Anwendbarkeit der
AGB-Regelungen (§§ 305 ff BGB) auf Arbeitsverträge: "Angemessene
Berücksichtigung" der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gem. § 310 IV
BGB (Vertragsstrafenabrede im Formulararbeitsvertrag)
BAG 8. Senat Urteil vom 4. 3. 2004 - 8 AZR 196/03 -
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsätze:
1. Zwar sind Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig; in formularmäßigen Arbeitsverträgen folgt aus der
angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 IV Satz 2 1. Halbsatz BGB jedoch die grundsätzliche Zulässigkeit
von Vertragsstrafenabreden. Die Unwirksamkeit solcher Vereinbarungen kann sich aber auf Grund einer unangemessenen Benachteiligung ergeben (§ 307 I
BGB).
2. Ist eine Vertragsstrafe in einem Formulararbeitsvertrag zu hoch, kommt eine geltungserhaltende Reduktion grundsätzlich nicht in Betracht.
Zentrale Probleme:
Die Arbeitgeberin, ein
Einzelhandelsunternehmen, schloss mit der Beklagten am 23. Januar 2002 einen
Arbeitsvertrag. Danach sollte jene ab dem 1. März 2002 bei einer monatlichen
Bruttovergütung von 1.840,65 Euro als Fachverkäuferin tätig werden. In § 11
des Arbeitsvertrags war ua. geregelt, dass sie eine Vertragsstrafe in Höhe
eines Bruttomonatsentgelts zu zahlen hat, wenn sie ihr Arbeitsverhältnis
nicht antritt oder vertragswidrig löst. Die Kündigung vor Dienstantritt war
vertraglich ausgeschlossen; in der Probezeit betrug die Kündigungsfrist zwei
Wochen. Mit Schreiben vom 27. Januar 2002 teilte die Arbeitnehmerin mit,
dass sie ihre Tätigkeit nicht aufnehmen werde. Mit der Klage macht das
Einzelhandelsunternehmen die Vertragsstrafe geltend.
Seit Inkrafttreten des Schuldrechtsreformgesetzes findet eine
Inhaltskontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB
statt. Die früher für das Arbeitsrecht geltende Bereichsausnahme des
Gesetzes zur Regelung Allgemeiner Geschäftsbedingungen wurde aufgehoben. Bei
der Anwendung der §§ 305 ff. BGB nF auf Arbeitsverträge sind jedoch gemäß §
310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten
angemessen zu berücksichtigen (s. dazu auch BAG NZA
2005, 2131). In der Rechtsprechung und im Schrifttum
besteht seitdem Streit, ob Vertragsstrafenversprechen in vorformulierten
Arbeitsverträgen noch zulässig sind, denn nach § 309 Nr. 6 BGB ist eine in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Bestimmung, durch die dem
Verwender ua. für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich von Vertrag
löst, eine Vertragsstrafe versprochen wird, unwirksam.
Der Senat hat die Zulässigkeit entsprechender Vertragsstrafenabreden im
Arbeitsrecht auch nach der neuen Rechtslage nicht generell verneint. Als
Besonderheit des Arbeitsrechts hat er den Umstand angesehen, dass ein
Arbeitnehmer zur Erbringung der Arbeitsleistung gemäß § 888 Abs. 3 ZPO nicht
durch Zwangsgeld oder Zwangshaft angehalten werden kann.
Vertragsstrafenversprechen, die den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, sind aber unwirksam (§ 307
BGB). Diese Unangemessenheit kann auch in einem Missverhältnis zwischen der
Pflichtverletzung und der Höhe der Vertragsstrafe begründet sein. Demgemäß
ist eine Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts der Arbeit angesichts
einer zweiwöchigen Kündigungsfrist in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehalts
regelmäßig zu hoch. Dies führt zur Unwirksamkeit der Vertragstrafenregelung,
eine Herabsetzung ist nicht möglich.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Vertragsstrafe. Am 23. 1.
2002 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, in dem die Einstellung der
Bekl. als Verkäuferin bei der Kl. ab dem 1. 3. 2002 vereinbart wurde.
Nach § 2 des Arbeitsvertrags war eine sechsmonatige Probezeit mit einer
beiderseitigen Kündigungsfrist von zwei Wochen vereinbart. Gem. § 3 des
Arbeitsvertrags betrug die monatliche Vergütung 1.840,65 Euro.
§ 11 des Arbeitsvertrags lautete wie folgt:
"Tritt der/die Arbeitnehmer/in das Arbeitsverhältnis nicht an, löst er/sie
das Arbeitsverhältnis unter Vertragsbruch oder wird der Arbeitgeber durch
schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin
zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst, so hat der/die
Arbeitnehmer/in an den Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von einem
Brutto-Monatsgehalt/-lohn zu zahlen. Der Arbeitgeber kann einen
weitergehenden Schaden geltend machen."
§ 12 des Arbeitsvertrags lautete:
"1. Das Arbeitsverhältnis kann nach Ablauf der Probezeit beiderseits mit
einer Frist von § 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats
(gesetzliche Mindestkündigungsfrist)
§ 4 Wochen (gilt nur für Kleinbetriebe bis 20 Arbeitnehmer gem. § 622 Abs. 5
Nr. 2 BGB)
§ ./.
gekündigt werden. Ist nichts anderes vereinbart, gilt eine Kündigungsfrist
von vier Wochen zum Ende des Kalendermonats.
2. Soweit dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin auf Grund gesetzlicher
Vorschriften nur mit einer verlängerten Frist gekündigt werden darf, gilt
diese verlängerte Kündigungsfrist auch für eine Kündigung seitens des
Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin. Eine verspätet zugegangene Kündigung gilt
als Kündigung für den nächstzulässigen Zeitpunkt. Eine fristlose Kündigung
gilt vorsorglich auch als fristgemäße Kündigung für den nächstzulässigen
Zeitpunkt. Eine Kündigung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist
unzulässig."
Mit Schreiben vom 27. 1. 2002 teilte die Bekl. der Kl. mit, dass sie die
Arbeit nicht antreten werde und kündige.
Die Kl. hat die Auffassung vertreten, die Bekl. habe durch ihre Kündigung
eine Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts verwirkt. Sie hat
beantragt, die Bekl. zu verurteilen, an die Kl. 1.840,65 Euro nebst 5 %
Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Bekl. hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten,
die Kl. habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe. Die
Aufkündigung eines Arbeitsverhältnisses sei vor Aufnahme der Beschäftigung
möglich. Die vereinbarte Kündigungsfrist habe die Bekl. eingehalten. Der Kl.
sei eine termingerechte Besetzung der Stelle ab 1. 3. 2002 noch möglich
gewesen. Auf Grund des Angebots auf dem Arbeitsmarkt seien vier Wochen
ausreichend, um eine entsprechende Fachverkäuferin zu finden. Allein im
Arbeitsamtbezirk Bochum seien im Februar 2002 mindestens 150 Arbeitnehmer
mit der Qualifikation "Lebensmittelfachverkäufer" als arbeitssuchend
gemeldet gewesen. Schließlich sei auch die Höhe der vereinbarten
Vertragsstrafe nicht angemessen. Die vereinbarte Vertragsstrafe von einem
Monatsgehalt berücksichtige nicht die verkürzte Kündigungsfrist in der
Probezeit.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Kl. den Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Kl. ist unbegründet. Sie kann die Zahlung einer
Vertragsstrafe von der Bekl. nicht verlangen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat die Vertragsstrafenvereinbarung im Hinblick
auf § 309 Nr. 6 und § 307 BGB für unwirksam gehalten. Bei der Vertragsstrafe
handele es sich um eine wirksam in den Vertrag einbezogene allgemeine
Geschäftsbedingung in einem Musterarbeitsvertrag. Eine teleologische
Reduktion des § 309 Nr. 6 BGB nur auf Kunden- und Verbraucherverträge
scheide aus. Die fehlende Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888
III ZPO sei keine Besonderheit des Arbeitsrechts, da sie auch für den
Dienstvertrag gelte. Die bisherige Üblichkeit von Vertragsstrafenregelungen
im Arbeitsrecht stelle keine arbeitsrechtliche Besonderheit dar, genauso
wenig wie eventuelle Beweisschwierigkeiten bei der Geltendmachung eines
Schadensersatzanspruchs.
Doch selbst wenn § 309 Nr. 6 BGB nicht eingreife, sei die Klausel, die eine
Kündigung vor Vertragsantritt ausschließe, möglicherweise überraschend und
damit nach § 305c BGB unwirksam. Damit fehle es an einem Vertragsbruch.
Jedenfalls stelle eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsgehalts für den
Fall des Vertragsbruchs in der Probezeit, in der eine Kündigungsfrist von
zwei Wochen bestehe, eine unangemessene Benachteiligung dar. Die Kl. habe
leicht eine Ersatzkraft finden können. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe
nach § 343 BGB komme nicht in Betracht.
B. Diese Ausführungen halten im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der
Begründung der revisionsrechtlichen Prüfung stand. Die
Vertragsstrafenvereinbarung ist allerdings nicht bereits nach § 309 Nr. 6
BGB unwirksam, da insoweit die angemessene Berücksichtigung von im
Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten entgegensteht. Die Unwirksamkeit der
Vertragsstrafenabrede in § 11 des Arbeitsvertrags vom 23. 1.2002 ergibt sich
jedoch aus § 307 BGB.
I. Die Vertragsstrafenabrede ist als Allgemeine Geschäftsbedingung in den
Arbeitsvertrag der Parteien einbezogen worden. Dieser wurde im Jahre 2002
geschlossen, so dass auf ihn die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches in
der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. 11.
2001 anzuwenden sind. Hierzu gehört auch die in den §§ 305 bis 310 BGB
geregelte Gestaltung des Schuldverhältnisses durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen. Der Arbeitsvertrag der Bekl. besteht aus für eine
Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbestimmungen, welche die Kl.
der Bekl. bei Abschluss des Vertrages stellte.
Daher handelt es sich nach der Legaldefinition des § 305 I Satz 1 BGB um
Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nach § 339 BGB kann eine Vertragsstrafe für
den Fall vereinbart werden, dass der Schuldner eine Verbindlichkeit nicht
oder nicht in gehöriger Weise erfüllt. Die Vertragsstrafe ist ein vom
Gesetzgeber zur Verfügung gestelltes besonderes Rechtsinstitut des
Bürgerlichen Rechts für Schuldverhältnisse und kann demgemäß auch in
Arbeitsverhältnissen vereinbart werden.
Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen
Kündigungsfrist oder auch aus wichtigem Grund fristlos vor dem vereinbarten
Dienstantritt gekündigt werden. Im Streitfall haben die Parteien eine
Kündigung vor Dienstantritt aber ausdrücklich ausgeschlossen. Dieser
Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit vor Antritt der Arbeit ist nach
ständiger Rechtsprechung des BAG zulässig (13. 6. 1990 - 5 AZR 304/89 -; 2.
11. 1978 - 2 AZR 74/77 - BAGE 31, 121 = AP BGB § 620 Nr. 3 = EzA BGB § 620
Nr. 38). Zu Gunsten der Kl. kann daher von einem schuldhaften Nichtantritt
der Arbeit durch die Bekl. ausgegangen werden. Diese Pflichtverletzung löst
jedoch keinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe aus, denn die dem
zugrunde liegende Vereinbarung ist unwirksam.
II. Zwar sind nach § 309 Nr. 6 BGB Vertragsstrafenvereinbarungen als
Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
unwirksam. In formularmäßigen Arbeitsverträgen folgt aber aus der
angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten
nach § 310 IV Satz 2 1. Halbsatz BGB die grundsätzliche Zulässigkeit von
Vertragsstrafenabreden.
1. Vertragsstrafenvereinbarungen wie die vorliegende erfüllen den Tatbestand
des § 309 Nr. 6 BGB. Nach dieser Vorschrift ist unter anderem eine
Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die dem
Verwender für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst,
die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird. Im Schrifttum wird jedoch
teilweise die Auffassung vertreten, die Vorschrift des § 309 Nr. 6 BGB sei
insgesamt nicht auf Arbeitsverhältnisse zugeschnitten, sondern primär am
Bild des zahlungspflichtigen Kunden orientiert. Dies zeigten die anderen
dort genannten Fälle wie die Nichtabnahme oder die verspätete Abnahme der
Leistung und des Zahlungsverzugs (Nachweise bei ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB
Rn. 93; Gotthardt Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform Rn. 250; derselbe
ZIP 2002, 277, 283; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 27;
Stoffels AGBRecht Rn. 903; Seitz/Hülbach in Tschöpe Anwalts-Handbuch
Arbeitsrecht Teil 2 D Rn. 41; ebenso ArbG Duisburg 14. 8. 2002 - 3 Ca
1676/02 - AiB 2003, 189).
Auch habe der Gesetzgeber mit dem Tatbestand der "Lösung vom Vertrag" nicht
die Beendigung des Arbeitsvertrags im Auge gehabt. Vielmehr solle die
Vorschrift - wie zuvor der gleich lautende § 11 Nr. 6 AGBG - einem
Missbrauch von Reuegeldern und Abstandssummen entgegenwirken (vgl.
BT-Drucks. 7/3919 S. 30; Lingemann NZA 2002, 181, 192; Gotthardt ZIP 2002,
277, 283; Henssler RdA 2002, 129, 138); daher habe das BAG letztgenannte
Vorschrift schon bisher zu Recht auf Arbeitsverträge nicht angewendet (Preis
Sonderbeilage NZA 2003, 19, 32 unter Hinweis auf Senat 27. 4. 2000 - 8 AZR
301/99 -; Preis/Stoffels aaO).
Eine generelle Nichtanwendung der Norm des § 309 Nr. 6 BGB auf
Arbeitsverträge auf Grund teleologischer Reduktion kann aber nicht
angenommen werden.
Die Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge entspricht vielmehr
grundsätzlich dem Willen des Gesetzgebers. Nach dem ursprünglichen
Gesetzentwurf sollte die im AGBG für das Arbeitsrecht geltende
Bereichsausnahme des § 23 AGBG aF auf §§ 305 bis 310 BGB übertragen werden;
diese Vorschriften sollten mithin keine Anwendung auf dem Gebiet des
Arbeitsrechts finden (BT-Drucks. 14/7052 S. 24). Auf die Bitte des
Bundesrats, zu überprüfen, ob diese Ausnahme für das Arbeitsrecht noch
sachgerecht sei (BT-Drucks. 14/6857 S. 17), schlug die Bundesregierung vor,
§ 310 IV BGB wie nunmehr geschehen zu fassen, damit das Schutzniveau der
Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter demjenigen im
Zivilrecht zurückbleibt.
Eine Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB soll gem. § 310 IV Satz 1 BGB
nur bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- oder
Gesellschaftsrechts sowie bei Tarifverträgen, Betriebs- oder
Dienstvereinbarungen unterbleiben. Bei der Inhaltskontrolle von
Arbeitsverträgen sollen dagegen lediglich die im Arbeitsrecht geltenden
Besonderheiten gem. § 310 IV Satz 2 BGB angemessen berücksichtigt werden,
eine Kontrolle dagegen nicht von vornherein ausgeschlossen sein.
Hierdurch und durch die Streichung der früheren Bereichsausnahme für das
Arbeitsrecht in § 23 AGBG aF hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass die
Anwendung der Klauselverbote grundsätzlich auch für Formulararbeitsverträge
gilt. Dieser ausdrückliche Wille des Gesetzgebers steht einer
einschränkenden Auslegung des § 309 Nr. 6 BGB entgegen. Nach ihrem
eindeutigen Wortlaut ist die Norm somit grundsätzlich auf alle Fälle der
"Lösung vom Vertrag" anzuwenden (ebenso Reichenbach NZA 2003, 309, 311;
insoweit zutreffend Däubler NZA 2001, 1329, 1336; Holtkamp AuA 2002, 251,
254; Klevemann Anm. zu AiB 2002, 577, 579; Reinecke DB 2002, 583, 585). Als
Lösung vom Vertrag ist sowohl der Vertragsbruch als auch der Nichtantritt
des Arbeitsverhältnisses anzusehen (vgl. BAG 17. 7. 1985 - 5 AZR 104/84 -).
2. Die angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden
Besonderheiten führt zu dem Ergebnis, dass Vertragsstrafen grundsätzlich
weiterhin im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträge
einbezogen werden können.
a) In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob und inwieweit die
Vereinbarung von Vertragsstrafenklauseln in Formulararbeitsverträgen nach
der Schuldrechtsreform noch möglich ist.
aa) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, das Klauselverbot gem. § 309 Nr.
6 BGB finde ungeachtet des § 310 IV Satz 2 1. Halbsatz BGB "ungefiltert", dh.
Uneingeschränkt (Birnbaum NZA 2003, 944, 950) Anwendung.
(1) Zur Begründung wird zum Teil auf den Wortlaut des § 309 Nr. 6 BGB
einschließlich der amtlichen Überschrift (Klauselverbote ohne
Wertungsmöglichkeit) abgestellt (Hessisches LAG 25. 4. 2003 - 17 Sa 1723/02
- unter Verweis auf die gleich lautende Vorschrift des § 11 Nr. 6 AGBG; LAG
Düsseldorf 8. 1. 2003 - 12 Sa 1301/02 - LAGE BGB 2002 § 309 Nr. 1 = AP BGB
2002 § 309 Nr. 2; Abel Anm. zu AiB 2002, 442; Däubler NZA 2001, 1329, 1336;
Kittner/Zwanziger/Lakies Arbeitsrecht Handbuch für die Praxis § 79 Rn. 20c;
Klevemann Anm. zu AiB 2002, 577, 579; Reinecke DB 2002, 583; Schuster Anm.
zu AiB 2003, 708). § 309 Nr. 6 sei lex specialis gegenüber § 310 IV Satz 2
1. Halbsatz BGB (ArbG Bielefeld 2. 12. 2002 - 3 Ca 3733/02 -). Vereinzelt
wird auch vertreten, über den Wortlaut der Norm ("für den Fall, dass der
andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst") hinaus seien im Arbeitsrecht
sämtliche Vertragsstrafenabreden unwirksam, weil das gesetzliche
Unbilligkeitsurteil Vertragsstrafen im Arbeitsrecht insgesamt und nicht nur
die für den Fall des Vertragsbruchs verwirkten erfasse (Kittner/Zwanziger/Lakies
aaO; von Koppenfels NZA 2002, 598, 602).
(2) Eine andere Argumentation für die grundsätzlich uneingeschränkte
Anwendbarkeit von § 309 Nr. 6 BGB legt § 310 IV Satz 2 1. Halbsatz BGB eng
aus. Danach ist diese Norm nicht so zu verstehen, dass mit den "im
Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten" dasjenige gemeint wäre, was dieses
Rechtsgebiet von anderen unterscheide; vielmehr seien nur spezielle
Gegebenheiten innerhalb des Arbeitsrechts oder Sonderarbeitsverträge
gemeint, also Besonderheiten des jeweiligen Vertrags wie Befristungen,
Arbeitsverhältnisse mit Tendenzunternehmen etc. (Birnbaum NZA 2003, 944;
Hümmerich AnwBl. 2002, 671, 679; derselbe NZA 2003, 753, 762; derselbe/
Holthausen NZA 2002, 173, 178). Danach unterläge ein Arbeitsvertrag zunächst
der uneingeschränkten Inhaltskontrolle; lediglich für einzelne Ausschnitte
des Arbeitsrechts bzw. Sonderarbeitsrechtsbeziehungen gälte eine
"modifizierte" Inhaltskontrolle, nämlich soweit Besonderheiten dieser
speziellen Arbeitsverhältnisse diese Modifikationen erforderlich machten
(Birnbaum NZA 2003, 944, 946). Nach dieser Auffassung wäre die
Vertragsstrafenklausel gegebenenfalls bei Verträgen mit hochbesoldeten oder
besonders qualifizierten Arbeitnehmern wirksam, sofern gerade diese Umstände
den besonderen Schutz des Arbeitgebers davor erfordern, dass der
Arbeitnehmer die Stelle nicht antritt oder fristwidrig verlässt (ähnlich
Reinecke DB 2002, 583, 586). Für ein solches Verständnis des § 310 IV Satz 2
1. Halbsatz BGB wird angeführt, dass der Rechtsausschuss im
Gesetzgebungsverfahren spezifische Bereiche des Arbeitsrechts mit dem
Beispiel des kirchlichen Arbeitsrechts (BT-Drucks. 14/7052 S. 189) erwähnt
hat (Birnbaum NZA 2003, 944, 947; Hümmerich AnwBl. 2002, 671, 679; derselbe/
Holthausen NZA 2002, 173, 178). Auch die Funktion des Arbeitsrechts als
Arbeitnehmerschutzrecht spreche für diese enge Auslegung der
Ausnahmeregelung; ebenso lege es der Wortlaut der Norm ("die im Arbeitsrecht
geltenden Besonderheiten") nahe, dass nicht die "Besonderheiten des
Arbeitsrechts", sondern nur diejenigen "innerhalb des Arbeitsrechts" gemeint
seien (Birnbaum NZA 2003, 944, 948). Im vorliegend zu entscheidenden Falle
handelt es sich nicht um ein besonderes Arbeitsverhältnis, so dass nach
dieser Auffassung die Vertragsstrafenklausel nach § 309 Nr. 6 BGB unwirksam
wäre.
(3) Andere Teile von Rechtsprechung und Literatur beziehen § 310 IV Satz 2
1. Halbsatz BGB zwar auf Besonderheiten des Rechtsgebiets Arbeitsrecht im
Ganzen, vertreten jedoch die Auffassung, gemeint seien nur die rechtlichen,
nicht die tatsächlichen Besonderheiten, die das Arbeitsrecht von anderen
Rechtsgebieten unterschieden.
Dies folge zum einen daraus, dass der Gesetzgeber - anders als in der
Gesetzesbegründung vorgesehen - nicht mehr von den "besonderen Bedürfnissen
eines Arbeitsverhältnisses", sondern von den "im Arbeitsrecht geltenden
Besonderheiten" spreche (Hessisches LAG 7. 5. 2003 - 2 Sa 53/03 -); "gelten"
könnten nicht tatsächliche, sondern nur rechtliche Momente (Hessisches LAG
7. 5. 2003 - 2 Sa 53/03 -; LAG Hamm 24. 1. 2003 - 10 Sa 1158/02 - AP BGB
2002 § 309 Nr. 1; ArbG Bochum 8. 7. 2002 - 3 Ca 1287/02 - DB 2002, 1659 =
NZA 2002, 978; Thüsing NZA 2002, 591, 592; derselbe BB 2002, 2666, 2673;
Preis Sonderbeilage NZA 2003, 19, 26; aA dagegen wohl Joost FS Ulmer S.
1199, 1203; Leder/Morgenroth NZA 2002, 952, 956).
Daher sei die bisherige Üblichkeit einzelner Klauseln ebenso wenig ein
taugliches Argument wie die besondere tatsächliche Situation der
Vertragsparteien (Thüsing NZA 2002, 591, 593), also zB Beweisschwierigkeiten
hinsichtlich der Schadenshöhe bei Vertragsbruch.
Im Arbeitsrecht geltende rechtliche Besonderheiten, welche die
Zulässigkeit von Vertragsstrafenklauseln rechtfertigen könnten, sind nach
der vorstehend dargestellten Auffassung nicht gegeben. Als Besonderheiten
des Arbeitsrechts, so wird von dieser Meinung vertreten, kämen nur jene
Rechtsnormen in Betracht, die nur für Arbeitsverträge, nicht jedoch zugleich
für andere Vertragstypen gälten (Thüsing BB 2002, 2666, 2673). Daher
handele es sich auch dann nicht um eine rechtliche Besonderheit von
Arbeitsverhältnissen, wenn man die Arbeitsleistung als unvertretbare, nach §
888 III ZPO nicht vollstreckbare Handlung ansehe, denn derartige
Vollstreckungsprobleme ergäben sich bei Dienstverträgen aller Art, nicht nur
bei Arbeitsverträgen (Hessisches LAG 7. 5. 2003 - 2 Sa 53/03 -;
Klevemann Anm. zu AiB 2002, 577, 579, 581; ähnlich auch Herbert/Oberrath NZA
2004, 121, 126). Zum Teil wird auch vertreten, es gebe keinerlei "im
Arbeitsrecht geltende Besonderheiten", die geeignet wären, sich gegenüber
dem zwingenden Recht der §§ 307 ff. BGB durchzusetzen (Schierbaum in
Berscheid/Kunz/Brand PraxisArbR Teil 2 Rn. 2170, vgl. aber auch Rn. 2174;
ähnlich auch Henssler/Graf von Westphalen Praxis der Schuldrechtsreform 1.
Aufl. § 310 Rn. 7).
bb) Andere Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur halten die
Einbeziehung von Vertragsstrafenklauseln durch Allgemeine
Geschäftsbedingungen auch für den Fall der Lösung vom Vertrag nach wie vor
für zulässig und begründen dies mit im Arbeitsrecht geltenden
Besonderheiten, deren Berücksichtigung zur Nichtanwendung von § 309 Nr. 6
BGB auf Arbeitsverhältnisse führe. Zunächst finde ungeachtet der Überschrift
des § 309 BGB ("Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit") auch diese Norm
nur unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten Anwendung
(so Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 310 Rn. 51 unter Hinweis auf die
Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme der Bundesrats; Bauer/Kock
DB 2002, 42, 45). Es sei nicht erkennbar, dass die Berücksichtigung
arbeitsrechtlicher Besonderheiten bei der Anwendung des § 309 BGB nach dem
Willen des Gesetzgebers von vornherein ausgeschlossen sein solle (Söllner
ZfA 2003, 145, 157). Nach der Gesetzesbegründung solle § 310 IV Satz 2 BGB
vor allem mit Blick auf spezielle Klauselverbote gelten (Berger-Delhey ZTR
2002, 66, 67). Diese Norm bewirke, dass auf dem Gebiete des Arbeitsrechts
die Klauselverbote "ohne" Wertungsmöglichkeit des § 309 BGB zu solchen "mit"
Wertungsmöglichkeit würden (Joost FS Ulmer S. 1199, 1203; Conein-Eikelmann
DB 2003, 2546, 2548); für diesen Bereich sei die Überschrift eine
"Falschbezeichnung" (Annuß BB 2002, 458, 462).
Die demnach auch im Rahmen von § 309 Nr. 6 BGB gebotene angemessene
Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten führe zur
grundsätzlichen Zulässigkeit formularmäßig einbezogener Vertragsstrafen auch
für den Fall der Lösung vom Vertrag. Dies wird mit folgenden Argumenten
begründet:
(1) Es wird angeführt, auf Grund besonderer rechtlicher Gegebenheiten des
Arbeitsrechts stelle die Vertragsstrafe typischerweise die einzig wirksame
Möglichkeit dar, den Arbeitnehmer zur Erfüllung der Arbeitspflicht
anzuhalten (Seitz/Hülbach in Tschöpe Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht Teil 2 D
Rn. 41; Heinze NZA 1994, 244, 249).
Der Grund liege darin, dass die Durchsetzung der Arbeitspflicht im Wege der
Zwangsvollstreckung gem. § 888 III ZPO ausgeschlossen sei (Annuß BB 2002,
458, 463; Conein-Eikelmann DB 2003, 2546; Hromadka NJW 2002, 2523, 2528;
Hümmerich NZA 2003, 753, 762; Reichenbach NZA 2003, 309; Schulte/Möller BuW
2003, 35, 36; Sin-ger RdA 2003, 194, 202; vgl. auch Preis Sonderbeilage NZA
2003, 19, 33 mwN; Reichold ZTR 2002, 202, 207).
(2) Zu Gunsten der Zulässigkeit von Vertragsstrafenklauseln auch nach neuem
Schuldrecht wird weiter argumentiert, derartige Klauseln seien, was bei der
Prüfung arbeitsrechtlicher Besonderheiten ins Gewicht falle, schon bisher
üblich gewesen (Bartz AuA 2002, 62, 64; Lingemann NZA 2002, 181, 192). Der
Gesetzgeber habe einen Bruch mit der gefestigten Rechtsprechung, wie sie zur
Zulässigkeit von Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträgen bestanden habe,
nicht beabsichtigt (Berkowsky AuA 2002, 11, 15; Leder/Morgenroth NZA 2002,
952, 954; Schaub/Linck Arbeitsrechts - Handbuch § 60 Rn. 4), zumal diese
Rechtsprechung einem begründeten und billigenswerten Interesse des
Arbeitgebers entspreche (Reichold ZTR 2002, 202, 207). Bereits bisher habe
die vom BAG vorgenommene Heranziehung von Grundsätzen des AGBG über § 242
BGB auf besonderen Rahmenbedingungen und Interessenlagen auf dem Gebiet des
Arbeitsrechts beruht; § 310 IV Satz 2 BGB ermögliche es, diese
Rechtsprechung fortzuführen (Henssler RdA 2002, 129, 135; Hromadka NJW 2002,
2523, 2528; Seitz/Hülbach in Tschöpe Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht Teil 2 D
Rn. 40).
b) Auch nach der Schuldrechtsreform ermöglichen die im Arbeitsrecht
geltenden Besonderheiten die - auch formularmäßige - Vereinbarung einer
Vertragsstrafe für den Fall der rechtswidrigen Lösung von einem
Arbeitsvertrag. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob gem. § 310 IV Satz 2
BGB nur rechtliche oder auch tatsächliche Besonderheiten Berücksichtigung
finden. Die Besonderheiten, die zur weiteren Zulässigkeit von
Vertragsstrafenvereinbarungen auch im Falle der Lösung vom Vertrag (§ 309
Nr. 6 BGB) sprechen, sind nämlich rechtlicher Natur.
aa) Auch bei den Klauselverboten "ohne Wertungsmöglichkeit" des § 309 BGB
sind gem. § 310 IV Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten
angemessen zu berücksichtigen. Die amtliche Überschrift des § 309 BGB steht
dem nicht entgegen. Bereits nach dem Wortlaut von § 310 IV Satz 2 iVm. Satz
1 BGB bezieht sich die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden
Besonderheiten auf den gesamten Abschnitt, also die §§ 305 bis 310 BGB.
Durch die aus der Vorgängervorschrift des § 11 AGBG übernommene Überschrift
soll verdeutlicht werden, dass die Klauselverbote des § 309 BGB im Gegensatz
zu § 308 BGB keine unbestimmten Rechtsbegriffe verwenden, so dass die
genannten Klauseln unabhängig von einerrichterlichen Wertung unwirksam sind.
Der Umstand, dass § 309 Nr. 5b) und Nr. 8b)dd) gleichwohl die unbestimmten
Rechtsbegriffe "wesentlich" bzw. "unverhältnismäßig" enthält, steht dem
nicht entgegen (Palandt/Heinrichs BGB § 309 Rn. 2).
Über diese Abgrenzung zu § 308 BGB hinaus kann der Überschrift nicht der
Sinn beigelegt werden, die Berücksichtigung arbeitsrechtlicher
Besonderheiten zusperren. Dies ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck des §
310 IV Satz 2BGB. Die Äußerung der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren
bezeichnet es gerade als wesentlichen Sinn der Regelung, dass "vor allem die
besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit im Arbeitsrecht nicht
zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen" (BT-Drucks. 14/6857 S.
54; im gleichen Sinne Bauer/Kock DB 2002, 42, 45; Joost FS Ulmer S. 1199,
1203; Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 310 Rn. 51; Söllner ZfA 2003, 145,
157; aA ArbG Bielefeld 2. 12. 2002 - 3 Ca 3733/02 -). Dieses Ziel würde
verfehlt, nähme man § 309 BGB von der Berücksichtigung der
arbeitsrechtlichen Besonderheiten aus. In diesem Falle bliebe im
Wesentlichen nur dort Raum zur Anwendung von § 310 IV Satz 2 BGB, wo ohnehin
eine richterliche Wertungsmöglichkeit eröffnet ist, nämlich vor allem bei §§
307 f. BGB. Hierdurch verlöre die Norm aber nahezu jeden Regelungsgehalt.
bb) Die Auslegung von § 310 IV Satz 2 BGB ergibt weiter, dass sich die für
das Arbeitsrecht vorgesehene angemessene Berücksichtigung der im
Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht auf spezielle Gegebenheiten
innerhalb des Arbeitsrechts oder Sonderarbeitsrechtsbeziehungen wie
Arbeitsverträge im kirchlichen Bereich, befristete Verträge,
Tendenzunternehmen etc. beschränkt.
(1) Der Wortlaut der in hohem Maße unbestimmten Generalklausel (Joost FS
Ulmer S. 1199, 1203) des § 310 IV Satz 2 BGB gibt keinen eindeutigen
Aufschluss darüber, welches die "angemessen" zu berücksichtigenden "im
Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten" sind (Thüsing BB 2002, 2666,
2672; zur Kritik an der Gesetzgebungstechnik vgl. zB Leder/Morgenroth NZA
2002, 952, 955; Richardi NZA 2002, 1057, 1058; Singer RdA 2003, 194, 198;
Weick JZ 2002, 442, 443). Für die Formulierung der Norm findet sich in
anderen Gesetzen kein für die Auslegung hilfreiches Beispiel (Thüsing NZA
2002, 591: "Neologismus der Gesetzessprache").
(2) Zu weitgehend ist es, jedwede arbeitsrechtliche Besonderheit zu
negieren und zu einem Missbrauch zu disqualifizieren und so immer zu einer
vollständigen Anwendung der §§ 307 ff. BGB nF zu gelangen (so aber
Henssler/Graf von Westphalen Praxis der Schuldrechtsreform 1. Aufl. § 310
Rn. 7). Auch bei dieser Auslegung verlöre § 310 IV Satz 2 BGB jeglichen
Sinn (dagegen deshalb zu Recht Thüsing NZA 2002, 591, 592; Reichenbach
NZA 2003, 309, 311; vgl. auch Henssler/Graf von Westphalen Praxis der
Schuldrechtsreform 2. Aufl. aaO nunmehr mit der gegenteiligen Tendenz).
Darüber hinaus soll sich nach dem Sinn und der Entstehung des § 310 IV Satz
2 BGB die Regelung nicht darauf beschränken, spezielle Gegebenheiten
innerhalb einzelner Arbeitsverhältnisse zu berücksichtigen. Nach der unter B
II 1 der Entscheidungsgründe dargestellten Gesetzesgeschichte schlug die
Bundesregierung vor, § 310 IV BGB wie nunmehr geschehen zu fassen, damit das
"Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter
demjenigen des Zivilrechts zurückbleibt". Allerdings sollten vor allem die
besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit "im Arbeitsrecht" nicht
zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Vielmehr sollten hier die
"besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden
können" (BT-Drucks. 14/6857 S. 54). Dies zeigt, dass von § 310 IV Satz 2 BGB
nicht nur rechtlich besonders ausgestaltete Arbeitsverhältnisse erfasst
werden sollten. Vielmehr schreibt die Norm für die Klauselkontrolle in jedem
Arbeitsverhältnis die Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten
vor. Der dagegen in der Literatur vorgebrachte Hinweis, der Gesetzgeber habe
das Schutzniveau für Arbeitnehmer generell anheben wollen, ist zwar
zutreffend, die Anpassung der Klauselkontrolle im Arbeitsrecht an das
"Schutzniveau" des Zivilrechts bezieht sich ersichtlich jedoch nur auf den
Wegfall der ursprünglich geplanten vollständigen Bereichsausnahme. Die
weitere Begründung, vor allem bei den Klauselverboten ohne
Wertungsmöglichkeit sollten die besonderen Bedürfnisse eines
Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können, zeigt, dass § 310 IV Satz
2 BGB seinen Regelungsgehalt in allen Arbeitsverhältnissen entfalten soll.
Die Bedeutung der Vorschrift geht daher über die Berücksichtigung der
"Besonderheiten spezifischer Bereiche des Arbeitsrechts wie z. B. des
kirchlichen Arbeitsrechts" (Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. 14/7052
S. 189) hinaus (Holtkamp AuA 2002, 251, 254). Der vorstehend zitierten
Erwartung des Rechtsausschusses lässt sich - zumal angesichts der oben
angeführten Äußerung der Bundesregierung - nicht entnehmen, dass sich die
Anwendung der Norm in der angemessenen Behandlung spezifischer Bereiche des
Arbeitsrechts erschöpfen soll. Es handelt sich lediglich um ein Beispiel,
nicht um eine Begrenzung der Anwendung.
cc) Die danach gebotene angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht
geltenden Besonderheiten führt zu dem Ergebnis, dass § 309 Nr. 6 BGB der
Wirksamkeit formularmäßiger Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen nicht
entgegensteht.
(1) Eine Besonderheit des Arbeitsrechts bildet nämlich die Regelung des §
888 III ZPO, die es ausschließt, die Verpflichtung zur Arbeitsleistung zu
vollstrecken. Hierdurch fehlt dem Arbeitgeber im Gegensatz zu anderen
Gläubigern die Möglichkeit, den vertraglichen Primäranspruch, die Leistung
der Arbeit, durchzusetzen; daher besteht ein Bedürfnis an
Sanktionsinstrumenten, um zur Erfüllung der vertraglichen Hauptpflicht
anzuhalten. Die Vertragsstrafe stellt in vielen Fällen die einzig wirksame
Möglichkeit dar, um dies zu erreichen, denn obgleich durch den Nichtantritt
der Arbeit bzw. die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist nicht selten hohe
Schäden entstehen, scheitert die Durchsetzung von Ersatzansprüchen häufig
daran, dass die Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden oder dessen
Höhe nicht nachgewiesen werden können. Diesen und den speziell
arbeitsrechtlichen Umstand mangelnder Vollstreckungsmöglichkeiten hat das
BAG bereits unter Geltung der alten Rechtslage zur Begründung der
grundsätzlichen Wirksamkeit von formularmäßigen Vertragsstrafenabreden
herangezogen (30. 11. 1994 - 5 AZR 702/93 - AP TVG § 4 Nr. 16 = EzA TVG § 4
Nr. 43; 23. 5. 1984 - 4 AZR 129/82 - BAGE 46, 50 = AP BGB § 339 Nr. 9; zur
Nichtanwendung von § 11 Nr. 6 AGBG vgl. auch Senat 27. 4. 2000 - 8 AZR
301/99 -; 27. 5. 1992 - 5 AZR 324/91 - EzA BGB § 339 Nr. 8; 5. 2. 1986 - 5
AZR 564/84 - AP BGB § 339 Nr. 12 = EzA BGB § 339 Nr. 2). Bei dem Ausschluss
der Vollstreckbarkeit handelt es sich um eine wesentliche Besonderheit des
Arbeitsrechts; hieran hat sich durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
nichts geändert (Henssler RdA 2002, 129, 138; Hromadka NJW 2002, 2523, 2528;
Leder/ Morgenroth NZA 2002, 952, 954 f.; Seitz/Hülbach in Tschöpe
Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht Teil 2 D Rn. 41; Bauer/Rolf Anm. zu AP BGB
2002 § 309 Nr. 2).
Die fehlende Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung gem. § 888 III ZPO ist
eine "im Arbeitsrecht geltende Besonderheit" iSv. § 310 IV Satz 2 BGB. Der
Umstand, dass diese Norm auch auf Dienstverträge Anwendung findet, die nicht
Arbeitsverträge sind, schließt dies nicht aus. Die "besonderen Bedürfnisse
eines Arbeitsverhältnisses" (so Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drucks.
14/6857 S. 54) könnten entgegen dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck
kommenden Willen des Gesetzgebers bei einer derart engen Auslegung der Norm
nicht hinreichend berücksichtigt werden.
(2) Ob im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten vorliegen, ist nicht daran zu
messen, dass eine Norm ausschließlich auf Arbeitsverhältnisse Anwendung
findet, sondern daran, ob es sich im Vergleich zu den Grundsätzen des
Bürgerlichen Rechts und Prozessrechts, wonach Leistungstitel grundsätzlich
vollstreckbar sind, um eine abweichende Regelung handelt (Singer RdA 2003,
194, 199). Die gegenteilige Auffassung würde zu dem Ergebnis führen, dass
der Arbeitgeber mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nicht nach den §§
305 ff. BGB kontrollierbar wären, auf Normen reagieren dürfte, die
ausschließlich im Arbeitsrecht gelten, hieran jedoch gehindert wäre, wenn
die Norm auch für andere Schuldverhältnisse gilt. Um den Anwendungsbereich
des § 310 IV Satz 2 BGB zu eröffnen, müsste der Gesetzgeber damit erst
Hindernisse schaffen, die dann durch Allgemeine Geschäftsbedingungen
überwunden würden. Dies wäre sinnwidrig, der Anwendungsbereich des § 310 IV
Satz 2 BGB würde auf Null tendieren (Bauer/Rolf Anm. zu AP BGB 2002 § 309
Nr. 2). Es genügt daher, dass sich die Anwendung der Norm besonders auf dem
Gebiet des Arbeitsrechts auswirkt (Reichenbach NZA 2003, 309, 311). Dies ist
in Bezug auf § 888 III ZPO der Fall, dessen praktische Bedeutung bei
Eingehung einer Ehe und Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft äußerst
gering ist und der im übrigen Zivilrecht lediglich auf die Leistung von
Diensten Anwendung findet. Im Wesentlichen begründet die Vorschrift des §
888 III ZPO nur im Arbeitsrecht die Schutzlosigkeit des Dienstberechtigten
(ebenso Reichenbach NZA 2003, 309, 311). Dabei ist darauf hinzuweisen, dass
auch auf dienstverpflichtete Unternehmer § 309 Nr. 6 BGB wegen § 310 IV Satz
2 BGB ebenfalls keine Anwendung findet. Der Ausschluss der Vollstreckbarkeit
gem. § 888 III ZPO gilt auch für alle Arbeitsverträge und nicht nur für
Dienstpflichten höherer Art. Nicht nur bei diesen ist die Leistung
unvertretbar, denn die Arbeitsleistung ist im Zweifel immer
höchstpersönlicher Natur nach § 613 Satz 2 BGB (BAG 23. 6. 1992 - 9 AZR
111/91 - BAGE 70, 348 = AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 59 = EzA BUrlG § 7 Nr.
84; LAG Schleswig - Holstein 16. 6. 1986 - 4 (5) Sa 684/85 - NZA 1987, 669;
Kraft NZA 1989, 777, 778; Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch § 45 Rn. 71;
Herbert/Oberrath NZA 2004, 121, 125; aA Reichenbach NZA 2003, 309, 311).
Gegen die Vollstreckbarkeit von Arbeitsleistungen jeglicher Art wird zudem
auch das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers aus Art. 2 I GG und das
Verbot der Zwangsarbeit ins Feld geführt (Küttner/Griese Personalbuch 2003
Stichwort Vertragsbruch Rn. 2). Durch die Zulässigkeit von Vertragsstrafen
wird auch die Wertung von § 888 III BGB nicht unterlaufen, nach der die
Arbeitsleistung nicht erzwungen werden kann. Aus den Vorschriften des § 5 II
Nr. 2 BBiG (Verbot der Vertragsstrafe in Ausbildungsverträgen) und des § 75c
HGB (Regelung der Vertragsstrafe bei nachvertraglichem Wettbewerbsverbot)
folgt, dass Vertragsstrafenvereinbarungen im Arbeitsrecht nicht
grundsätzlich unzulässig sind (ErfK/Müller-Glöge §§ 339 - 345 BGB Rn. 11;
Gotthardt ZIP 2002, 277, 283; Henssler RdA 2002, 129, 138; Preis
Sonderbeilage NZA 2003, 19, 33; Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch § 60 Rn.
4). Diese Vorschriften verdeutlichen die rechtliche Akzeptanz von
Vertragsstrafenabreden (Preis Sonderbeilage NZA 2003, 19, 33).
III. Die Vertragsstrafenklausel stellt jedoch im Streitfall eine
unangemessene Benachteiligung dar und ist demgemäß nach § 307 BGB unwirksam.
1. Der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 307 I Satz 1 BGB stehen im
Arbeitsrecht geltende Besonderheiten - auch für Vertragsstrafenregelungen -
nicht entgegen (hM; zB LAG Hamm 24. 1. 2003 - 10 Sa 1158/02 - AP BGB 2002 §
309 Nr. 1; Bauer/Rolf Anm. zu AP BGB 2002 § 309 Nr. 2; Boudon ArbRB 2003,
150, 153; ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB Rn. 94; Hromadka NJW 2002, 2523, 2528;
Leder/ Morgenroth NZA 2002, 952, 956; Lingemann NZA 2002, 181, 188;
Reichenbach NZA 2003, 309, 312; Reinecke DB 2002, 583, 584). Gleich lautende
Bestimmungen wie § 307 I BGB enthielt bereits § 9 AGBG. Das BAG hat schon
nach altem Schuldrecht im Rahmen von § 242 bzw. § 138 BGB das Verbot des
unangemessenen Ausgleichs der beiderseitigen Interessen auf vorformulierte
Klauseln in Arbeitsverträgen angewandt (Senat 24. 6. 1999 - 8 AZR 339/98 -
AP BGB § 611 Ausbildungsverhältnis Nr. 36 = EzA BGB § 326 Nr. 1; 18. 3. 2003
- 9 AZR 44/02 - AP BGB § 157 Nr. 28; vgl. hierzu auch Lingemann NZA 2002,
181, 188).
2. Nach § 307 I Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu
und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede
Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers,
die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers
gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (BGH
14. 1. 1987 - IVa ZR 130/85 - NJW 1987, 2431; NJW3. 11. 1999 - VIII ZR
269/98 - BGHZ 143, 104 = NJW 2000, 1110; NJW4. 7. 1997 - V ZR 405/96 - NJW
1997, 3022). Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt
eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender
Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch
grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten (BAG 24. 10. 2002 - 6
AZR 632/00 - AP HGB § 89 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr.
3 mwN). Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiden Positionen unter
Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGH 28. 1. 2003 - XI
ZR 156/02 - BGHZ 153, 344; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 29
ff.). Dabei ist auch die Stellung der Klausel im Gesamtvertrag zu
berücksichtigen, ebenso wie kompensierende oder summierende Effekte (BGH 2.
12. 1992 - VIII ARZ 5/92 - NJW 1993, 532; 14. 5. 2003 - VIII ZR 308/02 - NJW
2003, 2234). Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller,
typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der
Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart
des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der
Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell
unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten
Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners
ergibt. Werden Allgemeine Geschäftsbedingungen für verschiedene Arten von
Geschäften oder gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen verwendet, deren
Interessen, Verhältnisse und Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich
gelagert sind, so kann die Abwägung zu gruppentypisch unterschiedlichen
Ergebnissen führen. Sie ist in den Vertrags- oder Fallgruppen vorzunehmen,
wie sie durch die an dem Sachgegenstand orientierte typische Interessenlage
gebildet werden (BAG 27. 4. 2000 - 8 AZR 286/99 - BAGE 94, 300 = AP BGB §
765 Nr. 1 = EzA AGB-Gesetz § 9 Nr. 2; BGH 3. 4. 1998 - V ZR 6/97 - NJW 1998,
2600; NJW4. 7. 1997 - V ZR 405/96 - NJW 1997, 3022; Hromadka NJW 2002, 2523,
2528).
a) Vertragsstrafenabreden benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell
unangemessen.
Die Vertragsstrafe sichert das berechtigte Bedürfnis des Arbeitgebers, eine
arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtaufnahme oder Beendigung der
Arbeitstätigkeit seitens des Arbeitnehmers zu vermeiden. Ebenso soll die
fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 626 BGB) verhindert werden.
Es geht darum, dem Arbeitgeber seinerseits die nahtlose Erbringung der
Dienstleistungen gegenüber seinemKunden und ggf. die entsprechende
Einarbeitung eines Nachfolgers zu ermöglichen.Stellt der Arbeitnehmer die
Arbeit vertragswidrig ein oder muss ihm fristlos gekündigtwerden, sind die
Darlegung und der Beweis eines konkreten Schadens - wie dargelegt-
erfahrungsgemäß regelmäßig mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die
schadensersatzrechtlichen und zivilprozessualen Erleichterungen nach § 252
Satz 2BGB und § 287 ZPO erleichtern nur in geringfügigem Umfang die
Darlegung und den Nachweis des Schadens; der Nachweis des Schadens und des
Kausalzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden ist in
der Praxis kaum zu führen(vgl. Boudon ArbRB 2003, 150, 152; Conein-Eikelmann
DB 2003, 2546, 2547;Gotthardt Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform Rn.
250; Hromadka NJW 2002,2523, 2528; ErfK/Müller-Glöge §§ 339 - 345 BGB Rn.
11; Henssler RdA 2002, 129,138; Henssler/Graf von Westphalen Praxis der
Schuldrechtsreform 2. Aufl. § 310Rn. 13; Lingemann NZA 2002, 181, 191;
Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30Rn. 27; Schaub/Linck
Arbeitsrechts-Handbuch § 60 Rn. 4 mwN; Singer RdA 2003, 194,201; Seitz/Hülbach
in Tschöpe Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht Teil 2 D Rn. 41; vgl. auch schon
BAG 23. 5. 1984 - 4 AZR 129/82 - BAGE 46, 50 = AP BGB § 339 Nr. 9). Das
Interesse des Arbeitgebers an einer Vertragsstrafenregelung ist deshalb
anerkennenswert.
Der Arbeitnehmer wird auch nicht unangemessen benachteiligt, weil es an ihm
liegt, seine Hauptpflichten zu erbringen (BAG 27. 4. 2000 - 8 AZR 301/99 -).
Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der
arbeitsvertraglichen Hauptpflicht, während der Arbeitnehmer in der Regel
weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse daran hat, den
Arbeitsvertrag zu brechen (Henssler RdA 2002, 129, 138; Leder/Morgenroth NZA
2002, 952, 954; Bauer/Rolf Anm. zu AP BGB 2002 § 309 Nr. 2; Singer RdA 2003,
194, 202). Dies gilt auch dann, wenn wegen einer nötigen Einarbeitungszeit
und hoher Lohnkosten die Arbeitsleistung für den Arbeitgeber noch nicht so
nützlich ist. Zu eng ist es nämlich, die Vertragsstrafe allein mit einem
vermögensrechtlichen Interesse des Arbeitgebers zu begründen. Die
schadensausgleichende Funktion ist nur eine der beiden Funktionen der
Vertragsstrafe. Die Vertragsstrafe dient auch der Sicherung der
Ar-beitsaufnahme und muss nicht zwingend beide Zwecke verfolgen (Staudinger/Rieble
BGB Vorbem. zu §§ 339 ff. Rn. 36; Bauer/Rolf Anm. zu AP BGB 2002 § 309 Nr.
2; Singer RdA 2003, 194, 202). Ein Interesse des Arbeitgebers ist auch nicht
nur bei Hochqualifizierten, bei sofortiger Einsatzbereitschaft oder bei
ausgeschlossener Probezeit erkennbar. Dies mag sich gruppentypisch
allenfalls auf die Höhe der Vertragsstrafe auswirken. Ist allerdings
erkennbar, dass die Vertragsstrafe in erster Linie zur bloßen Schöpfung
neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen
eingesetzt wird, fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers
(Preis/Stoffels aaO Rn. 29 im Anschluss an BGH 23. 1. 2003 - VII ZR 210/01 -
BGHZ 153, 311; BGHZ18. 11. 1982 - VII ZR 305/81 - BGHZ 85, 305, 313 f.). b)
Im Streitfall ist die Vertragsstrafe unangemessen hoch.
aa) Eine unangemessene Benachteiligung kann aus der Höhe einer
Vertragsstrafe folgen (BGH 3. 4. 1998 - V ZR 6/97 - NJW 1998, 2600;
Reichenbach NZA 2003, 309, 313). Für die Frage nach der angemessenen Höhe
der Vertragsstrafe kommt es - anders als bei der Herabsetzung einer bereits
verwirkten Vertragsstrafe nach § 343 BGB - wiederum nur auf eine
typisierende Betrachtungsweise bezogen auf den Zeitpunkt des
Vertragsschlusses an. Im Mittelpunkt stehen ein beliebiger Arbeitnehmer oder
ggf. eine Arbeitnehmergruppe, die Adressat der jeweiligen Vertragsstrafe
sein könnten (Thüsing BB 2004, 42, 45). Das Fehlen eines Schadens führt noch
nicht zur Unwirksamkeit, denn die Vertragsstrafe bezweckt in erster Linie,
einen wirkungsvollen Druck auf den Schuldner zur Einhaltung seiner
Verpflichtung auszuüben (BAG 25. 10. 1994 - 9 AZR 265/93 -). Bei der
Beurteilung einer angemessenen Höhe ist aber zu berücksichtigen, ob
typischer-weise nur ein geringer Schaden zu erwarten ist.
Außerdem können bei einer Inhaltskontrolle einer Formularabrede nach § 307
BGB in der Regel nur einer generalisierenden Betrachtungsweise zugängliche
Maßstäbe herangezo-genwerden, wie zum Beispiel die Bruttomonatsvergütung
(Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 31; Leder/Morgenroth NZA
2002, 952, 957). Das BAG hat schon unter der Geltung des früheren Rechts
eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsgehalts generell als geeigneten
Maßstab angesehen (BAG 27. 4. 2000 - 8 AZR 301/99 -; ebenso Preis/Stoffels
aaO). Bei formularmäßigen Strafabreden besteht ein gesteigertes Bedürfnis
nach einer generellen Obergrenze, deren Überschreitung im Regelfall die
Unwirksamkeit der Klausel zur Folge hat (Preis/Stoffels aaO). Das Abstellen
auf die Monatsvergütung berücksichtigt im Normalfall auch die finanzielle
Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers.
bb) Die Festsetzung einer Vertragsstrafe in Höhe eines vollen Monatsgehalts
beeinträchtigt den Arbeitnehmer jedoch typischerweise dann unangemessen,
wenn er sich rechtmäßig mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen vom
Vertrag lösen könnte. Bereits zu § 343 BGB wurde und wird von einem großen
Teil des Schrifttums vertreten, dass eine Vertragsstrafe nur bis zur Höhe
der Bezüge für die Zeit der Mindestkün-digungsfrist zumutbar ist (MünchKommBGB/Gottwald
§ 343 Rn. 17; Schwerdtner FS Hilger u. Stumpf S. 631, 644; Heinze NZA 1994,
244, 251; Popp NZA 1988, 455, 457; Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch § 60
Rn. 15). Dies gilt auch bei einer generellen Betrachtungsweise nach den § 9
AGBG aF, § 307 BGB nF (Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 31;
Schierbaum in Berscheid/ Kunz/Brand PraxisArbR Teil 2 Rn. 2188; Reichenbach
NZA 2003, 309, 313; Thüsing BB 2004, 42, 45; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen
AGB-Gesetz § 11 Nr. 6 Rn. 14). Auch nach der Rechtsprechung der
Instanzgerichte soll die Vertragsstrafe regelmäßig das für die
Kündigungsfrist zu zahlende Gehalt nicht übersteigen (vgl. LAG Düsseldorf 8.
1. 2003 - 12 Sa 1301/02 - LAGE BGB 2002 § 309 Nr. 1 = AP BGB 2002 § 309 Nr.
2; Sächsisches LAG 25. 11. 1997 - 9 Sa 731/97 - LAGE BGB § 339 Nr. 12; LAG
Berlin 12. 10. 1981 - 12 Sa 71/81 - DB 1982, 1627; LAG Köln 26. 9. 1989 - 3
Sa 332/89 - LAGE BGB § 339 Nr. 4). Dem ist im Regelfall zu folgen. Zur
Feststellung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe ist die maßgebliche
Kündigungsfrist von erheblicher Bedeutung. Denn hierin kommt zum Ausdruck,
in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom
Arbeitneh-merverlangen kann und welches Interesse er an der Arbeitsleistung
hat. Da es bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe jedenfalls auch um
einen vermögensmäßigen Ausgleich nicht erbrachter Vertragsleistungen geht,
sind die Kündigungsfristen, die durch den Vertragsbruch vom Arbeitnehmer
nicht beachtet wurden, ein relevanter Abwägungsgesichts-punkt zur
Feststellung der angemessenen Höhe iSv. § 343 I BGB (Sächsisches LAG 25. 11.
1997 - 9 Sa 731/97 - aaO). Heinze (NZA 1994, 244, 251) weist zu Recht darauf
hin, dass die Kündigungsfrist die einschlägige Maßgrundlage bilden muss,
wolle man die Widerspruchsfreiheit wahren. Die Vertragsstrafe kann in
Fällen, in denen typischerweise ein Schaden angesichts der nötigen
Einarbeitungszeit nicht groß sein kann, nicht höher sein, als die
Arbeitsleistung wert ist. Die Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis zum Ablauf der
ordentlichen Kündigungsfrist liefert somit für den Fall des Nichtantritts
der Arbeit angesichts einer Kündigungsfrist von zwei Wochen grundsätzlich
einen angemessenen Rahmen für die Vertragsstrafenhöhe zu Gunsten des
Arbeitgebers. Eine darüber hinausgehende Vertragsstrafe lässt sich
allenfalls rechtfertigen, wenn das Sanktionsinteresse des Arbeitgebers den
Wert der Arbeitsleistung auf Grund besonderer Umstände typischerweise und
generell übersteigt. Im Streitfall sind jedoch keine besonderen Interessen
auf Seiten des Arbeitgebers ersichtlich.
c) Die unangemessene Benachteiligung führt nach § 307 I BGB zur
Unwirksamkeit der Klausel. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt
jedenfalls für den Zeitraum, in dem die kurze Kündigungsfrist gilt, nicht in
Betracht. Im Grundsatz ist im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
eine geltungserhaltende Reduktion nach § 306 II BGB nicht vorgesehen
(grundlegend BGH 17. 5. 1982 - VII ZR 316/81 - BGHZ 84, 109; BGHZ25. 6. 2003
- VIII ZR 344/02 - NJW 2003, 2899; Wolf/Horn/Lindacher AGB-Gesetz § 6 Rn. 31
ff.; Thüsing BB 2002, 2666, 2674; derselbe BB 2004, 42, 45; Reichenbach NZA
2003, 309, 313; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 32). Der BGH
lehnt auch speziell bei Vertragsstrafenregelungen eine geltungserhaltende
Reduktion generell ab (23. 1. 2003 - VII ZR 210/01 - BGHZ 153, 311; BGHZ12.
3. 1981 - VII ZR 293/79 - NJW 1981, 1509; 18. 11. 1982 - VII ZR 305/81 -
BGHZ 85, 305, 312 ff.; 19. 1. 1989 - VII ZR 348/87 - NJW-RR 1989, 527;
NJW-RR20. 1. 2000 - VII ZR 46/98 - NJW 2000, 2106; 20. 3. 2003 - I ZR 225/00
- NJW-RR 2003, 1056).
Dem folgt der erkennende Senat. Dem Zweck der §§ 305 ff. BGB kann eine
Aufrechterhaltung der beanstandeten Klausel mit eingeschränktem Inhalt nicht
entnommen werden. Es ist Ziel des Gesetzes, auf einen angemessenen Inhalt
der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken.
Dem Verwendungsgegnersoll die Möglichkeit sachgerechter Information über die
ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten
verschafft werden.
Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn jeder Verwender von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zunächst einmal ungefährdet bis zur Grenze dessen gehen
könnte, was zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise angeführt
werden kann. Damit würde nicht verhindert, dass der Vertragspartner des
Verwenders in der Vertragsabwicklungspraxis mit überzogenen Klauseln
konfrontiert wird. Erst in einem Prozess würde er vielmehr den Umfang seiner
Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren.
Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit
für die Aufstellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch
das vollständige Risiko einer Klauselunwirksamkeit tragen (BGH 17. 5. 1982 -
VII ZR 316/81 - BGHZ 84, 109; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn.
32; Stein Anm. zu AP BGB § 339 Nr. 8). Dabei kann unentschieden bleiben, ob
es Fälle gibt, in denen das "Alles-oder-Nichts-Prinzip" dem Charakter des
Arbeitsverhältnisses als einem auf lange Dauer angelegten Schuldverhältnis
mit für den Verwender der AGB eingeschränkter Kündigungsmöglichkeit nicht
gerecht wird (so Hromadka NJW 2002, 2523, 2529).
Auch der Rechtsgedanke des § 343 BGB führt nicht zu einer Herabsetzung der
Vertragsstrafe auf das angemessene Maß. § 343 BGB kommt nur bei verwirkten,
also wirksam vereinbarten Vertragsstrafen in Betracht (BGH 12. 3. 1981 - VII
ZR 293/79 - NJW 1981, 1509; Schierbaum in Berscheid/Kunz/Brand PraxisArbR
Teil 2 Rn. 2189; Staudinger/Coester-Waltjen AGBG § 11 Nr. 6 Rn. 24; Münch-
KommBGB/Gottwald § 343 Rn. 9; Leder/Morgenroth NZA 2002, 952, 956; Lingemann
NZA 2002, 181, 191; Hümmerich NZA 2003, 753, 762). |