Klageanerkenntnis, Antragserfordernis beim Anerkenntnisurteil

BGH, Urt. v. 8.10.1953


Fundstelle:

BGHZ 10,333
NJW 1953, 1830
LM § 307 ZPO Nr. 1



Amtl. Leitsatz:

Erklärt der Kläger nach einem Anerkenntnis des Beklagten, er nehme kein Anerkenntnisurteil, verzichte darauf aber auch nicht, beantragt er vielmehr, den Beklagten nach Prüfung der rechtlichen Begründetheit des Klageanspruchs streitmäßig zu verurteilen, so ist in den Entscheidungsgründen auszusprechen, daß mangels Rechtsschutzbedürfnisses ein Anspruch auf Prüfung der rechtlichen Begründetheit des Anspruchs nicht besteht, und es ist der Beklagte auf den nach dem Anerkenntnis gestellten Verurteilungsantrag hin auf Grund seines Anerkenntnisses dem Klageanspruch entsprechend zu verurteilen.



Sachverhalt:

Das Landratsamt des beklagten Kreises beschlagnahmte einen Kraftwagen des Klägers und brachte ihn in seine Kraftfahrzeugverwertungsstelle. Auf Beschwerde wurde der Wagen dem Kläger zurückgegeben. Dabei fehlten mehrere Zubehörteile, so daß der Wagen nicht benutzbar war. Der Kläger führt dies auf ein Verschulden der Angestellten der Kraftfahrzeugverwertungsstelle zurück. Er macht den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung und der öffentlichrechtlichen Verwahrung verantwortlich und hat beantragt, ihn zu verurteilen, den Wagen mit den näher bezeichneten Zubehörteilen versehen zu lassen, und festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm die Aufwendungen für die Benutzung von Mietkraftwagen zu erstatten.
Der Beklagte wendet ein, die Angestellten der Kraftfahrzeugverwertungsstelle hätten bei der Verwahrung des Wagens im übertragenen Wirkungskreis gehandelt. Eine etwaige Amtshaftung treffe den Staat.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil für Amtspflichtverletzungen von Angestellten im übertragenen Wirkungskreis nicht der Beklagte, sondern der Staat hafte. Auch die Pflichten aus der öffentlichrechtlichen Verwahrung träfen den Staat. Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Ihm ist der Freistaat Bayern als Streitgehilfe beigetreten. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen, weil der Landkreis nicht der richtige Beklagte sei. Der Freistaat Bayern als Streitgehilfe des Klägers hat beim Bayerischen Obersten Landesgericht Revision eingelegt. Dieses hat den Bundesgerichtshof zur Verhandlung und Entscheidung über die Revision für zuständig erklärt.
In der Revisionsverhandlung ist beantragt worden, nach den Klageanträgen zu erkennen. Der Beklagte hat den geltend gemachten Anspruch einschließlich des Kostenanspruchs unter Zugeständnis der klagbegründenden Behauptungen anerkannt. Daraufhin haben der Kläger und der Freistaat Bayern ihren Antrag wiederholt und erklärt, daß sie kein Anerkenntnisurteil nehmen, aber auch nicht auf ein Anerkenntnisurteil verzichten. Der Beklagte hat erwidert, nach seiner Auffassung könne nunmehr Anerkenntnisurteil ergehen, die Frage, ob die Hauptsache sich erledigt habe, könne nicht akut werden, weil auf ein Anerkenntnisurteil nicht verzichtet worden sei.
Auf die Revision wurde das landgerichtliche Urteil aufgelloben, der beklagte Landkreis wurde nach dem Klagantrag verurteilt.

Aus den Gründen:

1. Das Anerkenntnis ist auch noch in der Revisionsinstanz zulässig (vgl. Stein-Jonas, ZPO 17 Aufl § 307 Anm II; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts 5. Aufl 1951 § 131 Anm II).
2. Liegt ein wirksames Anerkenntnis vor, so fragt es sich, welche Bedeutung dieses für den Rechtsstreit hat. Das Anerkenntnis als solches beendet den Prozeß nicht, denn es gibt dem Kläger noch keinen vollstreckbaren Titel, dessen er bedarf, wenn der Beklagte trotz des Anerkenntnisses nicht freiwillig leistet. Der Gesetzgeber hat nicht den Weg gewählt, die Zwangsvollstreckung aus dem Protokoll über ein Anerkenntnis, etwa wie beim Vergleichsprotokoll (§ 794 ZPO), für statthaft zu erklären. Einen Vollstreckungstitel für den anerkannten Klageanspruch erhält der Kläger vielmehr nur in der Form eines Urteils. § 307 ZPO bestimmt, daß eine Partei, die den gegen sie geltend gemachten Anspruch bei der mündlichen Verhandlung ganz oder zum Teil anerkennt, dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen ist. Erst die dem Anerkenntnis folgende Verurteilung erledigt die Hauptsache (vgl. den Wortlaut des § 99 Abs 2 ZPO).
Das Anerkenntnis enthält, zunächst, was indessen nicht wesentlich ist, das Zugeständnis der Richtigkeit der tatsächlichen Klagebehauptungen und zugleich die Anerkennung, daß sich aus diesen Tatsachen die vom Kläger behaupteten Rechtsfolgen ableiten lassen, mit denen er sein Klagebegehren begründet. Der Anerkennende unterwirft sich dem Klaganspruch als einem zu Recht bestehenden Anspruch (RGZ 90, 186 [190]). Insoweit ist das Gericht der Prüfung des Streitstoffes überhoben, denn es besteht kein Streit mehr über die Begründetheit des Klageanspruchs. Ihm obliegt nur noch die Prüfung der Zulässigkeit des Anspruchs, da ein unmöglicher oder gesetzlich verbotener Anspruch nicht zugesprochen werden kann, und des Vorliegens besonderer Prozeßvoraussetzungen, so des rechtlichen Interesses bei der Feststellungsklage, das hier gegeben ist (vgl. Stein-Jonas aaO § 307 III; Rosenberg aaO § 131 I 5 a).
Die Revision meint, der Kläger habe die Wahl, nach § 307 ZPO ein Urteil dem Anerkenntnis gemäß zu beantragen oder ein streitmäßiges Urteil über die Wahrheit der tatsächlichen Klagebehauptungen und die rechtliche Begründetheit des daraus hergeleiteten Klageanspruchs zu verlangen. Sie leitet diese Ansicht daraus ab, daß in § 307 ZPO bestimmt ist, die anerkennende Partei sei , auf Antrag« dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Damit verkennt die Revision die Bedeutung dieser Vorschrift. Wenn bestimmt ist, daß es zum Erlaß eines Urteils dem Anerkenntnis gemäß eines Antrages bedarf, so deshalb, weil der Kläger möglicherweise nach dem Anerkenntnis an einem Urteil gar kein Interesse mehr hat, etwa deshalb, weil er der Zuversicht ist, der Beklagte werde ohnedies zahlen. Deshalb soll der Richter nicht schon auf den vor dem Anerkenntnis gestellten ursprünglichen Klageantrag hin ein Urteil erlassen.
Der Antrag aus § 307 ZPO ist kein Antrag, der sich auf einen durch das Anerkenntnis etwa neu entstandenen Anspruch bezieht, er erhält keinen besonderen Inhalt dadurch, daß er nach dem Anerkenntnis gestellt wird. Er ist vielmehr derselbe, nur noch einmal wiederholte Antrag, wie der ursprüngliche Klageantrag (vgl. Stein-Jonas aaO § 307 IV bei Note 35). Also ist aus § 307 ZPO nicht herzuleiten, daß der Kläger die Wahl habe zwischen einem Urteil dem Anerkenntnis gemäß und einem Urteil, das über die rechtliche Begründetheit des Klageanspruchs streitmäßig entscheidet.
3. Dort, wo der Antrag auf ein Urteil gemäß dem Anerkenntnis möglich ist, dem Kläger das Recht einzuräumen, stattdessen ein Urteil zu begehren, das die Begründetheit des Klageanspruchs prüft, besteht auch kein Anlaß. Freilich erhält der Kläger bei einem Urteil, das dem Anerkenntnis gemäß erlassen wird, keine richterliche Entscheidung über die rechtliche Begründetheit des Klageanspruchs. Da der Zweck des Prozesses aber neben der Sicherung des Rechtsfriedens die Bewährung des objektiven Rechts durch Schutz des auf seinem Boden sich ergebenden subjektiven Rechts im Einzelfall ist, nicht aber der, eine Entscheidung über Rechtsfragen herbeizuführen, deren Erörterung es nicht bedarf, um dem Anspruch des Klägers gerecht zu werden, hat der Kläger keinen Anspruch darauf, daß das Gericht durch streitiges Urteil entscheidet, wenn der Kläger durch Stellung eines Antrags auf Erlaß des Anerkenntnisurteils ein seinem Klagantrag entsprechendes Urteil erlangen kann. Zeit und Kräfte des staatlichen Gerichts dürfen vom Einzelnen nur insoweit in Anspruch genommen werden, als für ihn ein Bedürfnis nach Rechtsschutz gegeben ist. Dieses besteht aber nicht, wenn der Kläger auch auf einem kürzeren und billigeren Weg zu seinem Ziel gelangen kann, wie das beim Anerkenntnisurteil der Fall ist. Bei diesem können Tatbestand und Entscheidungsgründe wegbleiben (§ 313 Abs 3 ZPO) und es kann noch vor schriftlicher Abfassung der Urteilsformel verkündet werden (§ 311 Abs 1 ZPO); die Urteilsgebühr des Gerichts entfällt und die Verhandlungsgebühren der Anwälte mindern sich. (§ 20 Abs 1 Nr 3 GKG; § 16 RAGO - vgl. hierzu Schönke: Das Rechtsschutzbedürfnis 1950 - Prozeßrechtliche Abhandlungen Heft 17 S 13, 38, 49). Auf die Ausführungen Schönkes auf S 22 seiner Abhandlung beruft sich die Revision zu Unrecht. Dort wird das Rechtsschutzbedürfnis für Prozeßhandlungen bejaht, die das Prozeßrechtsverhältnis und die davon beeinflußten privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen Verhältnisse einer Partei beeinflussen können. Das Prozeßrechtsverhältnis ist aber das Verhältnis zwischen den Prozeßparteien unmittelbar. Dieses wird nach dem Anerkenntnis von der Frage nicht berührt, deren Entscheidung die Revision begehrt. Soweit der nach dem Anerkenntnis gestellte Antrag darauf abzielt, eine streitmäßige Entscheidung über die Begründetheit des Klageanspruchs zu erlangen, kann ihm daher nicht entsprechen werden (vgl. Alberti, D. Gemein- u. WirtschRecht 194 , 171 [176]).
Die Gründe, die die Revision anführt, um die Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Frage darztun, ob in Fällen der vorliegenden Art der Bayerische Landkreis oder der Bayerische Staat haftet, vermögen nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Es mag sein, daß der Kläger als Notar in die Lage kommen kann, in ähnlichen Fällen Rechtssuchende belehren zu müssen. Ihm für künftige Fälle abstrakte Rechtsbelehrungen zu urteilen, ist aber nicht Sache des Gerichts.
Auch die vom Bayerischen Staat geltend gemachten Gründe geben dem Senat nicht die Möglichkeit, nachdem der Beklagte wirksam anerkannt hat, noch zur Frage der rechtlichen Begründetheit des Klageanspruchs und damit zu den vorgetragenen Zweifelsfragen in diesem Rechtsstreit Stellung zu nehmen. Der Bayerische Staat hält eine solche Stellungnahme um der Rechtseinheit und der Rechtssicherheit willen für erforderlich. Da aber die Revision gegen alle von bayerischen Oberlandesgerichten erlassenen Urteile beim Bayerischen Obersten Landesgericht einzulegen ist (§ 7 Abs 1 EGZPO), ist für Bayern die Rechtseinheit gewahrt, wenn das Bayerische Oberste Landesgericht sich in Rechtsstreitigkeiten der hier vorliegenden Art - unanfechtbar und den Bundesgerichtshof bindend (§ 7 Abs 2 und 3 EGZPO) - für zuständig erklärt, wie das nach der Darstellung des Freistaates Bayern - von dem hier vorliegenden Ausnahmefall abgesehen - feste Praxis ist. Angesichts dieser von der Revision geschilderten festen Praxis kann auch nicht wohl von Rechtsunsicherheit in Bayern gesprochen werden. Wenn sich dort eine Rechtsprechung entwickelt hat und noch weiter entwickeln kann, die von der Rechtsprechung im übrigen Bereich des Bundesgerichtshofs abweicht, so mag das für die bayerischen fiskalischen Belange in Fällen der vorliegenden Art unerwünscht sein. Dieser Zustand ist aber eine Folge der Schaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, deren Zweck es war, über bayerische Belange, wie sie hier in Rede stehen, bayerische Richter entscheiden zu lassen. Der Hinweis der Revision, es sei Aufgabe des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht, eine einheitliche Anwendung des Rechtes auch in Bayern sicherzustellen, geht somit fehl. Es kommt dem Bundesgerichtshof nicht zu, dort wo der Einzelfall es nicht erfordert, bestimmte Rechtsfragen zu erörtern, nur um so auf die künftige Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts Einfluß zu nehmen. Nach alledem besteht im vorliegenden Falle kein Anlaß, unter Außerachtlassung des Anerkenntnisses über die Begründetheit des Klageanspruchs und damit über die Frage zu entscheiden, ob ohne das Anerkenntnis der Beklagte zu verurteilen wäre, oder ob die Haftung den Bayerischen Staat treffen würde. Ob überhaupt Fälle vorkommen können, in denen es nötig und möglich ist, trotz Anerkenntnisses die rechtliche Begründetheit des Anspruchs zu prüfen, kann dahingestellt bleiben.
4. Ein Urteil unter Entscheidung über die rechtliche Begründetheit des Klageanspruchs, wie es die Revision anstrebt, kann nach Vorstehendem nicht ergehen. Es ist aber auch auf ein Urteil dem Anerkenntnis gemäß nicht verzichtet worden. Dem Gericht liegt der nach dem Anerkenntnis erneut gestellte Antrag vor, den Beklagten entsprechend dem ursprünglichen Klageantrag zu verurteilen. Diesem Antrag ist, nachdem der Beklagte den mit der Klage geltend gemachten Anspruch anerkannt hat, zu entsprechen, weil das Anerkenntnis die begehrte Verurteilung rechtfertigt. Dem Kläger wird damit nicht etwa unter Verstoß gegen § 308 ZPO etwas zugesprochen, was er nicht beantragt hat. Die Urteilsformel entspricht genau dem Klageantrag. Die Verurteilung erfolgt auch nicht unter einem vom Kläger nicht geltend gemachten sachlichrechtlichen Gesichtspunkt, denn ihm wird der Anspruch zugesprochen, den er mit der Klage geltend gemacht hat. Auch bei einem Urteil dem Anerkenntnis gemäß wird über den ursprünglich erhobenen Anspruch entschieden, nicht etwa über einen erst durch das Anerkenntnis entstandenen neuen Anspruch. Darauf wurde unter Bezugnahme auf Stein-Jonas (aaO § 307 IV Note 35) bereits hingewiesen.
Der Meinung des Oberlandesgerichts Stuttgart (Württ Jahrb Band 29, 118 [120]), daß die Klage abzuweisen sei, wenn der Kläger trotz wirksamen Anerkenntnisses seinen Antrag auf Verurteilung durch streitiges Erkenntnis aufrechterhält, kann nicht beigepflichtet werden. Durch das Anerkenntnis hat sich nur der Streit über die Begründetheit des Anspruchs erledigt, nicht dieser selbst. In diesem Sinne ist in § 160 Abs 2 Nr 1 ZPO von einem Anerkenntnis die Rede, durch das der geltend gemachte Anspruch »erledigt« wird. Es ist nicht gerechtfertigt, einen Anspruch, dem sich der Beklagte unterworfen hat, abzuweisen. Der Antrag des Klägers, ungeachtet des Anerkenntnisses, streitmäßig über die Begründetheit des Klageanspruchs zu entscheiden, ist vielmehr, wie hier geschehen, in den Gründen des Urteils als unzulässig abzutun.
5. Da der Beklagte entsprechend dem Klageantrag verurteilt wird und den Anspruch nicht sofort anerkannt hat, treffen ihn die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges. Er hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, die entstanden sein würden, wenn nach dem Anerkenntnis schlechthin Verurteilung dem Anerkenntnis gemäß beantragt worden wäre (§§ 91, 93 ZPO). Es ist nach dem Anerkenntnis zwischen den Parteien aber streitig darüber verhandelt worden, ob das Anerkenntnis wirksam sei, und ob dem Antrag der Revision gemäß ein Urteil über die Begründetheit des Klageanspruchs unter Außerachtlassung des Anerkenntnisses überhaupt erlassen werden könne. Beide Parteien haben dabei verschiedene Prozeßziele verfolgt. Über diese Streitpunkte war vom Gericht zu entscheiden. Die dadurch entstandenen Mehrkosten einer streitigen Verhandlung und eines insoweit streitmäßigen Urteils hat der Kläger zu tragen, der insoweit unterlegen ist (§ 91 ZPO - vgl. Baumbach-Lauterbach, Kostengesetze 11. Aufl 1953 § 20 GKG Anm 5). Die durch die Nebenintervention des Freistaats Bayern entstandenen Kosten sind nach § 101 ZPO dem Beklagten aufzuerlegen, soweit er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Im übrigen hat sie der Nebenintervenient selbst zu tragen.



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