Rechtsgrundlose Stellung einer Bürgschaft im Verhältnis Hauptschuldner/Gläubiger (Übersicherung durch Vermieter) und Einrede des Bürgen

BGH, Urteil v. 20.04.1989

Amtlicher Leitsatz:

Hat der Vermieter den Abschluß eines Mietvertrages über Wohnraum davon abhängig gemacht, daß der Mieter neben einer Barkaution zusätzlich eine Bürgschaft für alle Ansprüche aus dem Mietverhältnis stellt, so kann der Mieter verlangen, daß der Bürge über den Betrag von drei Monatsmieten hinaus nicht in Anspruch genommen wird; der Bürge kann dieses Recht des Hauptschuldners einredeweise geltend machen.



Fundstellen:

BGHZ 107, 210
NJW 1989, 1853
LM § 550 b BGB Nr. 1
MDR 1989, 732
BB 1989, 1082
DB 1989, 2501
WM 1989, 795
ZIP 1989, 625



Zentrales Problem:

Die Bürgschaft ist an sich, d.h. im Verhältnis zwischen Bürge und Gläubiger, ein kausales schuldrechtliches Rechtsgeschäft, zu dessen Beständigkeit es keines weiteren Verpflichtungsgeschäfts (etwa eines Sicherungsvertrages) bedarf. Wenn sich aber der Schuldner gegenüber dem Gläubiger verpflichtet hat, einen Bürgen "zu besorgen" und soweit Verpflichtung (hier wg. Verstoßes gegen § 550 b BGB) nichtig ist, so stellt die Bürgschaft selbst eine rechtsgrundlose Leistung des Hauptschuldners an den Gläubiger dar. Der Hauptschuldner kann dann nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB die Aufgabe der Sicherheit verlangen. (Nur) kraft der durch § 768 BGB angeordneten Akzessorietät kann der Bürge dem Gläubiger diese Einrede entgegenhalt.
Vgl. dazu auch die ausf. Anm. zu BGH NJW 2000, 1563.



Zum Sachverhalt:

Die Kl. hatte dem D eine Wohnung vermietet und den Abschluß des Mietvertrags davon abhängig gemacht, daß D nicht nur eine Mietkaution von 1824 DM (Grundmiete 655 DM monatlich) zahlte, sondern auch einen Bürgen stellte, der die selbstschuldnerische Bürgschaft für sämtliche Forderungen aus dem Mietverhältnis übernahm. Nachdem das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs gekündigt worden war, verrechnete die Kl. die Barkaution auf die Zahlungsrückstände und begehrt, gestützt auf die Bürgschaft, von dem Bekl., der vorprozessual 800 DM gezahlt hat, weitere 7372,14 DM nebst Zinsen und vorgerichtlichen Mahnkosten. Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Auch die Revision der Kl. blieb erfolglos.

Aus den Gründen:

... 1. Das BerGer. meint, der von den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag sei nach §§ 550b, 134 BGB insoweit nichtig, als die Kl. danach unter Berücksichtigung der von dem Mieter geleisteten und auf dessen Mietschulden verrechneten Barkaution eine Sicherheit in Höhe von insgesamt mehr als drei Monatsmieten erlangt habe. Die Bürgschaft stelle eine Sicherheit i. S. des § 550b BGB dar, der auch die doppelte Absicherung der Forderung des Vermieters durch zwei Sicherheiten erfasse. Ein Nebeneinander von Barkaution und Bürgschaft sei unzulässig, wenn und soweit beide Sicherheiten betragsmäßig zusammengenommen die Summe von drei Monatsmieten überschritten. Wenngleich § 550b III BGB unmittelbar nur die Abrede zwischen Vermieter und Mieter betreffe, so sei auch der von den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag nichtig. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß der Schutz des § 550b BGB bei Sicherheitsleistung durch Bürgen weitgehend leerliefe. Jedenfalls könne der Mieter die Bürgschaft von der Kl. nach § 812 BGB herausverlangen, soweit diese eine Sicherheit in Höhe von insgesamt mehr als drei Monatsmieten erlangt habe. Dann aber sei der Bekl. in entsprechender Anwendung der §§ 770, 768 BGB zur Verweigerung der Leistung an die Kl. berechtigt.
2. Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. Es kann auf sich beruhen, ob das Verbot des § 550b I 1, III BGB auch den Bürgschaftsvertrag erfaßt, der in Erfüllung einer Kautionsvereinbarung zwischen dem Vermieter und dem Bürgen abgeschlossen wird (so AG Köln, ZMR 1984, 379; Soergel-Kummer, BGB, Nachtr. 11. Lfg., Juli 1988, § 550b Rdnrn. 6, 12; Emmerich-Sonnenschein, Miete, 4. Aufl., § 550b Rdnr. 3; a. A. Eckert, EWiR 1989, 241). Jedenfalls ist der Bekl. berechtigt, weitere Zahlungen auf die Bürgschaft zu verweigern (§ 768 I BGB).
a) Soweit die Sicherheiten betragsmäßig zusammengenommen die Summe von drei Monatsmieten übersteigen, ist die Kl. im Verhältnis zum Mieter ungerechtfertigt bereichert (§ 812 I 1 Fall 1 BGB). Nach dieser Vorschrift ist, wer durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, diesem zur Herausgabe verpflichtet. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des BerGer. hat die Kl. den Abschluß des Mietvertrages von der Bürgschaft des Bekl. abhängig gemacht. Das BerGer. stellt weiter fest, daß die im Mietvertrag getroffene Kautionsabrede auf eine "gesonderte Vereinbarung" Bezug nehme. Es prüft, ob die Mietvertragsparteien - gegebenenfalls konkludent - vereinbart haben, daß der Mieter außer der Barkaution einen Bürgen zu stellen habe. Es bejaht diese Frage und zieht daraus den Schluß, daß die vom Bekl. abgegebene Bürgschaft im Verhältnis zwischen den Mietvertragsparteien eine weitere Sicherheitsleistung des Mieters darstelle. Diese Auslegung des Mietvertrages ist möglich, die daraus gezogene rechtliche Folgerung fehlerfrei. § 550b I 1 BGB will den Mieter unter Anerkennung des Sicherungsbedürfnisses des Vermieters vor zu großen Belastungen bewahren und Erschwerungen für den Abschluß neuer Mietverträge entgegenwirken, die in mobilitätshemmender Weise von hohen Kautionsforderungen ausgehen können (Begr. BT-Dr 9/2079, S. 10). Der Schutzzweck der Norm gebietet eine Auslegung, die keine Rücksicht darauf nimmt, ob die Verpflichtung zur Leistung der Sicherheit im Mietvertrag vereinbart und zum Beispiel durch Abschluß eines Bürgschaftsvertrages (§§ 232 II, 239 BGB) erfüllt wird oder ob der Mieter auf Verlangen des Vermieters eine Sicherheit durch Bürgschaft stellt und damit die Voraussetzungen für den Abschluß des Mietvertrages schafft. Die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Mieters wird in beiden Fallgestaltungen gleichermaßen eingeschränkt. Es kann offenbleiben, ob von einer Unwirksamkeit der Bürgschaft in solchen Fällen ausgegangen werden kann. Soweit die Bürgschaft unter Anrechnung der Barkaution die Monatsmieten übersteigt, ist sie ohne eine wirksame Kautionsabrede und damit rechtsgrundlos geleistet worden (so auch Eckert, EWiR 1989, 241). § 550b I 1, III BGB gilt für jede Form der Sicherheit, nicht nur für Barkautionen, sondern auch für Bürgschaften. Dies entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. Palandt-Putzo, BGB, 48. Aufl., § 550b Anm. 1 c; Voelskow, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 550b Rdnr. 7; Emmerich-Sonnenschein, MietG, § 550b Rdnr. 3; Soergel-Kummer, BGB, Nachtr. § 550b Rdnr. 5; auch BT-Dr 9/2079, S. 13). Auch Mehrfachsicherungen sind unwirksam, soweit sie zusammengerechnet drei Monatsmieten übersteigen (Palandt-Putzo, BGB, § 550b Anm. 2c; Voelskow, in: MünchKomm, § 550b Rdnr. 6; Emmerich-Sonnenschein, Miete, § 550b Rdnr. 3). Der Mieter, der mehr Sicherheiten erbracht hat als gesetzlich zulässig sind, kann verlangen, daß der Vermieter die Sicherheiten nicht verwertet, sondern freigibt und einen Bürgen aus einer Bürgschaft nicht in Anspruch nimmt.
b) Auf diese Einrede beruft sich der Bekl. mit Recht (§ 768 I 1 BGB). Nach dieser Vorschrift kann der Bürge die Einreden des Hauptschuldners wie eigene geltend machen. Dieses Recht steht auch dem selbstschuldnerischen Bürgen zu (BGHZ 76, 222 (226) = NJW 1980, 1460 = LM § 767 BGB Nr. 14).
aa) Zu den Einreden i. S. des § 768 BGB rechnen zunächst die Gegenrechte, die dem Hauptschuldner gegen die verbürgte Forderung zustehen (Mormann, in: RGRK, 12. Aufl. § 768 Rdnr. 1; Mot. Bd. 2, S. 661). Danach hinge es im Streitfall von den Vereinbarungen der Mietvertragsparteien ab, ob der Bereicherungsanspruch des Mieters ihn dazu berechtigte, die Erfüllung der Mietzinsforderung zu verweigern. Dazu hat der Tatrichter keine Feststellungen getroffen.
bb) Der Wortlaut des § 768 I 1 BGB gebietet indes keine derartige einschränkende Auslegung. Es ist zu berücksichtigen, daß die Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsmittel dem Gläubiger gegen den Bürgen keine besseren Rechte geben will als gegen den Schuldner. Sinn und Zweck des § 768 BGB wird daher nur eine Auslegung gerecht, die dem Bürgen das Recht einräumt, sämtliche Einreden des Hauptschuldners zu erheben (vgl. Pecher, in: MünchKomm, § 768 Rdnr. 2; Soergel-Mühl, BGB, 11. Aufl. § 768 Rdnr. 2), es sei denn, der Sicherungszweck der Bürgschaft steht entgegen (§ 768 I 2; Soergel-Mühl, BGB, § 768 Rdnr. 2; Staudinger-Horn, BGB, 12. Aufl., § 768 Rdnr. 4). Danach ist es unerheblich, ob der Bereicherungseinwand den Mieter nur dazu berechtigt, der Verwertung der Sicherheit zu widersprechen, oder ob er ihm darüber hinaus ein Gegenrecht gegenüber der Hauptforderung einräumt. Jedenfalls kann der Bekl. dessen Einrede, aus der Bürgschaft nicht vorzugehen, wie eine eigene geltend machen.


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