Die Vorschrift übernimmt die Vermutung aus Artikel 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Es handelt sich um eine Umkehr der Beweislast zugunsten des Verbrauchers hinsichtlich der Mängel, die innerhalb von sechs Monaten nach der Lieferung offenbar werden. Nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen, die bei Lieferung einer mangelhaften Sache – wie erwähnt – aus § 363 hergeleitet werden, muss der Käufer die Voraussetzungen seines Gewährleistungsanspruchs behaupten und beweisen. Dazu gehört auch, dass der Mangel bei Gefahrübergang vorhanden war und nicht erst später infolge des anschließenden (übermäßigen) Gebrauchs der Sache durch den Käufer entstanden ist.
In diesem Zusammenhang stellt Artikel 3 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zwar für den Zeitpunkt der Vertragswidrigkeit auf die Lieferung ab. Die Mitgliedstaaten müssen wegen der Bezugnahmen auf den Zeitpunkt der Lieferung in der Richtlinie ihre Vorschriften über den Gefahrübergang nicht ändern, wie Erwägungsgrund (14) klarstellt. Demgemäss stellt § 434 Abs. 1 RE wie das bisherige Recht auch ausdrücklich auf den Gefahrübergang als maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Mangelfreiheit der Sache ab. Ein anderer Zeitpunkt kommt aus Sachgründen auch gar nicht in Betracht, wie in der Begründung zu § 434 RE näher ausgeführt ist. In aller Regel wird es sich dabei ohnehin um den Zeitpunkt der Lieferung der Sache handeln, da gemäß § 445 Satz 1 RE die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung mit der Übergabe der Sache auf den Käufer übergeht. Nur in den Fällen des § 445 Satz 3 RE, der den Annahmeverzug der Übergabe gleichstellt, ist das anders. Mit dem Annahmeverzug überträgt das Gesetz dem Käufer die Verantwortung für die Sache, obwohl eine Übergabe noch nicht stattgefunden hat. Dann kann dieser Zeitpunkt aber auch im Zusammenhang der Beweislastumkehr des § 474 RE für den Beginn der sechsmonatigen Frist nicht ohne Bedeutung sein. Andernfalls könnte der Käufer durch seinen Annahmeverzug den Beginn der Frist zum Nachteil des Verkäufers beliebig hinauszögern.
Mit den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie steht die Regelung in § 474 RE in Einklang. Die Richtlinie regelt nämlich die Folgen des Annahmeverzugs des Käufers nicht, sondern überlässt dies den Mitgliedstaaten.
Da Grundlage der Vorschrift die schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers und die – jedenfalls in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Übergabe – ungleich besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers sind und sie daher einen spezifisch verbraucherschützenden Charakter hat, empfiehlt es sich nicht, sie in die allgemeinen Vorschriften des Kaufrechts einzustellen, sondern ihren Anwendungsbereich auf den Verbrauchsgüterkauf zu beschränken.
Die Vermutung gilt nach ihrem letzten Halbsatz nicht, wenn sie mit der Art der Sache oder der Art des Mangels nicht vereinbar ist. Ersteres betrifft vor allem gebrauchte Sachen, die auch von der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erfasst werden. Bei gebrauchten Sachen besteht schon wegen des sehr unterschiedlichen Grades der Abnutzung kein entsprechender allgemeiner Erfahrungssatz. Mit der Art des Mangels wird die Vermutung zum Beispiel häufig bei Tierkrankheiten unvereinbar sein, weil wegen der Ungewissheiten über den Zeitraum zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit nicht selten ungewiss bleiben wird, ob eine Ansteckung bereits vor oder erst nach Lieferung des Tieres an den Käufer erfolgt ist. Eine Vermutung dahin, dass der Mangel zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen hat, lässt sich dann nicht rechtfertigen. Das muss aber nicht unbedingt auch für andere Fehler eines Tieres gelten.