Zu § 305a – Einbeziehung in besonderen Fällen

Nach dem bisherigen § 2 AGBG, der inhaltsgleich in § 305 Absatz 2 RE aufgeht, können Allgemeine Geschäftsbedingungen in einen Vertrag nur einbezogen werden, wenn der andere Vertragspartner auf diese allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen und ihm eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verschafft wird. Dieser Grundsatz soll gegenüber dem geltenden Recht verstärkt werden. Das AGB-Gesetz lässt im bisherigen § 23 Abs. 2 Nr. 1, 1a und 1b sowie § 23 Abs. 3 Ausnahmen von diesem Grundsatz zu. Das führt dazu, dass in den dort aufgeführten Fallgruppen eine Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen auch möglich ist, wenn der andere Teil nicht auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wird und auch keine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält. In einem Teil dieser Fälle erscheinen die bisher bestehenden Ausnahmen auch weiterhin gerechtfertigt. In einem anderen Teil ist das allerdings nicht der Fall. Im Einzelnen ist hierzu Folgendes zu bemerken:

Zu Nummer 1

Nach dem bisherigen § 23 Abs. 3 AGBG werden die von der zuständigen Behörde genehmigten allgemeinen Bausparbedingungen sowie die Bedingungen für das Verhältnis zwischen einer Kapitalanlagegesellschaft und einem Anteilinhaber Vertragsbestandteil, auch ohne dass die Anforderungen des bisherigen § 2 AGBG erfüllt werden, vorausgesetzt allerdings, dass die Geltung dieser Bedingungen im Vertrag verabredet worden ist. Diese Ausnahme vom bisherigen § 2 AGBG wird in Nummer 1 vollinhaltlich übernommen. Lediglich die Formulierung wird an die neue Regelungsstruktur angepasst.

Nicht erwähnt werden die im geltenden § 23 Abs. 3 AGBG noch angesprochenen allgemeinen Bedingungen für Versicherungsverträge. Diese Ausnahme des § 23 Abs. 3 AGBG ist durch die weitere Rechtsentwicklung überholt worden und läuft bereits gegenwärtig leer. Die Genehmigungspflicht für Versicherungsvertragsbedingungen ist nämlich durch Artikel 1 des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) mit Wirkung vom 29. Juli 1994 generell entfallen. Nach § 5 Abs. 5 Nr. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes besteht zwar weiterhin eine Pflicht zur Einreichung allgemeiner Versicherungsbedingungen für die Krankenversicherung sowie für Pflichtversicherungen. Das ist jedoch kein Genehmigungserfordernis, das den bisherigen § 23 Abs. 3 AGBG anwendbar macht. Im Übrigen besteht für Versicherungsunternehmen auch die Möglichkeit, Versicherungsbedingungen auf freiwilliger Basis dem Bundesamt für Versicherungswesen vor Markteinführung zur Prüfung vorzulegen. Gibt die Aufsichtsbehörde hierzu eine billigende Erklärung ab, kann aber auch diese nicht als behördliche Genehmigung aufgefasst werden, die die Rechtsfolgen des § 23 Abs. 3 auszulösen vermag. Infolge dessen kann die Erwähnung der Versicherungsverträge in der Nummer 1 entfallen. Damit wird auch textlich klargestellt, dass allgemeine Versicherungsbedingungen nur unter den Voraussetzungen des bisherigen § 2 AGBG und des jetzigen § 305 Abs. 2 in den Vertrag mit einbezogen werden können. Allerdings bleibt die Privilegierung von AVB bei Vertragseinbeziehung in gewissem Umfang dadurch erhalten, dass sie nach § 5a Abs. 1 nF VVG auch ohne Einhaltung der Erfordernisse des bisherigen § 2 Abs. 1 AGBG Vertragsbestandteil werden, wenn der Versicherer die Versicherungsbedingungen nachträglich übersendet und der Versicherungsnehmer ihrer Geltung nicht innerhalb von 14 Tagen schriftlich widerspricht. Diese Privilegierung bleibt auch bei der vorgeschlagenen textlichen Neufassung bestehen.

Zu Nummer 2

Nach bisherigem § 23 Abs. 2 Nr. 1 ist der geltende § 2 AGBG nicht anzuwenden auf die mit Genehmigung der zuständigen Verkehrsbehörde oder auf Grund von internationalen Übereinkommen erlassenen Tarif- und Ausführungsbestimmungen der Eisenbahn und die nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen der Straßenbahnen, O-Busse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr. Diese Ausnahme ist wegen der fortbestehenden Sonderbedingungen in diesem Bereich auch weiterhin gerechtfertigt. Sie wird in Nummer 2 vollinhaltlich übernommen. Eine wörtliche Übernahme kommt wegen der anderen Regelungsstruktur nicht in Betracht.

Zu Nummer 3

Der bisherige § 2 AGBG ist derzeit auch nicht anwendbar für die Einbeziehung der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter von Telekommunikationsleistungen sowie der Deutschen Post AG für Leistungen im Rahmen des Beförderungsvorbehalts nach dem Postgesetz, sofern sie in ihrem Wortlaut im Amtsblatt der Regulierungsbehörde veröffentlicht worden sind und bei den Geschäftsstellen der Anbieter zur Einsichtnahme bereitgehalten werden. Diese Ausnahme ist vom Gesetzgeber allerdings nicht als Dauerregelung gedacht. Sie sollte den betroffenen Unternehmen nur den Einstieg in ein privatwirtschaftliches Wirtschaften erlauben. Deshalb ist sie nach dem geltenden § 30 Satz 3 AGBG auch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2002 befristet. Mit Rücksicht auf diese ohnehin bestehende Befristung sollen die beiden Ausnahmen im Grundsatz aufgehoben werden. An deren Stelle treten zwei engere Ausnahmen, die an die Art des jeweiligen Vertragsschlusses anknüpfen (Einwurf in Briefkästen, Call-by-Call-Verfahren) und bei denen die Einhaltung der Erfordernisse des bisherigen § 2 Abs. 1 AGBG aus praktischen Gründen nicht gefordert werden kann. Im Einzelnen:

Die Ausnahmeregelung des bisherigen § 23 Abs. 2 Nr. 1a und 1b AGBG hatte ihre Rechtfertigung in der Art der Verträge (Massengeschäft) und der starken öffentlichen Kontrolle durch die Regulierungsbehörde (vgl. § 23 Telekommunikationsgesetz), die unverhältnismäßige Nachteile zu Lasten des Kunden ausschloss. Die Grenzen solcher Kontrolle und der Grundsatz der Gleichbehandlung gegenüber anderen Branchen, die fernmündlich Massengeschäfte unter Berücksichtigung des bisherigen § 2 AGBG abschließen, zwingen zu einer Aufgabe der Privilegien für die Nachfolgeunternehmen der früheren Teilunternehmen der Deutschen Bundespost. Gerade das für die Beibehaltung der Privilegierung vorgebrachte Argument, dass sonst telefonische und sonstige Vertragsabschlüsse unter Nutzung neuer Medien erschwert würden, macht das derzeit bestehende Ungleichgewicht deutlich: Während alle anderen Unternehmen beim Abschluss von Verträgen per Telefon oder per Internet die Erfordernisse des bisherigen § 2 Abs. 1 AGBG einhalten müssen, brauchen dies die Unternehmen der Telekommunikationsbranche nicht. Dieser Unterschied ist auch vor dem Hintergrund, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Amtsblatt der Regulierungsbehörde veröffentlicht sein müssen, nicht mehr zu rechtfertigen. Für den Kunden bedeutet dies nämlich einen erheblichen Verlust an Transparenz, der lediglich für eine Übergangszeit hinnehmbar war. Dem Kunden steht in aller Regel das Amtsblatt der Regulierungsbehörde nicht zur Verfügung. Die Geschäftsstelle seines Unternehmens wird er normalerweise nicht aufsuchen, da er mit „seinem“ Telekommunikationsunternehmen zumeist telefonisch, brieflich oder auf elektronischem Wege kommunizieren wird. Für ihn besteht also ein dringendes Interesse daran, dass ihm – wie beim Vertragsabschluss mit anderen Unternehmen mittels Fernkommunikationsmitteln auch - die allgemeinen Geschäftsbedingungen und etwaige Änderungen bekannt gemacht werden. Nur wenn er ausdrücklich auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme vor Vertragsabschluss verzichtet, kann also die Zurverfügungstellung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterbleiben. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass zukünftig bei Vertragsschlüssen im elektronischen Geschäftsverkehr ohnehin alle Unternehmen verpflichtet sein werden, ihren Kunden sämtliche Vertragsbedingungen zur Verfügung zu stellen und dass sie bereits jetzt bei Verträgen im „Fernabsatz“ die im Fernabsatzgesetz bestimmten Informationspflichten zu beachten haben. Schwierigkeiten für die Unternehmen sind nicht zu befürchten. Ihnen wird nur zugemutet, was allen anderen Unternehmen seit Jahrzehnten problemlos praktizieren.

Der Wegfall der Privilegierung führt auch dazu, dass die Telekommunikationsunternehmen – wie derzeit bereits alle anderen Unternehmen auch – grundsätzlich die Einbeziehungsvoraussetzungen des bisherigen § 2 Abs. 1 AGBG auch bei Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen eines laufenden Vertragsverhältnisses einhalten müssen, während sie derzeit gemäß § 28 Abs. 3 Telekommunikationskundenschutzverordnung (1997) die Möglichkeit hatten, ihre Kunden über Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen „in geeigneter Weise“ zu informieren, ohne diesen die gesamten – geänderten – Geschäftsbedingungen zur Verfügung stellen zu müssen, solange der Kunde im Falle der Änderung zu seinen Ungunsten auf ein bestehendes Kündigungsrecht hingewiesen wurde. Auch wenn diese Regelung vor dem Hintergrund entstanden ist, dass die Telekommunikationsunternehmen hinsichtlich der Einbeziehungsvoraussetzungen des bisherigen § 2 Abs. 1 AGBG privilegiert sind, sind ähnliche Änderungsklauseln auch in den Geschäftsbedingungen von Unternehmen, die den Erfordernissen des bisherigen § 2 Abs. 1 AGBG unterworfen sind, seit langem als zulässig anerkannt. So sieht etwa Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken vor, dass Änderungen der Geschäftsbedingungen dem Kunden schriftlich bekannt zu geben sind und als vom Kunden genehmigt gelten, wenn der Kunde nicht binnen angemessener Frist widerspricht. Derartige Änderungsklauseln sind dann zulässig, wenn der Verwender sich in der Änderungsklausel verpflichtet, den Kunden bei Beginn der Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen, und der Verwender im Übrigen den Kunden über die Änderungen in hervorgehobener Form, etwa durch eine synoptische Gegenüberstellung oder durch Hervorhebung der Änderungen in Fettdruck oder durch ein Ergänzungsblatt der AGB, besonders informiert (Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn. 64; obiter auch BGH, NJW 1998, 3188, 3190 für Telekom). Unzulässig sind nur Klauseln, in denen sich der Unternehmer ein einseitiges Anpassungsrecht vorbehält (BGH, NJW 1999, 1865, 1866). Vor diesem Hintergrund bestand kein Anlass, in die Vorschriften zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine dem § 28 Abs. 3 Telekommunikationskundenschutzverordnung entsprechende Bestimmung aufzunehmen. Vielmehr können die Telekommunikationsunternehmen trotz des Wegfalls der Einbeziehungsprivilegierung zukünftig weiterhin in Übereinstimmung zu den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entsprechende Änderungsklauseln in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufnehmen, um auf diese Weise den praktischen Schwierigkeiten, die mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Massengeschäft verbunden sind und die zur Aufnahme einer Änderungsklausel zwingen, entgegnen zu können.

§ 305a Nr. 3 RE lässt indessen auf Dauer und nicht mehr, wie bisher, befristet, zwei eng begrenzte Ausnahmen von den Einbeziehungsvoraussetzungen des bisherigen § 2 Abs. 1 AGBG für Allgemeine Geschäftsbedingungen, die im Amtsblatt der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post veröffentlicht sind und in den Geschäftsstellen des Verwenders bereitgehalten werden, zu:

Zu Buchstabe a

Buchstabe a erfasst alle Fälle, in denen der Vertragsschluss durch Einwurf einer Postsendung in einen Briefkasten zustande kommt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Großteil der Verträge über die Beförderung von Postsendungen im postalischen Massenverkehr nicht durch Abgabe einer Postsendung am Schalter einer Postfiliale, sondern durch den Einwurf in die von der Deutschen Post AG bundesweit aufgestellten Briefkästen geschlossen wird. Der Beförderungsvertrag kommt dabei unmittelbar durch die Einlegung der Postsendung in den Briefkasten (= Übergabe an die Deutsche Post AG) zustande. Diese besondere Form des Vertragsschlusses bringt es mit sich, dass dem Kunden die maßgeblichen Geschäftsbedingungen aus praktischen Gründen nicht zur Kenntnis gebracht werden können. Denn ein Bekleben der Briefkästen birgt nicht nur die Gefahr des Überschreibens oder der Beseitigung durch dritte Personen, sondern ist auch auf Grund des Umfangs der Allgemeinen Geschäftsbedingungen praktisch nicht durchführbar, so dass eine Privilegierung unverzichtbar ist. Diese betrifft nicht nur die Deutsche Post AG, sondern im Hinblick auf eine Liberalisierung der Postmärkte auch alle sonstigen (privaten) Postdienstleister, sofern sie zukünftig Briefkästen aufstellen. Die bisherige Begrenzung der Privilegierung auf die Deutsche Post AG ist daher zugunsten sonstiger Postdienstleister aufgehoben worden.

Zu Buchstabe b

Buchstabe b erfasst Vertragsschlüsse im sog. Call-by-Call-Verfahren sowie Verträge über Mehrwert- und Informationsdienste, die während der Dauer einer Telefonverbindung, welche das jeweilige Telekommunikationsunternehmen bereithält, „in einem Mal“ erbracht werden. Die Formulierung ist an die Ausnahmeregelung im bisherigen § 3 Abs. 2 Satz 3 FernAbsG angelehnt und soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Telekommunikationsanbieter im offenen Call-by-Call-Verfahren (vgl. § 43 Abs. 6 Telekommunikationsgesetz), das lediglich in der Herstellung einer Telefonverbindung besteht, und bei der Erbringung von Mehrwertdiensten (z. B. 0190-Verbindungen) oder Informationsdiensten (z. B. Telefonauskunft) keine Möglichkeit hat, dem Anrufer den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ohne erheblichen Zeitverlust für den anrufenden Kunden bekannt zu machen. Hier besteht aber von Seiten des Kunden gerade ein Bedürfnis nach einer möglichst schnellen Verbindung bzw. einer möglichst schnellen Erbringung der jeweiligen Dienstleistung, so dass der mit der Erleichterung der Einbeziehungsvoraussetzungen verbundene Transparenzverlust hier hinnehmbar und vom Kunden gerade gewollt ist. Die Privilegierung setzt voraus, dass die Dienstleistung unmittelbar durch den Einsatz von Fernkommunikationsmitteln (derzeit definiert in § 1 Abs. 2 FernAbsG = § 312b Abs. 2 RE) und vollständig während der Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung, die in der Regel im Aufrechterhalten einer Telefonverbindung besteht, erfolgt. Denn hier ist es den Telekommunikationsunternehmen in aller Regel nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Kunden vor Vertragsschluss zugänglich zu machen. Die im 2. Halbsatz des Buchstaben b aufgeführte Bedingung ist hier also zu vermuten. Dagegen sind telefonische Verträge über Dienstleistungen, die erst nach Beendigung der Telefonverbindung erfüllt werden, nicht erfasst.