Vorbemerkung
Mängel des geltenden Rechts
Vom Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind, müssen Ausnahmen gelten, wo die Durchführung des Vertrags wegen einer Pflichtverletzung beeinträchtigt oder verhindert wird. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Lösung vom Vertrag den jeweiligen Vertragspartner hart treffen kann. Deshalb kann nicht jede Pflichtverletzung ausreichend sein, sondern es ist die Schwere der Pflichtverletzung unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien zu berücksichtigen. Regelungsbedürftig ist auch die Frage, ob die Aufhebung des Vertrags davon abhängig sein soll, dass die Pflichtverletzung vom Schuldner zu vertreten ist.
Das geltende Recht enthält keine einheitliche Regelung des Rechtsbehelfs „Rücktritt wegen Pflichtverletzung“, sondern regelt in Voraussetzungen, Durchführung und Folgen unterschiedlich ausgestaltete Fälle der Vertragsaufhebung. Für die wichtigsten Störungen steht dabei die Kategorie „Unmöglichkeit“ im Mittelpunkt: Bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit ist der Vertrag nach dem bisherigen § 306 ipso iure nichtig. Bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit einer synallagmatischen Hauptpflicht wird nicht nur der Schuldner, sondern auch der Gläubiger als Schuldner der Gegenleistungspflicht frei, bisher § 323 Abs. 1, so dass hinsichtlich der Hauptleistungspflichten eine Art ipso iure Auflösung eintritt. Für den Fall zu vertretender Unmöglichkeit eröffnet bisher § 325 Abs. 1 Satz 1 den Weg zum Rücktritt, wobei nicht nur die in der Praxis seltenen Fälle der naturgesetzlichen Unmöglichkeit hier eingeordnet worden sind.
Bei Verzug mit einer Hauptpflicht eröffnet derzeit § 326 Abs. 1 den Weg zum Rücktritt. Ergänzt werden die bisherigen Rücktrittsmöglichkeiten wegen vollständiger Unmöglichkeit durch Regeln zur teilweisen Unmöglichkeit, die dann zum Rücktritt vom ganzen Vertrag führen kann, wenn die teilweise Erfüllung für den Gläubiger kein Interesse hat, § 325 Abs. 1 Satz 2, § 326 Abs. 1 Satz 3. Rechtsprechung und Wissenschaft haben diese Regelung ergänzt um die Fälle der positiven Forderungsverletzung des Schuldners, die das Festhalten am Vertrag für den Gläubiger unzumutbar macht, die ernsthafte Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit (dogmatisch überwiegend ebenfalls als positive Forderungsverletzung eingeordnet) und die Störung der Erbringung einzelner Raten beim Sukzessivlieferungsvertrag. Zu diesem Kernbestand an Rücktrittsregeln treten Sonderfälle wie der Rücktritt bei Fristüberschreitung im Falle eines relativen Fixgeschäftes, bisher § 361 BGB sowie § 376 Abs. 1 Satz 1 HGB und bei bloßer Terminüberschreitung nach dem bisherigen § 636 Abs. 1 Satz 1, ferner die Aufhebungsmöglichkeiten wegen Mängeln, die als Wandelungsvertrag (auf dessen Abschluss der verletzte Teil Anspruch hat) geregelt, §§ 459, 462, 634 Abs. 1 Satz 3, oder als Kündigung ausgestaltet sind, §§ 651e, 651j.
Die Aufhebungsmöglichkeiten nach geltendem Recht unterscheiden sich zunächst in den Voraussetzungen: Teilweise muss die Störung im Sinne der §§ 276 ff. zu vertreten sein (insbesondere §§ 325, 326 und im Falle positiver Forderungsverletzung), teilweise reicht die Störung als solche (§ 323, Wandelung bei Kauf- und Werkvertrag, Kündigung wegen Mängeln oder nicht voraussehbarer höherer Gewalt beim Reisevertrag sowie im Falle der Aufhebung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage). Auch hinsichtlich der Schwere der Leistungsstörungen bestehen Unterschiede: Unmöglichkeit wird stets als schwerer Leistungsstörungsfall gesehen, bei positiver Forderungsverletzung kommt es auf die „Zumutbarkeit“ der Fortführung des Vertrags für den anderen Teil an, bei Teilunmöglichkeit auf Fortbestand oder Wegfall seines Interesses, bei Fristüberschreitung auf die Bedeutung des Termins für den Vertrag, die eine Nachfrist erforderlich - § 326 Abs. 1 - oder entbehrlich - § 361 - sein lässt. Aber auch geringfügige Leistungsstörungen können - so die Mangelhaftigkeit der Kaufsache oder Werkleistung - zur Aufhebung führen.
Schließlich sind auch die Folgen einer Vertragsauflösung wegen Leistungsstörungen derzeit verschieden geregelt und teilweise umstritten: Bei ipso facto eintretendem Erlöschen der Hauptpflichten ist nach Bereicherungsrecht abzuwickeln, bei Erlöschen durch Rücktrittserklärung oder Wandelungsvertrag nach den für ein vertragliches Rücktrittsrecht geltenden Vorschriften der §§ 346 ff.. Streitig ist in der Auslegung des bisherigen § 327 Satz 2, ob die haftungserleichternde Verweisung auf Bereicherungsrecht wörtlich zu nehmen ist oder den allgemeinen Rechtsgedanken enthält, dass derjenige, der den Rücktrittsgrund nicht zu vertreten hat, stets (nur) nach Bereicherungsgrundsätzen haftet. Hinzu kommen für bestimmte Aufhebungsfälle Sonderregelungen, etwa bei der Wandelung der Ersatz der Vertragskosten nach § 467 Satz 2.
Die Mängel des geltenden Rechts sind in der außerordentlichen Vielfalt der Voraussetzungen der Vertragsaufhebung, der sie bewirkenden Faktoren und der Unterschiede in den Abwicklungsregeln zu sehen. Die Verschiedenheiten lassen sich kaum durch sachliche Gesichtspunkte rechtfertigen, sondern sind nur durch die historischen Entstehungsbedingungen zu erklären (dazu grundlegend Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, 1975, S. 26 ff., 54 ff. mit eingehender Darstellung der Entstehung des gesetzlichen Rücktrittsrechts). Sie führen immer wieder zu Überschneidungen, die Abgrenzungen erforderlich machen, oder zu Konkurrenzen, für die dann Hilfsregeln entwickelt werden müssen, die im konkreten Fall plausibel sein mögen, bei Anwendung auf den nächsten Fall aber schon zu Bedenken Anlass geben. Ob bei Abweichungen von der vertragsmäßigen Beschaffenheit Nichtleistung - und deshalb Aufhebung über § 326 Abs. 1 - oder mangelhafte Leistung - mit Wandelungsmöglichkeit - gegeben ist, ob Nutzungsbeschränkungen auf Grund öffentlich-rechtlicher Bauplanung zur Wandelung berechtigender Sachmangel oder Rücktritt ermöglichender Rechtsmangel sind, kann die Beurteilung konkreter Fälle ebenso erschweren wie die Frage, ob der Schuldner im Falle grundlegender Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein Leistungsungsvermögen zu vertreten hat oder nicht. Hinzu kommt, dass die bisher im Gesetz vorgesehene Ablehnungsandrohung (§§ 283 Abs. 1 Satz 1, 326 Abs. 1 Satz 1) wenig praktikabel ist und häufig unwirksame Fristsetzungen vorkommen (vgl. die Begründung zu § 281 RE).
Eine rechtsvergleichende Umschau bestätigt das bereits zum deutschen Recht wiedergegebene Bild einer großen Vielzahl rechtstechnischer Instrumente zur Lösung des Spannungsverhältnisses von Vertragstreue und Notwendigkeit der Auflösung wegen gravierender Störungen. Am ähnlichsten sind dem deutschen Recht verständlicherweise das schweizerische und österreichische Recht: Das schweizerische Recht kennt die Nichtigkeit auf Grund anfänglicher objektiver Unmöglichkeit, Artikel 20 Abs. 1 des schweizerischen OR, unterscheidet weiter zwischen zu vertretender und nicht zu vertretender Unmöglichkeit, kennt die Vertragsauflösung nach Nachfristen, Artikel 107 Abs. 1 des schweizerischen OR und die Erfüllungsweigerung als positive Forderungsverletzung (vgl. schw. Bundesgericht, BGE 69 II 243, 244). Wie im deutschen Recht gibt es ein besonderes Regime für Sachmängel. Im österreichischen Recht finden sich entsprechende Bestimmungen in den §§ 878, 879, 922, 930, 932, 933, 934 und 1167 des österreichischen ABGB. Das französische Recht regelt in Artikel 1184 Code Civil den Grundtatbestand der Aufhebung synallagmatischer Verträge durch gerichtliche Entscheidung und bedient sich dazu des dogmatischen Hilfsmittels einer als vereinbart unterstellten auflösenden Bedingung für den Fall der Pflichtverletzung des anderen Teils (inexécution); erfasst werden Nichterfüllung, verzögerte Erfüllung und Schlechterfüllung. Zu dem Sonderregime der Haftung für Sachmängel besteht ein schwer überschaubares Konkurrenzverhältnis. Die Rechtsprechung neigt zunehmend dazu, vertragswidrige Beschaffenheit als „inexécution“ zu behandeln. Im englischen Recht entscheidet sich die Aufhebungsmöglichkeit zunächst danach, ob die verletzte Pflicht als „condition“ des Vertrags oder nur als „warranty“ gewertet werden kann. Daneben gibt es die sog. „innominate terms“ (vgl. Hongkong Fir Shipping Company Co. Ltd. v. Kawasaki Kisen Kaisha Ltd [1962] 2 Q. B. 26, 70), für deren Verletzung es darauf ankommt, ob der betroffenen Partei damit im Wesentlichen entzogen wird, was ihr als Vorteil aus dem Vertrag zukommen sollte. Das amerikanische Recht hat sich von der als archaisch empfundenen Unterstellung, die Erfüllung bestimmter Pflichten sei eine „condition“ des Vertrags, zu lösen begonnen und gestattet Vertragsauflösung in Fällen der Unmöglichkeit, aber auch der Undurchführbarkeit, sofern nicht eine Partei für die Durchführbarkeit das Risiko übernommen hat.
Das UN-Kaufrecht geht von einem einheitlichen Aufhebungsgrund des „wesentlichen Vertragsbruchs“ aus, der unabhängig von Vertretenmüssen oder Verschulden des Vertragsteils, der seine Leistung nicht oder nicht richtig erbringen kann, Aufhebung durch gestaltende Erklärung des anderen Teils ermöglicht. Ist zweifelhaft, ob die in Artikel 25 UN-Kaufrecht definierte Schwelle des „wesentlichen Vertragsbruchs“ erreicht ist, kann für die wichtigsten Störungsfälle Nichtzahlung, Nichtleistung der Kaufsache oder Nichtabnahme durch Nachfristsetzung geklärt werden, ob die jeweilige Störung als Aufhebungsgrund ausreicht. Auch die von Unidroit formulierten „Principles for international commercial contracts“ sehen in Artikel 5.2.1 zunächst die Grundregel vor, dass Erschwernisse für den Schuldner nicht von der Bindung an den Vertrag befreien, dass jedoch im Falle einer „fundamental non-performance“ die davon betroffene Partei den Vertrag auflösen könne, Artikel 6.3.1. Die Definition der „fundamental non-performance“ in Artikel 6.3.1 (II) (a) gleicht dabei nahezu völlig Artikel 25 UNKaufrecht. Für verzögerte Erfüllung wird das Nachfristsystem vorgesehen, Artikel 6.3.2.
Im Ganzen hat die rechtsvergleichende Analyse von Treitel (in: Encyclopedia of Comparative Law, Vol. VII, Cap. 16, Remedies for Breach of Contract, dort vor allem no. 147 ff., 155 ff.) nachgewiesen, „the most important principle“ sei, dass „the default attains a certain minimum degree of seriousness“ (aaO no. 161) - ein Grundgedanke, der in den einheitlichen Kaufrechten als die Voraussetzung eines „wesentlichen Vertragsbruchs“ für die Vertragsauflösung festgehalten worden ist (vgl. Artikel 25 UN-Kaufrecht). Durchgangsstation ist dabei in allen Rechtsordnungen die Hilfsvorstellung einer für den Fall der schweren Pflichtverletzung durch den anderen Teil unterstellten auflösenden Bedingung, die im 19. Jahrhundert allein die Vereinbarkeit der Vertragsauflösung mit dem Prinzip „pacta sunt servanda“ als möglich erscheinen ließ (vgl. dazu von Caemmerer, Festschrift Coing, Bd. 2, S. 39: „Musste vom Satz pacta sunt servanda abgewichen werden, so sollte das auf den vermutlichen Parteiwillen gestützt werden können“).
Huber hat in seinem Gutachten „Leistungsstörungen“ vorgeschlagen, die Auflösung des Vertrags durch Rücktritt im Falle von Leistungsstörungen am einheitlichen Kaufrecht zu orientieren. Ein Rücktritt soll nach seinen Vorschlägen stets bei wesentlicher Vertragsverletzung möglich sein, im Übrigen nach Ablauf einer erfolglos gesetzten Nachfrist; der Nachfristfall steht jedoch am Beginn seiner Vorschläge (§§ 326, 326a, ferner § 326c Abs. 1 Satz 3 für Fälle der teilweisen Nichterfüllung, § 326d für Sukzessivlieferungsverträge usw., s. Gutachten S. 677 f., 832 ff.). Auch in der sonstigen Literatur finden sich Versuche, die den verstreuten und divergierenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugrundeliegenden Vorstellungen und Wertungen auf ein einheitliches Prinzip zurückzuführen (vgl. Schlechtriem, Aufhebung des Vertrags als Rechtsbehelf bei Leistungsstörungen, Festschrift Müller- Freienfels 1986, S. 525 ff.).
Lösungsansatz der Schuldrechtskommission
Die Schuldrechtskommission hatte parallel zur Regelung im Schadensersatz in § 323 KE einen einheitlichen Tatbestand für die Vertragsauflösung von gegenseitigen Verträgen bei Pflichtverletzung vorgeschlagen. § 323 Abs. 1 KE knüpft an den zentralen Begriff der Pflichtverletzung an. Er stellt anders als das geltende Recht nicht darauf ab, ob eine synallagmatische oder eine andere Pflicht verletzt worden ist, ob die Pflichtverletzung durch Nichtleistung wegen Unmöglichkeit oder auf Grund einer Leistungsverweigerung geschieht, ob Unmöglichkeit oder Verzug vorliegen oder ob eine sonstige Vertragsstörung durch Schlechterbrin- 422 gung der Hauptleistung oder Verletzung von Nebenpflichten zu beurteilen ist. Der von der Schuldrechtskommission vorgeschlagene § 323 erfasste deshalb die im geltenden Recht in §§ 325, 326 geregelten Fälle, aber auch die bisher als Wandelung geregelte Auflösung von Verträgen wegen Mängeln eines Leistungsgegenstandes oder den von der Rechtsprechung entwickelten Rücktritt wegen positiver Forderungsverletzung.
Neben dieser Vereinheitlichung des Rücktrittstatbestandes liegt die wesentliche Änderung des Kommissionsvorschlags gegenüber dem geltenden Recht darin, dass es für den Rücktritt wegen Pflichtverletzung nicht mehr darauf ankommen soll, ob der vertragsbrüchige Teil die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Der Gläubiger soll den Vertrag auch auflösen können, wenn die Pflichtverletzung vom Schuldner nicht zu vertreten ist. § 323 KE deckt damit auch den im bisherigen § 323 geregelten Fall der vom Schuldner nicht zu vertretenden Möglichkeit ab. Voraussetzung für den Rücktritt ist nach § 323 Abs. 1 KE, dass der Gläubiger dem Schuldner eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt und dieser mit dem Rücktritt rechnen musste. In bestimmten Fällen soll von dem Erfordernis der Fristsetzung abgesehen werden, § 323 Abs. 2 KE. Ein Rücktritt soll gemäß § 323 Abs. 3 KE in bestimmten Fällen, insbesondere gemäß § 323 Abs. 3 Nr. 1 KE dann ausgeschlossen sein, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
Die dritte wesentliche Veränderung gegenüber dem geltenden Recht, die die Schuldrechtskommission vorgeschlagen hat, ist die Beseitigung der Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz, die in § 327 KE ihren Niederschlag fand. Schadensersatz soll danach neben dem Rücktritt verlangt werden können. Schadensersatz wegen Nichtausführung des Vertrags soll der Gläubiger nach dieser vorgeschlagenen Vorschrift nur verlangen können, wenn er zuvor vom Vertrag zurückgetreten ist.
Lösungsansatz des Entwurfs
Diesen Grundansatz der Schuldrechtskommission übernimmt der Entwurf weitgehend. Er enthält allerdings auch einige nicht unerhebliche Abweichungen.
Das betrifft zunächst die objektive Unmöglichkeit. Ähnlich wie bei der Befreiung von der Primärleistung in § 275 KE sieht § 323 KE für den Fall der unmöglichen Leistung keine Leistungsbefreiung kraft Gesetzes vor, wie dies im geltenden § 323 der Fall ist. Der Gläubiger wird nach dem Kommissionsentwurf von der Gegenleistung vielmehr nur befreit, wenn er von dem Vertrag zurücktritt, wofür in diesem Fall allerdings keine Fristsetzung erforderlich wäre, § 323 Abs. 2 Nr. 1 KE. Im Schrifttum ist kritisiert worden, dass der Weg des Rücktritts und das Absehen von der Fristsetzung technisch zu kompliziert sei, wenn von vornherein feststehe, dass die Leistung nicht erbracht werden könne. § 323 Abs. 1 KE stellte mit dem Erfordernis der Fristsetzung eine Voraussetzung auf, die in den Fällen der Unmöglichkeit von vornherein keinen Sinn mache. Es ist deshalb vorgeschlagen worden, es insoweit bei dem geltenden Recht zu belassen. Dieses Anliegen greift der Entwurf auf, indem er in § 326 für den Fall der Unmöglichkeit eine Befreiung kraft Gesetzes von der Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung zu einer unmöglich geworden Leistung vorsieht. § 326 RE fasst dabei die geltenden §§ 323 und 324 zusammen.
§ 323 KE fasst alle Rücktrittssituationen in einer einheitlichen Norm zusammen. Dieser Ansatz hat im Schrifttum wegen seines hohen Abstraktionsgrades Kritik erfahren, weil die Norm über die Ausnahmen in ihren Absätzen 2 und 3 doch wieder unterschiedliche Regelungen für einzelne Leistungsstörungssituationen über Ausnahmeregelungen von dem Prinzip in Absatz 1 bereitstellen müsse. Damit – so die Kritik – werde die mit der Norm auf einem hohen Abstraktionsniveau angestrebte Vereinheitlichung der Leistungsstörungstatbestände letztlich in der Sache doch nicht erreicht. § 323 Abs. 1 KE enthalte deshalb nur scheinbar ein allgemeines, auf alle Arten von Leistungsstörungen gleichermaßen anwendbares Prinzip. Für den Rechtsanwender sei es zweckmäßiger, wenn er die Voraussetzungen für den Rücktritt in den typischen Leistungsstörungssituationen unmittelbar aus den gesetzlichen Rücktrittstatbeständen ablesen könne. Diesem Anliegen trägt der Entwurf Rechnung. Er sieht anders als der Kommissionsentwurf nicht mehr nur einen einzigen Rücktrittstatbestand, sondern je einen Rücktrittstatbestand für den Fall des Verzugs und der Schlechterfüllung (§ 323 RE) und den Rücktritt wegen Verletzung einer sonstigen Pflicht (§ 324) sowie einen Tatbestand für die Befreiung von der Gegenleistung kraft Gesetzes im Fall der Unmöglichkeit der Leistung (§ 326) vor.
Allerdings sei an dieser Stelle betont, dass aus dem einheitlichen Rücktrittstatbestand des § 323 KE lediglich die soeben genannten Fälle von Nebenpflichtverletzungen (§ 324 RE) und von Unmöglichkeit der Leistung (§ 326 RE) herausgenommen und tatbestandlich verselbständigt werden. Diese Fälle stellen auch nach dem Kommissionsentwurf Ausnahmen von dem Grundsatz des § 323 Abs. 1 KE dar: Die Nebenpflichtverletzung, weil auch nach dem Kommissionsentwurf ein hierauf gestützter Rücktritt ganz parallel zu § 324 RE an die zusätzliche Voraussetzung der Unzumutbarkeit geknüpft sein soll (§ 323 Abs. 3 Nr. 2 KE), und die Unmöglichkeit, weil auch nach dem KE ein Rücktritt dann ganz parallel zu § 326 RE sofort und ohne Fristsetzung möglich sein sollte (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 KE). Im Übrigen bleibt der in einer starken Vereinheitlichung der Rücktrittsvoraussetzungen liegende Effekt des § 323 Abs. 1 KE in diesem Entwurf erhalten. Insbesondere wird der Rücktritt künftig in allen Fällen 424 möglich sein, ohne dass es darauf ankommt, ob der Schuldner den Rücktrittsgrund zu vertreten hat.
Der Entwurf folgt dem Kommissionsentwurf auch in dem Grundanliegen, die Alternativität zwischen Rücktritt und Schadensersatz zu beseitigen. Der Kommissionsentwurf macht allerdings den Schadensersatz „wegen Nichtausführung des Vertrags“ („großer Schadensersatz“) in § 327 KE davon abhängig, dass der Gläubiger vorher vom Vertrag zurücktritt. Das hätte zu einem nicht ganz einfach zu durchschauenden Nebeneinander von Schadensersatz statt der ausgebliebenen Leistung und Schadensersatz „wegen Nichtausführung des Vertrags“ mit jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen geführt. Ursache hierfür war der Umstand, dass die Voraussetzungen für den Rücktritt etwas anders ausgestaltet waren als die Voraussetzungen für den Schadensersatz statt der Leistung. Hätte man den Schadensersatz statt der Leistung in jedem Fall des Rücktritts zugelassen, hätten die Rücktrittsausschlüsse des § 323 Abs. 3 KE leicht dadurch umgangen werden können, dass der Gläubiger - anstatt zurückzutreten - wie bisher Schadensersatz statt der Leistung in der Form des großen Schadensersatzes wählt, bei dem traditionell die Schadensersatz- und Rücktrittsfolgen kombiniert werden können. Dies veranlasste die Schuldrechtskommission dazu, den Schadensersatz wegen Nichtausführung des Vertrags in ihren Vorschlägen von dem vorherigen Rücktritt abhängig zu machen.
In der Wissenschaft, vor allem aber auch in der Praxis ist dieses Modell als schwer durchschaubar und kompliziert abgelehnt worden. Der Entwurf greift diese Kritik auf und schlägt deshalb vor, dass grundsätzlich immer neben dem Rücktritt Schadensersatz statt der Leistung verlangt werden kann und dass das Verlangen von Schadensersatz statt der ganzen Leistung („großer Schadensersatz“) nicht von der vorherigen Erklärung des Rücktritts abhängig ist. Um diese Lösung zu erreichen, mussten die Voraussetzungen für den Rücktritt und die Voraussetzungen für den Schadensersatz statt der Leistung inhaltlich angeglichen und aufeinander abgestimmt werden. Sie sind jetzt im Wesentlichen identisch. Es gibt lediglich einen Unterschied, und zwar beim Fixgeschäft. Dieses erlaubt nach § 323 Abs. 2 Nr. 2 RE (der inhaltlich § 323 Abs. 2 Nr. 2 KE entspricht) den Rücktritt ohne Fristsetzung. Schadensersatz ist nach § 281 Abs. 2 RE nur möglich, wenn zusätzlich eine Frist gesetzt worden ist. Dies entspricht in der Sache dem geltenden § 361 und ist unter dem Gesichtspunkt eines Zwangs zum vorherigen Rücktritt unproblematisch, weil die Voraussetzungen für den Schadensersatz statt der Leistung in diesem Fall strenger sind als die Voraussetzungen für den Rücktritt vom Vertrag. Damit können die Voraussetzungen für den Rücktritt jedenfalls nicht durch das Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung umgangen werden.