Zu § 312e – Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr

Vorbemerkung

Mit § 312e RE werden die Artikel 10 und 11 der E-Commerce-Richtlinie umgesetzt. Die Richtlinie, die im Übrigen durch den Entwurf eines Gesetzes über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr („Elektronischer Geschäftsverkehr- Gesetz“, BR-Drs. 136/01) sowie durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr (BT-Drs. 14/4987) in Verbindung mit der Neufassung des Signaturgesetzes umgesetzt wird, schafft die wesentlichen wirtschafts- und zivilrechtlichen Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Internet und andere neue Informations- und Kommunikationsdienste). Sie soll neben der Rechtssicherheit für die Anbieter auch einen effektiven Schutz für die „Kunden“, die als Verbraucher oder Unternehmer auf elektronischem Weg angebotene Waren und Dienstleistungen elektronisch „bestellen“, gewährleisten. Der Anwendungsbereich der Richtlinie erstreckt sich nicht auf Rundfunk und Telekommunikation und stellt auch keine Anforderungen an die Waren als solche, an deren Lieferung oder an Dienste, die nicht auf elektronischem Weg erbracht werden. Die Richtlinie ergänzt das auf die Dienste der Informationsgesellschaft anwendbare Gemeinschaftsrecht und lässt dabei insbesondere das Schutzniveau für den Verbraucherschutz, wie es sich aus Gemeinschaftsrechtsakten und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung ergibt, unberührt.

Von zentraler Bedeutung für die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht ist die Definition „Dienste der Informationsgesellschaft“ in Artikel 2a der E-Commerce-Richtlinie. Diese umfasst einen weiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten im elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehr, die nach geltender Rechtslage unter den Anwendungsbereich des § 2 Teledienstegesetz (TDG) und – soweit es sich um Mediendienste handelt – unter § 2 Abs. 2 Nr. 4 Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) fallen. Diese Gesetze erfassen in Entsprechung des Anwendungsbereichs der E-Commerce-Richtlinie nur solche Angebote und Dienstleistungen, die auf Abruf im Fernabsatz und in elektronischer Form erbracht werden. Ferner sind die Bereiche Rundfunk und Telekommunikation – entsprechend der E-Commerce-Richtlinie - ausdrücklich vom Anwendungsbereich des TDG und MDStV ausgenommen. Der Entwurf des Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetzes greift daher auf die dort definierten Begriffe der Tele- und Mediendienste zurück, ohne die „Dienste der Informationsgesellschaft“ eigenständig zu definieren.

Dem schließt sich dieser Entwurf schon aus Gründen des Definitionsgleichlaufs bei der Richtlinienumsetzung an. Dies führt in den von § 312e RE geregelten Fällen nicht zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs. Denn zwar geht der Anwendungsbereich des TDG und des MDStV insoweit über den Anwendungsbereich der E-Commerce-Richtlinie hinaus, als er sich nicht nur auf wirtschaftlich ausgerichtete Informations- und Kommunikationsdienste des elektronischen Geschäftsverkehrs beschränkt und neben elektronischen Abrufdiensten im Fernabsatz auch elektronische Verteildienste erfasst. Solche von der E-Commerce- Richtlinie nicht erfassten Dienste werden freilich von § 312e RE schon dadurch ausgeschlossen, dass die Vorschrift lediglich Regelungen für Unternehmer, die sich zwecks Abschlusses eines Vertrags eines Tele- oder Mediendienstes bedienen, aufstellt und damit die gewerbsmäßige Ausrichtung voraussetzt. Zugleich wird mit der Formulierung „zwecks Abschlusses eines Vertrags“ deutlich gemacht, dass sich der Unternehmer nicht nur eines bloßen elektronischen Verteildienstes, sondern eines Tele- oder Mediendienstes bedienen muss, den der Kunde auch elektronisch zum Zwecke einer Bestellung individuell abrufen kann. Der Anwendungsbereich wird damit genau auf das Maß zurückgeführt, auf den sich die Richtlinie bezieht. Der Verzicht auf eine eigenständige Definition des „Dienstes der Informationsgesellschaft“ führt mithin nicht zu einer über den von der Richtlinie vorgegebenen Anwendungsbereich hinausgehende Umsetzung.

Artikel 10 der E-Commerce-Richtlinie verpflichtet den Unternehmer, seinen künftigen Vertragspartner (= Kunden) vor Abschluss des Vertrags über die technischen Modalitäten des Vertragsschlusses und die von dem Anbieter beachteten Verhaltenskodizes aufzuklären. Nach Vertragsschluss hat er ihm die Vertragsbedingungen in abrufbarer und wiedergabefähiger Form zur Verfügung zu stellen. Gemäß Artikel 11 Abs. 1, 1. Spiegelstrich der E-Commerce- Richtlinie muss der Unternehmer seinem Kunden darüber hinaus unverzüglich den Eingang der Bestellung bestätigen.

Derartige vor- und nachvertragliche Informationspflichten sind dem EG- und dem deutschen Recht bekannt. Ähnliche Informationspflichten wie in Artikel 10 sind sowohl in der Teilzeit- Wohnrechte- als auch in der Fernabsatzrichtlinie enthalten und haben über die Umsetzungsgesetze, das Teilzeit-Wohnrechtegesetz und das Fernabsatzgesetz, bereits Eingang in das deutsche Bürgerliche Recht gefunden. Während die vor- und nachvertraglichen Informationspflichten nach dem Teilzeit-Wohnrechtegesetz und nach dem Fernabsatzgesetz nur gegenüber Verbrauchern gelten, gelten die Informationspflichten nach Artikel 10 und 11 der E- 393 Commerce-Richtlinie jedoch auch im Verhältnis zu Unternehmern. Auch wenn sich insoweit ein Unterschied zu den Regelungen über Haustürgeschäfte und Fernabsatzverträge ergibt, besteht eine enge Verknüpfung zwischen den sich aus der E-Commerce-Richtlinie ergebenden Pflichten und denjenigen für Fernabsatzverträge. Denn in aller Regel wird es sich bei einem Vertrag, der „im elektronischen Geschäftsverkehr“ zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher zustande kommt, um einen Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312b RE handeln. Im Übrigen knüpfen die Artikel 10, 11 der E-Commerce-Richtlinie wie die Fernabsatzrichtlinie und die Richtlinie über Haustürgeschäfte – horizontal - an eine besondere Vertragsschluss- Situation außerhalb von Geschäftsräumen an und beziehen sich damit nicht auf einen spezifischen Vertragstyp. Die Vorschrift zur Umsetzung der Artikel 10, 11 sollte daher bei den Vorschriften über Haustürgeschäfte und Fernabsatzverträge im Allgemeinen Teil des Schuldrecht geregelt werden.

Zu Absatz 1

Absatz 1 in Verbindung mit § 3 der Informationspflichtenverordnung setzt die Regelungen des Artikels 10 Abs. 1 bis 3 sowie des Artikels 11 Abs. 1 und 2 der E-Commerce-Richtlinie in sprachlich gestraffter Form um. Die Regelungstechnik des Absatzes 1 entspricht der bereits in § 312c RE gewählten Form: Im Gesetzestext wird lediglich die generelle Unterrichtungsverpflichtung des Unternehmers geregelt, während die einzelnen zu erteilenden Informationen in der Informationspflichtenverordnung bestimmt werden.

Im ersten Halbsatz des Absatzes 1 wird der Anwendungsbereich der Vorschrift definiert. Danach ist § 312e RE immer dann einschlägig, wenn sich ein Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen eines Tele- oder Mediendienstes bedient. Der Begriff „Teledienst“ ist in § 2 TDG definiert und umfasst danach elektronische Informations- und Kommunikationsdienste, die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder oder Töne bestimmt sind und denen eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt. Dazu gehören insbesondere Angebote zur Nutzung des Internets (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TDG), Angebote von Waren und Dienstleistungen in elektronisch abrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG) oder Angebote zur Information und Kommunikation wie Datendienste zur Verbreitung von Informationen über Waren und Dienstleistungsangebote (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TDG). Unter „Mediendiensten“ sind gemäß § 2 MDStV Informations- und Kommunikationsdienste in Text, Ton oder Bild – mit Ausnahme von Rundfunk - zu verstehen, die sich an die Allgemeinheit richten und unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleistung oder längs oder mittels eines Leiters verbreitet werden.

Wie bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, sind die Begriffe des Tele- und Mediendienstes im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 312e RE und im Lichte der E-Commerce-Richtlinie zu verstehen: Dies bedeutet, dass unter § 312e RE nur solche Tele- und Mediendienste fallen, die der Nutzer bzw. Empfänger individuell elektronisch und zum Zwecke einer Bestellung abrufen kann. Bloße „Verteildienste“, das heißt Tele- und Mediendienste, die im Wege einer Übertragung von Daten ohne individuelle Anforderung gleichzeitig für eine unbegrenzte Zahl von Nutzern erbracht werden, fallen dagegen nicht in den Anwendungsbereich. Diese Reduktion folgt insbesondere daraus, dass § 312e Abs. 1 RE voraussetzt, dass sich der Unternehmer zum Zwecke des Vertragsschlusses eines Tele- oder Mediendienstes bedient, ergibt sich aber auch aus der Regelung des § 312e RE insgesamt: Die Vorschrift knüpft gerade an eine Vertragsanbahnungs- bzw. Vertragsabschluss-Situation zwischen dem Unternehmer als Anbieter und dem Kunden als Empfänger an und bestimmt für diese Fälle bestimmte Unterrichtungspflichten des Unternehmers. Der Vorschrift ist mithin immanent, dass der Kunde und zukünftige Vertragspartner den Tele- oder Mediendienst, dessen sich der Unternehmer zum Absatz seiner Waren oder Dienstleistungen bedient, elektronisch individuell abrufen kann und dies auch tut. Entsprechend wird der „Dienst der Informationsgesellschaft“ in Artikel 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung vom 20. Juli 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften sowie in Artikel 2 der Richtlinie über den rechtlichen Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten (98/48/EG vom 20. November 1998) als „jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“ definiert.

Die Anwendung des § 312e RE setzt mithin voraus, dass der Vertragsabschluss unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel erfolgt. Nicht erfasst werden daher insbesondere der Brief und der Telefonverkehr. Ferner wird vorausgesetzt, dass der Tele- oder Mediendienst vom Empfänger zum Zwecke der Abgabe einer Bestellung individuell abgerufen wird. Dies schließt – anders als bei Fernabsatzverträgen – elektronische Medien aus, die Angebote an eine unbestimmte Zahl von Empfängern senden, wie das etwa beim Fernsehen, beim Hörfunk und beim Teletext der Fall ist. Dagegen setzt die Anwendung von § 312e RE nicht voraus, dass auch die Durchführung des Vertrags „online“, also auf elektronischem Wege erfolgt. Für § 312e RE ist vielmehr lediglich erforderlich, dass der Vertragsschluss unter Einsatz elektronischer Mittel erfolgt, während die Erbringung der vom Unternehmer geschuldeten Leistung auch „offline“, also wie im herkömmlichen Versandhandel stattfinden kann.

Die Anwendung des § 312e RE setzt im Übrigen nicht voraus, dass der (zukünftige) Vertragspartner ein Verbraucher ist. Anbieter muss allerdings ein Unternehmer sein.

Absatz 1 enthält in den Nummern 1 bis 4 einen Katalog der Pflichten, die der Unternehmer im Falle des Abschlusses eines Vertrags im elektronischen Geschäftsverkehr zu beachten hat. Die in den Nummern 1 bis 4 aufgeführten Pflichten sind zeitlich geordnet. Im Einzelnen:

Nummer 1 setzt Artikel 11 Abs. 2 der E-Commerce-Richtlinie unter im Wesentlichen wörtlicher Übernahme des Richtlinientextes um, indem er bestimmt, dass der Unternehmer dem Kunden angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung stellen muss, mit deren Hilfe der Kunde vor Abgabe seiner Bestellung Eingabefehler erkennen und berichtigen kann. Dieser Pflicht muss der Unternehmer bereits zum Zeitpunkt der bloßen Eröffnung einer Bestellmöglichkeit nachkommen, also etwa, sobald er seinen Warenkatalog ins Internet stellt und mit einem elektronisch abrufbaren Bestellformular versieht. Neben der technischen Zurverfügungstellung, die in der Nummer 1 geregelt ist, muss der Unternehmer den Kunden auch über das Bestehen und die Art dieser technischen Mittel informieren. Diese Informationspflicht findet sich in § 3 Nr. 3 der Informationspflichtenverordnung.

Nummer 2 in Verbindung mit § 3 Nr. 1 bis 5 der Informationspflichtenverordnung bestimmt unter im Wesentlichen wörtlicher Übernahme des Richtlinientextes des Artikels 10 Abs. 1 und 2 der E-Commerce-Richtlinie den Umfang der vorvertraglichen Informationspflichten des Unternehmers. Im Interesse einer besseren Lesbarkeit wird auch hier darauf verzichtet, den Informationspflichtenkatalog in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen. Stattdessen wird in § 312e Abs. 1 Nr. 2 lediglich die generelle Informationsverpflichtung des Unternehmers bestimmt und im Übrigen auf die Informationspflichtenverordnung verwiesen, deren Rechtsgrundlage mit dem neuen Artikel 241 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche geschaffen wird. Die Informationspflichtenverordnung enthält in ihrem § 3 in den Nummern 1 bis 5 die in § 10 Abs. 1 und 2 der E-Commerce-Richtlinie aufgeführten einzelnen Informationen. Danach muss der Unternehmer den Kunden über die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen (Nr. 1 = Art. 10 Abs. 1 Buchstabe a der ECommerce- Richtlinie), darüber, ob der der Vertrag gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich ist (Nr. 2 = Art. 10 Abs. 1 Buchstabe b der E-Commerce-Richtlinie), welche Möglichkeiten der Erkennung und Korrektur von Eingabefehlern bestehen (Nr. 3 = Art. 10 Abs. 1 Buchstabe c der E-Commerce-Richtlinie), welche Sprachen für den Vertragsschluss zur Verfügung stehen (Nr. 4 = Art. 10 Abs. 1 Buchstabe d der E-Commerce-Richtlinie) und schließlich über die einschlägigen Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterwirft und ihre elektronische Abrufbarkeit (Nr. 5 = Art. 10 Abs. 2 der E-Commerce-Richtlinie) vor Vertragsschluss informieren. Mit letzteren sind bestimmte Verhaltensregelwerke gemeint, denen sich ein Unternehmer – zumeist zu Werbezwecken – unabhängig vom Vertragsschluss mit dem einzelnen Kunden freiwillig unterwirft, um damit im Wettbewerb eine besondere Unternehmens und/oder Produktqualität dokumentieren zu können.

Nummer 3 setzt Artikel 11 Abs. 1, 1. Spiegelstrich der E-Commerce-Richtlinie um, indem er vorsieht, dass der Unternehmer den Zugang der Bestellung des Kunden unverzüglich elektronisch zu bestätigen hat. Der Richtlinienbegriff des „Eingangs“ ist an die Begrifflichkeit des Bürgerlichen Gesetzesbuchs in § 130 angepasst und durch das Wort „Zugang“ ersetzt worden.

Nummer 4 setzt Artikel 11 Abs. 3 der E-Commerce-Richtlinie um, indem er bestimmt, dass der Unternehmer dem Kunden die Möglichkeit verschaffen muss, die Vertragsbedingungen einschließlich der einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen abzurufen und in wiedergabefähiger Form abzuspeichern. Da sich aus der Richtlinie nichts zum Zeitpunkt ergibt, wann der Unternehmer diese Verpflichtung zu erfüllen hat, greift der Entwurf auf die Parallelbestimmung in § 312c Abs. 2 RE über Fernabsatzverträge zurück und bestimmt, dass die Vertragsbestimmungen alsbald nach Vertragsschluss, spätestens bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrags, bei Waren spätestens bei Lieferung für den Kunden abrufbar und speicherbar sein müssen. Durch den Zusatz „einbezogene“ Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird deutlich, dass die Einbeziehungsvoraussetzungen des bisherigen § 2 Abs. 1 AGBG (= § 305 Abs. 2 RE) nicht berührt werden, so dass diese nur dann Vertragsbestandteil werden, wenn der Kunde bereits vor Vertragsschluss auf sie hingewiesen und ihm die Möglichkeit verschafft wird, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Dies wird der Unternehmer im elektronischen Geschäftsverkehr freilich eben dadurch erreichen, dass er dem Kunden eine Möglichkeit aufzeigt, wie er die Vertragsbedingungen herunterladen (= abrufen) und speichern kann. Die Erfordernisse des § 305 Abs. 2 RE für die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und die Verpflichtung aus der Nummer 4 des § 312e Abs. 2 RE dürften sich daher – bis auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahmemöglichkeit – beim Vertragsschluss im elektronischen Geschäftsverkehr entsprechen. Die Nummer 4 geht allerdings insoweit über die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 RE hinaus, als sie die nicht abdingbare Verpflichtung aufstellt, die Vertragsbedingungen auch Unternehmern durch die Möglichkeit des Abrufs zur Verfügung zu stellen. Satz 2 des Absatzes 1 setzt Artikel 11 Abs. 1 2. Spiegelstrich der E-Commerce-Richtlinie unter im Wesentlichen wörtlicher Übernahme des Richtlinientextes um. Die Zugangsfiktion wird lediglich in Ergänzung des Richtlinientextes an die Voraussetzung gekoppelt, dass die Parteien die Bestellung und Empfangsbestätigung „unter gewöhnlichen Umständen“ abrufen können. Dies entspricht der Rechtsprechung zum Zugang einer Willenserklärung in § 130 (vgl. nur BGHZ 67, 271; NJW 80, 990).

Zu Absatz 2

Absatz 2 schränkt zum einen den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 ein und legt zum anderen fest, inwieweit eine vertragliche Abbedingung der Regelungen des Absatzes 1 zulässig ist.

Absatz 2 Nr. 1 greift dabei Artikel 10 Abs. 4 und Artikel 11 Absatz 3 der E-Commerce-Richtlinie auf, wonach die Informationspflichten aus Artikel 10 Abs. 1 und 2 (= § 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RE) und die Verpflichtungen aus Artikel 11 Abs. 1, 1. Spiegelstrich, und Abs. 2 (= § 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 RE) nicht anwendbar sind auf Verträge, die ausschließlich durch den Austausch individueller – elektronischer - Kommunikation wie zum Beispiel durch E-Mail geschlossen werden. Damit sollen Vertragsabschlüsse, bei denen der Unternehmer direkt mit dem jeweiligen Kunden Kontakt aufnimmt, indem er diesem zum Beispiel an dessen E-Mail-Adresse ein Verkaufsangebot elektronisch übersendet, von den Pflichten des § 312e RE entlastet werden. Denn derartige Vertragsschlüsse ähneln solchen per Brief oder am Telefon und weisen nicht die spezifischen Besonderheiten des Online-Einkaufs auf. Für diesen ist nämlich gerade typisch, dass sich der Unternehmer unter Verwendung eines elektronischen Kommunikationsdienstes an eine unbegrenzte Zahl nicht individualisierter potenzieller Kunden wendet, indem er etwa seinen Verkaufskatalog ins Internet stellt.

Absatz 2 Nr. 2 übernimmt die Einschränkungen in Artikel 10 Abs. 1 und 2 und Artikel 11 Abs. 1 und 2 der E-Commerce-Richtlinie, wonach die dort geregelten Verpflichtungen gelten sollen „außer im Fall abweichender Vereinbarungen zwischen Parteien, die nicht Verbraucher sind“. Bei der Umsetzung wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit eine positive Formulierung gewählt, die auf die Unternehmereigenschaft und damit auf § 14 BGB abstellt. Eine entsprechende abweichende Vereinbarung kann für einen individuellen Vertrag, sie kann aber auch für eine Vielzahl von Verträgen im Voraus abgeschlossen werden. Absatz 2 Nr. 2 legt die beteiligten Unternehmer auf keine Variante fest. Der häufigere Fall wird voraussichtlich der Fall sein, dass sich der Anbieterunternehmer mit dem Vertragspartner generell über das Verfahren beim Abschluss von Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr verständigt.

Dann wäre die abweichende Vereinbarung Gegenstand einer solchen Rahmenvereinbarung. Soll eine abweichende Vereinbarung individuell getroffen werden, müssten sich die Beteiligten zunächst über die Vertragsprozedur einigen und dann den eigentlichen Vertragsschluss vornehmen.

Unabdingbar ist dagegen die Pflicht des Unternehmers aus § 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 RE, dem Kunden die Vertragsbestimmungen in speicherbarer Form zur Verfügung zu stellen. Auch die Zugangsfiktion kann nicht abbedungen werden. Beides ergibt sich aus den Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie. Ist der Kunde ein Verbraucher, sind jegliche Abweichungen von § 312e RE unzulässig. Die vorstehend ausgeführte Unabdingbarkeit folgt aus § 312f RE, der insgesamt für die Vorschriften des Untertitels 2 ein Abweichungsverbot zu Lasten des Verbrauchers oder Kunden enthält, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.

Zu Absatz 3

Absatz 3 Satz 1 hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Weitergehende Informationspflichten werden sich insbesondere aus den Vorschriften über Fernabsatzverträge ergeben, wenn der Kunde ein Verbraucher ist und die weiteren Voraussetzungen des § 312b Abs. 1 RE (ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln; für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem) gegeben sind. Das letztere dürfte freilich in aller Regel der Fall sein. Denn die Besonderheit des online-Vertriebs ist gerade, dass der Unternehmer und der Kunde ausschließlich im Wege des Fernabsatzes miteinander kommunizieren. Und ein Unternehmer, der seine Produkte über das Internet anbietet, hat sein Vertriebssystem bereits dadurch so organisiert, dass Verträge im Fernabsatz geschlossen und abgewickelt werden können.

Bei Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr wird dem Verbraucher daher (bei anderen Verträgen als Verträgen über Finanzdienstleistungen) in aller Regel auch ein Widerrufsrecht gemäß §§ 312d, 355 RE zustehen. Für diesen Fall bestimmt Absatz 3 Satz 2 – ohne freilich dem Verbraucher ein eigenes Widerrufsrecht einzuräumen -, dass die Widerrufsfrist erst nach Erfüllung der in § 312e Abs. 1 Satz 1 geregelten Pflichten beginnt. Diese Regelung entspricht der parallelen Bestimmung des § 312d Abs. 2 RE für Fernabsatzverträge. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, warum der Lauf der Widerrufsfrist bei einem im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossenen Fernabsatzvertrag nur von der Erfüllung der Informationspflichten des § 312c Abs. 1 und 2 RE, dagegen nicht von den in diesen Fällen gleichermaßen vom Unternehmer zu beachtenden Pflichten des § 312e Abs. 1 RE abhängig sein sollte. Hier muss den Unternehmer dieselbe Sanktion des hinausgeschobenen Fristbeginns treffen.

Dies bedeutet freilich nicht, dass weitere Sanktionen bei einem Verstoß gegen die in § 312e Abs. 1 Satz 1 RE normierten Pflichten ausgeschlossen sind. Der Entwurf sieht lediglich davon ab, die Rechtsfolgen, die sich aus einem Pflichtenverstoß des Unternehmers im Übrigen ergeben können, statisch in dieser Vorschrift zu regeln. Dies hat seinen Grund darin, dass die in § 312e Abs. 1 Satz 1 RE geregelten Pflichten von derart unterschiedlicher Gewichtung und Art sind, dass die Bestimmung ein und derselben Rechtsfolge wie zum Beispiel die Einräumung eines Widerrufsrechts oder die Nichtigkeit des Vertrags nicht sachgerecht wäre. Die Rechtsfolgen eines Pflichtenverstoßes sollen sich daher nach den allgemeinen Bestimmungen des Schuldrechts richten. Diese sehen ein differenziertes und effektives Sanktionssystem für den Fall des Verstoßes gegen vorvertragliche Informations- und sonstige vertragliche Pflichtverletzungen vor. Im Folgenden soll lediglich auf einige Grundprinzipien hingewiesen werden:

Nichtigkeit

Der Verstoß gegen eine oder auch mehrere Pflichten des § 312e Abs. 1 Satz 1 RE kann indessen nicht die schärfste zivilrechtliche Sanktion, nämlich die Nichtigkeit des Vertrags, auslösen. Eine solche Rechtsfolge wäre nämlich nur anzunehmen, wenn dies dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck der Vorschrift entsprechen würde. An beidem fehlt es hier. Die Vorschrift soll den Kunden schützen. Würde die Nichtbeachtung der Informationsund Verhaltenspflichten die Nichtigkeit des Vertrags zur Folge haben, hätte der Kunde nicht einmal einen (durchsetzbaren) Anspruch auf nachträgliche Information. Das wäre genau Gegenteil des Gewollten. Deshalb ist ein Vertrag nicht nichtig (so auch Grigoleit, WM 2001, 597, 600). Es ist erwogen, dies ausdrücklich klarzustellen. Eine solche Klarstellung würde aber eine an sich klare Rechtslage ungewollt in Zweifel ziehen und auch Unklarheiten hinsichtlich der anderen möglichen Folgen begründen. Deshalb wird davon Abstand genommen.

Erklärungsmangel, Anfechtung wegen Irrtums

Die Verletzung der Informationspflichten, aber auch der Pflicht, einen Korrekturmechanismus vorzuhalten, kann beim Kunden in extremen Fällen dazu führen, dass er sich gar nicht bewusst ist, überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben zu haben. Dann liegt keine rechtsverbindliche Willenserklärung vor, und der Kunde ist nicht verpflichtet. Gewöhnlich 400 wird eine Verletzung solcher Pflichten aber „nur“ zu einem Erklärungsirrtum führen. Dieser berechtigt ihn nach § 119 zur Anfechtung des Vertrags wegen Irrtums. Der Anbieter könnte dann rein formal nach § 122 Ersatz des Vertrauensschadens verlangen. Dies wäre aber ein widersprüchliches Verhalten, was seinen Anspruch nach § 242 ausschließt. Es ist erwogen worden, dies klarzustellen. Davon ist aber abgesehen worden, weil dies keiner Erklärung bedarf.

Haftung aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 RE

Mit der Nichteinhaltung der besonderen Pflichten beim E-Commerce kann der Anbieter auch Schutz- und Rücksichtnahmepflichten gegenüber dem Kunden verletzen. Wenn dies zu einem Schaden führen sollte, könnte dafür eine Haftung aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 in Verbindung mit § 280 RE (Culpa in contrahendo) begründet sein. Der Anbieter hätte dann dem Kunden den Schaden zu ersetzen. Das kann gemäß § 249 einen Anspruch auf Rückabwicklung, unter Umständen sogar die Anpassung des abgeschlossenen Vertrags (dazu Palandt/ Heinrichs, § 276 Rdn. 102) begründen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Pflichtverletzung des Anbieters für den Abschluss oder ungünstigen Abschluss des Vertrags ursächlich war. War sie das nicht, versäumt der Anbieter es etwa lediglich, den Kunden über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden, aber nicht genutzten Sprachen oder über die Verhaltenskodizes, denen er sich unterworfen hat, oder darüber zu unterrichten, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss speicherbar ist, wird man hieraus einen Anspruch des Kunden auf Rückabwicklung oder Anpassung des Vertrags nicht ableiten können.

Nachträgliche Unterrichtung

Der Kunde kann jedenfalls aus dem abgeschlossenen Vertrag später die nachträgliche Erfüllung der Informationspflichten, soweit diese dann noch sinnvoll beansprucht werden kann (z. B. die Verhaltenskodizes, denen sich der Unternehmer unterworfen hat), oder die Zurverfügungstellung der Vertragsbedingungen in wiedergaberfähiger Form verlangen.

Unterlassungsklage

Verstöße gegen die in Absatz 1 bestimmten Pflichten begründen im Übrigen auch die Möglichkeit einer Unterlassungsklage nach § 13 UWG und nach § 2 des Unterlassungsklagengesetzes, das an die Stelle des bisherigen § 22 AGBG tritt. Die Nichteinhaltung der Verpflichtungen gemäß Absatz 1 ist bei Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr ein Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz, das ohne weiteres einen Unterlassungsanspruch nach § 2 des Unterlassungsklagengesetzes (bisher § 22 Abs. 1 AGBG) begründet. Da sich der Anbieter durch die Missachtung der Informationsverpflichtungen auch einen zumindest formalen Wettbewerbsvorteil verschafft, der gesetzeswidrig ist, stellt eine systematische Verletzung der Pflichten des Absatzes 1 regelmäßig auch einen Verstoß gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs dar, der einen Unterlassungsanspruch nach § 13 UWG begründet.