Schadensersatzbegehren beschränken zu wollen. Eine allgemeine Ankündigung etwa, weitere Rechte „bis hin zum Schadensersatz“ geltend machen zu wollen, reicht dafür nicht aus.
Es kann daher notwendig sein, die Erklärung des Gläubigers auszulegen. Dies kann zu einer praktischen Unsicherheit gerade auch für den Gläubiger selbst führen. Es ist erwogen worden, wegen dieser Unsicherheiten darauf abzustellen, ob der Gläubiger Klage auf Schadensersatz erhoben hat. Dies ist aber wegen der Nachteile dieser Lösung nicht geschehen. Der Schuldner bleibt hier wesentlich länger im Unklaren darüber, was der Gläubiger letztlich von ihm erwartet. Auch wäre es schwer zu vertreten, weshalb sich der Gläubiger auch dann noch für die Erfüllung soll entscheiden können, wenn er z. B. längere Zeit über Schadensersatz mit dem Schuldner verhandelt hat. Dies lässt sich mit einem Abstellen auf das Verlangen vermeiden. Man darf auch davon ausgehen, dass der durchschnittliche Gläubiger seine Entscheidung für den einen oder anderen Rechtsbehelf in ihrer Tragweite richtig bewerten wird.
Die Schuldrechtskommission hatte vorgeschlagen, den Anspruch auf die Leistung erst in dem Zeitpunkt auszuschließen, in dem der Gläubiger den Schadensersatz erhalten hat. Ihr ist die jetzt in den Entwurf aufgenommene Regelung unnötig hart erschienen: Es könne – so die Kommission - ja ungewiss sein, ob es dem Gläubiger gelingt, die Leistung anderswo zu beschaffen. Doch sollte nach diesem Vorschlag der Schuldner, der ja an einer Klärung der Rechtslage interessiert sein kann, dem Gläubiger eine Frist für die Ausübung des Wahlrechts setzen können. Nach erfolglosem Ablauf dieser Frist sollte der Schuldner noch die Möglichkeit zur Primärleistung haben; will der Gläubiger dann doch noch den Schadensersatz, sollte er dem Schuldner erneut eine Frist setzen müssen.
Die Schuldrechtskommission hat selbst eingeräumt, dass die Regelung der wechselseitigen Fristsetzungen recht kompliziert klingt. Das ist sie jedenfalls für den geschäftlich nicht erfahrenen Vertragspartner auch. Sie erscheint deshalb kaum handhabbar. Auf sie kann verzichtet werden, wenn nicht auf den Erhalt des Schadensersatzes, sondern auf das Schadensersatzverlangen des Gläubigers abgestellt wird. Das ist auch nicht unnötig hart: Der Gläubiger mag sich vor der Geltendmachung eines Anspruchs überlegen, was er will bzw. was seinen Interessen am ehesten entspricht. Auf die Parallele zum Rücktritt wurde bereits hingewiesen.
Zu Absatz 4
Schadensersatz statt der Leistung kann wie bisher auch sowohl in der Form des kleinen als auch in der Form des großen Schadensersatzes („Schadensersatz statt der ganzen Leistung“) berechnet werden. Wählt der Gläubiger den großen Schadensersatz, muss er dem Schuldner den erbrachten Teil der Leistung zur Verfügung stellen. Nach geltendem Recht ist unklar, welche Vorschriften hierfür maßgeblich sind und wie insbesondere Beschädigungen und Nutzungen auszugleichen sind. Die hierfür zweckmäßigen Regelungen enthält das Rücktrittsrecht, das die maßgeblichen Bestimmungen für die Rückabwicklung fehlgeschlagener Verträge bereitstellt. Die §§ 346 ff RE sind jedoch nicht unmittelbar einschlägig, wenn der Gläubiger Schadensersatz verlangt. Zudem betrifft § 281 RE nicht nur Verträge, sondern auch andere Schuldverhältnisse. Deshalb bestimmt Absatz 4, dass sich der Anspruch des Schuldners auf Rückgewähr des Geleisteten nach den Vorschriften des Rücktrittsrechts richtet, wenn der Gläubiger zwar nicht zurücktritt, aber großen Schadensersatz verlangt und dadurch indirekt Rücktrittswirkungen erzielt.