Problem
Der Ersatz vergeblicher Aufwendungen für einen nicht ausgeführten Vertrag kann im geltenden Recht Schwierigkeiten bereiten, da diese Aufwendungen an sich nicht durch die Pflichtverletzung des Schuldners verursacht worden sind, die einen Schadenersatzanspruch des Gläubigers nach den bisherigen § 325 oder § 326 auslöst. Denn diese Kosten wären unabhängig von der Vertragsverletzung und auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung entstanden. Die Rechtsprechung behilft sich mit der Unterstellung, dass solche Aufwendungen als Kostenfaktor in die Kalkulation des Gläubigers eingegangen seien und jedenfalls bei einem Geschäft, bei dem die Kosten durch den Erlös gedeckt werden, mitvergütet worden wären. Wird das Geschäft nicht durchgeführt, dann sind sie deshalb, jedenfalls bei einem rentablen Geschäft, eine Art Mindestschaden. Für eine solche Deckung der Kosten durch die Gegenleistung und die daraus möglichen Erträge spreche eine - widerlegbare - Vermutung (sog. Rentabilitätsvermutung; vgl. Staudinger/Medicus § 249 Rdn. 129 f.; BGH, ZIP 1991, 798 ff.). Folgerichtig wird Ersatz frustrierter Aufwendungen versagt, wenn der Gläubiger aus dem Geschäft keine materielle, kostendeckende Gegenleistung, sondern immaterielle Gewinne erhofft hatte (vgl. BGHZ 99, 182, 196 ff. und dazu Stoll, JZ 1987, 517 ff.)
Nach geltendem Recht kann sich die Frage, ob vergebliche Aufwendungen als Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend gemacht werden können, nur stellen, wenn der Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach den bisherigen §§ 325, 326 verlangt. Auf Grund der nun durch § 325 RE eröffneten Möglichkeit einer Kumulierung von Rücktritt und Schadensersatz können die Fälle, in denen frustrierte Aufwendungen als Schaden ersetzt verlangt werden, häufiger auftreten. Der Entwurf geht davon aus, dass - über die Ergebnisse der Rechtsprechung hinausgehend - dem betroffenen Gläubiger stets die Möglichkeit zustehen soll, Ersatz seiner Aufwendungen unabhängig davon zu erlangen, ob sie auf Grund einer – vermuteten – „Rentabilität“ des Vertrags jedenfalls als der kostendeckende Teil des entgangenen materiellen Ertrags aus dem Geschäft qualifiziert werden können oder nicht. Unsicherheiten und Zufälligkeiten in der Rentabilitätsberechnung und der Bewertung von Vorteilen aus dem Geschäft als materiell oder immateriell werden so vermieden. Auch erscheint es gerecht, dass diese Kosten von dem Teil zu tragen sind, der das Scheitern des Vertrags zu vertreten hat.
Lösungsansatz der Schuldrechtskommission
Die Schuldrechtskommission ist dieses Problem mit einem zweispurigen Ansatz angegangen. Bei gegenseitigen Verträge sollte der Gläubiger nach § 327 Abs. 1 Satz 2 KE anstelle 326 des Schadensersatzes wegen Nichtausführung des Vertrags auch Ersatz des Schadens verlangen können, der ihm dadurch entsteht, dass er auf die Ausführung des Vertrags vertraut hat. Für einen Teil dieses Schadens, nämlich die Vertragskosten, sollte in den §§ 439 Abs. 3 und § 637 Abs. 3 KE eine verschuldensunabhängige Pflicht zum Ersatz vorgesehen werden. Diese letztere Regelung entspricht dem geltenden § 467 Satz 1, für das Werkvertragsrecht in Verbindung mit dem bisherigen § 634 Abs. 4, wohingegen die erstere Regelung im geltenden Recht keine Parallele hat.
Einwände gegen diesen Ansatz
Gegen diese Lösung ist eingewandt worden, sie begünstige einseitig den Gläubiger, was insbesondere daraus abgeleitet wird, dass § 327 Abs. 1 Satz 2 KE den Ersatz des Vertrauensschadens ohne eine Begrenzung auf das positive Interesse vorsieht, wie er etwa in § 122 Abs. 1 oder § 179 Abs. 2 vorgesehen ist. Dies könne dazu führen, dass die Leistungsstörung auf Seiten des Schuldners für den Gläubiger zum „Glücksfall“ gerate. Dies gelte vor allem dann, wenn er ein schlechtes Geschäft abgeschlossen habe.
Dieses Argument ist aber im Ergebnis nicht überzeugend: Bei dem „Glücksfallargument“ geht es in erster Linie darum zu verhindern, dass der Gläubiger einen Anspruch auf Ersatz seines „Vertrauensschadens" auch dann erhält, wenn die Rentabilitätsvermutung bei auf Gewinnerzielung gerichteten Geschäften widerlegt ist, d. h. wenn feststeht, dass er die für das Geschäft gemachten Aufwendungen auch bei dessen ordnungsgemäßer Durchführung nicht wieder „hereingeholt" hätte. Dieser - in der Sache berechtigte – Gesichtspunkt muss aufgegriffen werden. Er gibt aber keineswegs Veranlassung, die Regelung insgesamt zu verwerfen.
Der insoweit exemplarische Fall BGHZ 99, 182 belegt eindrucksvoIl, dass eine Regelung nach dem Ansatz des § 327 Abs. 1 Satz 2 KE zumindest in solchen Fällen geboten ist, in denen der Gläubiger einen ideellen Zweck verfolgt. In derartigen Konstellationen greift das erwähnte Glücksfallargument nicht. Bei der Verfolgung eines ideellen Zwecks kann ein materieller Nichterfüllungsschaden gar nicht entstehen; es kommt von vornherein nur die Frustration der gemachten Aufwendungen in Betracht. Hier ist eine Ersatzpflicht geboten und sachgerecht.
Eine Regelung nach dem Vorbild von § 327 Abs. 1 Satz 2 KE ist auch in vielen Fällen, in denen der Gläubiger primär einen Konsumzweck verfolgt, notwendig. Kauft jemand z. B. ein Haus, um darin zu wohnen, so wird man jedenfalls nicht durchweg sagen können, dass sich die Aufwendungen dafür im wirtschaftlichen Sinne rechnen. Es wird vielfach wirtschaftlich günstiger sein, zur Miete zu wohnen, als ein Haus zu kaufen. Hier die Rentabilitätsvermutung anzuwenden und anzunehmen, dass durch den Wert des Hauses die Aufwendungen wie z. B. die Zinsen für ein zur Finanzierung aufgenommenes Darlehen abgedeckt werden, ist auch bei einer langfristigen Betrachtungsweise jedenfalls dann nicht mehr vertretbar, wenn bei Immobilien kein Wertzuwachs erwartet werden kann (was vielfach der Fall ist). Zumindest zeigt sich hier sehr deutlich, dass die Rentabilitätsvermutung der Gefahr ausgesetzt ist, zu methodenunehrlichen Fiktionen Zuflucht nehmen zu müssen.
Vollends versagt sie, wenn jemand einen weit überhöhten Liebhaberpreis zahlt, etwa für den Erwerb eines Kunstwerks. Warum soll er nicht seine frustrierten Aufwendungen wie zwecklos gewordene Darlehenszinsen und dgl. zurückerhalten, wenn der Vertrag wegen einer schuldhaften Pflichtverletzung des Schuldners nicht durchgeführt wird? Schließlich erscheint die Rentabilitätsvermutung auch nicht in allen Fällen, in denen der Gläubiger einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, ohne weiteres befriedigend. So mag ein Unternehmer z. B. aus marktstrategischen oder spekulativen Gründen für einen Gegenstand einen weit überhöhten Preis zahlen, von dem im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung niemand wissen kann, ob er sich in einer fernen Zukunft vielleicht „rechnen" wird. Zwar könnte man in solchen Fällen die Rentabilitätsvermutung als unwiderlegt ansehen, doch zeigt sich insgesamt, dass die Rentabilitätsvermutung ein Ausweg ist, mit der die Rechtsprechung die im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht gelöste Problematik der frustrierten Aufwendungen bei Vertragsverletzungen zu lösen versucht. Eine sachgerechte gesetzliche Lösung erscheint geboten, zumal der Gesetzgeber freier ist als die Rechtsprechung, die insbesondere die Grenzen des § 253 zu beachten hat.
Der zweite Einwand gegen den Lösungsansatz der Schuldrechtskommission betrifft die Begrenzung des Anspruchs auf gegenseitige Verträge. Diese Begrenzung erscheint nicht sachgerecht. Erfüllt z. B. ein Erbe schuldhaft ein Vermächtnis zur Übereignung eines (materiell geringwertigen oder gar wertlosen) Gegenstandes nicht und hat der Vermächtnisnehmer in berechtigtem Vertrauen auf die Erfüllung Aufwendungen vorgenommen, z. B. Umbaumaßnahmen zur Integrierung eines vermachten Kunstwerks in sein Haus oder dergleichen, so hat er das gleiche Bedürfnis nach Ersatz wie derjenige, der ein solches Kunstwerk gekauft hat. Weshalb zwischen beiden Fällen unterschieden werden sollte, ist nicht ersichtlich. Denn durch die Aufwendungen hat der Gläubiger in beiden Fällen gezeigt, dass die vermachte Sache ihm diesen Geldbetrag „wert" ist. Der Schuldner ist im einen wie im anderen Falle nicht schutzwürdig, weil er schuldhaft seine Leistungspflicht verletzt hat und daher weitaus „näher daran" ist als der Gläubiger, die nunmehr nutzlosen Aufwendungen zu tragen. Dann aber ist der systematisch richtige gesetzliche Standort einer solchen Regelung nicht § 327 KE, sondern eine Vorschrift im Rahmen der §§ 280 ff. RE. Dort soll sie auch angesiedelt werden.
Schließlich stellt sich die Frage nach dem Verhältnis einer solchen Regelung zu den Sondervorschriften über den Ersatz der Vertragskosten. Vertragskosten sind ein typischerweise entstehender Vertrauensschaden. Die Schuldrechtskommission hat, wie erwähnt, für ihn nach dem Vorbild des geltenden § 467 Satz 1 zwei Sondervorschriften vorgesehen (§§ 439 Abs. 3, 637 Abs. 3 KE), denen zufolge die Vertragskosten nicht als verschuldensabhängiger Schadens- oder Aufwendungsersatz, sondern ohne Verschulden als Rückabwicklungsfolge zu erstatten sind.
Diese Vorschriften sind nach ihrem Wortlaut nur im Fall des Rücktritts vom Kauf- oder vom Werkvertrag anwendbar. Sie würden auch nicht gelten, wenn der Gläubiger wegen Unmöglichkeit der Primärleistung nach § 326 RE von der Gegenleistung frei wird. Diese Begrenzung ist nicht einsichtig. Vertragskosten können auch bei anderen Verträgen und naturgemäß auch bei Unmöglichkeit der Leistung entstehen. Ein solcher Anspruch muss auch in solchen Fällen bestehen. Das ließe sich erreichen, indem dieser Anspruch als Rücktrittsfolge generell in § 346 RE und als Folge der Unmöglichkeit bestimmt würde. Das Nebeneinander eines verschuldensabhängigen Aufwendungsersatzanspruchs und eines verschuldensabhängigen Rücktrittsfolgenrechts überzeugt nicht. Es handelt sich im Grunde um dasselbe Problem, nämlich die Frustrierung von Aufwendungen. Diese sollten nach Möglichkeit einheitlich gelöst werden. Das ist aber nur durch die Schaffung eines einheitlichen Tatbestandes im Schadenersatzrecht der §§ 280 ff. RE möglich. Diese Regelung enthält § 284 RE.
Ersatzanspruch
§ 327 Abs. 1 Satz 2 KE wollte dem Gläubiger einen Anspruch auf Ersatz seiner frustrierten Aufwendungen dadurch verschaffen, dass er Ersatz seines Vertrauensschaden soll beanspruchen können. Dieser schadenersatzrechtliche Ansatz erweist sich als hinderlich. Der Ersatz des Vertrauensschadens kann zu viel einschneidenderen Folgen führen als der Ersatz des Erfüllungsinteresses, auf das der Anspruch nach § 327 Abs. 1 Satz 2 KE aber nicht begrenzt werden sollte. Führt man eine solche Begrenzung indessen ein, kann das auch zu verzerrten Ergebnissen führen, da die Aufwendungen, für die dem Gläubiger Ersatz verschafft werden sollte, nicht sachgerecht anhand des Erfüllungsinteresses bemessen werden können. Andererseits würde eine solche Regelung dem Gläubiger auch die Liquidation eines entgangenen Vorteils aus einem Alternativgeschäft mit einem Dritten erlauben, das er nicht abgeschlossen hat, weil er sich bereits durch den Vertrag mit dem Schuldner gebunden wusste. Zu denken ist etwa an den Fall, dass der Gläubiger einen gleichartigen Gegenstand wie den gekauften zwischenzeitlich billiger bei einem Dritten hätte beziehen können und dies unterlassen hat, weil er an die - später gescheiterte - Erfüllung durch seinen Vertragspartner glaubte. Dass er dann diesen entgangenen Vorteil liquidieren kann, wäre nicht zu vertreten. In der Sache geht es bei dem Ersatz frustrierter Aufwendungen nicht eigentlich um ein Schadensersatzproblem, sondern um eine Frage des Aufwendungsersatzes. Mit diesem Ansatz lässt sich das anzustrebende Ergebnis zielgenauer erreichen. Deshalb gewährt § 284 dem Gläubiger die Möglichkeit, anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung auch Aufwendungsersatz zu verlangen. Da dieser an die Stelle des Schadensersatzes tritt, gilt auch für diesen Ersatzanspruch § 280 Abs. 1 RE, also das Verschuldensprinzip.
Auch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz kann über das Ziel hinausschießen. Die im Vertrauen auf die Erfüllung des Schuldverhältnisses gemachten Aufwendungen können auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung verfehlt sein. Wer etwa zum Verkauf letztlich unverkäuflicher Kunstwerke ein Ladenlokal anmietet, macht in jedem Fall einen Verlust. Solche auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung vergeblichen Aufwendungen können nicht ersatzfähig sein. Deshalb schließt der letzte Halbsatz der Vorschrift den Ersatz von Aufwendungen aus, die ihren Zweck auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners verfehlt hätten. Dies fügt sich vom Ergebnis her in die bisherige Rechtsprechung zur Rentabilitätsvermutung, auf die es künftig nicht mehr ankommt, ein: Der Gläubiger kann Ersatz seiner Aufwendungen nicht in Situationen verlangen, in denen nach bisheriger Rechtsprechung die Rentabilitätsvermutung als widerlegt anzusehen wäre. Andererseits kann man dem Gläubiger bei ideeller, konsumptiver, spekulativer, marktstrategischer Zielsetzung und in ähnlichen Fällen nicht mehr entgegenhalten, sein Geschäft sei „unrentabel“ gewesen. Denn darauf kommt es hier wegen der Besonderheit der Zwecksetzung nicht an. Wäre dagegen der ideelle usw. Zweck aus anderen Gründen verfehlt worden, z. B. weil sich nach Bruch des Mietvertrags über eine Halle für eine Parteiveranstaltung herausstellt, dass die vorgesehene Veranstaltung ohnehin mangels Mitgliederinteresses abgesagt worden wäre, greift die Ausnahme ein. Ein Ersatzanspruch scheidet aus.