Zur Frage der Erfüllung einer Geldschuld durch Banküberweisung
NJW 1999, 210 f
Der Gesetzgeber hat bei der Erfüllung von Geldschulden - ohne dies ausdrücklich zu regeln - lediglich an die Übereignung von Geldzeichen gedacht. Bis heute str. ist die Frage der Zahlung durch Buchgeld (Überweisung). Während für die Scheck- und Wechselzahlung klar ist, daß es sich hierbei um eine Leistung erfüllungshalber handelt (§ 364 II BGB), ist die Frage, ob im Falle einer Geldschuld durch Banküberweisung erfüllt werden kann, streitig. Der BGH legt sich auch hier nicht fest, stellt aber klar, daß jedenfalls der zur Erfüllung erforderliche Leistungserfolg mangels anderer Vereinbarung nur dann erzielt wird, wenn der Gläubiger den geschuldeten Geldbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält (s. die fettgedruckten Passagen). Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen ein Schuldner eine Geldschuld durch Banküberweisung erfüllen kann, ist also dogmatisch primär eine Frage des Parteiwillens und seiner Ermittlung im Wege der Auslegung (vgl. die Formulierung "...kann nicht ohne weiteres gesagt werden, daß die Parteien mit der Gutschrift auf diesem Konto bereits Erfüllungswirkung eintreten lassen wollten").
Festzuhalten ist für die Zahlung durch Überweisung:
Sachverhalt:
Durch notariellen Vertrag vom 29.01.1988 verkauften der Kl. und seine Ehefrau, die Wiederbekl. zu 2, ihren Anteil von 98 % an der Firma I mit Sitz in B. (USA) für 200 000 US-Dollar an die Bekl. Nach den Bestimmungen des Vertrags, der deutschem Recht unterliegen sollte, war der Kaufpreis wie folgt zu entrichten: Am 31.01.1988, 31.10.1988 und 31.10.1989 oder vorher waren jeweils 50 000 US-Dollar zu zahlen. Der Rest von 50 000 US-Dollar war unter Anrechnung bestimmter weiterer Zahlungen der Bekl. am 31.10.1990 oder vorher zu begleichen. In dem vorliegenden Rechtsstreit hat der Kl. die Bekl. zunächst auf Zahlung eines Restkaufpreises von 86 500 US-Dollar nebst Zinsen in Anspruch genommen. Nachdem unstreitig geworden war, daß die Bekl. einen Teilbetrag von 5000 US-Dollar auf Verlangen des Kl. und unter Anrechnung auf die zweite Kaufpreisrate an den Schwiegersohn des KL. geleistet hat, hat der Kl. seine Klage in Höhe dieses Betrages zurückgenommen. Die Parteien haben insbesondere darüber gestritten, ob die Bekl. weitere 45 000 US-Dollar auf die zweite Kaufpreisrate gezahlt hat. Der Kl. hat behauptet, ein entsprechender Betrag, den die Bekl. unstreitig vereinbarungsgemäß auf das sogenannte G-Konto überweisen hat, sei von ihr zwar ursprünglich zur Verwendung als (restliche) zweite Kaufpreisrate bestimmt gewesen. Noch während des Laufs der Überweisung habe ihm die Bekl. jedoch erklärt, daß das Geld anderweitig, nämlich für die Firma I verwendet werden solle, in der er, der Kl., damals noch nicht tätig gewesen sei. Das habe er getan. Die Bekl. hat gegenüber dem unstreitigen Teil der Restkaufpreisforderung des Kl. in Höhe von 45 000 US-Dollar hilfsweise die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärt. Widerklagend hat sie die Feststellung begehrt, daß dem Kl. und der Widerbekl. zu 2 bestimmte andere Forderungen nicht zustehen. Das Landgericht hat die Bekl. durch Teilurteil zur Zahlung von 81 500 US-Dollar nebst Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Bekl. hat das OLG durch rechtskräftiges Teilurteil insoweit zurückgewiesen, als die Bekl. zur Zahlung von 36 500 US-Dollar nebst Zinsen verurteilt worden ist. Durch Schlußurteil hat es die weitergehende Klage unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Teilurteils abgewiesen. Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat im wesentlichen ausgeführt: Durch die unstreitige Überweisung der Bekl. von 45 000 US-Dollar sei die Kaufpreisforderung des Kl. in dieser Höhe erloschen. Die Überweisung sei vereinbarungsgemäß auf das sogenannte G-Konto erfolgt. Über dieses Konto sei der Kl. allein verfügungsberechtigt gewesen. Mit der G-GmbH (einer Firma der Bekl.) habe er nichts zu tun gehabt. Unstreitig habe die Bekl. die Überweisung der 45 000 US-Dollar mit der ihr nach dem Rechtgedanken des § 366 BGB zustehenden Zweckbestimmung als Zweite Kaufpreisrate auf den Weg gebracht. Diese Zweckbestimmung habe sie nicht nachträglich geändert. Der Kl. habe für seine Behauptung, die Bekl. habe ihm noch während des Laufs der Überweisung erklärt, daß das Geld wegen der schwierigen geschäftlichen Lage der Firma I für diese verwandt werden solle, keinen Beweis erbracht. Seinen Antrag auf Vernehmung der Bekl. als Partei habe er zurückgezogen. Mangels anderer Beweisangebote sei er beweisfällig geblieben. Die Teilerfüllung der Kaufpreisschuld der Bekl. in Höhe von 45 000 US-Dollar sei mit dem Eingang des Geldes auf dem G-Konto eingetreten. Maßgeblich sei, daß der Kl. die alleinige Verfügungsbefugnis über das Konto gehabt habe und tatsächlich auch allein Verfügungen über das Konto vorgenommen habe. Die Bekl. habe ihm mit der Überweisung auf das Konto die Verfügungsmöglichkeit über das überwiesene Geld verschafft. Unerheblich sei, zu welchen Zwecken der Kl. das Geld verwandt habe. Daher komme es auf seine Behauptung, er habe die 45 000 US-Dollar nicht für sich, sondern für die Firma I verwandt, nicht an.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat das BerGer. zu Unrecht angenommen, daß die noch im Streit befindliche Restkaufpreisforderung des Kl. gegen die Bekl. aus dem notariellen Vertrag vom 29.01.1988 in Höhe von 45 000 US-Dollar durch die unstreitige Überweisung dieses Betrags auf das sogenannte G-Konto erfüllt ist.
1. Gemäß § 362 I BGB erlischt
das Schuldverhältnis erst, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger
bewirkt wird. Bewirkt die Leistung i. S. des § 362 BGB in der Regel
noch nicht mit der Vornahme der Leistungshandlung, sondern erst mit dem
Eintritt des Leistungserfolges (BGHZ 87, 156 (162) = NJW 1983, 1605 = LM
§ 157 (C) BGB Nr. 26 m.w. Nachw.). Eine Geldschuld wie die Verpflichtung
des Käufers aus § 433 II BGB zur Zahlung des Kaufpreises kann
zwar anstatt durch Barzahlung auch durch Banküberweisung erfüllt
werden, wenn die Parteien dies vereinbart haben; dabei ist es eine untergeordnete
Frage, ob dann eine Leistung i. S. des § 362 I BGB oder eine Leistung
an Erfüllungs statt i. S. des § 363 BGB vorliegt (BGHZ 87, 156
(162) = NJW 1983, 1605 = LM § 157 (C) BGB Nr. 26; BGHZ 98, 24 (29
f.) = NJW 1986, 2428 = LM § 662 BGB Nr. 38). Unabhängig davon
wird auch bei einer Banküberweisung der zur Erfüllung erforderliche
Leistungserfolg mangels anderer Vereinbarung nur dann erzielt, wenn der
Gläubiger den geschuldeten Geldbetrag endgültig zur freien Verfügung
erhält (BGH, NJW 1986, 2428 = LM § 662 BGB Nr. 38 = WM 1996,
438 (unter 1); vgl. auch Heinrichs, in: MünchKomm, 3. Aufl., §
362 Rdnr. 23). Das ist unter der - normalerweise gegebenen - Voraussetzung,
daß allein der Gläubiger Verfügungsbefugnis über das
Konto hat, in dem Augenblick der Fall, in dem der überwiesene Betrag,
dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben wird (BGHZ 6, 121 (122) =
NJW 1952, 929 = LM § 270 BGB Nr. 1; BGHZ 58, 108 (109) = NJW 1972,
633 = LM § 30 KO Nr. 26; BGHZ 103, 143 (146) = NJW 1988, 1320 = LM
§ 665 BGB Nr. 18). Anders kann es sich aber verhalten, wenn es sich
nicht um das Konto des Gläubigers, sondern um das des Schuldners bzw.
eines ihm gehörenden Unternehmens handelt, über das der Gläubiger
lediglich neben dem Schuldner verfügen darf. Dann ist es eine Frage
der Auslegung der Vereinbarung der Parteinen, ob bereits mit der Gutschrift
auf diesem Konto Erfüllung eintreten soll oder erst dann, wenn der
Gläubiger über den überwiesenen Geldbetrag zu eigenen Zwecken
verfügt.
2. Danach ist bisher offen geblieben, ob durch
die Überweisung der 45 000 US-Dollar in gleicher Höhe Erfüllung
der Restkaufpreisschuld der Bekl. eingetreten ist.
a) Das BerGer. hat zwar als unstreitig angesehen,
daß der Kl. über das G-Konto, auf das die Bekl. die 45 000 US-Dollar
vereinbarungsgemäß überwiesen hat, die alleinige Verfügungsbefugnis
hatte. Diese Annahme beruht jedoch, wie die Revision zu Recht rügt,
auf einem Verfahrensfehler. Die Revision verweist zutreffend darauf, daß
der Kl. bei seiner persönlichen Anhörung durch das LG am 22.
11.1991 und am 26.11.1993 ausdrücklich behauptet hat, bei dem G-Konto
habe es sich um ein Konto der Bekl. gehandelt, über das neben ihm
auch die Bekl. Verfügungsbefugnis gehabt habe.. In Übereinstimmung
damit hat der Kl. in der zweiten Instanz vorgetragen, das Konto sei von
der Bekl. eröffnet worden, um darüber "alle von ihr kommenden
Gelder in den USA weiterzuleiten". Demgemäß habe er mit den
eingegangenen Geldbeträgen nach den Anweisungen der Bekl. deren Ausgaben
in den USA, insbesondere für die Firma I, bestritten. Die Bekl. habe
bei ihren häufigen Besuchen in den USA, oft zusammen mit ihrem Bilanzbuchhalter,
immer Einsicht in die Kontoauszüge gehabt. Diesen Vortrag hat das
BerGer. nicht berücksichtigt. Ersichtlich hat es die Feststellung
im erstinstanzlichen Teilurteil, über das betreffende "Konto verfüge
ausschließlich der Kl.", dahin mißverstanden, der Kl. sei allein
verfügungsbefugt gewesen, während sie - ohne Widerspruch zu dem
zitierten Vortrag des Kl. - lediglich besagt, daß der Kl. -unbeschadet
einer Verfügungsbefugnis der Bekl. - tatsächlich allein Verfügungen
vorgenommen hat.
b) Ist mithin in der Revisionsinstanz davon
auszugehen, daß es sich bei dem G-Konto um ein Konto der Bekl. oder
einer ihrer Firmen handelt, über das der Kl. lediglich neben der Bekl.
verfügen durfte, kann nicht ohne weiteres gesagt werden, daß
die Parteien mit der Gutschrift auf diesem Konto bereits Erfüllungswirkung
eintreten lassen wollten. In diesem Fall wäre die Kaufpreisschuld
vielmehr nur dann erfüllt, wenn dies der Vereinbarung der Parteien
entsprochen, oder wenn der Kl. das Geld für eigene Zwecke verwandt
hätte. eine Auslegung des von den Parteien Vereinbarten hat das
BerGer. insoweit bisher nicht vorgenommen. Ferner ist das BerGer. dem durch
die Kontoauszüge substantiierten Vortrag des Kl. nicht nachgegangen,
er habe das Geld nach Weisung der Bekl. für die Firma I verwandt.
Diese Behauptung wird durch sein weiteres, von der Revision in Bezug genommenes
Vorbringen gestützt, mit ihrer Überweisung vom 11.04.1989 habe
die Bekl. die im Oktober 1988 fällige zweite Rate nebst Verzugszinsen
nachentrichtet.
III. Nach alledem kann das Berufungsurteil
keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen
bedarf, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Daher war das Berufungsurteil
aufzuheben, und die Sache war zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung
an das BerGer. zurückzuverweisen. Sollte das BerGer. zu dem Ergebnis
kommen, daß durch die Überweisung der 45 000 US-Dollar nicht
in gleicher Höhe Erfüllung der Kaufpreisschuld der Bekl. eingetreten
ist, wird es sich mit der für diesen Fall erklärten Hilfsaufrechnung
der Bekl. zu befassen haben. Sollte das BerGer. aufgrund der von ihm getroffenen
Feststellungen zu der Annahme gelangen, daß die Parteien der Überweisung
auf das G-Konto Erfüllungwirkung beilegen wollten, wäre ferner
der Vortrag des Kl. zu berücksichtigen, die Bekl. habe noch während
des Laufs der Überweisung die ursprüngliche Zweckbestimmung als
zweite Kaufpreisrate geändert und er habe das Geld dementsprechend
für die Firma I verwandt. Würde der Kl. - etwa anhand der vorgelegten
Kontounterlagen - die Verwendung des Geldes für die Firma I beweisen,
wäre dies zugleich ein gewichtiges Indiz dafür, daß die
Bekl. ihre ursprüngliche Zweckbestimmung gemäß der Behauptung
des Kl. geändert hat. Denn es ist kein anderer Grund dafür ersichtlich,
warum der Kl. für ihn bestimmtes Geld der an die Bekl. verkaufte Firma
I hätte zugute kommen lassen sollen.