Zu § 357 – Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe

Zu Absatz 1

Absatz 1 entspricht dem bisherigen § 361a Abs. 2 Satz 1 und 2 und dem bisherigen § 361b Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

Zu Absatz 2

Absatz 2 entspricht dem bisherigen § 361a Abs. 2 Satz 3 und dem bisherigen § 361b Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2.

Zu Absatz 3

Vorbemerkung

Absatz 3 regelt die Frage der Wertminderung durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme anders als nach dem bisherigem § 361a Abs. 2 Satz 4 und 5. Nach der bisherigen Regelung kann der Verbraucher zwar abweichend von den bisherigen §§ 350 bis 352 von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht auch dann Gebrauch machen, wenn durch sein Verschulden die Sache untergegangen oder verschlechtert worden ist. Die Haftung des Verbrauchers ist aber begrenzt. Er haftet nur für die Gebrauchsvorteile und nicht für die Abnutzung durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache oder anderen Leistung. Diese Regelung verlagert das Risiko sehr einseitig auf den Unternehmer. Allerdings entspricht sie wörtlich der auch schon vor Schaffung des § 361a geltenden Regelung des § 3 HTWG. Die Regelung wurde indessen auch dort bereits als ungerecht empfunden (vgl. Palandt/ Putzo, § 3 HTWG Rdn. 16, wo es hierzu heißt: „Die Regelung ist für die andere Vertragspartei sehr ungünstig, z. B. bei Kleidungsstücken und Kfz“). Das Bedürfnis nach einer Änderung war dort freilich deshalb nicht so groß, weil der Unternehmer bei Geschäften nach dem bisherigen Haustürwiderrufsgesetz die Möglichkeit hatte, seine vertraglich geschuldete Leistung, also in der Regel die Lieferung der Ware, erst dann zu erfüllen, wenn die Widerrufsfrist verstrichen war und feststand, dass der Vertrag zur Durchführung gelangte. Dies ist bei Haustürgeschäften auch weiterhin so, weil der bisherige § 10 Nr. 1 AGBG (= § 308 Nr. 1 RE) einen entsprechenden Vorbehalt ausdrücklich erlaubt. Der Unternehmer kann so von vornherein vermeiden, überhaupt erst in die Risikolage zu kommen. Bei Fernabsatzverträgen ist das dagegen nicht möglich, weil die Frist hier gemäß dem bisherigen § 3 Abs. 1 Fern- AbsG (= § 312d Abs. 2 RE) nicht vor Lieferung zu laufen beginnt. Diese Regelung des Fristenlaufs ist durch die Fernabsatzrichtlinie zwingend vorgegeben und nicht abdingbar. Das hat zur Folge, dass der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen den durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstehenden Wertverlust stets allein zu tragen hat. Zwar mag die Wertminderung infolge des „gebraucht statt neu“ in der Regel unerheblich sein. Sie kann indessen in Einzelfällen durchaus auch erheblich sein. Ein Beispiel hierfür sind Kraftfahrzeuge, die allein durch die Erstzulassung einen Wertverlust von etwa 20 % erleiden. In diesen Fällen wäre es nicht gerecht, wenn das Gesetz dem Unternehmer keine Möglichkeit bieten würde, diese Folge zu vermeiden. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass das Widerrufsoder Rückgaberecht des Verbrauchers wesentlich erschwert, wenn nicht gar zum Teil ganz ausgeschlossen würde, wenn dem Verbraucher die Verpflichtung auferlegt würde, einen durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstehenden erheblichen Wertverlust tragen zu müssen. Zwischen diesen widerstreitenden Interessen ist daher ein angemessener Ausgleich zu schaffen.

Die EG-rechtliche Zulässigkeit einer solchen Lösung wird gelegentlich in Zweifel gezogen (Hager in: Ernst/Zimmermann, S. 427, 447 f.). Diese Zweifel werden aus Artikel 6 Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie abgeleitet, wonach die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die Kosten der unmittelbaren Rücksendung sind. In der Diskussion (Ernst/Zimmermann S. 455, 456) ist aber zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es hier nicht um Kosten geht, die „infolge des Widerrufs“ entstehen. Es geht vielmehr um die Rückabwicklung von Vorteilen und Schäden, die durch die vorhergehende Benutzung entstehen. Diese Frage regelt die Fernabsatzrichtlinie nicht. Es heißt vielmehr in Erwägungsgrund 14 der Richtlinie ganz eindeutig: „Es ist Sache der Mitgliedstaaten, weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts festzulegen.“ Das soll hier geschehen:

Zu Satz 1

Absatz 3 Satz 1 bestimmt, dass der Verbraucher abweichend von § 346 Abs. 2 Nr. 3 RE auch eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Wertminderung zu ersetzen hat. Diese gegenüber dem Rücktrittsrecht zu Lasten des widerrufenden Verbrauchers vorgesehene Haftungserschwerung rechtfertigt sich dadurch, dass das Widerrufs- oder Rückgaberecht dem Verbraucher nicht von einer Vertragsverletzung des Unternehmers abhängt, sondern dem Verbraucher kraft Gesetzes in jedem Fall zusteht. Der Unternehmer kann mithin gar nicht vermeiden, vom widerrufenden Verbraucher die Sache „gebraucht“ zurücknehmen zu müssen, obwohl er diese vertragsgemäß geliefert hatte. Dagegen ist die Situation beim Rücktritt eine andere: Hier kann der Rücktrittsschuldner den Rücktritt nur erklären, wenn dem Rücktrittsgläubiger eine Vertragsverletzung anzulasten ist und dieser den Vertrag trotz Aufforderung hierzu nicht vollständig erfüllt hat. Einem Rücktrittsgläubiger, der seine Pflichten nicht erfüllt, kann freilich das Risiko einer Wertminderung der Sache infolge ordnungsgemäßer Ingebrauchnahme zugemutet werden, weil er es – anders als ein Unternehmer etwa beim Abschluss eines Fernabsatzvertrags, bei dem dem Verbraucher kraft Gesetzes ein Widerrufsrecht zusteht – selbst in der Hand hat, die Folgen zu vermeiden. Er hätte lediglich von vornherein vertragsgemäß liefern müssen oder könnte jedenfalls nacherfüllen. Vor diesem Hintergrund ist die in § 346 Abs. 2 Nr. 3 RE vorgesehene Haftungsbeschränkung des Rücktrittsberechtigten zwar beim Rücktritt sachgerecht, bei dem kraft Gesetzes eingeräumten Widerrufs- und Rückgaberecht indessen nicht.

Den Verbraucher darf indessen das Haftungsrisiko nicht unvorbereitet treffen. Deshalb sieht Absatz 3 Satz 1 2. Halbsatz vor, dass der Verbraucher eine durch die ordnungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstehende Wertminderung lediglich dann ersetzen muss, wenn der Unternehmer ihn zuvor in deutlich gestalteter Form (dies folgt aus dem Verweis auf § 355 Abs. 2 Satz 1 und 2) auf dieses Haftungsrisiko hingewiesen hat und ihm zudem eine Möglichkeit aufgezeigt hat, wie er die Wertminderung vermeiden kann. Der Unternehmer müsste also beim oben genannten Beispiel eines etwa im Internet verkauften Kraftfahrzeugs den Verbraucher sowohl darauf hinweisen, dass mit der Zulassung des Pkws ein regelmäßiger Wertverlust von 20 % einhergeht, dass der Verbraucher diese Wertminderung im Falle des Widerrufs und der Rückabwicklung des Vertrags zu tragen hat und dass er die Folgen nur dadurch vermeiden kann, dass er den Pkw erst zulässt, wenn er von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen will, weil er den Pkw – zum Beispiel durch eine Probefahrt auf Privatgelände - nach Prüfung für gut befunden hat. Im Fall eines im Fernabsatz verkauften Buches müsste der Unternehmer den Verbraucher darauf hinweisen, dass er das Buch zwar zur Prüfung des Inhalts und der Fehlerfreiheit aus der Verpackung nehmen und auch durchblättern kann, dass indessen eine darüber hinausgehende Nutzung, die dazu führt, dass der Unternehmer das Buch nicht mehr als „neu“ verkaufen kann, zu einem von ihm zu tragenden Wertverlust führen könne.

Zu Satz 2

Um auszuschließen, dass der Unternehmer dem Verbraucher auch ein solches Prüfungsrecht im Ergebnis nimmt und ihm auch insoweit das Wertminderungsrisiko auferlegt, bestimmt Satz 2, dass der Verbraucher den aus der bloßen Prüfung herrührenden Wertverlust – unabhängig davon, ob er vom Unternehmer auf ein solches Haftungsrisiko hingewiesen worden ist oder nicht – in keinem Fall tragen muss. Dies bedeutet, dass der Verbraucher für den Wertverlust, den ein Kleidungsstück allein dadurch erleidet, dass es aus der Verpackung genommen und anprobiert wird, oder den ein Buch durch das bloße Aufschlagen und kurzes Durchblättern erleidet, nicht aufzukommen braucht, dass er wohl aber die durch die Erstzulassung eines Pkws entstehende Wertminderung tragen müsste, wenn er entsprechend Satz 1 vom Unternehmer über diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit der Vermeidung belehrt worden ist. Denn diese Wertminderung ist gerade nicht auf die Prüfung des Pkws zurückzuführen, sondern beruht allein auf der Zulassung des Fahrzeugs und ist damit prüfungsunabhängig. Dagegen dürfte dem Verbraucher der Wertverlust, der dadurch entsteht, dass sich der Verbraucher in den Pkw setzt, alle Instrumente ausprobiert und mit dem Pkw eine kurze Strecke auf nichtöffentlicher Verkehrsfläche zurücklegt, in keinem Fall auferlegt werden.

Satz 2 kommt allerdings vor allem eine klarstellende Funktion zu. Denn § 346 Abs. 2 Nr. 3 2. Halbsatz RE setzt gerade voraus, dass durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache überhaupt ein Wertverlust eingetreten ist; damit ist die Wertminderung gemeint, die dadurch eintritt, dass die Sache nicht mehr als „neu“ verkauft werden kann. Eine solche Wertminderung tritt aber in der Regel ohnehin nicht durch die bloße Prüfung der Sache, sondern erst durch einen darüber hinausgehenden Gebrauch – oder eben bei Pkws durch die Erstzulassung – ein.

Zu Satz 3

Die Haftungserleicherung des § 346 Abs. 3 Nr. 3 RE soll dem Verbraucher grundsätzlich nicht zugute kommen, weil er auf Grund des schwebend wirksamen Vertrags gesteigerte Pflichten hat. Dies ist aber anders, wenn der Unternehmer ihn nicht über sein Widerrufsrecht belehrt und er auch sonst keine Kenntnis hiervon erlangt hat. Denn in diesem Fall handelt der Unternehmer selbst vertragswidrig, so dass insoweit die Wertung des § 346 Abs. 3 Nr. 3 RE gerechtfertigt ist und dem Verbraucher in diesen Fällen die Haftungserleichterung zugute kommen soll. Dies bestimmt Satz 3.

Zu Absatz 4

Absatz 4 übernimmt den geltenden § 361a Abs. 2 Satz 7.