Zu § 436 – Öffentliche Lasten von Grundstücken

Vorbemerkung

Rechte Dritter, die einen Rechtsmangel darstellen, können auch öffentlich-rechtliche Rechtspositionen sein (BGH, NJW 1983, 275). Ohne eine Sonderregelung könnte also beim Grundstückskauf im Bestehen öffentlicher Abgaben und nicht eintragungsfähiger öffentlicher Lasten ein Rechtsmangel liegen. Eine Rechtsmängelhaftung des Verkäufers wäre jedoch insofern nicht sachgerecht. Da es sich bei dieser Art von Belastungen nicht um die individuell bestimmten Rechtsverhältnisse des jeweiligen Grundstücks handelt, sondern um die Auswirkungen allgemeiner Regelungen, muss der Käufer mit ihnen rechnen und sich notfalls genauere Kenntnis verschaffen.

Derzeit haftet nach § 436 der Verkäufer in keinem Fall für die Freiheit des Grundstücks von öffentlichen Lasten, die zur Eintragung in das Grundbuch nicht geeignet sind. Zu den öffentlichen Lasten im Sinne dieser Vorschrift rechnen auch die Erschließungsbeiträge nach § 127 BauGB und andere öffentlich-rechtliche Anliegerbeiträge, insbesondere nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder. Nach dem bisherigen § 446 kommt es auf den Zeitpunkt der Übergabe an. Unter Berücksichtigung von § 103 hat demnach der Käufer alle Anliegerbeiträge zu tragen, die von der Übergabe des Grundstücks an fällig werden (BGH NJW 1994, 2283; 1982,1278).

Probleme ergeben sich aus dem derzeitigen § 436 nur für den Bereich der Erschließungsbeiträge und der sonstigen Anliegerbeiträge. Da Anliegerbeiträge regelmäßig erst einen Monat nach Zustellung des Beitragsbescheids fällig werden, der wiederum die endgültige Herstellung der Erschließungsanlage im Rechtssinne voraussetzt, ist es möglich, dass zwar die Erschließungsarbeiten beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags längst beendet sind und der Käufer deshalb ein voll erschlossenes Grundstück zu erwerben glaubt, dass er aber die Anliegerbeiträge zu tragen hat, weil der Beitragsbescheid erst erheblich später ergeht.

Welche Partei Beitragsschuldner wird und welche im Innenverhältnis die Anliegerbeiträge zu tragen hat, kann aus der Sicht der Vertragsparteien vom Zufall abhängen. In noch stärkerem Maße gilt das etwa, wenn der Verkäufer bereits einen Beitragsbescheid erhalten und den Beitrag gezahlt hatte, die zugrundeliegende Gemeindesatzung nachträglich für unwirksam erklärt wird, der Verkäufer deshalb seine Zahlung erstattet bekommt und der Käufer auf Grund einer neuen Satzung nach langer Zeit als nunmehriger Eigentümer einen neuen Beitragsbescheid erhält.

Da diese Rechtslage im Allgemeinen nicht den Interessen der Vertragsparteien gerecht wird, vereinbaren sie zumeist eine andere Lastenverteilung, in erster Linie nach dem tatsächlichen Ausbauzustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. Nieder, NJW 1984, 2662, 2665). Die Möglichkeit solcher Vereinbarungen macht eine gesetzliche Regelung aber nicht überflüssig, weil es immer wieder vorkommt, dass die Frage bei Abschluss des Vertrags nicht bedacht wird.

Zu Absatz 1

Absatz 1 sieht angesichts der bestehenden Probleme und der Vertragspraxis für Anliegerbeiträge eine besondere Regelung vor. Im Hinblick auf die erheblichen finanziellen Auswirkungen der Erschließungsbeiträge stellt die Vorschrift nicht auf die Fälligkeit der öffentlichrechtlichen Beitragsschuld ab.

Die Schuldrechtskommission hatte eine Verteilung nach dem tatsächlichen Ausbauzustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorgeschlagen, allerdings bereits auf Schwierigkeiten bei der Abwicklung hingewiesen, die sich daraus ergeben, dass der Ausbauzustand bei Vertragsschluss häufig nicht leicht zu ermitteln ist. Dies gilt insbesondere im Rahmen einer (gerichtlichen) Auseinandersetzung, die längere Zeit später stattfinden kann.

Der Entwurf sieht deshalb mit dem „bautechnischen Beginn“ eine andere Anknüpfung vor. Ob Bauarbeiten in einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt im Gang waren, lässt sich in aller Regel wesentlich einfacher feststellen als der genaue Stand ihres Fortschritts. Es ist erwogen worden, ohne weitere Einschränkung auf den Beginn der Erschließungsmaßnahmen abzustellen. Dieser Beginn ist indes schwierig zu ermitteln, weil die Erschließungsmaßnahmen in der Regel mit einer Beschlussfassung der kommunalen Gremien und einer Planungsphase beginnt. Auf solche Elemente kann nicht abgestellt werden, weil sie nicht äußerlich erkennbar sind. Dies ist bei dem bautechnischen Beginn der Maßnahme anders. Sobald sie in diesem Sinne sichtbar begonnen haben, kann der Verkäufer ihre voraussichtlichen Kosten bei der Vereinbarung des Kaufpreises berücksichtigen. Das schließt abweichende Vereinbarungen etwa nach dem tatsächlichen Ausbauzustand nicht aus, wie im Gesetzestext ausdrücklich klargestellt ist („soweit nicht anders vereinbart“).

Erfasst werden von der Vorschrift die Erschließungsbeiträge im Sinne der §§ 127 ff. BauGB und vergleichbare Lasten, die darauf beruhen, dass die Kosten öffentlicher Einrichtungen auf Grundstücke in ihrem Einzugsbereich bzw. auf deren Eigentümer umgelegt werden. Neben den Vorschriften des BauGB kommen insbesondere solche der Kommunalabgabengesetze in Betracht, aber auch Sonderregelungen für abgegrenzte Bereiche wie Spielplätze. Dass es nur um Anliegerbeiträge nach Vorschriften des öffentlichen Rechts geht, braucht nicht ausdrücklich in die Vorschrift aufgenommen zu werden. Wenn im Einzelfall einmal vergleichbare Leistungen auf Grund einer privatrechtlichen Verpflichtung zu erbringen sind, geht eine solche obligatorische Verpflichtung ohnehin nur auf Grund vertraglicher Übernahme auf den Käufer über, bei der zwangsläufig auch der Umfang der Übernahme vereinbart wird.

Absatz 1 ist nicht als Vorschrift über die Rechtsmängelhaftung ausgestaltet. Die Gründe, die dafür sprechen, sonstige öffentliche Lasten aus der Rechtsmängelhaftung auszuklammern, treffen auch für Anliegerbeiträge zu. Wenn der Käufer nach den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen Beitragsschuldner ist, so kann dies nicht als Pflichtverletzung des Verkäufers angesehen werden; die bei Rechtsmängeln vorgesehenen Rechtsbehelfe wären auch nicht sachgerecht. Es soll lediglich eine Verpflichtung des Verkäufers geschaffen werden, in bestimmtem Umfang Anliegerbeiträge zu tragen, für die nach den öffentlichrechtlichen Vorschriften der Käufer Beitragsschuldner ist. Verletzt der Verkäufer diese Pflicht, so ergeben sich die Folgen aus den allgemeinen Vorschriften.

Zu Absatz 2

Für die übrigen öffentlichen Lasten soll in Absatz 2 die Regelung des bisherigen § 436 unverändert beibehalten werden. Die Freistellung des Verkäufers gilt nicht für alle öffentlichrechtlichen Rechtspositionen, die gegenüber dem Grundstückseigentümer bestehen, sondern nur für Abgaben und Lasten, also für öffentlich-rechtliche Leistungspflichten, die aus dem Grundstück zu erfüllen sind (BGH, NJW 1983, 275). Nicht erfasst werden daher z. B. öffentlich-rechtliche Vorkaufsrechte, Verpflichtungen zur Übertragung des Eigentums (BGH aaO) oder öffentlichrechtliche Baubeschränkungen.

Ob öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen einen Rechts- oder Sachmangel darstellen, braucht auch in diesem Zusammenhang nicht vom Gesetz entschieden zu werden (vgl. die Begründung zu § 435 RE). Auch sofern sie als Rechtsmangel angesehen werden, fallen sie nicht unter Absatz 2, weil es sich nicht um Leistungen handelt, die aus dem Grundstück zu erbringen sind. Das gilt trotz des übereinstimmenden Begriffs auch für Baulasten auf Grund von Bauordnungsvorschriften des Landesrechts. Den Verkäufer auch insoweit freizustellen, wäre nicht angemessen. Zwar ist es dem Käufer möglich, sich wegen solcher Rechtsbeschränkungen zu erkundigen. Er muss aber nicht regelmäßig mit ihnen rechnen, und der Verkäufer hat jedenfalls keine geringeren Möglichkeiten, sich die entsprechende Kenntnis zu verschaffen.