BGHZ 116, 244
LM H. 7/1992 § 273 BGB Nr. 49
MDR 1992, 254
DB 1992, 1041
WM 1992, 496
ZIP 1992, 336
NJW 1992, 556
Vgl. hierzu auch die Übersicht
zum Verzug
Der Kl. verkaufte der Bekl. durch notariellen Vertrag vom 31. 7. 1972 eine Teilfläche seines Grundbesitzes zum Preis von 600000 DM. Der Kaufpreis ist gezahlt. Die Auflassung sollte nach Abvermessung der Fläche erklärt werden. Durch notariellen Vertrag vom 10. 12. 1975 hoben die Parteien den früheren Vertrag hinsichtlich eines kleinen Teils der Kauffläche auf. Zugleich kaufte die Bekl. vom Kl. eine weitere Teilfläche für 80000 DM. Diesen Kaufpreis stundete der Kl. bis zum 31. 12. 1980 mit der Abrede, daß hierfür für die Zeit vom 1. 1. 1978 bis 31. 12. 1980 Zinsen von 5 % zu zahlen seien. Kaufpreis und Zinsen hat die Bekl. nicht gezahlt. Die Auflassung sollte nach Erhalt der Meßurkunde erklärt werden. Nach Vermessung der von der Bekl. in den beiden Verträgen gekauften Flächen ist daraus das Flurstück 480/2 gebildet und in das Grundbuch von L. (Grundbuchamt W.), Heft 1079 unter Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses, als Eigentum des Kl. eingetragen worden. Den Besitz an der Parzelle hatte der Kl. mit Abschluß der Verträge auf die Bekl. übertragen. In der Folgezeit erwuchsen dem Kl. gegen die Bekl. aus verschiedenen Schuldgründen Zahlungsansprüche, die beiderseits als Darlehensforderungen behandelt wurden. Am 31. 10. 1986 bestätigte ihm die Bekl. einen Darlehensstand von 277736,22 DM. Mit Schreiben seiner Anwälte vom 17. 7. 1987 kündigte der Kl. das Darlehen. Durch Anwaltsschreiben vom 20. 10. 1987 setzte er der Bekl. unter Ablehnungsandrohung eine Frist zur Zahlung des Kaufpreises nebst Zinsen bis zum 11. 11. 1987. Mit Schreiben der Anwälte vom 11. 12. 1987 erklärte er den Rücktritt von dem Kaufvertrag vom 10. 12. 1975. Gleichzeitig verlangte er Tilgung der Darlehensschuld und erklärte seine Bereitschaft zur Auflassung gemäß dem Kaufvertrag vom 31. 7. 1972, sofern die Bekl. die Eintragung einer die Darlehensforderung sichernden Grundschuld bewilligte. In einem weiteren Schreiben vom 14. 12. 1987 bot er der Bekl. die Auflassung gegen Zahlung der Darlehensforderung oder Bewilligung einer Grundschuld an und erklärte, daß die Bekl. hiermit in Verzug gesetzt wurde. Der Kl. hat zunächst beantragt, die Bekl. zur Zahlung von 272946,41 DM nebst 8,5 % Zinsen seit dem 1. 1. 1988 zu verurteilen. Das LG hat ihm durch Teilurteil 211148,15 DM und einen Teil der Zinsen zuerkannt. Sodann hat der Kl. nur noch Zahlung von weiteren 33999,67 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Diesem Anspruch hat das LG durch Schlußurteil stattgegeben. Gegen das Teil- und das Schlußurteil hat die Bekl. Berufung eingelegt. Sie hat beantragt, der Klage nur in einer Höhe von 158847 DM und nur Zug um Zug gegen Auflassung des Flurstücks 480/2 zu entsprechen. Die Bekl. hat Widerklage mit dem Antrag erhoben, den Kl. zu verurteilen, ihr das Flurstück 480/2 Zug um Zug gegen Zahlung von 158847 DM aufzulassen und die Eigentumsumschreibung zu bewilligen. Der Kl. hat im Wege der Anschlußberufung die Feststellung beantragt, (1) daß er der Bekl. die Auflassung entsprechend dem Vertrag vom 31. 7. 1972 in einer den Verzug begründenden Weise angeboten habe, (2) daß der Vertrag vom 10. 12. 1975 wirksam "aufgehoben" sei. Das OLG hat die Berufungen der Bekl. zurückgewiesen und deren Widerklage abgewiesen. Auf die Anschlußberufung hat es - unter Zurückweisung im übrigen - festgestellt, daß der Kl. von dem Kaufvertrag vom 10. 12. 1975 wirksam zurückgetreten sei. Mit der Revision beantragt die Bekl.: (1) sie nur Zug um Zug gegen Auflassung des Flurstücks 480/2 zur Zahlung von 245147,82 DM nebst vorinstanzlich ausgeurteilen Zinsen zu verurteilen; hilfsweise, die Klage abzuweisen, soweit der Kl. mehr als 233147,42 DM nebst Zinsen begehrt; (2) auf die Widerklage den Kl. zu verurteilen, an sie - die Bekl. - das Flurstück 480/2 aufzulassen und die Eigentumsumschreibung zu bewilligen, und zwar Zug um Zug gegen Zahlung von 245147,82 DM nebst Zinsen; (3) die Anschlußberufung in vollem Umfang zurückzuweisen.
Aus den Gründen:
I. Zu Recht hat das BerGer. die Berufungen der
Bekl. gegen das Teil- und das Schlußurteil als zulässig angesehen.
Sie sind in den beiden am letzten Tag der Begründungsfrist eingereichten
Gesuchen um Gewährung von Prozeßkostenhilfe begründet worden.
Diese Form der Begründung reichte aus (BGH, BGHRZPOO § 519 II
1 - Begründungswille 1). Aus der einleitenden Erklärung in diesen
anwaltlichen Schriftsätzen, daß die aufgeführten Berufungsanträge
für den Fall der Gewährung von Prozeßkostenhilfe gestellt
werden, läßt sich nicht entnehmen, daß nur unter dieser
Bedingung - was unzulässig gewesen wäre - die Rechtsmittel begründet
worden sind. Die Schriftsätze genügten inhaltlich den Erfordernissen,
denen nach § 519 III ZPO eine Berufungsbegründung entsprechen
muß, und wahrten die dafür bestehende Notfrist. Deshalb ist
auf den Willen zu schließen, daß die Berufungsbegründung
unabhängig davon gelten solle, ob Prozeßkostenhilfe bewilligt
wird, doch im Falle der Ablehnung die Zurücknahme der Berufung beabsichtigt
ist (in diesem Sinne auch BGH, NJW-RR 1989, 184 = BGHRZPOO § 519 III
- Prozeßkostenhilfegesuch 1; BGH, BGHRZPOO § 519 II 1 - Begründungswille
1). Anders mag es sich mit der - in erster Instanz noch nicht erhobenen
- Widerklage verhalten, weil dazu auch noch angemerkt war, sie werde "nur
insoweit erhoben, als die Bekl. hierfür Prozeßkostenhilfe erhält".
Die Widerklage konnte jedoch in zulässiger Erweiterung der Berufungsanträge
auch nach Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung erhoben werden
(BGH, NJW-RR 1989, 962 = BGHRZPOO § 519 III Nr. 1 - Antragserweiterung
2). Dies ist durch Stellung des Widerklageantrages in der mündlichen
Verhandlung - und dort jedenfalls bedingungslos - geschehen (§ 261
II ZPO). Die Nichteinhaltung der Einlassungsfrist (§ 274 III ZPO)
hat der Kl. nicht gerügt. Der Verfahrensmangel ist daher gem. §
295 ZPO geheilt.
II. In der Sache selbst vertritt das BerGer. folgende
Auffassung: Die Bekl. könne aus dem ihr nach dem Kaufvertrag vom 31.
7. 1972 zustehenden Auflassungsanspruch kein Zurückbehaltungsrecht
gegenüber der Zahlungsforderung des Kl. herleiten, weil er sich wegen
dieser Forderung zeitlich vor der Bekl. auf ein Zurückbehaltungsrecht
gegenüber dem Auflassungsanspruch berufen habe. Gleiches gelte für
die auf den Kaufvertrag vom 10. 12. 1975 gestützte Zurückbehaltungseinrede
der Bekl., so daß der Kl. von diesem Vertrag gemäß §
326 I BGB wirksam zurückgetreten sei. Daher sei auch der Antrag auf
Feststellung der Berechtigung des Rücktritts begründet. Dementsprechend
aber sei die Widerklage abzuweisen. Dagegen wendet sich die Revision mit
Recht.
1. Aus dem Vertrag vom 31. 7. 1972 hatte die Bekl.
einen fälligen Auflassungsanspruch. Die Ausübung des dem Kl.
nach § 273 BGB zustehenden Zurückbehaltungsrechts wegen seiner
Darlehensforderung beseitigte nicht die Fälligkeit des Auflassungsanspruchs,
sondern hatte gem. § 274 I BGB lediglich zur Folge, daß die
Bekl. Auflassung nur noch Zug um Zug gegen Zahlung verlangen konnte. Zwar
war damit der Auflassungsanspruch einredebehaftet, doch konnte ihm die
Bekl., was das BerGer. verkennt, der Forderung des Kl. im Prozeß
entgegenhalten. Für ein Zurückbehaltungsrecht genügt, daß
der eigene Anspruch des Schuldners mit Erfüllung der Forderung des
Gläubigers entsteht und fällig wird (BGHZ 73, 317 (319) = NJW
1979, 1203 = LM § 1223 BGB Nr. 3; BGHZ 111, 154 (156) = NJW 1990,
2067 = LM § 32 ErbbauVO Nr. 2). Folgerichtig kann es auch dann geltend
gemacht werden, wenn durch die Erfüllung das dem Gläubiger seinerseits
zustehende Zurückbehaltungsrecht entfällt. Diese Wirkung tritt
hier ein. Wird nämlich die Bekl. zur Zahlung an den Kl. Zug um Zug
gegen Auflassung verurteilt, so muß er diese nur gegen Tilgung seiner
ganzen Forderung erklären. Mit vollständiger Tilgung ist also
das dem Auflassungsanspruch entgegengehaltene Zurückbehaltungsrecht
verbraucht, mithin dieser Anspruch voll wirksam. Sollte das BerGer. meinen,
der Kl. habe mit Schreiben vom 31. 8. 1978 die Bekl. in Annahmeverzug gesetzt,
so wäre dies für die Entscheidung unbeachtlich. Denn Annahmeverzug
stünde der Zug-um-Zug-Verurteilung nicht entgegen, sondern gäbe
dem Kl. nach § 274 II BGB nur die Befugnis, aus dem Urteil ohne Bewirkung
der eigenen Leistung die Zwangsvollstreckung zu betreiben (BGHZ 90, 354
(358) = NJW 1984, 1679 = LM § 273 BGB Nr. 37; RGZ 84, 228). Diese
Möglichkeit scheidet hier indes aus, weil das BerGer. den auf Feststellung
des Annahmeverzuges gerichteten Antrag des Kl. rechtskräftig als unbegründet
abgewiesen hat.
2. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Auflassungsanspruchs
aus dem Kaufvertrag vom 10. 12. 1975 versagt das BerGer. der Bekl. mit
der Begründung, von diesem Vertrag sei der Kl. wegen Verzuges mit
der Kaufpreiszahlung gem. § 326 I BGB wirksam zurückgetreten.
Ein den Verzug ausschließendes Zurückbehaltungsrecht, so meint
das BerGer., habe der Bekl. nicht zugestanden, weil ihr Auflassungsanspruch
schon mit der auf die Klageforderung gestützten Rückbehaltungseinrede
des Kl. behaftet gewesen sei. Dieser Standpunkt ist rechtsirrig. Denn die
Einrede des Kl. konnte keinen Zahlungsverzug begründen, sondern -
wie dargelegt - lediglich dazu führen, daß die Bekl. Auflassung
nur noch Zug um Zug gegen Zahlung verlangen durfte. Das Berufungsurteil
ist in diesem Punkt auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig
(§ 563 ZPO). Aus dem Kaufvertrag vom 10. 12. 1975 schuldete der Kl.
die Auflassung, die Bekl. den Kaufpreis nebst Vertragszinsen. Daher hatte
die Bekl. wegen ihres Auflassungsanspruchs, der Kl. wegen seiner Kaufpreisanforderung
(nebst Zinsen) die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem. §
320 I BGB. Gleichgültig ist, ob der Kl. diese Einrede früher
als die Bekl. erhoben hat. Denn schon das Bestehen des im Prozeß
geltend gemachten Leistungsverweigerungsrechts schloß einen Zahlungsverzug
der Bekl. aus (st. Rspr. des BGH, vgl. Senat, NJW 1966, 200 (201) = LM
§ 320 BGB Nr. 9; BGHZ 84, 42 (44) = NJW 1982, 2242 = LM § 320
BGB Nr. 21; BGH, NJW 1982, 2494 (2495) = LM § 17 VOB/B 1973 Nr. 3).
Zahlungsverzug hätte der Kl. nur herbeiführen können, wenn
er seine Gegenleistung - die Auflassungserklärung - der Bekl. tatsächlich
angeboten hätte (BGH, WM 1983, 863 (864); Staudinger-Löwisch,
BGB, 12. Aufl., § 284 Rdnr. 12; Walchshöfer, in: MünchKomm,
2. Aufl., § 284 Rdnr. 14; Soergel-Wiedemann, BGB, 12. Aufl., §
284 Rdnr. 16; Palandt-Heinrichs, BGB, 50. Aufl., § 284 Rdnr. 13).
Die im Anschluß an RGZ 126, 280 (285) (ähnlich RG, JW 1921,
523 (524)) vereinzelt vertretene Ansicht, es genüge, wenn der Gläubiger
zur Gegenleistung "bereit und imstande" sei (so u. a. Fikentscher, SchuldR,
6. Aufl., § 45 II 4c; Erman-Battes, BGB, 8. Aufl., § 284 Rdnr.
15), wird der Bestimmung des § 320 I BGB nicht gerecht. Denn danach
kann der Schuldner seine Leistung bis zur "Bewirkung" der Gegenleistung
verweigern. Diese Befugnis soll den Anspruch auf die Gegenleistung sichern
und Druck auf deren Schuldner ausüben, damit dieser leistet (BGH,
NJW 1982, 2494). Das aber ist nur erreichbar, wenn die Gegenleistung in
einer Weise angeboten wird, daß deren Erfüllung sichergestellt
ist. Notwendig ist deshalb ein Angebot, das Annahmeverzug zu begründen
vermag. Voraussetzung dafür ist nach § 294 BGB, daß die
Leistung so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten wird,
also der Gläubiger nur noch zuzugreifen braucht (BGHZ 90, 354 (359)
= NJW 1984, 1679 = LM § 273 BGB Nr. 37). Wenn dann der Gläubiger
zwar die ihm angebotene Leistung annehmen will, aber nicht die von ihm
verlangte Gegenleistung anbietet, kommt er auch dadurch in Annahmeverzug
(§ 298 BGB). Die Auflassung erfordert, daß Angebot und Annahme
bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Vertragsparteien vor dem Notar erklärt
werden (§ 925 BGB; BGHZ 29, 6 = NJW 1959, 626). Das Angebot ist daher
in der Weise zu bewirken, daß der Schuldner den Termin zur Auflassung
dem Gläubiger unter Wahrung einer angemessenen Frist mitteilt (§
299 BGB entspr.) und zu diesem Termin bei dem bereiten Notar erscheint,
um die Auflassung in der Form des § 29 I 1 GBO in Gegenwart des Gläubigers
zu erklären. Annahmeverzug tritt sodann ein, wenn der Gläubiger
entweder dem Termin fernbleibt (§ 299 BGB entspr.) oder wenn er zwar
anwesend ist, aber nicht die Angebotserklärung annimmt oder nicht
vor Annahme die ihm abverlangte Gegenleistung tatsächlich anbietet
(§ 298 BGB). So aber ist der Kl. unstreitig nicht vorgegangen. Das
in der Revisionserwiderung angeführte Schreiben vom 17. 11. 1987 enthielt
nur ein wörtliches Angebot. Ein solches genügte nicht, weil nicht
dargetan ist, daß die Bekl. erklärtermaßen nicht bereit
war, die Leistung anzunehmen (§ 295 BGB). Die Bekl. hatte zudem mit
Schreiben vom 25. 10. 1987 ihren Auflassungsanspruch aus dem Vertrag vom
31. 7. 1972 der Kaufpreisforderung des Kl. entgegengehalten (§ 273
BGB). Der Kl. hätte deshalb die aus beiden Kaufverträgen geschuldete
Auflassung tatsächlich anbieten müssen. Der Rücktritt des
Kl. von dem Kaufvertrag vom 10. 12. 1975 war mithin unberechtigt.
3. Demgemäß ist der dem Kl. vorinstanzlich
zuerkannte Anspruch auf Zahlung von 245147,82 DM nebst Zinsen nur Zug um
Zug gegen Auflassung des Flurstücks 480/2 und Bewilligung der Eigentumsumschreibung
begründet. Daraus folgt zugleich, daß der vom Kl. mit der Anschlußberufung
geltend gemachte Antrag auf Feststellung, daß er von dem Kaufvertrag
vom 10. 12. 1975 wirksam zurückgetreten sei, unbegründet ist.
Die Anschlußberufung ist deshalb in vollem Umfang zurückzuweisen.
4. Die auf Verurteilung des Kl. zur Übereignung
des Flurstücks 480/2, Zug um Zug gegen Zahlung von 245147,82 DM, gerichtete
Widerklage ist mit der im Revisionsantrag berücksichtigten Einschränkung
gerechtfertigt, daß die Bekl. über diesen Betrag hinaus auch
die dem Kl. im Rahmen seines Zahlungsantrages vorinstanzlich zuerkannten
Zinsen zu zahlen hat. Außer Betracht bleiben muß hingegen,
daß die Bekl. auch noch den Kaufpreis von 80000 DM aus dem Vertrag
vom 10. 12. 1975 schuldet. Denn der Kl. hat wegen dieser Forderung nicht,
auch nicht hilfsweise, ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht.
Dies wäre gem. § 322 I BGB nötig gewesen (allg. Auff., vgl.
Soergel-Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 322 Rdnrn. 6 ff. m. w. Nachw.)