RGZ 99, 147
Leitsatz:
Ist der Käufer einer bestimmten Partie
Ware zur Wandelung berechtigt, wenn die Ware zwar der ihr im Kaufvertrage
beigelegten Bezeichnung, nicht aber dem übereinstimmenden Willen der
Vertragschließenden entspricht?
Entscheidungsgründe:
... "Wie das Oberlandesgericht bedenkenfrei festgestellt
hat, sind beide Parteien beim Abschlusse des Vertrages vom 18. November
1916 irrigerweise davon ausgegangen, daß die den Gegenstand des Vertrags
bildende, in sich bestimmte Ware - 214 -Faß Haakjöringsköd,
auf Dampfer Jessica verladen - Walfischfleisch sei, während die Ware
in Wirklichkeit Haifischfleisch und als solches mit dem norwegischen Worte
Haakjöringsköd, dessen Bedeutung die Parteien nicht kannten,
richtig bezeichnet war. Diese Feststellung rechtfertigt jedoch die Auffassung
nicht, daß, was verkauft gewesen, nämlich Haakjöringsköd,
auch geliefert worden sei und daß der Kläger, nachdem ihm durch
Aushändigung der Konnossemente die Ware übergeben worden, den
Kaufvertrag wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften der
verkauften Spezies gemäß § 119 Abs. 2 BGB hätte anfechten
können. Aus der Feststellung folgt vielmehr, daß beide Parteien
über Walfischfleisch abschließen wollten, daß sie sich
aber bei der Erklärung ihres Vertragswillens irrtümlich der diesem
Willen nicht entsprechenden Bezeichnung Haakjöringsköd bedient
haben. Das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis ist dabei ebenso
zu beurteilen, wie wenn sie sich der ihrem Willen entsprechenden Bezeichnung
Walfischfleisch bedient hätten (RGZ Bd. 61 S. 265). Demgemäß
war vertragsmäßig Walfischfleisch zu liefern, und er Kläger
war, nachdem ihm Haifischfleisch geliefert worden, auf die in den §§
459 flg. BGB vorgesehenen Rechtsbehelfe angewiesen (RGZ Bd. 61 S. 171).
Denn der gelieferten Ware fehlte die Eigenschaft, Walfischfleisch zu sein,
und wenn diese Eigenschaft auch vielleicht nicht als im Sinne des §
459 Abs. 2 BGB zugesichert zu gelten hatte, so war sie doch jedenfalls
so wesentlich, daß ihr Fehlen einen Sachmangel im Sinne des §
459 Abs. 1 darstellte. Der Kläger ist also zur Wandelung berechtigt
und er kann infolgedessen von dem Beklagten einen - der Höhe nach
noch festzustellenden - Geldbetrag fordern, der dem von ihm an den Beklagten
gezahlten Kaufpreis abzüglich des ihm von der Zentral-Einkaufsgesellschaft
gewährten Übernahmepreises gleichkommt (vgl. §§ 467
346 flg. BGB). Da vertragsmäßig nicht Haifischfleisch,
sondern Walfischfleisch zu liefern war, so ist die Ausführung der
Revision, daß der Beklagte durch Übergabe der Konnossemente
seiner Vertragspflicht gegenüber dem Kläger völlig genügt
habe (§§ 647 HGB, 433 242 BGB), ohne weiteres hinfällig.
Sie würde es jedoch auch dann sein, wenn die Parteien in Wirklichkeit
über Haifischfleisch abgeschlossen hätten, da Abschlüsse
und Verfügungen über eine auf dem Transporte nach Deutschland
befindliche und zur einfuhr bestimmte Ware ganz ebenso gegen die Bundesratsverordnungen
vom 17 Januar, 4. April und 30. September 1916 sowie gegen die Ausführungsbestimmungen
vom 5. April, 18. Juni und 23. August 1916 verstießen, wie wenn sie
nach Eingang der Ware im Inlande vorgenommen wären. Eine andere Frage
wäre allerdings die, ob alsdann mit dem Oberlandesgerichte die zu
dem gleichen Endergebnis, wie die §§ 467, 459 führenden
§§ 434, 440, 325, 327 BGB für anwendbar zu erachten sein
würden, oder ob nicht vielmehr, wie die Revision unter Hinweis auf
das Urteil des Reichsgerichts vom 15. Oktober 1918 III 203/18 geltend macht,
der Vertrag vom 18. November 1916 nach § 306 BGB nichtig und deshalb
der Kläger auf den Bereicherungsanspruch beschränkt wäre
(vgl. übrigens auch Warneyer 1918 Nr. 185). Gegen die Auffassung des
Oberlandesgerichts bestände jedenfalls das Bedenken, daß die
Zentral-Einkaufsgesellschaft zu den zahlreichen "kriegswirtschaftlichen
Organisationen" gehört, denen der Bundesrat im öffentlichen Interesse
"wichtige staatliche Aufgaben, vor allem hinsichtlich der Beschaffung des
Heeresbedarfs und auf dem Gebiete der Volksversorgung, übertragen"
hat (RGZ Bd. 69 S. 107), und daß ihr die in den erwähnten Verordnungen
bezeichneten Rechte nur im öffentlichen Interesse beigelegt worden
sind. Die aufgeworfene Frage bedarf indes hier keiner Entscheidung, weil
die Verordnungen sich auf Walfischfleisch nicht beziehen."
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