b) § 480 Abs. 2 BGB findet unbeschadet von a) keine Anwendung, wenn die gelieferte Ware nicht der zugesicherten, sondern einer anderen Gattung angehört.
2. Der Übergang vom "großen" zum "kleinen" Schadensersatz im Rahmen von § 463, § 480 BGB stellt keine Klageänderung dar.
BGHZ 115, 286
NJW 1992, 566
BB 1992, 23
DB 1992, 207
DRsp IV (413) 216 Nr. 2
JuS 1992, 433
MDR 1992, 231
Tatbestand:
Die in Tunis ansässige Klägerin stellt Plastikrohre im Strangpreßverfahren her. Die Beklagte, die ihren Sitz in Deutschland hat, bot der Klägerin am 11. Februar 1988 schwarzes Polyethylen-Granulat mit einer Dichte von 928 - 930 kg je m zum Preise von 1.396 DM pro t an. Die Klägerin ließ sich daraufhin eine Probemenge zusenden und kaufte aufgrund eines fernschriftlichen Vertragsangebotes der Beklagten vom 17. Februar 1988 insgesamt 40.000 kg des Granulats zum Preis von 55.600 DM. Die von der Beklagten verschiffte Ware traf am 2. Mai 1988 in Tunis ein. Die Klägerin nahm das Granulat an und zahlte den Kaufpreis per Akkreditiv. Mit Schreiben vom 27. und 28. Mai 1988 wies sie die Beklagte darauf hin, daß das angelieferte Material kein Polyethylen zur Herstellung von Rohren sei und nicht der Probe entspreche. Sie forderte die Beklagte auf, ihre Ware zurückzunehmen.
Die Beklagte, die behauptet, daß das Probematerial und die aufgrund des Kaufvertrages übersandte Ware übereinstimmten, bot der Klägerin unter Einschaltung der Auslandshandelskammer in Tunis mit Fernschreiben vom 7. Juni 1988 an, das gelieferte Granulat umzutauschen. Daraufhin teilte die Auslandshandelskammer der Beklagten am 14. Juni 1988 mit, die Klägerin bestünde darauf, daß die bei ihr lagernde Ware sofort zurückgenommen und neue Ware geliefert werde sowie, daß die Beklagte sämtliche Kosten des Umtausches übernehme. Mit Fernschreiben vom 2. Juli 1988 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die gelieferte Ware binnen drei Tagen zurückzunehmen, und erklärte, anschließend dafür keine Verantwortung mehr zu übernehmen und das Material auf den Abfall zu werfen. Dies ließ die Klägerin später durch einen Gerichtsvollzieher vornehmen.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises. Sie hat behauptet, das gelieferte Granulat entspreche nicht der ihr zugesandten Probe und sei für die Herstellung von Rohren im Strangpreßverfahren ungeeignet. Bei einem Produktionsversuch, den sie unverzüglich nach der erst am 25./26. Mai 1988 erfolgten Auslieferung der Ware durchgeführt habe, habe sich herausgestellt, daß die Konsistenz des Granulats zu hart gewesen sei; dessen spezifisches Gewicht betrage 1,14 g je cm anstatt - wie vereinbart - 0,928 - 0,93 g je cm. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, weil es die Klägerin zur Wandelung berechtigt gehalten hat. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung erklärt, daß sie statt Wandelung.nunmehr Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlange. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten.
Entscheidungsgründe:
Über die Revision der Klägerin war antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Prüfung des derzeitigen Sach- und Streitstands (BGHZ 37, 79, 81).
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien sei deutsches Recht anzuwenden. Sie hätten übereinstimmend auf deutsche Gesetzesbestimmungen Bezug genommen und damit stillschweigend die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Ferner gelte die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB, wonach der Vertrag die engste Verbindung mit Deutschland aufweise, weil die Beklagte als Verkäuferin die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hatte und in der Bundesrepublik Deutschland ansässig sei.
Die Klägerin könne jedoch nicht die Wandelung des Kaufvertrages verlangen, weil sie nicht mehr in der Lage sei, das gekaufte Granulat zurückzugeben. Indem sie die Ware im Juli 1988.auf den Abfall habe bringen lassen, habe die Klägerin sich die Rückgabe der Kaufsache vorsätzlich unmöglich gemacht (§§ 467, 351 BGB).
Soweit die Klägerin nunmehr statt Wandelung Schadensersatz verlange, liege darin eine Klageänderung. Für den Übergang von Wandelung zum Schadensersatz ergäbe sich dies aus einem Umkehrschluß aus § 264 Nr. 3 ZPO. Danach sei es nur dann nicht als Klageänderung anzusehen, wenn die Forderung eines anderen Gegenstandes oder des Interesses auf einer später eingetretenen Veränderung beruhe. Hier sei aber die auf Wandelung gestützte Klage schon von Anfang an unbegründet gewesen. Die Klageänderung, der die Beklagte nicht zugestimmt habe, könne nicht als sachdienlich erachtet werden, weil ihre Zulassung zur Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffs nötigen würde. In dem Fernschreiben der Beklagten.vom 7. Juni 1988 sei nicht die Annahme eines Angebots der Klägerin auf Rückgängigmachung des Kaufvertrages, sondern allenfalls dessen Ablehnung verbunden mit einem neuen Angebot auf Umtausch der Ware zu sehen. Erst mit Schreiben vom 20. Juli 1988 habe die Beklagte die Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rücklieferung der Ware angeboten. Es lasse sich aber nicht feststellen, daß die Klägerin ausdrücklich oder schlüssig eines der Angebote angenommen habe.
Ersichtlich im Zusammenhang mit der Prüfung, ob eine Klageänderung sachdienlich sei, führt das Berufungsgericht aus, eine Schadensersatzforderung der Klägerin sei auch nicht aus anderen Gründen entscheidungsreif. Zwar kämen als Anspruchsgrundlage die §§ 494, 463 Satz 1 BGB in Betracht. Es liege e.in Kauf nach Probe vor, so daß die Eigenschaften der Probe als zugesichert gelten. Da die beiden Angebote der Beklagten vom 11. und 17. Februar 1988 ausdrücklich eine Dichte des Materials von 928 - 930 kg je m angegeben hätten, gelte diese Eigenschaft der Probe als zugesichert. Auch die Genehmigungsfiktion des § 377 HGB greife nach dem derzeitigen Sachstand nicht ein; die Klägerin habe nämlich vorgetragen, daß die Abfertigung und Entladung der Ware im Hafen von Tunis sich bis zum 26. Mai 1988 hingezogen habe. Infolgedessen müßte Beweis darüber erhoben werden, ob das gelieferte Granulat die vereinbarte Dichte aufweise. Die Klägerin habe jedoch den ihr entstandenen Schaden nicht einmal schlüssig dargelegt. Die pauschale Behauptung, der Schaden bestehe in dem gezahlten Kaufpreis, dem eine Ware ohne Wert gegenübergestanden habe, reiche dafür nicht aus.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht. nimmt das Berufungsgericht nämlich an, daß die Klägerin mit der Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung eine unzulässige Klageänderung vorgenommen habe.
1. Fehlt einer nur der Gattung nach bestimmten Ware zu der Zeit, zu welcher die Gefahr auf den Käufer übergeht, eine zugesicherte Eigenschaft, so kann der Käufer statt der Wandelung, der Minderung oder der Lieferung einer mangelfreien Sache Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, § 480 Abs. 2 BGB.
a) Auf die letztgenannte Rechtsfolge hat die Klägerin das Klagebegehren am Schluß der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ersichtlich stützen wollen, und zwar in Form des "kleinen Schadensersatzes". Sie möchte den Minderwert liquidieren. "Großer Schadensersatz" (BGHZ 96, 283, 287) kam demgegenüber zum genannten Zeitpunkt nicht mehr in Betracht, weil der wegen Nichterfüllung des gesamten Vertrages Schadensersatz begehrende Käufer die Kaufsache ablehnen bzw. zurückgeben muß. Anders als im vorprozessualen Schriftwechsel und in dem Vorbringen im ersten Rechtszuge hat die Klägerin am Schluß der mündlichen Verhandlung die Rückgabe des gelieferten Granulats nicht mehr angeboten, konnte dies auch nicht, weil es auf ihre Veranlassung auf den Abfallplatz gebracht worden ist. Der Käufer, der, wie die Klägerin, den kleinen Schadensersatz verlangt, braucht die Kaufsache nicht zurückzugeben (Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 463 Rdnr. 53). Auf den kleinen Schadensersatz weist überdies hin, daß die Klägerin geltend gemacht hat, ihr Schaden bestehe in dem gezahlten Kaufpreis, dem eine Ware ohne Wert gegenübergestanden habe.
b) Mit diesem Begehren hat die Klägerin den Streitgegenstand nicht im Sinne von §§ 263, 264, 523 ZPO geändert.
aa) Insbesondere trifft die Auffassung des Oberlandesgerichts nicht zu, die Klägerin habe bis dahin ausschließlich Wandelung (§§ 459 Abs. 2, 462, 480 BGB) verlangt. Zu dieser abweichenden Bewertung ist das Revisionsgericht ohne Einschränkung befugt, denn es handelt sich dabei um die Auslegung von Prozeßerklärungen (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 - VIII ZR 237/89 = WM 1990, 1748 unter II m.w.Nachw.).
Welchen der verschiedenen kaufrechtlichen Rechtsbehelfe der Käufer erhebt, ist - sofern er keine ausdrücklichen Erklärungen darüber abgegeben hat - anhand seines gesamten Prozeßverhaltens zu ermitteln. Dabei ist das Vorbringen.einer Partei so auszulegen, wie es nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig erscheint und ihrem Interesse entspricht. Im Zweifel ist hiernach anzunehmen, daß die klagende Partei sich auf alle nach ihrem Tatsachenvortrag in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte stützen will, die geeignet sind, ihrem Anliegen zum Erfolg zu verhelfen (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 aaO.). Klagt der Käufer - wie im vorliegenden Fall - auf Rückgewähr des Kaufpreises unter dem gleichzeitigen Anerbieten, dem Verkäufer die Kaufsache zurückzugewähren (so im Schriftsatz vom 15. Februar 1989), kann dem ebenso ein Anspruch auf Wandelung wie auf den großen Schadensersatz zugrundeliegen. Sofern der Kläger in einem solchen Fall nicht deutlich macht, daß er nur Wandelung begehrt, muß seinem Vorbringen entnommen werden, daß er sich auf beide Rechtsbehelfe stützen und sie in einem Eventualverhältnis geltend machen will (BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 aaO.).
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Prozeßvortrag der Klägerin bis zur mündlichen Berufungsverhandlung nicht so zu verstehen, daß sie allein Wandelung und nicht auch den Anspruch auf den großen Schadensersatz geltend machen wollte. Denn sie hat in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, daß sie gerade Wandelung begehre oder sich gar auf dieses Recht beschränken wolle. Vielmehr hat sie im Schriftsatz vom 15. Februar 1989 erklärt, die Beklagte sei ihr zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet. Hieraus mußte entnommen werden, daß sie sich auf Schadensersatz und allenfalls daneben auf Wandelung stütze.
cc) Eine Beschränkung auf Wandelung ist auch
nicht darin zu sehen, daß die Klägerin in der Berufungserwiderung
das landgerichtliche Urteil verteidigt hat, das ihr den Klageanspruch auf
der Grundlage einer Wandelung zuerkannt hatte. Es ist kein Grund ersichtlich,
warum sie deshalb stillschweigend einen der möglichen Rechtsbehelfe
fallenlassen sollte. Davon abgesehen hat die Klägerin die Berufungserwiderung
mit dem Hinweis eingeleitet, daß sie auf ihr gesamtes erstinstanzliches
Vorbringen Bezug nehme, und hat dabei auch ausdrücklich den Schriftsatz
vom 15. Februar 1989 (siehe oben bb) erwähnt.
Schließlich läßt sich die Ansicht
des Berufungsgerichts, die Klägerin habe sich jedenfalls im zweiten
Rechtszug allein auf Wandelung berufen, auch nicht aus ihrer Erklärung
in der Berufungsverhandlung herleiten, sie verlange "statt Wandelung nunmehr
Schadensersatz". Daraus ist allenfalls zu entnehmen, daß die Klägerin
meinte, zuvor ihren Anspruch lediglich auf Wandelung und nicht auch auf
Schadensersatz wegen Nichterfüllung gestützt zu haben. Für
die Frage, wie ihr Vorbringen bis zu diesem Zeitpunkt auszulegen war, hat
aber diese eigene, nach außen nicht hervorgetretene Beurteilung der
Klägerin keine Bedeutung (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Juli 1981
- IVb ZB 660/80 = NJW 1981, 2816 unter II 2; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht,
14. Aufl., S. 382 f.).
dd) Die Klägerin hat somit bis zur Berufungsverhandlung
den großen Schadensersatzanspruch geltend gemacht, möglicherweise
in einem Eventualverhältnis neben Wandelung (vgl. RGZ 87, 237, 239;
BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 aaO. m.w.Nachw.), wobei offenbleiben kann,
welches dann ihr Hauptbegehren war. Daher bildete der große Schadensersatzanspruch
von Anfang an (mit) den Streitgegenstand.
In dem Ubergang vom großen zum kleinen Schadensersatz (vgl. oben bb) kann indes keine Klageänderung erblickt werden. Ob der Käufer die eine oder die andere Art des Schadensersatzes wählt, ist lediglich eine Frage der Schadensberechnung (BGHZ 96, 283, 287; Soergel/Huber aaO. § 463 Rdnr. 39). Wechselt der Kläger aber nur die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag zu erweitern oder diese auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, so liegt keine Klageänderung vor (OLG Dresden SeuffArch 74 (1919), S. 110, 111; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 264 Rdnr. 34; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 aaO.).
2. Das klageabweisende Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO), etwa, weil schon feststünde, daß es an den Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch fehlt.
Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch
wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft (§ 480 Abs. 2 BGB) schlüssig
dargetan.
a) Das Berufungsgericht hat, von der Revision
unbeanstandet, festgestellt, daß die Klägerin Granulat entsprechend
dem Angebot der Beklagten vom 17. Februar 1988 nach einer Probe des Materials
gekauft hat, die unstreitig eine Dichte von 928 - 930 kg/m aufgewiesen
hat. Gemäß § 494 BGB gelten beim Kauf nach Probe deren
Eigenschaften als zugesichert. Hätte die Klägerin sich auf den
Sachvortrag beschränkt, die verschiffte Ware habe diese Eigenschaft
bei Übergabe nicht gehabt, so stünde der Schlüssigkeit eines
Schadensersatzanspruchs gemäß §
480 Abs. 2 BGB nichts entgegen.
b) Die Klägerin hat jedoch in der Klageschrift
und in der Antwort auf die Klageerwiderung ausgeführt, der Beklagten
sei eine "Falschlieferung" anzulasten, sie habe eine "andere, als die vertraglich
vereinbarte und noch dazu eine minderwertigere Ware" geliefert. Das legt
die Annahme nahe, der Klägerin gehe es um Schadensersatz, weil das
gelieferte Granulat einer anderen als der vereinbarten Warengattung angehört
habe. Dafür spricht insbesondere der Umstand, daß sie behauptet
hat, das verschiffte Granulat sei zur Herstellung von Plastikrohren im
Strangpreßverfahren ungeeignet, es tauge nur als Isoliermaterial.
Welche rechtliche Qualifizierung der Leistung in Betracht kommt, kann in
der Revisionsinstanz nicht entschieden werden.
aa) Die Frage, ob das gelieferte Granulat einer
anderen als der vertraglich vereinbarten Gattung angehört oder nicht,
bedürfte keiner Klärung, wenn, wie v. Caemmerer (Festschrift
für Martin Wolff, 1952 S. 3, 14) gemeint hat, beim Gattungskauf auch
das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft, das die Einordnung der gelieferten
Ware in eine andere Gattung nach sich zieht, also Lieferung eines aliud
bedeutet, ebenfalls zur direkten Anwendung des § 480 Abs. 2 BGB führt
(vgl. dazu auch Staub/Brüggemann, HGB, 4. Aufl., § 378, Rdnr.
61 mit Hinweis auf das Senatsurteil vom 22. März 1961 - VIII ZR 52/60
= LM BGB § 477 Nr. 5). Die Ansicht v. Caemmerer.s teilt der erkennende
Senat nicht. Bereits im Urteil vom 4. Dezember 1968 - VIII ZR 208/66 (WM
1969, 95) ist ausgeführt worden, daß es dann, wenn es sich nicht
lediglich um eine Eigenschaftszusicherung, sondern darum handelt, daß
statt der vertraglich vereinbarten Ware eine Kaufsache geliefert wird,
die einer anderen Gattung angehört, Anspruch auf Schadensersatz wegen
Nichterfüllung gemäß §§ 325, 326 BGB in Betracht
kommt. Am Ende des zitierten Urteils hat der erkennende Senat ausdrücklich
darauf hingewiesen, daß dem Urteil vom 22. März 1961 demgegenüber
ein anderer Sachverhalt zugrundelag. Das trifft deshalb zu, weil es in
jener Entscheidung um zwei Arten Ware (jugoslawisches bzw. rumänisches
Buchenparkett) derselben Gattung ging. Das bringt bereits der der Entscheidung
vorangestellte Leitsatz unmißverständlich zum Ausdruck. An dem
im Einfuhrschrottfall (Urteil vom 4. Dezember 1968 aaO.) herausgearbeiteten
Unterschied zwischen mangelhafter Lieferung und Falschlieferung hinsichtlich
der Rechtsfolgen hält der Senat fest (vgl. auch das Urteil vom 23.
November 1988 - VIII ZR 247/87 = WM 1989, 380).
bb) Die Klärung der Frage, ob der Beklagten im vorliegenden Fall eine Falschlieferung unterlaufen ist, erübrigte sich auch dann, wenn beim Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Ware, der für beide Vertragsparteien ein Handelsgeschäft ist, jedenfalls bei einem genehmigungsfähigen aliud Rechtsfolge nicht die Anwendung der §§ 320 ff. BGB, sondern des Gewährleistungsrechts wegen Sachmängeln und damit auch des § 480 Abs. 2 BGB ist. Hierüber bestehen unterschiedliche Ansichten.
aaa) Das Reichsgericht hat die Geltung der Sachmängelvorschriften
auch bei der Lieferung eines genehmigungsfähigen aliud angenommen.
Es hat dies daraus hergeleitet, daß die Abgrenzung zwischen der Lieferung
einer mangelhaften und derjenigen einer anderen als der bedungenen Ware
oftmals schwierig sei; andererseits erscheine aber die Vertragsverletzung
des Verkäufers in beiden Fällen nicht wesentlich verschieden,
sofern die gelieferte Ware zwar einer anderen als der vereinbarten Gattung
angehöre, aber doch von der Bestellung nicht so weit abweiche, daß
eine Genehmigung durch den Verkäufer ausgeschlossen sei. Gerade aus
diesem Grunde stelle § 378 HGB hinsichtlich der Rügeobliegenheit
die Lieferung eines genehmigungsfähigen aliud der Lieferung einer
mangelhaften Sache (§ 377 HGB) gleich. Würde man aber diese Gleichbehandlung
auf die Rügeobliegenheit beschränken und bei ordnungsgemäß
erhobener Rüge im Falle einer mangelhaften Ware die Sachmängelvorschriften,
insbesondere § 480 BGB, im Falle der Falschlieferung dagegen die Verzugsvorschriften,
insbesondere § 326 BGB, anwenden, so wäre wiederum die Frage
zu entscheiden, welcher Art die Vertragsverletzung sei. Die Streitfragen,
die der Gesetzgeber im Interesse des Verkehrs und entsprechend dessen.Erfordernissen
habe beseitigen wollen, würden nicht vermieden und die innerlich begründete
Gleichstellung der beiden gedanklich gleichliegenden Fälle nicht erreicht
(RGZ 86, 90, 92 f.; RG LZ 1925, 545 Nr. 6).
Diese Auffassung ist im Schrifttum teilweise auf
Ablehnung (so Oertmann ZHR 80 (1917) S. 48, 57 ff.; Fabricius, JuS 1964,
46, 51; Schultz, NJW 1980, 2172, 2174; Marburger, JuS 1983, 1, 9; Knöpfle,
NJW 1989, 871, 875 m.w.Nachw.), überwiegend aber auf Zustimmung gestoßen
(u.a. v. Caemmerer, Festschrift für M. Wolff, 1952, S. 3 ff., 13 ff.;
Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., § 378 Rdnr. 14; Staub/Brüggemann,
HGB, 4. Aufl., § 378 Rdnr. 60 ff.; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 28. Aufl.,
§ 378 Anm. l C a; Staudinger/Honsell, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdnr.
20 f.; MünchKomm/H.P.Westermann, BGB, 2. Aufl., § 459 Rdnr. 22;.Capelle/Canaris,
Handelsrecht, 21. Aufl., S. 330; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 4. Aufl.,
S. 182 ff.; Walter, Kaufrecht, 1987, S. 392 ff.; Larenz, Schuldrecht Bd.
II/1, 13. Aufl., § 41 III; Schumacher, MDR 1977, 19 ff.; noch weitergehend
Soergel/Huber, BGB, 11. Aufl., Rdnr. 102 vor § 459).
Der Bundesgerichtshof hat bislang lediglich für den bürgerlich-rechtlichen Gattungskauf ausgesprochen, daß im Falle einer Falschlieferung nicht die §§ 459 ff. BGB, sondern die Regeln über die Nichterfüllung anzuwenden sind (z.B. Urteile vom 20. November 1967 - VIII ZR 126/65 = NJW 1968, 640; vom 23. November 1988 - VIII ZR 247/87 = WM 1989, 380 unter A II l m.w.Nachw.). Diese Rechtsprechung hat er nicht auf den beiderseitigen Handelskauf ausgedehnt, sondern in der Entscheidung vom 4. Dezember 1968 (VIII ZR 208/66 = WM 1969, 95, 96 unter 3 c) lediglich angedeutet, daß "möglicherweise Gewährleistungsrecht" gelte. Seinerzeit konnte die Frage jedoch letztlich offenbleiben.
bbb) Nunmehr entscheidet sie der Senat dahin, daß
der Auffassung des Reichsgerichts und der Mehrheit der Literaturstimmen
beizupflichten ist. Die von der Gegenansicht angeführten Argumente
rechtfertigen keine andere Beurteilung. Gegen die Begründung des Reichsgerichts
ist vor allem eingewandt worden, daß die durch die Gleichbehandlung
von Schlechtlieferung und genehmigungsfähiger Falschlieferung vermiedenen
Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen genehmigungsfähigem
und genehmigungsunfähigem aliud wiederum aufträten (vgl. Oertmann
aaO. S. 57 f.; Fabricius aaO. S. 49). Das trifft zwar grundsätzlich
zu. Jedoch sind diese Schwierigkeiten leichter zu bewältigen, nicht
nur, weil sie seltener auftreten, sondern weil bei nennenswerten Zwe.ifeln
über die Zuordnung zur einen oder anderen Gattung eine offensichtlich
erhebliche Gattungsabweichung, wie sie § 378 HGB voraussetzt, ohnehin
zu verneinen ist (so z.B. Brüggemann aaO. Rdnr. 63 m.w.Nachw.). Ferner
wurde geltend gemacht, daß § 378 HGB im Interesse des Verkäufers
geschaffen worden sei, die über diese Vorschrift herbeigeführte
Anwendung des Mängelgewährleistungsrechts sich jedoch zu seinem
Nachteil auswirke. Der Käufer müsse dem Verkäufer nicht
- wie es § 326 BGB verlangt - Gelegenheit geben, innerhalb einer Nachfrist
vertragsgemäß zu leisten, sondern könne gemäß
§ 480 BGB unmittelbar Wandelung, Minderung oder Schadensersatz verlangen
(Oertmann aaO. S. 58 ff.; Marburger aaO.). Diese Schlechterstellung des
Verkäufers wird aber jedenfalls durch die mit der Anwendung des Sachmängelrechts
verbundene Verkürzung der Verjährungsfrist auf sechs Monate (§
477 BGB) ausgeglichen (so Brüggemann aaO. Rdnr. 68; Capelle/Canaris
aaO.).
Die unterschiedliche Behandlung von Kaufverhältnissen
unter Privatleuten und Kaufleuten nimmt der erkennende Senat als Folge
seiner Rechtsauffassung in Kauf. Die Ausdehnung des Grundsatzes, daß
die Lieferung eines aliud unter Kaufleuten gewährleistungsrechtliche
Folgen nach sich zieht, auf den Bereich privater Kaufverträge scheitert
daran, daß es insoweit an dem Anknüpfungspunkt der §§
377, 378 HGB fehlt und der Verkäufer hier nicht - wie der Kaufmann
beim Handelskauf - darauf hoffen kann, mit einer Kaufsache, die einer anderen
als der geschuldeten Gattung angehört, den Kaufvertrag erfüllen
zu können.
c) Für die Beurteilung, ob sich im Hinblick
auf die zuvor behandelte rechtliche Fragestellung Ansprüche der Klägerin
aus § 480 BGB oder aus § 326 BGB ergeben können, kommt es
deshalb darauf an, ob das nach der Behauptung der Klägerin nicht vertragsgemäße
Granulat eine mangelhafte Lieferung oder genehmigungsfähige Falschlieferung
einerseits oder aber die Lieferung eines im Sinne von § 378 2. Halbsatz
HGB nicht gemehmigungsfähigen aliud andererseits darstellt. Genehmigungsunfähigkeit
ist anzunehmen, wenn die Lieferung derart kraß von der geschuldeten
Gattung abweicht, daß eine Genehmigung vernünftigerweise als
schlechterdings ausgeschlossen erscheinen muß (BGH, Urteile vom 22.
Mai 1985 - VIII ZR 140/84 = WM 1985, 975 unter I 4; vom 23. November 1988
aaO., jew. m.w.Nachw.). Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellung
getroffen. Es spricht zwar einiges dafür, die Genehmigungsfähigkeit
der nur hinsichtlich der Materialdichte nicht vertragsgemäßen
Lieferungen zu bejahen, zumal auch von den Parteien die Genehmigungsfähigkeit
bisher nicht in Zweifel gezogen worden ist. Eine abschließende Beurteilung
kann der Senat mangels ausreichender Tatsachengrundlage jedoch nicht treffen.
d) Zutreffend verneint das Berufungsgericht auf der Grundlage des bisherigen Vorbringens der Klägerin den Verlust der Gewährleistungsansprüche wegen nicht rechtzeitiger Rüge gemäß § 377, 378 BGB.
e) Soweit das Oberlandesgericht schließlich
den Vortrag der Klägerin zum Umfang ihres Schadens nicht für
ausreichend hält, kann ihm nicht gefolgt werden. Die Klägerin
hat dazu erklärt, die Ware sei ohne Wert. Mehr mußte sie nicht
darlegen, denn damit hat sie bereits die für die Schadensberechnung
(vgl. dazu Soergel/Huber aaO. § 463 Rdn. 53; MünchKomm/H. P.Westermann
aaO. § 463 Rdn. 25) maßgebliche Größe behauptet.
Ob dieser Vortrag zutrifft, wird erforderlichenfalls durch ein Sachverständigengutachten
zu klären sein.
3.a) Liegt dagegen eine nicht genehmigungsfähige
Falschlieferung vor, so daß der Klageanspruch aus § 326 BGB
begründet sein könnte, würde die Abweisung des Schadensersatzbegehrens
der Klägerin von der Begründung des Berufungsurteils ebenfalls
nicht getragen. Eine Klageänderung wäre aus den oben zu II l
b dd) aufgezeigten Gesichtspunkten nicht gegeben, selbst wenn die Klägerin
zunächst eine Schadensberechnung mit und sodann eine solche ohne Rückgabe
des gelieferten Granulats gewählt hätte. Es ginge nur um eine
andere Rechtsgrundlage oder Berechnungsweise für einen aus demselben
Lebenssachverhalt hergeleiteten Schadensersatzanspruch.
b) Ein derartiger Schadensersatzanspruch scheitert nicht schon daran, daß die Klägerin - wozu Feststellungen fehlen - keine mit einer Ablehnungsandrohung verbundene Nachfrist (§ 326 Abs. 1 BGB) gesetzt hat. Dies wäre entbehrlich, wenn die Beklagte die Erfüllung des Kaufvertrages ernstlich und endgültig verweigert hat (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 50. Aufl., § 326 Rdnr. 20). Ob das hier der Fall ist, weil die Beklagte die Vertragswidrigkeit ihrer Leistung bestreitet, oder aber wegen der Bereitschaft der Beklagten zum Umtausch der Ware verneint werden muß, wird das Berufungsgericht erforderlichenfalls zu prüfen haben.
III.1. Nach alledem war das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§§
564 Abs. 1, 565 Abs. 1 ZPO).
2. Sollte sich der erhobene Schadensersatzanspruch
unter keinem der aufgeführten rechtlichen Gesichtspunkte als begründet
erweisen, so kann das Klagebegehren nach dem derzeitigen Sachstand auch
nicht aus anderen Gründen Erfolg haben.
a) Die Revision will einen Schadensersatzanspruch daraus herleiten, daß sich die Parteien auf einen Umtausch der Ware geeinigt hätten. Mit ihrer dahingehenden Verpflichtung sei die Beklagte in Verzug geraten, so daß die Klägerin gemäß § 326 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen könne. Dem ist jedoch nicht beizutreten. Eine Umtauschvereinbarung ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Die Beklagte hatte kulanzweise der Klägerin mit dem Fernschreiben an die Auslandshandelskammer vom 7. Juni 1988 den Umtausch des Granulats angeboten. Hierin war indes nicht die Einverständniserklärung mit einer vorausgegangenen entsprechenden Forderung der Klägerin zu sehen. Diese hatte vielmehr mit ihren Schreiben vom 27. und 28. Mai 1988 verlangt, daß die Beklagte die gelieferte Ware zurücknehme, die Akkreditive annulliere und ihr die entstandenen Schäden ersetze. Darin lag ein weitergehendes Verlangen als der bloße Umtausch des Materials. Die Klägerin hat ihrerseits mit dem Fernschreiben vom 14. Juni 1988 das Angebot vom 7. Juni 1988 nicht angenommen. Das Fernschreiben vom 14. Juni 1988 stammt von der Auslandshandelskammer in Tunis. Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß sie die Kammer bevollmächtigt hätte, in ihrem Namen eine Erklärung abzugeben (§ 164 BGB). Davon abgesehen war zwischen den Parteien keine Einigung darüber erzielt worden, wer die Kosten des Umtausches, insbesondere die Kosten der Rücknahme der Lieferung zu tragen habe.
b) Vergeblich beruft sich die Revision auf ein Wandelungsrecht. Abgesehen davon, daß die Klägerin ihr Wandelungsbegehren inzwischen fallengelassen hat, stünde ihm - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - entgegen, daß sich die Klägerin die Rückgabe der Kaufsache schuldhaft unmöglich gemacht hat (§§ 467, 351 BGB). Die Annahme der Vorinstanz, die Klägerin habe vorsätzlich gehandelt, bekämpft die Revision mit dem Argument, das Oberlandesgericht sei nicht auf die Frage eingegangen, ob sich die Klägerin in einem Rechtsirrtum befunden und deshalb allenfalls fahrlässig gehandelt habe; für einfache Fahrlässigkeit müsse sie jedoch nicht einstehen, weil die Beklagte im Annahmeverzug mit ihrer Verpflichtung zur Rücknahme der Kaufsache gewesen sei (§ 300 Abs. 1 BGB).
Zwar gilt im Zivilrecht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 8. Februar 1965 - III ZR 170/63 = WM 1965, 565 unter II 2 a; Palandt/Heinrichs, BGB, 50. Aufl., § 276 Rdnr. 11 m.w.Nachw.) die Vorsatztheorie, so daß grundsätzlich das fehlende Unrechtsbewußtsein den Vorsatz des Handelnden ausschließt. Der Revisionsangriff kann aber schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin in den Tatsacheninstanzen niemals behauptet hat, sie habe sich für berechtigt gehalten, die Kaufsache auf den Abfall zu werfen (zur Darlegungs- und Beweislast desjenigen, der sich auf einen vorsatzausschließenden Rechtsirrtum beruft, vgl. BGHZ 69, 128, 143). Abgesehen davon wäre selbst bei entsprechendem Vortrag die Annahme grober Fahrlässigkeit nicht ausgeschlossen. Die Klägerin hätte sich von der gelieferten Ware nur im Wege der Versteigerung (§§ 383 ff. BGB), aber nicht durch deren Beseitigung befreien dürfen. Da die Klägerin nicht vorgetragen hat, daß nach tunesischem Recht es ihr gestattet wäre, das Granulat wegzuwerfen, liegt die Annahme eines grob fahrlässigen Rechtsirrtums nicht fern.