BGH NJW 1986, 1872
Mängeleinrede als zulässiger Einwand gegenüber der
Wechselforderung
WG Art. 17; BGB §§ 417, 478
Der Käufer, der zur Erfüllung der Kaufpreisforderung einen Wechsel akzeptiert hat, kann, wenn nichts anderes vereinbart ist, der Wechselforderung des Verkäufers und ersten Wechselnehmers die Mängeleinrede gem. § 478 BGB entgegenhalten. Dies gilt auch für einen Dritten, der den Wechsel zur Erfüllung der Kaufpreisverpflichtung des Käufers angenommen hat (Ergänzung von BGHZ 85, 346 = NJW 1983, 1059).
BGH, Urteil v. 30.01.1986 - II ZR 257/85 (Stuttgart)
Der Kl. ist Inhaber eines von ihm an eigene Order ausgestellten, am 9. 12. 1983 fällig gewesenen Wechsels über 74000 DM, den die Bekl. akzeptiert hat. Der Wechsel ging mangels Zahlung zu Protest. Der Kl. erwirkte gegen die Bekl. im Wechselprozeß ein Anerkenntnisvorbehaltsurteil. Im Nachverfahren hat die Bekl. beantragt, das Vorbehaltsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Sie hat unter anderem geltend gemacht, der Wechselforderung stehe die Wandlungseinrede entgegen. Dem liegt folgendes zugrunde: Der Kl. verhandelte im Herbst 1983 mit Frau S, der Ehefrau des Geschäftsführers der Bekl., über die Lieferung vergoldeter Eßbestecke. Am 12. 10. 1983 übergab er ihr 300 Bestecke zum Gesamtpreis von 184208 DM. Frau S verpflichtete sich, davon Ware nach ihrer Wahl im Wert von 74000 DM fest abzunehmen. Bestecke im Wert von 110208 DM nahm sie in Kommission. Sie sollte sie zurückgeben dürfen, wenn die Bestecke nicht, wie beabsichtigt, auf einer Messe in S. (Vereinigte Arabische Emirate) verkauft werden konnten. Diese Bestecke sind inzwischen zurückgegeben worden. Über den Kaufpreis der endgültig übernommenen Ware akzeptierte die Bekl. den Klagewechsel. Die Bekl. behauptet, die Bestecke seien gebrauchsuntauglich. Die Goldauflage sei zu gering. Deswegen zeigten sich Roststellen. Diese Mängel habe Frau S sofort nach ihrer Entdeckung noch von der Messe in S. aus fernmündlich dem Kl. mitteilen lassen. Außerdem habe sie die Wandlung des Kaufvertrages begehrt. Die Bekl. ist der Ansicht, sie könne die Wandlungseinrede der Wechselforderung entgegenhalten, da sie den Wechsel erfüllungshalber zur Tilgung der Verbindlichkeit von Frau S aus dem Kaufvertrag angenommen habe. Der Kl. bestreitet die Mängel und deren rechtzeitige Rüge. Außerdem macht er geltend, die Wandlung des Kaufvertrages sei nicht vollzogen und der Anspruch auf Wandlung inzwischen verjährt. Im übrigen könne die Bekl. keine Einreden aus dem Kaufvertrag erheben, da sie daran nicht beteiligt gewesen sei.
Die Vorinstanzen haben das Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
Der Senat führt zunächst aus, das BerGer. habe rechtsfehlerfrei einen Mangel (unzureichende Stärke der Goldauflage) festgestellt.
II.... 3. Mängelrüge.
... c) Die Revision hält die Mängelrüge der Käuferin nicht für rechtzeitig, weil dem anwaltlichen Rügeschreiben vom 23. 12. 1983 eine telegrafische Rüge hätte vorausgehen müssen. Dabei übersieht sie, daß die Mängel bereits in dem Ferngespräch des Zeugen Dr. W am 8. 12. 1983 gerügt worden sind. Gleichwohl sind die zur Rechtzeitigkeit der Mängelrüge getroffenen Feststellungen des BerGer. nicht vollständig. Die Mängel der am 12. 10. 1983 in E. (Bundesrepublik) übergebenen Bestecke, die nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des BerGer. trotz Untersuchung nicht sofort bemerkt werden konnten, haben sich, wie das BerGer. feststellt, erst nach dem Transport zur Messe in S. (Vereinigte Emirate) herausgestellt. Den genauen Zeitpunkt hat das BerGer. aber nicht festgestellt. Dies ist jedoch unschädlich. Dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Bekl. ist zu entnehmen, daß die Mängel erst nach der angeblichen Vereinbarung und Bestätigung eines wegen Überteuerung gewährten Preisnachlasses am 2. 12. 1983 entdeckt worden sind.
Zugunsten der Revision und zu Lasten der darlegungspflichtigen Bekl.
ist deshalb davon auszugehen, daß die Mängel im sonach frühestmöglichen
Zeitpunkt, also am 3. 12. 1983 festgestellt worden sind. Angesichts des
Umfangs der Ware und des Ortes der Feststellung der Mängel und der
Tatsache, daß der 4. und 5. 12. 1983 auf ein Wochenende fielen, ist
die Rüge am 8. 12. 1983 noch als unverzüglich i. S. von §
377 HGB anzusehen.
4. Die Revision meint, die Bekl. könne sich auf die Wandlungseinrede
nicht berufen, weil die Käuferin die Ware dem Kl. noch nicht zur Verfügung
gestellt habe und diesem der Verbleib unbekannt sei. Diese Rüge ist
unbegründet, weil die Käuferin die Bestecke erst in Vollzug der
Wandlung zurückzugeben hat (§§ 467, 348 BGB). Daß
ihr dies unmöglich oder von ihr verweigert worden sei, ist nicht vorgetragen.
5. Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, daß die Vertragsparteien
die Gewährleistungsrechte der Käuferin durch Vereinbarung eines
Austauschrechtes des Verkäufers ausgeschlossen hätten. Zwar können
durch vertragliche Vereinbarung die Gewährleistungsansprüche
nach § 462 BGB durch ein Nachbesserungs- oder Umtauschrecht ersetzt
werden. Der Kl. könnte sich darauf jedoch nicht berufen, weil er zu
keiner Zeit der Käuferin den Austausch gegen Bestecke, die mit ausreichend
starker Goldauflage versehen sind, angeboten hat. Er beruft sich im Gegenteil
darauf, daß die vom Sachverständigen als notwendig angeführte
Stärke der Goldauflage nur zu einem Vielfachen des vereinbarten Kaufpreises
geliefert werden könne. Ist der Kl. aber zu einem Umtausch gegen der
vertragsgemäßen Beschaffenheit entsprechende Ware nicht bereit,
so kann die Käuferin auf ihre gesetzlichen Gewährleistungsrechte
wieder zurückgreifen, ohne daß die Voraussetzungen des §
326 BGB vorliegen müssen (vgl. dazu BGH, NJW 1970, 1502 = LM §
326 (Ed) BGB Nr. 8).
6. Entgegen der Ansicht des BerGer. hat die Erhebung der Wandlungseinrede
durch die Käuferin den Kaufvertrag unberührt gelassen. Die Wandlung
ist dadurch nicht vollzogen worden. Zum Vollzug der Wandlung ist nach §
465 BGB notwendig, daß sich der Verkäufer auf Verlangen des
Käufers mit der Wandlung einverstanden erklärt hat (BGHZ 29,
148 (151) = NJW 1959, 620; BGH, WM 1983, 1391 (1392)). Hieran fehlt es
im vorliegenden Falle. Für die Revisionsinstanz ist davon auszugehen,
daß die Käuferin den Anspruch auf Wandlung nicht mehr klageweise
geltend machen kann, weil er verjährt ist und sich der Kl. auf Verjährung
beruft. Gem. § 477 BGB verjährt der Anspruch auf Wandlung bei
beweglichen Sachen in 6 Monaten von der Ablieferung. Da die Bestecke der
Käuferin am 12. 10. 1983 geliefert worden sind und diese ihren Anspruch
auf Wandlung bislang nicht klageweise geltend gemacht hat, ist er verjährt.
Die Käuferin hat daher gegenüber dem Anspruch des Kl. auf Zahlung
des Kaufpreises nur noch ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 478
BGB.
III. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es nicht ausgeschlossen, daß die Käuferin diese Einrede der Wechselforderung entgegenhalten könnte, wenn sie den Wechsel selbst akzeptiert hätte. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 9. 2. 1976 (NJW 1976, 1451 = LM Art. 17 WG Nr. 12) im Anschluß an das Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH vom 24. 11. 1971 (BGHZ 57, 292 = NJW 1972, 251) ausgeführt, eine Vertragspartei dürfe auch als Wechselgläubiger nicht mehr Rechte für sich aus dem Wechsel in Anspruch nehmen, als ihr aus dem Grundgeschäft zustünden. Im Urteil vom 8. 11. 1982 (BGHZ 85, 346 = NJW 1983, 1059) hat der Senat dargelegt, dies beruhe darauf, daß der Wechsel seinem Zwecke nach zur Erfüllung der Verbindlichkeit aus dem Grundgeschäft hingegeben werde. Aus dieser vertraglichen Zweckbestimmung ergebe sich ohne weiteres, daß der Verkäufer oder Auftragnehmer nicht berechtigt sei, aus dem Scheck oder Wechsel vorzugehen, soweit die Geltendmachung durch den vereinbarten Zweck nicht gerechtfertigt sei, also ein Erfüllungsanspruch nicht oder noch nicht bestehe. Der Wechselschuldner, der dem Gläubiger im Grundgeschäft ein Zurückbehaltungsrecht oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegenhalten könne, könne daher seine Einreden auch gegenüber der Wechselklage seines Vertragspartners zur Geltung bringen, es sei denn, daß sich aus den Umständen der Wechselbegebung etwas anderes ergäbe, zum Beispiel, daß er auf die Einreden verzichtet habe. An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der im Schrifttum erhobenen Kritik fest (vgl. Bulla, NJW 1976, 1452, und JuS 1983, 755; Hagemeister, ZIP 1983, 1427, und eingehend Zöllner, ZHR 148 (1984), 313).
In der Entscheidung des VIII. Zivilsenats wird noch auf den Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung zurückgegriffen. Der erkennende Senat leitet die Möglichkeit, Einwendungen aus dem Grundgeschäft geltend zu machen, nicht mehr aus der Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung oder der unzulässigen Rechtsausübung ab, sondern unmittelbar daraus, daß die Geltendmachung der "abstrakten" Forderung durch den bei der Hingabe des Wechsels oder Schecks vereinbarten Zweck nicht gerechtfertigt ist (vgl. dazu Baumbach-Hefermehl, WG und ScheckG, 15. Aufl., WG Einl. Rdnrn. 10, 38 und Art. 17 Rdnr. 67 c; E. Ulmer, in: Festschr. f. Raiser, S. 240; Bundschuh, WM 1983, 1186). Daß dieser Ansatz im Grundsatz rechtlich zutreffend ist, weist Zöllner (ZHR 148 (1984), 330) überzeugend nach. Nicht gefolgt werden kann seiner Ansicht, daß ein so weitgehender Inhalt der Erfüllungsabrede, wie sie der Senat durch das Hinübergreifen von Leistungsverweigerungsrechten in das Wechselrechtsverhältnis verstehe, dem gesetzlichen Abstraktionsprinzip widerspreche.
Der Senat hat schon in seiner Entscheidung vom 8. 11. 1982 (BGHZ 85, 346 = NJW 1983, 1059) darauf hingewiesen, daß sich aus Art. 22 ScheckG - für Art. 17 WG gilt dasselbe - ergebe, daß die sogenannte Abstraktheit der Scheckverbindlichkeit nicht so weit gehe, daß der Scheckverpflichtete keine Einwendungen aus seinen unmittelbaren Beziehungen zum Scheckinhaber geltend machen könne. Diesen Gesetzesbestimmungen läßt sich entnehmen, daß in Fällen, in denen der Wechsel- und Scheckgläubiger kausal mit dem aus dem Papier Verpflichteten verbunden ist, das Abstraktionsprinzip zwar nicht gänzlich verdrängt wird, aber doch von Gesetzes wegen in den Hintergrund tritt. Zutreffend weist Zöllner ferner darauf hin, der Satz, der erste Wechselnehmer könne aus dem Wechsel nicht mehr Rechte in Anspruch nehmen, als ihm nach dem Grundgeschäft zustünden, gelte nicht für die Verjährung. Nach Art. 70 I WG verjähren die wechselmäßigen Ansprüche gegen den Annehmer in drei Jahren seit Verfall. Die Verjährung des Anspruchs aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis berührt den Wechselanspruch nicht (Baumbach-Hefermehl, Art. 70 WG Rdnr. 1). Darauf hat jedoch schon Reinicke aufmerksam gemacht (Betr 1970, 1369 Fußn. 6). Der Grund, daß für die Verjährung etwas anderes gilt, liegt in der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Art. 70 WG, während Art. 17 WG und Art. 22 ScheckG den Rückgriff auf die Erfüllungsabrede nicht ausschließen. Auch das Hauptargument Zöllners, die Rechtsprechung des Senats widerspräche der (Bar-) Zahlungsfunktion der Wechsel- und Scheckzahlung, überzeugt nicht. Die Eingehung von Wechsel- und Scheckverpflichtungen läßt sich rechtlich und wirtschaftlich der Barzahlung nicht gleichsetzen. Durch diese erlischt die zu tilgende Forderung. Durch jene werden nur neue Verbindlichkeiten begründet, die ihrerseits wieder durch Bezahlung erfüllt werden müssen und damit aber auch dem Risiko ausgesetzt sind, nicht erfüllt zu werden. Deswegen bleiben auch die der Wechsel- und Scheckbegebung zugrunde liegenden Forderungen bis zur Einlösung der Papiere bestehen. Entgegen der Ansicht von Zöllner (ZHR 148 (1984), 333) leuchtet es im praktischen Ergebnis auch nicht ein, daß der erste Wechselnehmer sich selbst dann aus der Wechselforderung soll befriedigen können, wenn die Kaufpreisforderung - wie hier gem. § 478 BGB - endgültig nicht mehr erfüllt zu werden braucht. Auch eine kaufrechtliche Überlegung spricht dafür, dem Käufer nach Verjährung seines Wandlungsanspruchs ein Einrederecht gegenüber der Wechselforderung zu erhalten. Daß bei Verjährung des Wandlungsanspruchs nach § 478 BGB die Zahlung des noch nicht geleisteten Kaufpreises verweigert, nach nahezu einhelliger Meinung ein Rückforderungsanspruch wegen eines schon bezahlten Kaufpreisteils aber nicht mehr geltend gemacht werden kann, rechtfertigt sich daraus, daß die Leistung des Kaufpreises bzw. eines Kaufpreisteils und die sodann eingetretene Verjährung des Wandlungsanspruchs die Rechtslage "stabilisiert" haben und diese "Beruhigung" im Interesse der Verkehrssicherheit nicht wieder beseitigt werden soll (vgl. Erman-Westermann, BGB, 7. Aufl., § 813 Rdnr. 3). Von einer derartigen "Stabilisierung" kann keine Rede sein, wenn der Kaufpreis(teil) nicht bar bezahlt, sondern lediglich ein Wechsel erfüllungshalber (§ 364 II BGB) hingegeben worden ist; denn dann steht die Kaufpreiszahlung gerade noch aus, die § 478 BGB dem Käufer trotz verjährten Wandlungsanspruchs nicht zumutet.
IV. Könnte sonach die Käuferin die Wandlungseinrede der Wechselforderung entgegenhalten, so steht dieses Recht auch der Bekl. zu. Zwar ist diese nicht Vertragspartnerin des Kaufvertrages. Sie hat aber den Wechsel als Drittzahlerin erfüllungshalber zum Zwecke der Tilgung der Kaufpreisforderung des Kl. akzeptiert. Die Übernahme dieser Wechselverpflichtung hat, wie der Senat im Urteil vom 8. 11. 1982 (BGHZ 85, 346 = NJW 1983, 1059) bereits für den Scheck entschieden hat, solange sich der Wechselnehmer aus dem Wechsel noch nicht befriedigt und ihn in der Hand hat, die Wirkung ähnlich einem Schuldbeitritt; besteht die Forderung aus dem Kaufvertrag nicht oder noch nicht oder braucht sie nicht mehr erfüllt zu werden, kann die Bekl. daher entsprechend § 417 I 1 BGB dem Kl. die Einwendungen entgegensetzen, die sich aus dem Rechtsverhältnis der Käuferin zum Kl. ergeben, mithin die Zahlung aus dem Wechsel verweigern.
Da der Wechsel als "Anzahlung" und vor Auslieferung der Ware akzeptiert
und begeben wurde, kommt ein Verzicht auf die Wandlungseinrede nicht in
Betracht, weil die Mängel damals noch nicht bekannt waren.