Rechtlicher Charakter der Tischreservierung im Restaurant. Schadensersatz
bei Nichtinanspruchnahme aus culpa in contrahendo (Ersatz des Vertrauensschadens).
NJW 1998, 2539 f
Rechtsbindungswille bei einer Tischreservierung.
Zum Sachverhalt:
Die Kl., die ein Restaurant in Hannover betreibt, begehrt Schadensersatz in Form von entgangenem Gewinn, weil die Bekl. anläßlich der Cebit-Messe in der Zeit vom 14. 3. - 20. 3. 1996 einen Tisch für 5-6 Personen für jeden Abend ab 19.30 Uhr reserviert hatte, ohne daß von Seiten der Bekl. jemand erschienen war. Durch Telefax vom 23.2.1996 hatte die Kl. der Bekl. die Tischbestellung bestätigt und zugleich die Menükarte übersandt. Wunschgemäß schickte die Bekl. das Fax unterschrieben zurück. Als seitens der Bekl. in den ersten Tagen ab 14. 3. 1996 niemand im Restaurant erschienen war, wies die Kl. die Bekl. durch Fax vom 17. 3. 1996 auf die Reservierung hin, kündigte eine Berechnung an und fragte, ob die Tischreservierung weiter aufrechterhalten werden sollte. Die Bekl. stornierte die Reservierung daraufhin ab 18. 3. 1996. Die Kl. berechnete der Bekl. durch Schreiben vom 20. 3. 1997 für die Reservierung für vier Tage für fünf Personen, d. h. insgesamt 20 Personen den durchschnittlichen Restaurantumsatz pro Person von angeblich 203,46 DM abzüglich 30% ersparter Aufwendungen, insgesamt also 2848,44 DM. Sie ist der Auffassung, durch die Tischreservierung sei zwischen den Parteien ein bindender Vertrag zustande gekommen, der die Bekl. verpflichte, ihr den entgangenen Gewinn zu erstatten. Dazu behauptet sie, sie habe den Tisch an den entsprechenden Abenden nicht anderweit besetzen können und dadurch den geltend gemachten Verlust erlitten. Die Bekl. ist der Auffassung, bei der Reservierung habe es sich um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis gehandelt, das für keine der beiden Seiten Schadensersatzverpflichtungen auslösen könne. Weder hätten Gäste zu erscheinen brauchen, noch hätten sie etwas verzehren müssen. Im übrigen könne es sich allenfalls um Ersatz des Vertrauensschadens handeln. Weder habe die Kl. vergebliche konkrete Aufwendungen dargelegt, noch sei anzunehmen, daß sie wegen der Reservierung andere Gäste habe abweisen müssen. Sie habe entweder andere freie Plätze gehabt oder aber den reservierten Tisch alsbald anderweitig vergeben. Ferner bestreitet die Bekl. die Höhe des Schadens, und schließlich falle der Kl. ein Verstoß gegen ihre Schadenminderungspflicht zur Last, falls sie tatsächlich die Tischreservierung nicht ab ca. 20 Uhr wieder aufgehoben und dort andere Gäste bewirtet habe. Das AG hat die Klage abgewiesen, weil die Tischreservierung ein unverbindlicher Service der Kl. gewesen sei. Dies gelte jedenfalls in diesem Fall, in dem von der Kl. weder besondere Vorbereitungen hätten getroffen werden müssen, noch besondere Räume hätten zur Verfügung gehalten oder Aufwendungen getätigt werden müssen. Die Berufung der Kl. hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Allerdings steht der Kl. gegen die Bekl. dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch
aus Verschulden bei Vertragsschluß zu. Jedoch scheitert die Klage daran, daß die Bekl. aus
diesem rechtlichen Gesichtspunkt der Kl. nur für den "Vertrauensschaden"
haftet und ein solcher nicht festgestellt werden kann.
Zwischen den Parteien sind im Sinne des Faxschreibens der Kl. vom 23.
2. 1996 Vertragsverhandlungen geführt worden, die zum Ziele hatten,
daß die Bekl. bzw. ihre Gäste während der Cebit-Messe 1996
die Gaststätte der Kl. aufsuchen sollten und dort Bewirtungsverträge
abschließen sollten. Die Kl. sollte dies durch entsprechende Tischreservierungen
ermöglichen. Während die Kl. ihrerseits die vereinbarten Voraussetzungen
für den Abschluß von konkreten Bewirtungsverträgen geschaffen
hat, hat die Bekl. grundlos diese Vertragsvorbereitungen abgebrochen und
die Gaststätte weder zum Abschluß der Verträge aufgesucht
noch der Kl. rechtzeitig ihren Sinneswandel mitgeteilt. Mit Rücksicht
auf die in dem Faxschreiben festgelegte Verhandlungsgrundlage, die der
Bekl. deutlich machte, daß die Kl. sich auf das Erscheinen der Gäste
einrichtete und eventuell sogar Vorbereitungen dafür traf, erscheint
es grundsätzlich gerechtfertigt, der Kl. nach § 242 BGB einen
Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens zuzubilligen, der ihr dadurch entstanden
ist, daß sie auf das Erscheinen der Gäste vertraut hat und deshalb
für eine angemessene Zeit Tische reserviert hat. Jedoch ergibt sich
aus diesem Gesichtspunkt nur ein Ersatzanspruch in Höhe des Vertrauensschadens
(negativen Interesses) und nicht ein Anspruch auf das Erfüllungsinteresse (zur Abgrenzung vgl. z.B. Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl. [1998],
Vorb. § 249 Rdnrn. 16, 17). Es ist nicht feststellbar, daß der
Kl. ein solcher Schaden entstanden wäre. Zunächst ist dabei zu
berücksichtigen, daß die Kl. trotz der Vereinbarung über
die Tischreservierung nicht gehindert war, bereits am ersten Tag der Reservierungszeit
den reservierten Tisch nach Ablauf von ca. einer Stunde anderweit zu nutzen.
Da die Bekl. sich auch weder schriftlich noch mündlich meldete, konnte
die Kl. an den Folgetagen von einer Tischreservierung überhaupt absehen.
Das ergibt sich aus den bei derartigen Tischreservierungen üblichen
Regeln, wonach der Gast nur für begrenzte Zeit mit der Aufrechterhaltung
einer Reservierung rechnen kann. Etwas anderes ist auch dem Faxschreiben
nicht zu entnehmen. Auch während der begrenzten Zeit der Tischreservierung
wäre allerdings ein Schaden denkbar, wenn die Kl. andere Gäste
hätte abweisen müssen (entgangener Gewinn, § 252 BGB). Das
legt sie aber selbst nicht dar. Im Gegenteil trägt sie im Schriftsatz
vom 19. 6. 1997 selbst vor, daß es selbst in Messezeiten keineswegs
ungewöhnlich sei, daß einzelne Tische frei bleiben. Es ist demgemäß
nicht ersichtlich, daß die Kl. etwa wegen der Tischreservierung für
die Bekl. keine freien Kapazitäten mehr gehabt hätte und andere
Verdienstmöglichkeiten deshalb eingebüßt hätte. Desgleichen
trägt die Kl. nichts dazu vor - und es liegen, dafür auch keine
Anhaltspunkte vor - daß sie wegen der aufgrund des Faxschreibens
vom 23. 2. 1996 zu erwartenden Gäste besondere Aufwendungen gehabt
hätte, etwa durch Bereitstellung besonderer Speisen, Tischschmuck,
Einstellung von zusätzlichem Personal oder ähnlichem. Irgendwelche
Vorbereitungskosten oder sonstige zusätzliche Aufwendungen im Zusammenhang
mit der Tischreservierung sind nicht substantiiert.
Die Kl. macht mit der Klage der Höhe nach den Betrag geltend,
den sie angeblich verdient hätte, wenn die Gäste erschienen wären
und im üblichen Umfang Bewirtungsverträge abgeschlossen hätten.
Dabei handelt es sich jedoch um das Erfüllungsinteresse beim Abschluß
entsprechender Bewirtungsverträge, zu denen es gerade nicht gekommen
ist. Die Bekl. war auch aufgrund der Reservierungsvereinbarung nicht verpflichtet,
derartige Bewirtungsverträge abzuschließen. Soweit aus amtsgerichtlicher
Rechtsprechung etwa etwas anderes herausgelesen werden könnte, vermag
die Kammer dem nicht zu folgen (vgl. hierzu AG Siegburg, NJW 1991, 1305;
AG Düsseldorf, MDR 1985, 408; AG Hamburg, NJW 1973, 2253). Es handelt
sich hier auch nicht darum, ein Gefälligkeitsverhältnis von einem
rechtlich bindenden Vertrag abzugrenzen (vgl. hierzu BGHZ 88, 373 [382]
= NJW 1984, 1533 = LM § 661 BGB Nr. 5). Denn die Reservierungsvereinbarung
diente lediglich der Anbahnung noch auszuhandelnder und eventuell abzuschließender
Bewirtungsverträge. Der Inhalt der beabsichtigten Verträge war
noch gänzlich unbestimmt sowohl hinsichtlich der Aufenthaltsdauer
als auch der Speisen und Getränke in Art und Menge. Daraus ergibt
sich zugleich, daß es sich bei der Reservierungsvereinbarung nicht
um einen Vorvertrag handelt, mit dem sich die Bekl. etwa zum Abschluß
bestimmter Hauptverträge verpflichtet hätte. Mit Recht hat auch
das AG insoweit ausgeführt, daß sich die Bekl. durch die Tischreservierung
die Chance eröffnen wollte, mit den erwarteten Gästen Umsätze
zu tätigen, ohne daß diese Umsätze damit schon konkret
vereinbart waren. Auch die in diesem Fall gewählte Schriftform durch
das Fax vom 23. 2. 1996 führt zu keinem anderen Ergebnis, sondern
vermag nur den anfangs dargestellten, aber mangels Schadens nicht zielführenden
Schadensersatzanspruch zu begründen. Der Kl. hätte es offengestanden,
mit der Bekl. eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, wenn sie sich einen bestimmten
"Garantiebetrag" hätte sichern wollen. Das hat sie jedoch unterlassen.
Desgleichen hat es die Kl. unterlassen, für die Tischreservierung
als solche ein mietähnliches Entgelt zu vereinbaren, was ebenfalls
möglich gewesen wäre, auch wenn es unüblich ist. Die Vereinbarung
in dem Fax vom 17. 3. 1996 enthält jedoch keine derartige entgeltliche
Vereinbarung.