BGHZ 10,333
NJW 1953, 1830
LM § 307 ZPO Nr. 1
Erklärt der Kläger nach einem Anerkenntnis des Beklagten, er nehme kein Anerkenntnisurteil, verzichte darauf aber auch nicht, beantragt er vielmehr, den Beklagten nach Prüfung der rechtlichen Begründetheit des Klageanspruchs streitmäßig zu verurteilen, so ist in den Entscheidungsgründen auszusprechen, daß mangels Rechtsschutzbedürfnisses ein Anspruch auf Prüfung der rechtlichen Begründetheit des Anspruchs nicht besteht, und es ist der Beklagte auf den nach dem Anerkenntnis gestellten Verurteilungsantrag hin auf Grund seines Anerkenntnisses dem Klageanspruch entsprechend zu verurteilen.
Das Landratsamt des beklagten Kreises beschlagnahmte
einen Kraftwagen des Klägers und brachte ihn in seine Kraftfahrzeugverwertungsstelle.
Auf Beschwerde wurde der Wagen dem Kläger zurückgegeben. Dabei
fehlten mehrere Zubehörteile, so daß der Wagen nicht benutzbar
war. Der Kläger führt dies auf ein Verschulden der Angestellten
der Kraftfahrzeugverwertungsstelle zurück. Er macht den Beklagten
aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung und der öffentlichrechtlichen
Verwahrung verantwortlich und hat beantragt, ihn zu verurteilen, den Wagen
mit den näher bezeichneten Zubehörteilen versehen zu lassen,
und festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm die Aufwendungen
für die Benutzung von Mietkraftwagen zu erstatten.
Der Beklagte wendet ein, die Angestellten der
Kraftfahrzeugverwertungsstelle hätten bei der Verwahrung des Wagens
im übertragenen Wirkungskreis gehandelt. Eine etwaige Amtshaftung
treffe den Staat.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil
für Amtspflichtverletzungen von Angestellten im übertragenen
Wirkungskreis nicht der Beklagte, sondern der Staat hafte. Auch die Pflichten
aus der öffentlichrechtlichen Verwahrung träfen den Staat. Der
Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Ihm ist der Freistaat
Bayern als Streitgehilfe beigetreten. Das Berufungsgericht hat die Berufung
zurückgewiesen, weil der Landkreis nicht der richtige Beklagte sei.
Der Freistaat Bayern als Streitgehilfe des Klägers hat beim Bayerischen
Obersten Landesgericht Revision eingelegt. Dieses hat den Bundesgerichtshof
zur Verhandlung und Entscheidung über die Revision für zuständig
erklärt.
In der Revisionsverhandlung ist beantragt worden,
nach den Klageanträgen zu erkennen. Der Beklagte hat den geltend gemachten
Anspruch einschließlich des Kostenanspruchs unter Zugeständnis
der klagbegründenden Behauptungen anerkannt. Daraufhin haben der Kläger
und der Freistaat Bayern ihren Antrag wiederholt und erklärt, daß
sie kein Anerkenntnisurteil nehmen, aber auch nicht auf ein Anerkenntnisurteil
verzichten. Der Beklagte hat erwidert, nach seiner Auffassung könne
nunmehr Anerkenntnisurteil ergehen, die Frage, ob die Hauptsache sich erledigt
habe, könne nicht akut werden, weil auf ein Anerkenntnisurteil nicht
verzichtet worden sei.
Auf die Revision wurde das landgerichtliche Urteil
aufgelloben, der beklagte Landkreis wurde nach dem Klagantrag verurteilt.
Aus den Gründen:
1. Das Anerkenntnis ist auch noch in der Revisionsinstanz
zulässig (vgl. Stein-Jonas, ZPO 17 Aufl § 307 Anm II; Rosenberg,
Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts 5. Aufl 1951 § 131
Anm II).
2. Liegt ein wirksames Anerkenntnis vor, so fragt
es sich, welche Bedeutung dieses für den Rechtsstreit hat. Das Anerkenntnis
als solches beendet den Prozeß nicht, denn es gibt dem Kläger
noch keinen vollstreckbaren Titel, dessen er bedarf, wenn der Beklagte
trotz des Anerkenntnisses nicht freiwillig leistet. Der Gesetzgeber hat
nicht den Weg gewählt, die Zwangsvollstreckung aus dem Protokoll über
ein Anerkenntnis, etwa wie beim Vergleichsprotokoll (§ 794 ZPO), für
statthaft zu erklären. Einen Vollstreckungstitel für den anerkannten
Klageanspruch erhält der Kläger vielmehr nur in der Form eines
Urteils. § 307 ZPO bestimmt, daß eine Partei, die den gegen
sie geltend gemachten Anspruch bei der mündlichen Verhandlung ganz
oder zum Teil anerkennt, dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen
ist. Erst die dem Anerkenntnis folgende Verurteilung erledigt die Hauptsache
(vgl. den Wortlaut des § 99 Abs 2 ZPO).
Das Anerkenntnis enthält, zunächst,
was indessen nicht wesentlich ist, das Zugeständnis der Richtigkeit
der tatsächlichen Klagebehauptungen und zugleich die Anerkennung,
daß sich aus diesen Tatsachen die vom Kläger behaupteten Rechtsfolgen
ableiten lassen, mit denen er sein Klagebegehren begründet. Der Anerkennende
unterwirft sich dem Klaganspruch als einem zu Recht bestehenden Anspruch
(RGZ 90, 186 [190]). Insoweit ist das Gericht der Prüfung des Streitstoffes
überhoben, denn es besteht kein Streit mehr über die Begründetheit
des Klageanspruchs. Ihm obliegt nur noch die Prüfung der Zulässigkeit
des Anspruchs, da ein unmöglicher oder gesetzlich verbotener Anspruch
nicht zugesprochen werden kann, und des Vorliegens besonderer Prozeßvoraussetzungen,
so des rechtlichen Interesses bei der Feststellungsklage, das hier gegeben
ist (vgl. Stein-Jonas aaO § 307 III; Rosenberg aaO § 131
I 5 a).
Die Revision meint, der Kläger habe die Wahl,
nach § 307 ZPO ein Urteil dem Anerkenntnis gemäß zu beantragen
oder ein streitmäßiges Urteil über die Wahrheit der tatsächlichen
Klagebehauptungen und die rechtliche Begründetheit des daraus hergeleiteten
Klageanspruchs zu verlangen. Sie leitet diese Ansicht daraus ab, daß
in § 307 ZPO bestimmt ist, die anerkennende Partei sei , auf Antrag«
dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Damit verkennt die Revision
die Bedeutung dieser Vorschrift. Wenn bestimmt ist, daß es zum Erlaß
eines Urteils dem Anerkenntnis gemäß eines Antrages bedarf,
so deshalb, weil der Kläger möglicherweise nach dem Anerkenntnis
an einem Urteil gar kein Interesse mehr hat, etwa deshalb, weil er der
Zuversicht ist, der Beklagte werde ohnedies zahlen. Deshalb soll der Richter
nicht schon auf den vor dem Anerkenntnis gestellten ursprünglichen
Klageantrag hin ein Urteil erlassen.
Der Antrag aus § 307 ZPO ist kein Antrag,
der sich auf einen durch das Anerkenntnis etwa neu entstandenen Anspruch
bezieht, er erhält keinen besonderen Inhalt dadurch, daß er
nach dem Anerkenntnis gestellt wird. Er ist vielmehr derselbe, nur noch
einmal wiederholte Antrag, wie der ursprüngliche Klageantrag (vgl.
Stein-Jonas aaO § 307 IV bei Note 35). Also ist aus § 307 ZPO
nicht herzuleiten, daß der Kläger die Wahl habe zwischen einem
Urteil dem Anerkenntnis gemäß und einem Urteil, das über
die rechtliche Begründetheit des Klageanspruchs streitmäßig
entscheidet.
3. Dort, wo der Antrag auf ein Urteil gemäß
dem Anerkenntnis möglich ist, dem Kläger das Recht einzuräumen,
stattdessen ein Urteil zu begehren, das die Begründetheit des Klageanspruchs
prüft, besteht auch kein Anlaß. Freilich erhält der Kläger
bei einem Urteil, das dem Anerkenntnis gemäß erlassen wird,
keine richterliche Entscheidung über die rechtliche Begründetheit
des Klageanspruchs. Da der Zweck des Prozesses aber neben der Sicherung
des Rechtsfriedens die Bewährung des objektiven Rechts durch Schutz
des auf seinem Boden sich ergebenden subjektiven Rechts im Einzelfall ist,
nicht aber der, eine Entscheidung über Rechtsfragen herbeizuführen,
deren Erörterung es nicht bedarf, um dem Anspruch des Klägers
gerecht zu werden, hat der Kläger keinen Anspruch darauf, daß
das Gericht durch streitiges Urteil entscheidet, wenn der Kläger durch
Stellung eines Antrags auf Erlaß des Anerkenntnisurteils ein seinem
Klagantrag entsprechendes Urteil erlangen kann. Zeit und Kräfte des
staatlichen Gerichts dürfen vom Einzelnen nur insoweit in Anspruch
genommen werden, als für ihn ein Bedürfnis nach Rechtsschutz
gegeben ist. Dieses besteht aber nicht, wenn der Kläger auch auf einem
kürzeren und billigeren Weg zu seinem Ziel gelangen kann, wie das
beim Anerkenntnisurteil der Fall ist. Bei diesem können Tatbestand
und Entscheidungsgründe wegbleiben (§ 313 Abs 3 ZPO) und es kann
noch vor schriftlicher Abfassung der Urteilsformel verkündet werden
(§ 311 Abs 1 ZPO); die Urteilsgebühr des Gerichts entfällt
und die Verhandlungsgebühren der Anwälte mindern sich. (§
20 Abs 1 Nr 3 GKG; § 16 RAGO - vgl. hierzu Schönke: Das Rechtsschutzbedürfnis
1950 - Prozeßrechtliche Abhandlungen Heft 17 S 13, 38, 49). Auf die
Ausführungen Schönkes auf S 22 seiner Abhandlung beruft sich
die Revision zu Unrecht. Dort wird das Rechtsschutzbedürfnis für
Prozeßhandlungen bejaht, die das Prozeßrechtsverhältnis
und die davon beeinflußten privatrechtlichen oder öffentlichrechtlichen
Verhältnisse einer Partei beeinflussen können. Das Prozeßrechtsverhältnis
ist aber das Verhältnis zwischen den Prozeßparteien unmittelbar.
Dieses wird nach dem Anerkenntnis von der Frage nicht berührt, deren
Entscheidung die Revision begehrt. Soweit der nach dem Anerkenntnis gestellte
Antrag darauf abzielt, eine streitmäßige Entscheidung über
die Begründetheit des Klageanspruchs zu erlangen, kann ihm daher nicht
entsprechen werden (vgl. Alberti, D. Gemein- u. WirtschRecht 194 , 171
[176]).
Die Gründe, die die Revision anführt,
um die Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs über
die Frage darztun, ob in Fällen der vorliegenden Art der Bayerische
Landkreis oder der Bayerische Staat haftet, vermögen nicht zu einer
anderen Beurteilung zu führen. Es mag sein, daß der Kläger
als Notar in die Lage kommen kann, in ähnlichen Fällen Rechtssuchende
belehren zu müssen. Ihm für künftige Fälle abstrakte
Rechtsbelehrungen zu urteilen, ist aber nicht Sache des Gerichts.
Auch die vom Bayerischen Staat geltend gemachten
Gründe geben dem Senat nicht die Möglichkeit, nachdem der Beklagte
wirksam anerkannt hat, noch zur Frage der rechtlichen Begründetheit
des Klageanspruchs und damit zu den vorgetragenen Zweifelsfragen in diesem
Rechtsstreit Stellung zu nehmen. Der Bayerische Staat hält eine solche
Stellungnahme um der Rechtseinheit und der Rechtssicherheit willen für
erforderlich. Da aber die Revision gegen alle von bayerischen Oberlandesgerichten
erlassenen Urteile beim Bayerischen Obersten Landesgericht einzulegen ist
(§ 7 Abs 1 EGZPO), ist für Bayern die Rechtseinheit gewahrt,
wenn das Bayerische Oberste Landesgericht sich in Rechtsstreitigkeiten
der hier vorliegenden Art - unanfechtbar und den Bundesgerichtshof bindend
(§ 7 Abs 2 und 3 EGZPO) - für zuständig erklärt, wie
das nach der Darstellung des Freistaates Bayern - von dem hier vorliegenden
Ausnahmefall abgesehen - feste Praxis ist. Angesichts dieser von der Revision
geschilderten festen Praxis kann auch nicht wohl von Rechtsunsicherheit
in Bayern gesprochen werden. Wenn sich dort eine Rechtsprechung entwickelt
hat und noch weiter entwickeln kann, die von der Rechtsprechung im übrigen
Bereich des Bundesgerichtshofs abweicht, so mag das für die bayerischen
fiskalischen Belange in Fällen der vorliegenden Art unerwünscht
sein. Dieser Zustand ist aber eine Folge der Schaffung des Bayerischen
Obersten Landesgerichts, deren Zweck es war, über bayerische Belange,
wie sie hier in Rede stehen, bayerische Richter entscheiden zu lassen.
Der Hinweis der Revision, es sei Aufgabe des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht,
eine einheitliche Anwendung des Rechtes auch in Bayern sicherzustellen,
geht somit fehl. Es kommt dem Bundesgerichtshof nicht zu, dort wo der Einzelfall
es nicht erfordert, bestimmte Rechtsfragen zu erörtern, nur um so
auf die künftige Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts
Einfluß zu nehmen. Nach alledem besteht im vorliegenden Falle kein
Anlaß, unter Außerachtlassung des Anerkenntnisses über
die Begründetheit des Klageanspruchs und damit über die Frage
zu entscheiden, ob ohne das Anerkenntnis der Beklagte zu verurteilen wäre,
oder ob die Haftung den Bayerischen Staat treffen würde. Ob überhaupt
Fälle vorkommen können, in denen es nötig und möglich
ist, trotz Anerkenntnisses die rechtliche Begründetheit des Anspruchs
zu prüfen, kann dahingestellt bleiben.
4. Ein Urteil unter Entscheidung über
die rechtliche Begründetheit des Klageanspruchs, wie es die Revision
anstrebt, kann nach Vorstehendem nicht ergehen. Es ist aber auch auf ein
Urteil dem Anerkenntnis gemäß nicht verzichtet worden. Dem Gericht
liegt der nach dem Anerkenntnis erneut gestellte Antrag vor, den Beklagten
entsprechend dem ursprünglichen Klageantrag zu verurteilen. Diesem
Antrag ist, nachdem der Beklagte den mit der Klage geltend gemachten Anspruch
anerkannt hat, zu entsprechen, weil das Anerkenntnis die begehrte Verurteilung
rechtfertigt. Dem Kläger wird damit nicht etwa unter Verstoß
gegen § 308 ZPO etwas zugesprochen, was er nicht beantragt hat. Die
Urteilsformel entspricht genau dem Klageantrag. Die Verurteilung erfolgt
auch nicht unter einem vom Kläger nicht geltend gemachten sachlichrechtlichen
Gesichtspunkt, denn ihm wird der Anspruch zugesprochen, den er mit der
Klage geltend gemacht hat. Auch bei einem Urteil dem Anerkenntnis gemäß
wird über den ursprünglich erhobenen Anspruch entschieden, nicht
etwa über einen erst durch das Anerkenntnis entstandenen neuen Anspruch.
Darauf wurde unter Bezugnahme auf Stein-Jonas (aaO § 307 IV Note 35)
bereits hingewiesen.
Der Meinung des Oberlandesgerichts Stuttgart (Württ
Jahrb Band 29, 118 [120]), daß die Klage abzuweisen sei, wenn der
Kläger trotz wirksamen Anerkenntnisses seinen Antrag auf Verurteilung
durch streitiges Erkenntnis aufrechterhält, kann nicht beigepflichtet
werden. Durch das Anerkenntnis hat sich nur der Streit über die Begründetheit
des Anspruchs erledigt, nicht dieser selbst. In diesem Sinne ist in §
160 Abs 2 Nr 1 ZPO von einem Anerkenntnis die Rede, durch das der geltend
gemachte Anspruch »erledigt« wird. Es ist nicht gerechtfertigt,
einen Anspruch, dem sich der Beklagte unterworfen hat, abzuweisen. Der
Antrag des Klägers, ungeachtet des Anerkenntnisses, streitmäßig
über die Begründetheit des Klageanspruchs zu entscheiden, ist
vielmehr, wie hier geschehen, in den Gründen des Urteils als unzulässig
abzutun.
5. Da der Beklagte entsprechend dem Klageantrag
verurteilt wird und den Anspruch nicht sofort anerkannt hat, treffen ihn
die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges. Er hat auch die Kosten des
Revisionsverfahrens zu tragen, die entstanden sein würden, wenn nach
dem Anerkenntnis schlechthin Verurteilung dem Anerkenntnis gemäß
beantragt worden wäre (§§ 91, 93 ZPO). Es ist nach dem Anerkenntnis
zwischen den Parteien aber streitig darüber verhandelt worden, ob
das Anerkenntnis wirksam sei, und ob dem Antrag der Revision gemäß
ein Urteil über die Begründetheit des Klageanspruchs unter Außerachtlassung
des Anerkenntnisses überhaupt erlassen werden könne. Beide Parteien
haben dabei verschiedene Prozeßziele verfolgt. Über diese Streitpunkte
war vom Gericht zu entscheiden. Die dadurch entstandenen Mehrkosten einer
streitigen Verhandlung und eines insoweit streitmäßigen Urteils
hat der Kläger zu tragen, der insoweit unterlegen ist (§ 91 ZPO
- vgl. Baumbach-Lauterbach, Kostengesetze 11. Aufl 1953 § 20 GKG Anm
5). Die durch die Nebenintervention des Freistaats Bayern entstandenen
Kosten sind nach § 101 ZPO dem Beklagten aufzuerlegen, soweit er die
Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Im übrigen hat sie der Nebenintervenient
selbst zu tragen.