BGHZ 114, 348
NJW 1991, 2143
Amtl. Leitsatz:
Im Rahmen des § 8a StVG kommt es für die Frage, ob es sich um eine entgeltliche und geschäftsmäßige Personenbeförderung handelt, nicht zwangsläufig auf die Interessenlage des Halters oder Fahrers, sondern auf die Interessenlage desjenigen an, der die Personenbeförderung übernommen hat.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus Vertrag oder aus unerlaubter Handlung, da sich einVerschulden auf Seiten der Erstbeklagten ebensowie wie ein Verschulden des Fahrers nicht feststellen lasse. Einen Schadensersatzanspruch nach dem Straßenverkehrsgesetz verneint das Berufungsgericht im Hinblick auf § 8a Abs. 1 Satz 1 StVG. Es unterstellt dabei, daß der Kläger nicht seinerseits (zusammen mit seinen Musikerkollegen) der Mieter des Kleinbusses war, die Beförderung der Gruppe vielmehr in der Hand des Konzertagenten F. lag. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist indes bereits zweifelhaft, ob der Konzertagent den Kläger und dessen Kollegen i.S. von § 8a Abs. 1 Satz 1 StVG "entgeltlich" befördert hat; denn da die Kosten für den Kleinbus aus den Konzerteinnahmen bestritten werden sollten, seien insoweit wirtschaftliche Interessen des Konzertagenten nicht berührt gewesen. Jedenfalls aber hat der Kläger nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht hinreichend dargetan, daß der Konzertagent die Gruppe i.S. des § 8a Abs. 1 Satz 1 StVG "geschäftsmäßig" befördert habe, nämlich derartige Beförderungen wiederkehrend durchführe.
II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen
der Revision nicht in jeder Hinsicht stand.
1. Soweit das Berufungsgericht Ansprüche
des Klägers aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung verneint, nimmt
die Revision das Berufungsurteil hin und ist ein Rechtsfehler in der Tat
nicht zu erkennen.
2. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht
eine Haftung der Erstbeklagten - und damit auch der Zweitbeklagten - nach
dem Straßenverkehrsgesetz verneint, ist dagegen teilweise von Rechtsfehlern
beeinflußt.
a) Zufolge und nach näherer Maßgabe
des § 8a Abs. 1 Satz 1 StVG gilt die Halterhaftung nach § 7 StVG
auch gegenüber dem Insassen des Kraftfahrzeuges, "wenn es sich um
entgeltliche, geschäftsmäßige Personenbeförderung
handelt". Die Halterhaftung ist gewissermaßen das Äquivalent
für die Entgeltlichkeit und Geschäftsmäßigkeit der
Personenbeförderung (Senatsurteil BGHZ 80,303,306 f. mit Anm. Weber
zu LM StVG § 8a Nr. 4). Das bedeutet allerdings nicht, daß der
Halter nur dann haftet, wenn gerade er derjenige ist, der die Personenbeförderung,
und zwar entgeltlich und geschäftsmäßig, übernommen
hat. Es genügt vielmehr, daß es sich überhaupt um eine
entgeltliche und geschäftsmäßige Personenbeförderung
handelt, daß also, wer immer die Beförderung übernommen
hat, diese entgeltlich und geschäftsmäßig betreibt. Insofern
entfällt hier die Haftung der Erstbeklagten als der Halterin nicht
schon deshalb, weil sie lediglich das Kraftfahrzeug vermietet, nicht jedoch
die Beförderung des Klägers und seiner Kollegen übernommen
hat. Vielmehr prüft das Berufungsgericht auf dem Boden des von ihm
zugrunde gelegten Sachverhalts (s. hierzu näher unten zu b) im Ansatz
zu Recht, ob es sich aus der Sicht des Konzertagenten F. um eine
entgeltliche und geschäftsmäßige Personenbeförderung
gehandelt hat.
Daß im Rahmen des § 8a Abs. 1 Satz
1 StVG die Frage der Entgeltlichkeit und Geschäftsmäßigkeit
der Personenbeförderung aus der Sicht desjenigen zu beantworten ist,
der die Personenbeförderung übernommen hat, wird bereits durch
den Wortlaut der Vorschrift nahegelegt. Danach ist die Haftung des Halters
nicht davon abhängig, daß es sich für ihn um einen entgeltlichen
und geschäftsmäßigen Vorgang handelt, sondern genügt,
daß die Personenbeförderung entgeltlich und geschäftsmäßig
erfolgt. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht dafür,
daß sich das Merkmal der Entgeltlichkeit und Geschäftsmäßigkeit
der Beförderung nicht zwangsläufig auf den Halter, sondern auf
denjenigen bezieht, unter dessen Regie die Beförderung stattfindet.
Die Erstreckung der Gefährdungshaftung des Halters auf die Insassen
des Kraftfahrzeuges ist vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des
Kraftfahrzeuges für die Personenbeförderung mit einem Seitenblick
auf die Rechtstellung des Reisenden im Eisenbahnverkehr vorgenommen worden
(vgl. Krumme/Steffen, StVG § 8a Rdn. 1). Das deutet darauf hin, daß
der Gesetzgeber den Beförderungsvorgang als solchen im Blick hatte
und, soweit im weitesten Sinne im Rahmen einer wirtschaftlichen Betätigung
erfolgend, von der Gefährdungshaftung erfaßt sehen wollte. Darüber
hinaus hatte § 8a StVG eine Anpassung der Halterhaftung an die Tatbestände
einer nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigungspflichtigen
Personenbeförderung zum Ziel (s. Senatsurteil aaO S. 307 m. w.Nachw.).
Wenn auch dieses Ziel nicht vollständig erreicht worden ist, das Personenbeförderungsgesetz
in der schließlich Gesetz gewordenen Fassung vielmehr schon die bloß
geschäftsmäßige Personenbeförderung der Genehmigungspflicht
unterwirft (s. § 1 Abs. 1 PBefG), so spricht doch die zunächst
beabsichtigte Synchronisierung der beiden Regelungsbereiche dafür,
daß für die Frage, ob die Halterhafung eingreift, ebenso wie
im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes auf die Zweckrichtung der
Personenbeförderung aus der Sicht des Befördernden abzustellen
ist. Allein dies wird auch dem Sinn und Zweck des § 8a StVG gerecht.
Die Vorschrift ist, wie bereits ausgeführt, das Pendant zu der Entgeltlichkeit
und Geschäftsmäßigkeit der Beförderung (s. abermals
Senatsurteil aaO S. 306 f.): Wenn das Kraftfahrzeug zur entgeltlichen und
geschäftsmäßigen Personenbeförderung eingesetzt wird,
soll dem Insassen - anders als bei Mitnahme aus reiner Gefälligkeit
- die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG nach näherer Maßgabe
des § 8a Abs. 1 StVG zugutekommen. Dieser Zusammenhang läßt
sich aber sinnvoll nur aus dem Beförderungsverhältnis heraus
beurteilen. Ob die Personenbeförderung entgeltlich und geschäftsmäßig
erfolgt, bestimmt sich naturgemäß nach der Interessenlage desjenigen,
der für die Beförderung verantwortlich ist. Die Stellung als
Halter oder Fahrer des Kraftfahrzeuges als solche sagt insoweit nichts
aus. Im übrigen greift die Halterhaftung auch außerhalb von
§ 8a StVG unabhängig davon ein, ob der Einsatz des Kraftfahrzeuges
konkret im Interesse des Halter liegt oder nicht.
Soweit der Senat in seinem in BGHZ 80,303 veröffentlichten
Urteil ausgeführt hat, das Gesetz bestimme in § 8a StVG eine
Ausnahme von dem Grundsatz der Haftungsfreistellung gegenüber Kfz-Insassen
nur dann, "wenn die Beförderung wirtschaftlichen Interessen des Fahrers
oder Halters dient, diese also den eigentlichen Grund für die Personenbeförderung
darstellten", hängt das damit zusammen, daß in dem damals zu
entscheidenden Fall Halter, Fahrer und Beförderer personengleich waren.
Fallen sie auseinander, kommt es aus den dargelegten Gründen darauf
an, ob die Beförderung aus der Sicht desjenigen, der die Beförderung
übernommen hat, entgeltlich und geschäftsmäßig ist.
Der abweichenden Auffassung von Schloen (in: Wussow, Unfallhaftpflichtrecht
13. Aufl. Rdn. 766) vermag der Senat nicht beizutreten.
b) Vorliegend ist nach dem revisionsrechtlich
zugrundeliegenden Sachverhalt davon auszugehen, daß es der Konzertagent
F. übernommen hat, für die Beförderung des Klägers
und seiner Kollegen Sorge zu tragen, und er zu diesem Zwecke den Kleinbus
gemietet und einen Fahrer beauftragt hat. Damit kommt es darauf an, ob
es sich aus der Sicht des Konzertagenten F. um eine entgeltliche und geschäftsmäßige
Personenbeförderung gehandelt hat.
aa) Die von dem Berufungsgericht offengelassene
Frage, ob der Konzertagent F. i.S. des § 8a Abs. 1 Satz 1 StVG entgeltlich
gehandelt hat, ist nach dem Sach- und Streitstand zu bejahen. Der Begriff
der Entgeltlichkeit i.S. des § 8a StVG ist weit auszulegen (Senatsurteile
vom 26. November 1968 - VI ZR 205/68 - VersR 1969,161 und vom 14. Mai 1981
BGHZ 80,303,306). Es genügt jedweder auch nur mittelbar erstrebte
wirtschaftliche Vorteil (Senatsurteil BGHZ aaO m. w.Nachw.). Von daher
steht hier - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - der Annahme
einer i.S. von § 8a Abs. 1 StVG "entgeltlichen" Personenbeförderung
nicht entgegen, daß die Mietwagenkosten aus den Konzerteinnahmen
bestritten und die Auslagen des Konzertagenten F. gesondert ausgeglichen
werden sollten. Die Beförderung der Musikergruppe an die Orte, an
denen sie auftreten sollte, diente der Erzielung von Konzerteinnahmen,
aus denen dem Konzertagenten eine Provision zustand, und stellte die Leistungsfähigkeit
und den Service der Agentur unter Beweis. Das reicht aus, um die Personenbeförderung
aus der Sicht des Konzertagenten F. als entgeltlich erscheinen zu lassen.
bb) Zu der weiteren Frage, ob der Konzertagent
F. auch geschäftsmäßig i.S. des § 8a Abs. 1
Satz 1 StVG gehandelt hat, geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus,
daß Geschäftsmäßigkeit zu bejahen ist, wenn Personenbeförderungen
gleicher Art wiederholt werden sollen und sich als dauernder oder wiederkehrender
Teil der geschäftlichen Betätigung darstellen (vgl. Senatsurteil
BGHZ 80,303,305). Die Revision rügt indes mit Erfolg, daß das
Berufungsgericht für ein in diesem Sinne geschäftsmäßiges
Verhalten des Konzertagenten F. hinreichende Darlegungen vermißt.
Der Kläger hat durch das Zeugnis des Konzertagenten unter Beweis gestellt,
daß dieser regelmäßig gegen Entgelt Tourneen organisiere,
eigenverantwortliche Transporte von Musikern zur Beförderung von Konzertort
zu Konzertort durchführe, im Streitfall nicht erstmals ein Fahrzeug
für Musiker angemietet habe und dies auch künftig im Rahmen seiner
Konzertagententätigkeit tun werde. Das Berufungsgericht überspannt
die Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers, wenn es verlangt,
daß der Kläger konkrete Beispiele für derartige Betätigungen
des Konzertagenten F. in anderen Fällen hätte vortragen müssen.
Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, wenn diese
Einzelheiten für die Rechtsfolge nicht von Bedeutung sind (BGH, Urteil
vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83 - NJW 1984,2888,2889; vgl. auch Senatsurteil
vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 329/89 - VersR 1991,341,342). So ist es hier
in Bezug auf das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit i. S. des
§ 8a StVG. Bestätigt der Konzertagent F., was der Kläger
durch dessen Zeugnis unter Beweis stellt, und verdienen seine Angaben Glauben,
ist Geschäftsmäßigkeit i.S. von § 8a StVG zu bejahen.